Christliche Vergangenheit am Roten Meer

Die Blemmyer zwischen Nil und Berenike


Qasr Ibrim, heute eine Insel im Nil: Im Bild die Ruinen der großen Marienkathedrale, die im 16. Jahrhundert von den Osmanen in eine Moschee umgewandelt wurde.
Qasr Ibrim, heute eine Insel im Nil: Im Bild die Ruinen der großen Marienkathedrale, die im 16. Jahrhundert von den Osmanen in eine Moschee umgewandelt wurde.

Bere­ni­ke (heu­te Bara­nis) liegt in der öst­li­chen Wüste im äußer­sten Süden Ägyp­tens, an der Küste des Roten Mee­res. Die anti­ke Hafen­stadt Bere­nice Tro­glo­dy­ti­ca war in hel­le­ni­sti­scher Zeit im 3. Jahr­hun­dert v. Chr. von Pto­le­mä­us II. gegrün­det wor­den. Eine pol­nisch-ame­ri­ka­ni­sche Expe­di­ti­on des Pol­ni­schen Zen­trums für Archäo­lo­gie des Mit­tel­meers an der Uni­ver­si­tät War­schau und der Uni­ver­si­tät Dela­ware erforscht die Gegend.

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Vor kur­zem wur­de in Bere­ni­ke, die Stadt war nach Pto­le­mä­us‘ Mut­ter benannt, ein Grab mit Koral­len­wän­den und ‑böden sowie mit rei­chen Grab­bei­ga­ben gefun­den. Das Grab bie­tet Auf­schluß über eine bis­her wenig bekann­te Pha­se der Stadt im 4. und 5. Jahr­hun­dert n. Chr.

Die For­scher sind an der Viel­falt der Bestat­tungs­sit­ten inter­es­siert und pla­nen auch paläo­an­thro­po­lo­gi­sche Ana­ly­sen. Bere­ni­ke stand zu jener Zeit nicht mehr unter römi­scher Herr­schaft, son­dern wur­de von den Blem­my­ern kon­trol­liert, einem Noma­den­volk, das aus der nubi­schen Wüste stamm­te und im 4. Jahr­hun­dert ein Gebiet am Nil süd­lich von Assu­an besetz­te, von dort aber Mit­te des 5. Jahr­hun­derts von den Nubi­ern, wahr­schein­lich im Auf­trag der Römer, ver­trie­ben und in die öst­li­che Wüste ver­drängt wur­de, wo es von der heu­ti­gen ägyp­tisch-suda­ne­si­schen Gren­ze bis nach Äthio­pi­en leb­te. Die Blem­my­er nütz­ten die römi­schen Bau­ten in Bere­ni­ke zeit­wei­se, wur­den also in der ersten Hälf­te des 5. Jahr­hun­derts teil­wei­se seß­haft und bil­de­ten ein König­reich am süd­li­chen Roten Meer, öst­lich der Nubier.

Der pro­fi­ta­ble Fern­han­del, der zur Grün­dung und zum Wachs­tum des Hafens geführt hat­te, bestand in byzan­ti­ni­scher Zeit fort. Der Hafen war eine Etap­pe auf den Han­dels­we­gen, die den Indi­schen Oze­an, die ara­bi­sche Halb­in­sel, Ost­afri­ka und Byzanz ver­ban­den. Auf dem Land­weg war Bere­ni­ke über die Via Hadria­na mit Anti­nou­po­lis, dem heu­ti­gen Sheikh Iba­da ver­bun­den. Das heu­ti­ge Bara­nis ist nur mehr ein Dorf mit 650 Einwohnern.

Das unter­such­te Grab­mal ist eines von meh­re­ren ober­ir­di­schen Bau­wer­ken, die auf einem Hügel, unweit der Haupt­stra­ße der Stadt, errich­tet wur­den. Es han­delt sich um einen recht­ecki­gen Raum, der fast 5 Meter lang ist. Der Boden besteht aus glat­ten, gut sor­tier­ten wei­ßen Koral­len. Für den Ver­putz der Wän­de wur­de eine ande­re Art von Koral­le ver­wen­det, die mit Lehm ver­mischt wurde.

Im Inne­ren des Gra­bes wur­den Bestat­tun­gen und rei­che Gegen­stän­de wie 700 Per­len, von denen eini­ge aus Süd­asi­en stam­men, meh­re­re Sil­ber­rin­ge und Ohr­rin­ge sowie Arm­bän­der aus Elfen­bein ent­deckt. Auch Wein­am­pho­ren und Kera­mik­fla­schen wur­den gefun­den. Es gab auch Räu­cher­ge­fä­ße und Scha­len. Eines der beein­druckend­sten Räu­cher­ge­fä­ße wur­de in Stein gemei­ßelt und hat eine Ver­zie­rung in Form eines Löwenkopfes.

Die Ver­wen­dung von mit Koral­len ver­misch­tem Gips als Bau­ma­te­ri­al ist in der Archi­tek­tur der Zeit, aus der das Grab stammt, ein­zig­ar­tig und wur­de erst­mals in Bere­ni­ke nach­ge­wie­sen. Sicher­lich han­del­te es sich um einen Bestat­tungs­ort für Men­schen mit sehr hohem sozia­lem Sta­tus, für Mit­glie­der der loka­len Elite.

