Carlo Freccero: „Es braucht eine straf- und zivilrechtliche Aufarbeitung der Corona-Zeit“ – Die politische Linke ist zutiefst lebensfeindlich

Medienanalyst über die Regierung von Giorgia Meloni


Der ehemalige Fernsehintendant und Medienanalyst Carlo Freccero zeigt sich zurückhaltend positiv über die neue italienische Regierung unter Giorgia Meloni.
Der ehemalige Fernsehintendant und Medienanalyst Carlo Freccero zeigt sich zurückhaltend positiv über die neue italienische Regierung unter Giorgia Meloni.

(Rom) Die neue ita­lie­ni­sche Rechts­re­gie­rung unter Mini­ster­prä­si­den­tin Gior­gia Melo­ni sorgt für Anfein­dun­gen, aber auch Inter­es­se. Ver­schie­de­ne ita­lie­ni­sche Stim­men sol­len eine dif­fe­ren­zier­te­re Sicht­wei­se erlau­ben, als sie die ein­sei­ti­ge Bericht­erstat­tung im deut­schen Sprach­raum ermög­licht. Heu­te soll Car­lo Frec­ce­ro Raum gege­ben wer­den. Frec­ce­ro ist einer der füh­ren­den Medi­en­pro­fis in Ita­li­en. Er hofft auf Ver­än­de­run­gen durch die neue Regie­rung, gibt sich aber noch skep­tisch, ob es zu dem ver­spro­che­nen Bruch mit der jün­ge­ren Ver­gan­gen­heit kom­men wird. Der ehe­ma­li­ge Lin­ke sieht in der poli­ti­schen Lin­ken zutiefst lebens- und men­schen­feind­li­che Kräf­te am Werk.

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Nach sei­nem Stu­di­um der Phi­lo­so­phie an der Uni­ver­si­tät Genua gehör­te er Ende der 70er/​Anfang der 80er Jah­re zu den Pio­nie­ren des ita­lie­ni­schen Pri­vat­fern­se­hens um Sil­vio Ber­lus­co­ni, der ihn in der zwei­ten Hälf­te der 80er Jah­re auch nach Frank­reich schick­te, um dort den pri­va­ten Fern­seh­sen­der La Cinq zu leiten. 

Frec­ce­ro ist seit den 90er Jah­ren Lehr­be­auf­trag­ter für Jour­na­li­stik und Medi­en­ana­ly­se an ver­schie­de­nen in- und aus­län­di­schen Uni­ver­si­tä­ten, dar­un­ter auch an der Sor­bon­ne in Paris. 1996 wur­de er von der dama­li­gen Mit­te-links-Regie­rung von Roma­no Pro­di zum Inten­dan­ten von RAI 2 ernannt, dann zum Chef von Rai­Sat und schließ­lich zum Grün­dungs­in­ten­dan­ten von RAI 4, ehe er dann wie­der bis 2019 Inten­dant von RAI 2 wurde. 

Zwi­schen 2013 und 2018 voll­zog Frec­ce­ro einen grund­le­gen­den Rich­tungs­wech­sel sei­ner poli­ti­schen Ansich­ten. Er stand vie­le Jah­re der radi­ka­len Lin­ken nahe, näher­te sich 2015 der Fünf­ster­ne­be­we­gung und ver­tritt seit 2018 patrio­ti­sche und EU-kri­ti­sche Posi­tio­nen der Sou­ve­rä­ni­täts­be­we­gung. In der heu­ti­gen Aus­ga­be der Tages­zei­tung La Veri­tà spricht er über die neue Regie­rung von Gior­gia Melo­ni und die lebens­feind­li­che Poli­tik der poli­ti­schen Linken. 

Frec­ce­ro zeigt sich zurück­hal­tend in der Ein­schät­zung der neu­en Regie­rung: Er sei noch nicht über­zeugt davon, daß es unter Gior­gia Melo­ni tat­säch­lich zur „ange­kün­dig­ten Wen­de“ kom­men wer­de. Dafür brau­che es „noch stär­ke­re Bewei­se der Dis­kon­ti­nui­tät gegen­über der jün­ge­ren Ver­gan­gen­heit“. Ihm sei noch zu gut die EU-skep­ti­sche Regie­rung aus Fünf­ster­ne­be­we­gung und Lega von 2018/​2019 in Erin­ne­rung, die nach nur einem Jahr im Amt, um Ursu­la von der Ley­en ins Amt der EU-Kom­mis­si­ons­prä­si­den­tin zu heben, zum „gestürz­ten Umsturz“ wurde. 

