(Rom) Italien wird Ende Oktober eine neue Regierung mit zwei Premieren erhalten: die erste Regierung mit einer Frau an der Spitze und die erste Nachkriegsregierung, die von einer dezidiert rechten Partei angeführt sein wird. Dagegen wird von den Wahlverlierern der Parlamentswahlen vom 25. September und dem globalistischen Establishment bereits mobil gemacht – darunter von Papst Franziskus.
Italien steht vor zwei Premieren
Das politische Erdbeben beim jüngsten Urnengang war enorm. Die rechten Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) erzielten ein sensationelles Ergebnis und wurden mit 26 Prozent die weitaus stärkste politische Kraft Italiens. Die erst 2012 gegründete Partei hatte erstmals 2013 im Rahmen des Mitte-rechts-Bündnisses kandidiert und nicht einmal zwei Prozent der Stimmen erhalten. 2018 gelang ihr aus eigener Kraft, wenn auch nur knapp, der Sprung über die damals geltende Vier-Prozenthürde. Die Fratelli d’Italia waren dann die einzige Parlamentspartei, die nicht in die von Brüssel gewünschte Allparteienregierung des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi eintraten, der ohne Wahlen von oben eingesetzt worden war.
Angeführt wird die Partei von Giorgia Meloni, die 2008 in der damals von Silvio Berlusconi angeführten Mitte-rechts-Koalition die jüngste Ministerin der italienischen Geschichte wurde. Die Fratelli d’Italia sind die Nach-Nach-Nachfolgepartei des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI), der sich 1994 aufgelöst hatte.1 Dieses ferne Erbe wird gegen sie ausgespielt. Vor allem die Linksdemokraten bauten ihren Wahlkampf darauf auf, vor einer „faschistischen Gefahr“ zu warnen, was die Wähler aber offensichtlich als Diskreditierung erkannten und nicht goutierten.
Die Fratelli d’Italia sind keine Anti-Systempartei, denn als solche hätten sie keine Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung. Meloni ist eine Realpolitikerin, die nicht ewig in der Opposition bleiben will, sondern einen Kurs wie Orbán in Ungarn und Trump in den USA anstrebt. Eine Stärkung dieser Achse gefällt machen Kreisen ganz und gar nicht.
Die Warnung des italienischen Inlandsgeheimdienstes
Der italienische Inlandsgeheimdienst AISI legte vergangene Woche seinen jüngsten Bericht vor. Je ein Exemplar ging an Noch-Ministerpräsident Draghi, an dessen Innenminister und an das Parlamentskomitee für die nationale Sicherheit COPASIR, das zugleich der parlamentarische Kontrollausschuß für die Geheimdienste ist. Der Inhalt ist geheim, doch wurde er in groben Zügen schnell bekannt. Der Inlandsgeheimdienst warnt darin vor Unruhen auf den Straßen von einer Intensität, wie sie Italien so schon lange nicht mehr erlebt habe. Die Krawalle werden sich, so der Geheimdienst, an den hohen Strom- und Gasrechnungen entzünden. Das Ziel der Unruhen sei der Sturz der Regierung von Giorgia Meloni.
Obwohl sich Melonis Regierung, die sich im Parlament auf eine starke Mehrheit des von ihr angeführten Mitte-rechts-Bündnisses stützen kann, noch nicht einmal im Amt befindet, wollen sie bestimmte Kräfte bereits stürzen. Wer aber will die Destabilisierung des Landes?
An erster Stelle stehen da die Wahlverlierer der Parlamentswahlen. Die Linksparteien (Linksdemokraten, Grüne und radikale Linke), die bisher den Kern der Regierung Draghi gebildet hatten, wurden abgewählt. Während die gemäßigte Linke noch zuwartet, rüstet die radikale Linke bereits zum Aufstand. Den Auftakt zur Agitation machte am vergangenen Samstag die linke Gewerkschaft CGIL, die dem linken Flügel der Linksdemokraten und der radikalen Linken nahesteht.
Neben der radikalen Linken kündigte auch der ehemalige Ministerpräsident Giuseppe Conte an, seine Fünfsternebewegung (M5S) auf die Straße zu bringen, sollte das „Bürgergeld“ angetastet werden – so wird in Italien das von den Globalisten gewollte bedingungslose Grundeinkommen genannt.
Die kommunistische Partisanenbewegung ANPI will zum hundertsten Jahrestag von Mussolinis Marsch auf Rom zum „antifaschistischen Marsch auf Rom“ blasen, womit Meloni in eine Linie mit dem Faschismus von Benito Mussolini gestellt werden soll.
