
(Rom) Wegen der Kniebeschwerden von Papst Franziskus wurde die für Juli geplante Afrika-Reise verschoben. Dafür wird das Kirchenoberhaupt am 3. Juli mit der kongolesischen Gemeinde in Rom eine Messe zelebrieren, wie Franziskus selbst in seiner Ansprache an die Afrikamissionare ankündigte. Dabei geht es nicht nur um Höflichkeit und Verbundenheit, sondern auch um einen neuen Ritus.
Franziskus empfing gestern die Mitglieder des Generalkapitels der Weißen Väter in Audienz. Der 1856 in Lyon gegründete Missionsorden heißt offiziell Gesellschaft der Missionare von Afrika. Bei seiner Ansprache sagte Franziskus im Zusammenhang mit seiner verschobenen Reise in den Kongo und Südsudan:
„Nächsten Sonntag werde ich versuchen, mit der kongolesischen Gemeinde in Rom die Messe zu feiern. Nicht am nächsten Sonntag, am 3. Juli, dem Tag, den ich in Kinshasa hätte feiern sollen. Wir werden Kinshasa nach St. Peter bringen und dort mit allen römischen Kongolesen, von denen es viele gibt, feiern!
Der Grund für diesen Ersatz ist der vor kurzem von Franziskus genehmigte „Kongolesische Ritus“ (Zaire-Ritus). Dieser, so Kritiker, schaffe den Vorwand, um weitere Riten einzuführen. Der Blick geht dabei vor allem auf den „amazonischen Ritus“, an dem bereits seit längerem gearbeitet wird. VaticanNews (spanische Sektion) stellte Anfang 2020 einen direkten Zusammenhang her. Im Zuge der umstrittenen Amazonassynode im Oktober 2019 wurde von Papstvertrauten wiederholt auf einen anderen, dem Amazonasbecken vergleichbaren „Biodiversitätsraum“ verwiesen: das Kongobecken.
Dabei ist nicht entgangen, daß Franziskus als Vertreter Afrikas im Kardinalsrat (ex C9), nach der Emeritierung des Erzbischofs von Kinshasa, dessen Nachfolger in Kinshasa auch zum Nachfolger im Kardinalsrat ernannte. In Afrika gibt es nicht nur diesen einen Bischofssitz, weshalb nicht nur eine geographische Kontinuität anzunehmen ist, sondern auch der Ideen.
Die Einführung neuer Riten unter westlichem Einfluß in entlegenen, exotischen Gegenden, fernab der europäischen Aufmerksamkeit, liefert Präzedenzfälle, so die Kritik, für einen möglichen Umweg-Reimport synkretistischer und anderer Elemente in die europäische Welt. In diesem Sinne sei die Zelebration im „Kongolesischen Ritus“ nicht nur exotisch, sondern auch ideologischer Natur. 2019 hatte Franziskus bereits einmal im Petersdom mit der kongolesischen Gemeinschaft in dem neuen Ritus eine Messe gefeiert.
Statt Proselytismus ein prophetisches Zeugnis „des Volkes“
In seiner Ansprache an das Generalkapitel der Weißen Väter kam Franziskus zudem auf eines seiner Lieblingsthemen zu sprechen, auf das, was er Proselytismus nennt:
„Der Apostel Jesu Christi ist nicht jemand, der Proselytismus betreibt. Die Verkündigung des Evangeliums hat nichts mit Proselytismus zu tun. Falls jemand von Euch in irgendeinem Moment dabei ist, Proselytismus zu betreiben, soll er bitte aufhören, sich bekehren und dann weitermachen. Der Apostel ist kein Manager, er ist kein gelehrter Dozent, er ist kein ‘Zauberer’ der Informatik. Der Apostel ist ein Zeuge. Das gilt immer und überall in der Kirche, aber es gilt ganz besonders für diejenigen, die wie Sie dazu berufen sind, die Mission in einem Kontext der Erstevangelisierung oder der Vorherrschaft des Islam zu leben. Zeugnis heißt im wesentlichen zwei Dinge: Gebet und Brüderlichkeit.“
Franziskus spricht zu Missionaren über die Mission und doch vermitteln seine Worte und Hinweise wenig Klarheit. Kryptisch sprach er auch über die Prophetie:
„Prophetie aber ist auch und ich würde sagen vor allem gemeinschaftlich: Es ist die Gemeinschaft, die das prophetische Zeugnis gibt.“
Über die genaue Bedeutung des „Pueblo“ (Volk) in den Reden von Franziskus wurde bereits viel gerätselt. Nur soviel scheint geklärt zu sein, daß es sich dabei um eine Anlehnung an die Volkstheologie handelt, den argentinischen Ableger der Befreiungstheologie, und daß Franziskus den Volksbegriff mit politischer Präferenz versteht.
Die Volkstheologie geht auf den argentinischen Jesuiten Juan Carlos Scannone zurück, der ein Schüler von Karl Rahner war. Scannones Schüler wiederum war Jorge Mario Bergoglio. Scannones Denken wurzelt in der Volkstheologie von Lucio Gera und Rafael Tello, die den bewaffneten Kampf der marxistischen Befreiungstheologie durch eine praktizierte Armut ersetzten. 2017 enthüllte Franziskus im Gesprächsbuch mit dem französischen Soziologen Dominique Wolton, wer ihm zudem vom „mythischen Volk“ erzählte. (Siehe zum Volksbegriff bei Franziskus auch „El pueblo“ (das Volk) in der Enzyklika Fratelli tutti.)
Im November 2015, als Franziskus Ostafrika besuchte, sprach er in Nairobi sehr kryptisch von den „Armen“ als Quelle der göttlichen Offenbarung. Über die begriffliche Brücke „Volk der Armen“ entsteht im Sinne des regierenden Papstes eine offensichtliche Synonymität zwischen den „Armen“ und dem „Volk“. Das „Volk“ von dem Franziskus gegenüber den Weißen Vätern sprach, ist Träger dieser Offenbarung, in dem es als „Volk“ das „prophetische Zeugnis gibt“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)