(Rom) Papst Franziskus empfing gestern die Teilnehmer der Pastoraltage der Communautés catholiques francophones dans le monde (CCFM), der französischsprachigen katholischen Gemeinschaften in der Welt, in Audienz. In seiner Ansprache kam das Kirchenoberhaupt auf ein Thema zu sprechen, das ihm seit einigen Monaten besonders wichtig ist: den „Indietrismus“.
Die italienische Wortneuschöpfung, die Franziskus in die Kirchensprache einführte, meint „Rückwärtsgewandtheit“, „Rückschrittlichkeit“, nach seinen Worten jene, die „rückwärtsgehen“ wollen. Konkret meint der Papst damit die Gemeinschaften und Gläubigen der Tradition. Der „Indietrismus“ tauchte erstmals in seinen Ansprache im späten Frühjahr auf, als Franziskus sein Motu proprio Traditionis custodes rechtfertigte und dessen Umsetzung einmahnte. Damit stellte er einen direkten Zusammenhang her.
Auch in seine Predigt, die er am Dienstag, dem 11. Oktober, im Petersdom anläßlich des 60. Jahrestages der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzil hielt, baute er den Neologismus ein, indem er sagte:
„Ja, die Kirche muß zuerst von oben betrachtet werden, mit Gottes liebenden Augen. Fragen wir uns, ob wir in der Kirche von Gott ausgehen, von seinem liebenden Blick auf uns. Es besteht immer die Versuchung, daß wir vom eigenen Ich statt von Gott ausgehen, daß wir unsere Ziele über das Evangelium stellen, uns vom Wind der Weltlichkeit mitreißen lassen und den Moden der Zeit hinterherjagen, daß wir die Gegenwart ablehnen, die uns die Vorsehung schenkt, und uns nach der Vergangenheit umwenden. Doch Vorsicht: Sowohl der Progressivismus, der sich der Welt anpaßt, wie auch der Traditionalismus oder die Rückwärtsgewandtheit, welche einer vergangenen Welt nachtrauern, sind keine Beweise der Liebe, sondern der Untreue. Es sind pelagianische Egoismen, die ihre eigenen Vorlieben und ihre eigenen Pläne über die Liebe stellen, die Gott gefällt, jene einfache, demütige und treue Liebe, nach der Jesus Petrus gefragt hat.“
Die Ausführungen klingen nach äquidistanter Ausgewogenheit gegenüber „Progressivismus“ und „Traditionalismus“. Die Realität sieht jedoch anders aus, wie der von Franziskus mit dem Motu proprio Traditionis custodes losgetretene Feldzug gegen die Tradition zeigt.
Im Konsistoriumssaal des Apostolischen Palastes sagte Franziskus gestern zu seinen frankophonen Besuchern:
„Die Synode ist kein Parlament, das möchte ich klarstellen, sie ist etwas anderes. Warum ist sie kein Parlament? Denn die wichtigste Figur auf der Synode ist der Heilige Geist. Wir sprechen, aber es ist kein Parlament. Die Synode ist ein Moment der Gnade, ein Prozeß, der vom Geist geleitet wird, der alles neu macht, der uns von der Weltlichkeit, von unserer Verschlossenheit, von unseren sich wiederholenden pastoralen Mustern und von der Angst befreit. Sie fordert uns auf, uns zu fragen, was Gott uns in dieser Zeit, heute, sagen will und in welche Richtung er uns führen möchte. Gott, was sagt er mir heute? Heute, nicht gestern. Seien Sie keine ‚Indietristen‘: zurück ins Gestern. Nein, heute, mit Blick in die Zukunft.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)