Die­sel­ben „star­ken Mäch­te“, so der Medi­en­ana­lyst, die 2018 auf die Fünf­ster­ne­be­we­gung gesetzt hat­ten, hät­ten nun nach den­sel­ben Kri­te­ri­en Gior­gia Melo­ni an die Macht gelassen. 

„Melo­ni hat nun zwei Mög­lich­kei­ten: zu gehor­chen, oder – im Gegen­satz zur Fünf­ster­ne­be­we­gung – die Regeln des Systems zu ihren Gun­sten zu nützen.“ 

Tue sie das nicht, wäre sie nur eine Neu­auf­la­ge von Mario Draghi, dem bis­he­ri­gen Mini­ster­prä­si­den­ten und ehe­ma­li­gen EZB-Chef, „mit blon­der Perücke“.

Kann sich Giorgia Meloni freischwimmen?

Unter „star­ken Mäch­ten“ ver­steht Frec­ce­ro den „Deep Sta­te der USA und der EU“. Dabei hand­le es sich nicht um „Ver­schwö­rungs­theo­rien“, wie ger­ne behaup­tet wer­de, denn er bezie­he sei­ne Infor­ma­tio­nen nur aus dem Stu­di­um von Fak­ten und Doku­men­ten. Jeder müs­se selbst ent­schei­den, ob er „unwis­send“ blei­ben wol­le, er wol­le es jeden­falls nicht.

Heu­te sei es sehr schwer, so Frec­ce­ro, als Außen­sei­ter in die Poli­tik ein­zu­stei­gen, und noch schwe­rer sei es dann Poli­tik zu machen. Das poli­ti­sche Per­so­nal wer­de im Vor­feld aus­ge­wählt und gesiebt, müs­se bestimm­te Aus­bil­dungs­pro­gram­me durch­lau­fen und wer­de erst dann zu bestimm­ten Macht­zir­keln zuge­las­sen. Auch Melo­ni habe die­sen Zutritt gesucht und sei häu­fig in die USA gereist: „Sie macht nicht den Ein­druck einer System­kri­ti­ke­rin.“ Den Wahl­sieg habe sie errun­gen, weil sie als ein­zi­ge nicht der Regie­rung Draghi ange­hör­te und die Wäh­ler­kli­en­tel der Lega erb­te, die Unter­neh­mer der Klein- und Mit­tel­be­trie­be Nord­ita­li­ens und deren Ange­stell­te und Arbei­ter, die Schutz vor den glo­ba­li­sti­schen Wirt­schafts­eli­ten suchen, die ihnen den Tod brin­gen. Melo­nis ein­zi­ger Weg kön­ne es unter den gege­be­nen Bedin­gun­gen nur sein, sich „Frei­räu­me“ inner­halb der auf­ge­zwun­ge­nen Regeln zu verschaffen. 

Dazu gehö­re die Maß­nah­me, die Bar­geld­ober­gren­ze anzu­he­ben, die ein „Über­wa­chungs­ka­pi­ta­lis­mus“ in Ita­li­en nach unten gedrückt hat­te mit dem Ziel, ihn durch Digi­tal­geld zu erset­zen. Bar­geld dür­fe nicht unter dem ein­sei­ti­gen Aspekt einer mög­li­chen Steu­er­hin­ter­zie­hung gese­hen wer­den, son­dern in erster Linie als ein Frei­heits­prin­zip. Das Gegen­teil sei inak­zep­ta­bel. Bei Unge­hor­sam, so Frec­ce­ro, könn­te sogar der Zugang zum eige­nen Geld für das Lebens­not­wen­di­ge gesperrt wer­den, wie es Justin Tru­deau im ver­gan­ge­nen Febru­ar gegen die Last­wa­gen­fah­rer getan hat­te, die gegen sei­ne Coro­na-Maß­nah­men pro­te­stier­ten. Noch wich­ti­ger als die Anhe­bung der Bar­geld­ober­gren­ze müs­se für die neue Regie­rung die Ein­däm­mung der Teue­rungs­ra­te sein.