Die Kritik an der künftigen Regierung wird von einer starken Medienfront unterstützt, dem sogenannten Mainstream. Dieser wird zum eigentlichen Schrittmacher werden. Die neue Regierung soll in eine Zangenbewegung genommen werden, von oben durch Brüssel, internationale Finanzinstitutionen wie Weltbank und Internationaler Währungsfonds und die spekulativ agierende Hochfinanz und zugleich von unten durch Unruhen auf Italiens Straßen. Und sollte ihr Sturz nicht gelingen, geht es zumindest um ihre „Disziplinierung“.
Was das bedeutet, erlebte Italien 2019, als die bis dahin EU-kritische Fünfsternebewegung nach den Wahlen zum EU-Parlament überraschend Ursula von der Leyen zur EU-Kommissionspräsidentin wählte. Laut dem damaligen italienischen Familienminister Lorenzo Fontana, einem traditionsverbundenen Katholiken, war damit klar, daß die Fünfsternebewegung vom Establishment eingekauft worden war und es nur mehr eine Frage der Zeit war, daß die damalige Regierung in Rom aus Fünfsternebewegung und Lega auf Geheiß gesprengt würde.
In der Liste der Regierungsgegner sind linkskatholische Kreise nicht zu vergessen – Conte tätigte seine Drohung über den Avvenire, die Tageszeitung der italienischen Bischöfe – und schließlich Papst Franziskus. Dieser zeigte sich bisher wohlwollend gegenüber Repräsentanten der politischen Linken, während er Vertretern der Mitte-rechts-Koalition jedes Treffen verweigerte.
Die „leidenschaftliche“ Verteidigung der Migration
Zu den Hauptanliegen der neuen Parlamentsmehrheit gehört die Änderung des Einwanderungsgesetzes. Meloni hat im Wahlkampf versprochen, die Rückführung illegaler und krimineller Einwanderer zu beschleunigen und die Asylvorschriften zu verschärfen. Außerdem forderte sie eine Seeblockade zu Nordafrika, um die illegale Einwanderung über die sogenannte Mittelmeerroute zu unterbinden. Die Politik der „offenen Türen“, mit der die illegale Einwanderung durch geduldeten Rechtsbruch gefördert wurde, habe zu enden.
Dagegen opponierte gestern Papst Franziskus und das bemerkenswert vehement. Auf dem Petersplatz verteidigte er gestern „leidenschaftlich“, so Reuters, ein Recht auf Migration. So sagte es Franziskus nicht ganz. Er tat es etwas subtiler, indem er energisch die Migranten verteidigte, damit aber die Migration meinte. Die Ausgrenzung von Migranten sei „skandalös, widerwärtig und sündhaft“, so Franziskus, der bereits in der „Flüchtlingskrise“ 2015 die EU dazu aufgefordert hatte: „Nehmt alle auf, Gute und Schlechte“.
Zu seinem einflußreichsten Sprachrohr wurde die internationale Presseagentur Reuters, die seine Anklage sogleich in die ganze Welt hinaustrug und dafür sorgte, daß die Zusammenhänge „richtig“ verstanden werden. Reuters stellte den direkten Zusammenhang mit Giorgia Meloni und deren bevorstehender Regierungsbildung her, und damit auch dem Letzten klar würde, worum es geht, wurde Meloni im Reuters-Bericht als „rechtsextrem“ tituliert. Die globalistischen Elitemedien diskreditieren Meloni auf diese Weise durch die Bank, was einer Sprachregelung der radikalen Linken entspricht. „Rechtsextrem“ bezeichnet eine gewalttätige extremistische Rechte. Wie weit das von Giorgia Meloni und ihren Fratelli d’Italia entfernt ist, die mit der AfD in Deutschland und der FPÖ in Österreich vergleichbar sind und im EU-Parlament eine gemeinsame Fraktion mit der polnischen PiS und der tschechischen ODS bilden, der bis zu ihrem Ausscheiden auch die britischen Konservativen angehörten, muß nicht eigens ausgeführt werden.
Papst Franziskus auf Kollisionskurs
Das Beispiel zeigt, wie die internationale Öffentlichkeit gegen Meloni „geframt“ wird – und Papst Franziskus (wieder einmal) ein Akteur an vorderster Front ist, der dieser Strategie zuarbeitet. Gestern begab sich Franziskus auf offenen Kollisionskurs mit der nächsten italienischen Regierung, die noch gar nicht im Amt ist. Keine Schonfrist, keine Gesprächsbereitschaft, keine Offenheit. Er errichtet bereits vorab um den Vatikan Mauern, vermeidet den ansonsten gepriesenen Dialog und wird mit Argusaugen darüber wachen, keinem der neuen Regierungsvertreter irgendetwas zukommen zu lassen, was als Freundlichkeit ausgelegt werden könnte. Damit negiert Franziskus jede Zusammenarbeit und verhindert es, notwendige gesellschaftspolitische Korrekturen in den zentralen Bereichen Familie, Lebensrecht, Natalität anzugehen und voranzutreiben, die mit der neuen Mehrheit denkbar wären.
