
(Abu Dhabi) Anfang November wurde auf der Insel al-Sinniyah ein Mönchskloster aus vorislamischer Zeit entdeckt. Die Meldung fand im Rahmen der Berichterstattung über die Fußballweltmeisterschaft im benachbarten Katar einige Aufmerksamkeit. Dabei handelt es sich nicht um die erste Entdeckung dieser Art und bestätigt, wie weit sich das Christentum an den Rändern der arabischen Halbinsel bereits ausgebreitet hatte, bevor der Islam auftrat.
Die Insel al-Sinniyah gehört zum Emirat Umm al-Qaiwain, einem der sieben Emirate, die in den Vereinigten Arabischen Emiraten vereinigt sind. Auf der Insel wurden eine Kirche, ein Refektorium, Wasserzisternen und Mönchszellen gefunden. Das Kloster dürfte um 580, ein knappes halbes Jahrhundert vor der Islamisierung, gegründet worden sein und bis gegen 800 bestanden haben. Die Gründe, warum es aufgelassen wurde, sind nicht bekannt. Eine Zerstörung fand jedenfalls nicht statt. Die Insel wurde im 18. Jahrhundert ein weiteres Mal verlassen und zwar von der heutigen Herrscherfamilie des Emirats Umm al-Qaiwain. Damals zwang fehlendes Trinkwasser dazu, die Insel aufzugeben.
Das Emirat Umm al-Qaiwain ist kaum doppelt so groß wie das Fürstentum Liechtenstein und zählt eine Bevölkerung von 75.000 Menschen. Nur knapp 22.000 davon sind Einheimische und besitzen die Staatsbürgerschaft. Regiert wird das Emirat seit 1768 von der Familie Al-Mualla, die traditionell den Stamm Al Ali anführte, dessen Ursprung im Nadsch, dem Zentralraum der arabischen Halbinsel, zu suchen ist.
Im 19. Jahrhundert war der Küstenabschnitt verrufen unter dem Namen „Piratenküste“. Um ihren Seehandel mit Indien nicht zu gefährden, erzwangen die Briten einen „ewigen Seefrieden“ mit den Emiraten der Piratenküste, die von 1853 bis 1971 als sogenannter „Vertragsoman“ ein britisches Protektorat waren. Als sie die Unabhängigkeit wiedererlangten, schlossen sich sieben Scheichtümer zur Föderation der Vereinigten Arabischen Emirate zusammen.
Heute ist in allen Emiraten der Islam die Staatsreligion, und die Scharia, das islamische Gesetz, ist die wichtigste Rechtsquelle. Bevor jedoch der Islam in diese Gegend vordrang, hatte sich hier das Christentum ausgebreitet. Das nun entdeckte Kloster auf der Insel al-Sinniyah ist nicht das einzige seiner Art. Seit 2010 sind auf der Insel Sir Bani Yas, die als Teil des Emirats Abu Dhabi ebenfalls zu den Vereinigten Arabischen Emiraten gehört, die Ruinen eines christlichen Mönchsklosters aus byzantinischer und frühislamischer Zeit zu besichtigen. 2019 wurde der Archäologiepark erweitert. Während man bis über den Zweiten Weltkrieg hinaus davon ausging, daß dieser Teil der arabischen Halbinsel vom Christentum nicht berührt worden sei, entsteht durch die jüngsten archäologischen Entdeckungen ein anderes Bild.

Das Kloster auf Sir Bani Yas wurde bereits 1992 entdeckt. Es dürfte nach Auskunft der Archäologen von 30 bis 40 Mönchen bewohnt worden sein. Die Klosterkirche war zunächst einschiffig, dann dreischiffig. Im Gegensatz zur nun entdeckten Anlage von al-Sinniyah, wo Einzelzellen für die Mönche vermutet werden, gab es auf Sir Bani Yas ein Dormitorium, einen gemeinsamen Schlafsaal der Mönche. Das könnte auf unterschiedliche Mönchstraditionen hinweisen. Die Wissenschaftler vermuten, daß es sich jedoch da wie dort um nestorianische Mönche handelte. Ein Nachweis dafür läßt sich derzeit aber nicht erbringen. Die Vermutung gründet primär auf dem Wissen, daß das nestorianisch beeinflußte Patriarchat von Seleukeia-Ktesiphon, das sich Ende des 5. Jahrhunderts von der Reichskirche abspaltete, von Mesopotamien aus eine intensive Missionsarbeit leistete, die sie erfolgreich bis nach Indien und über Zentralasien bis nach China und in die Mongolei führte.

Die Insellage der Klöster von al-Sinniyah und Sir Bani Yas dürfte es den Mönchen erlaubt haben, länger unter islamischer Herrschaft bestehen zu können, da Christen eine Kopfsteuer zu bezahlen hatten und in der Öffentlichkeit ihren Glauben nicht zeigen durften. Die meisten beim Auftreten des Islams in dessen Kernraum wohl schon zahlreichen Kirchen verschwanden dagegen schnell. Man denke aber an die Bilder von Jesus und Maria in der Kaba von Mekka und in Masajid Maryam. Die christliche Präsenz war vor allem im Hedschas und Südarabien stark, wo sich neben dem byzantinischen auch der aksumitische Einfluß geltend machte. Der König von Aksum bekehrte sich bereits um 350 und wurde Christ. Er wird von der äthiopisch-orthodoxen Kirche als Heiliger verehrt.
Während an der persischen Golfküste (Iran) frühchristliche Kirchen und Klöster schon länger bekannt sind, wurden ebensolche an der arabischen Golfküste erst in den vergangenen 35 Jahren entdeckt. Neben den beiden Klosterinseln in den Vereinigten Arabischen Emiraten wurden vorislamische Kirchenbauten auch in Bahrain, Kuwait und Saudi-Arabien gefunden. Im saudischen al-Dschubail (Provinz Schariqiyya), zwischen Katar und Kuwait gelegen, entdeckten Wüstenwanderer 1986 eine Kirchenruine aus dem 4. Jahrhundert.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: AsiaNews/Facebook (Screenshot)