Die Beziehungen zu den christlichen nubischen Königreichen

Um 450 sind ein König der Blem­my­er namens Pho­nen und sein Sohn, der Stam­mes­füh­rer Brey­tek, greif­bar, die in schlech­tem Grie­chisch auf Papy­rus einen Brief an König Abur­ni von Naba­di­en schrie­ben. Der Brief wur­de 1976 in der Rui­nen­fe­stung Qasr Ibrim in Nie­der­nu­bi­en ent­deckt, die seit der Flu­tung des Nas­serstau­sees als Insel erhal­ten blieb.

Gebiet der Blem­my­er um 600; christ­li­che König­rei­che
süd­lich von Ägypten

Naba­di­en war ein nubi­sches Klein­kö­nig­reich, das zu den Nach­fol­ge­staa­ten des Reichs von Kusch gehör­te und von Ägyp­ten aus chri­stia­ni­siert wur­de. Der Vor­gän­ger Abur­nis, König Sil­ko, hat­te die Blem­my­er besiegt und vom Nil ver­trie­ben. In dem Brief weist er sich als Christ aus. Bereits in den Grab­stät­ten der loka­len Bevöl­ke­rung der Städ­te Nie­der­nu­bi­ens des 4. Jahr­hun­dert gibt es Fun­de von früh­christ­li­chen reli­giö­sen Gegen­stän­den, die in Alex­an­dria, Fayum und Syri­en gefer­tigt wur­den. Über­haupt ist ein frü­her Kon­takt mit Chri­sten, die im 3. Jahr­hun­dert vor der Ver­fol­gung durch den römi­schen Staat nach Nubi­en flüch­te­ten, in Legen­den belegt.

Über Angrif­fe der Blem­my­er auf das byzan­ti­ni­sche Ägyp­ten beklag­te sich Nesto­ri­us, der abge­setz­te Patri­arch von Kon­stan­ti­no­pel, der nach Ach­mim (dem grie­chi­schen Pano­po­lis oder Chem­mis) im süd­li­chen Ober­ägyp­ten ver­bannt wor­den war. Blem­my­er und Naba­den wer­den gemein­sam von Byzanz besiegt, wor­auf die Naba­den einen Föde­ra­ten­sta­tus anneh­men und die Blem­my­er, wie dar­ge­stellt, unterwerfen.

Im Gegen­satz zu den christ­li­chen nubi­schen König­rei­chen am Nil läßt sich für die halb­no­ma­di­schen Blem­my­er bis­her nicht sicher nach­wei­sen, daß sie Chri­sten wur­den. Indi­rekt läßt sich jedoch dar­auf schlie­ßen, da Kai­ser Justi­ni­an um 536 den Isis-Kult auf der Nil-Insel Philae besei­tig­te. Der Tem­pel war bis dahin der ein­zi­ge heid­ni­sche Tem­pel, der im Byzan­ti­ni­schen Reich gedul­det war, weil die Byzan­ti­ner, nach­dem sie die Blem­my­er besiegt hat­ten, die­sen den Zugang zum Tem­pel ver­trag­lich zuge­si­chert hat­ten. Die Insel Philae hat­te zum Gebiet am Nil gehört, das die Blem­my­er im 3. Jahr­hun­dert besetzt hat­ten, aber im 4. Jahr­hun­dert dar­aus ver­trie­ben wor­den waren. Unter dem seit etwa 525 regie­ren­den Bischof Theo­do­rus von Philae wur­de der Isis-Tem­pel in eine dem hei­li­gen Ste­pha­nus geweih­te Kir­che umge­wan­delt, was dar­auf hin­weist, daß die Unter­stüt­zung für die heid­ni­schen Prie­ster im Volk schwä­cher gewor­den war und ein nicht uner­heb­li­cher Teil bereits das Chri­sten­tum ange­nom­men hat­te. Da die Chri­stia­ni­sie­rung der süd­li­cher gele­ge­nen nubi­schen Gebie­te bereits weit fort­ge­schrit­ten war, darf die Tem­pel­um­wand­lung als Indiz gese­hen wer­den, daß dies auch für die Blem­my­er zutrifft. 

Kos­mas Indi­ko­pleu­stes bestä­tigt Mit­te des 6. Jahr­hun­derts, daß die Naba­den Kir­chen und Bischö­fe haben. Da die Blem­my­er zu die­ser Zeit Teil des König­reichs Naba­di­en waren und mit die­sen gemein­sam als wahr­schein­li­che Föde­ra­ten der Byzan­ti­ner genannt wer­den, sind auch sie damit gemeint.

Auch nach der Isla­mi­sie­rung Vor­der­asi­ens und Ägyp­tens blieb Nord­nu­bi­en in Afri­ka ein geschlos­se­nes christ­li­ches Gebiet, das zahl­rei­che christ­li­che Flücht­lin­ge ange­zo­gen haben wird.

Im 14. Jahr­hun­dert wur­de Nubi­en vom isla­mi­schen Ägyp­ten erobert, was für die Bevöl­ke­rung zunächst aber kaum Aus­wir­kun­gen hat­te. Von einer Isla­mi­sie­rung der Blem­my­er, die von den Ara­bern Bedscha genannt wur­den, ist erst ab dem 15. Jahr­hun­dert die Rede. Tat­säch­lich ist zumin­dest bis 1463 ein Eparch, ein Bischof, für Naba­di­en gesi­chert. Die Isla­mi­sie­rung wird unter den Blem­my­ern (Bedscha) wie in Naba­di­en erst mit der osma­ni­schen Erobe­rung im 16. Jahr­hun­dert durch­schla­gend gewor­den sein.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons

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