Die Unterstützung einiger Eckpunkte der globalistischen Agenda machte Franziskus zum Schwerpunkt seines Pontifikats. Die Unterstützung eines uneingeschränkten „Rechts auf Migration“ steht dabei ebenso ganz oben auf der päpstlichen Liste wie die unkritische Förderung der Corona-Maßnahmen, die Legitimierung des Narrativs vom menschenverschuldeten Klimawandel und die Durchsetzung eines religiösen Relativismus durch Gleichsetzung aller Religionen und Konfessionen.
Franziskus wich anläßlich der Heiligsprechungen, die er gestern auf dem Petersplatz vornahm, vom vorbereiteten Text seiner Predigt ab und sagte:
„Die Ausgrenzung von Migranten ist skandalös. Die Ausgrenzung von Migranten ist in der Tat kriminell. Dadurch sterben sie vor unseren Augen. Und deshalb ist das Mittelmeer heute der größte Friedhof der Welt. Die Ausgrenzung von Migranten ist ekelhaft, sie ist sündhaft. Es ist kriminell, den Bedürftigen die Türen nicht zu öffnen.“ Zurückgeschickte Migranten würden in „Konzentrationslager gesteckt werden, wo sie ausgebeutet und wie Sklaven behandelt werden“.
Die nachträglich vom Heiligen Stuhl veröffentlichte Version lautet wie folgt:
„Und heute möchte ich an die Migranten denken. Die Ausgrenzung von Migranten ist skandalös! Die Ausgrenzung von Migranten ist in der Tat kriminell, sie führt dazu, daß sie vor uns sterben. Und so haben wir heute den größten Friedhof der Welt, den Mittelmeerfriedhof. Die Ausgrenzung von Migranten ist abscheulich, es ist sündhaft, es ist kriminell, den Bedürftigen die Türen nicht zu öffnen. ‚Nein, wir schließen sie doch nicht aus, wir schicken sie nur weg‘: in die Lager, wo sie ausgebeutet und als Sklaven verkauft werden. Brüder und Schwestern, heute denken wir an unsere Migranten, an diejenigen, die sterben. Und jene, die hereinkommen können, nehmen wir sie als Brüder auf oder beuten wir sie aus? Ich lasse die Frage offen.“
Franziskus mußte Giorgia Meloni, deren Koalition und ihr Wahlprogramm nicht erwähnen, denn dafür sorgte der Mainstream wie Reuters.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshots)
1 Im Zuge des völligen Umbaus der italienischen Parteienlandschaft nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, der Umbenennung der Kommunistischen Partei und der Auflösung der bisherigen, die Nachkriegsregierungen prägenden Parteien, insbesondere der Christdemokraten und der Sozialisten, wurde auch der als neofaschistisch bezeichnete und außerhalb des „Verfassungsbogens“ isolierte MSI aufgelöst. Seine „Erfahrung“ wurde von Parteiführung und Parteitagsmehrheit für beendet erklärt. Der MSI hatte aus zwei „Seelen“ bestanden, die mit der historisch unterschiedlichen Entwicklung Italiens während des Zweiten Weltkriegs zu tun hatten. In ihm sammelten sich nach dem Krieg in Norditalien die „Unbeugsamen“, die auch nach der deutschen Besetzung Italiens im September 1943 dem Faschismus treu blieben und an deutscher Seite weiterkämpften, während in dem frühzeitig von den Alliierten besetzten Süditalien in der Partei eher Monarchisten und Konservative den Ton angaben.
1994 wurde als Nachfolgepartei die Alleanza Nazionale (AN) gegründet, die nun als rechtskonservative Verbündete von Silvio Berlusconis Mitte-rechts-Allianz in den Verfassungsbogen aufgenommen wurde.
2009 wurde auch die Alleanza Nazionale aufgelöst, die bereits Gespräche um Aufnahme in die Europäische Volkspartei (EVP) geführt hatte, und mit Berlusconis Forza Italia (FI) in der neuen Partei Polo della Libertà (Freiheitspol) verschmolzen, als Berlusconi nach dem Vorbild der Republikanischen Partei in den USA ein Zweiparteiensystem etablieren und zu diesem Zweck eine große Mitterechtspartei schaffen wollte.
2012 sahen einige ehemalige AN-Vertreter, darunter Giorgia Meloni, diesen Versuch für gescheitert an und gründeten die Fratelli d’Italia.
Was ist der Faschismus wirklich? Als Ideologie ist er offenbar nicht wirkmächtig, aber als Schreckgespenst brauchbar. Dabei ist er als Verhalten von Ideologen allgegenwärtig.
Unserem Papst muß ich sagen, daß nicht wir an den Ertrunkenen im Mittelmeer schuld sind, sondern daß sich diese aufgemacht haben, Deutschland und Schweden zu erobern. Die tausenden Toten, die in der Sahara umgekommen sind, interessiert hier keinen.