Die Corona-Zeit aufarbeiten

Ein wich­ti­ges Zei­chen der Dis­kon­ti­nui­tät gegen­über der Vor­gän­ger­re­gie­rung ist für Frec­ce­ro, daß „Coro­na-Mini­ster“ Rober­to Spe­ran­za, Gesund­heits­mi­ni­ster unter Mario Draghi, nicht mehr im Amt ist. In ihm müs­se „eine gene­ti­sche Ver­än­de­rung“ statt­ge­fun­den haben, denn er sei so auf Coro­na fixiert, daß er „die Pan­de­mie am Leben erhal­ten will, obwohl sie längst tot ist“. In einem „end­lich vom Mas­ken­zwang befrei­ten Par­la­ment erschei­ne ein noch immer mas­ken­tra­gen­der Spe­ran­za wie ein memen­to mori. Es sei an eine Mah­nung, wach­sam zu sein, denn die­se Pan­de­mie sei zu Ende, doch „ande­re Pan­de­mien befin­den sich bereits auf der Agen­da, wenn man Bill Gates spre­chen hört“. 

Ein wirk­li­cher Bruch mit der Coro­na-Ver­gan­gen­heit, so Frec­ce­ro, sei ein Para­dig­men­wech­sel im Gesund­heits­be­reich, in dem inak­zep­ta­ble Coro­na-Geset­ze besei­tigt und repres­si­ve Maß­nah­men unmög­lich gemacht wer­den. Die Sache nur „ein­schla­fen“ zu las­sen hie­ße, die repres­si­ven Rechts­nor­men der Regie­run­gen Con­te II und Draghi auf Vor­rat bei­zu­be­hal­ten und jeder­zeit und dann viel schnel­ler reak­ti­vie­ren zu kön­nen. Die Ein­set­zung eines par­la­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schus­ses zur Auf­ar­bei­tung der Coro­na-Zeit rei­che nicht aus. Bezeich­nend sei, so Frec­ce­ro, daß sich Staats­prä­si­dent Ser­gio Mat­tar­el­la sofort gegen die Ein­set­zung eines sol­chen Unter­su­chungs­aus­schus­ses aus­ge­spro­chen hat. Eine Auf­ar­bei­tung sei auf zwei Ebe­nen not­wen­dig, der straf­recht­li­chen wegen der poten­ti­el­len Gesund­heits­ge­fähr­ung und der Repres­sio­nen und der zivil­recht­li­chen „zur Klä­rung der Inter­es­sens­kon­flik­te“ rund um Mas­ken­zwang, Impf­stoff­zu­las­sung und Impfstoffeinkauf.

Lebensfeindliche Linke will „die Entvölkerung des Planeten“

Frec­ce­ro betont, die „Diver­si­tät“ und damit auch die Homo­se­xua­li­tät gegen Ver­bo­te ver­tei­digt zu haben, doch heu­te fin­de ein Kampf gegen die Hete­ro­se­xua­li­tät statt, die unter Ankla­ge gestellt wer­de. In die­sem Punkt habe Melo­ni in ihrer Regie­rungs­an­spra­che Kan­te gezeigt und die Ver­tei­di­gung einer tra­di­tio­nel­len und kon­ser­va­ti­ven Posi­ti­on versprochen. 

„Was sind im Gegen­satz dazu heu­te die Wer­te der poli­ti­schen Lin­ken? Abtrei­bung, Eutha­na­sie und Gen­der-Ideo­lo­gie, alles Posi­tio­nen mit einem dys­to­pi­schen klein­sten gemein­sa­men Nen­ner: der Ent­völ­ke­rung des Planeten.“

Die trans­at­lan­ti­sche Aus­rich­tung und die EU-Mit­glied­schaft schei­nen unan­tast­bar zu sein, so Frec­ce­ro, doch kön­ne die­se Ein­schrän­kung auch zu einer Chan­ce werden: 

„In weni­gen Tagen fin­den in den USA die Zwi­schen­wah­len statt. Den Krieg will Joe Biden, der in der Ukrai­ne einen star­ken Inter­es­sens­kon­flikt hat, wie die Akti­vi­tä­ten sei­nes Soh­nes Hun­ter bewei­sen. Soll­ten die Repu­bli­ka­ner die Mehr­heit im Par­la­ment gewin­nen, wird sich die ame­ri­ka­ni­sche Poli­tik im patrio­ti­schen anstatt im glo­ba­li­sti­schen Sinn ändern. Auch Melo­ni könn­te die­sem Umbruch fol­gen und ihn nützen.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons

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