Es gibt Dinge, die gibt es gar nicht. Besser: Es sollte sie nicht geben. Doch es scheint in Abwandlung eines Werbespruchs zu gelten: Gibt’s nicht, gibt’s nicht! Die Rede ist von einem Pfarrer, der seine Pfarrei so „modellierte“, daß es keine Taufen, keine Erstkommunion, keine Hochzeiten, keine Katechesen, keine … mehr gibt.
Die Rede ist vom Pfarrer von San Miguel de Bouzas im Bistum Tui-Vigo. Der Bischof von Tui-Vigo (spanisch Tuy-Vigo) ist ein Suffragan des Metropoliten von Santiago de Compostela in Galicien.
2019 wurde der neue Pfarrer von Bouzas in sein Amt eingeführt. Die Gläubigen konnten damals noch nicht ahnen, daß diese Ernennung das Ende des Pfarrlebens bedeuten würde, wie sie es bisher kannten. Inzwischen platzt ihnen der Kragen und sie rebellieren gegen ihren Pfarrer und seine „unorthodoxen“ Methoden. Jüngste Initiative ist eine Unterschriftensammlung für seine Abberufung.
Der Grund für den Unmut ist so unglaublich, daß man ihn sich kaum vorstellen kann. Seit der jetzige Pfarrer seines Amtes waltet, gibt es in Bouzas weder Taufen noch Erstkommunionen noch Hochzeiten noch Beichten und nicht einmal Katechesen zur Glaubensunterweisung.
„Der Pfarrer hat alles abgeschafft“, klagt Maria del Carmen Cameiro, Vorstandsmitglied der in Bouzas aktiven Bruderschaft des Nazareners und der Schmerzhaften Muttergottes. Im Gegensatz zum deutschen Sprachraum, wo das Bruderschaftswesen in der Zeit des aufgeklärten Staatskirchentums ausgelöscht wurde, spielen sie in Spanien (auch Italien) noch heute ein religiöse und soziale Rolle.
Die Gläubigen wurden aus dem Pfarrleben verdrängt. Es gibt niemand mehr, der sich um die Bruderschaftskleider kümmert, der Chor wurde „vernichtet“, und nicht einmal einen Blumenschmuck gibt es mehr in der Kirche. Der Pfarrer läßt nichts mehr zu. Die Messen reduzierte er auf weniger als die Hälfte.
Es brodelte schon lange. Das Verbot, die Prozession der Borriquita durchzuführen, brachte das Faß endgültig zum Übergehen. Gemeint ist eine traditionell am Palmsonntag durchgeführte Prozession. Benannt ist sie nach dem „Eselchen“ (Borriquita), auf dem Jesus in Jerusalem einzog.
Bereits vor dem Vorfall am Palmsonntag hatten sich Gläubige mit zwei Beschwerden an die Diözese gewandt, doch ohne Erfolg. „Man sagte uns, wir müßten ihm Zeit geben, er sei ein guter Mann. So hat man uns wieder nach Hause geschickt.“ Zu einer Stellungnahme war der Pfarrer nicht bereit. „Er ist nie da. Er läßt die Kirche offen und ist weg. Stattdessen installierte er Überwachungskameras an den Eingängen.“
So wie er dem Kirchenchor das bisherige Probelokal entzog, warf er auch die Bruderschaften aus ihren Räumlichkeiten. Diese sind nun zur Lagerung von Kanus vermietet.
Die Gläubigen reagieren mit einem Exodus in eine Nachbarpfarrei. „Viele Menschen besuchen inzwischen die Messe in El Rocío und feiern dort die kirchlichen Ereignisse.“ Das führe aber zu laufend neuen Problemen kirchenrechtlicher Natur, allein schon wegen der Kirchenbücher.
Die heutige Igrexa de San Miguel wurde im 16. Jahrhundert errichtet. Bevor der Hafen ausgebaut wurde, stand sie an der Spitze einer Landzunge direkt am Atlantischen Ozean. Eine Kirche ist hier bereits 1371 belegt. Diese wurde 1543 zur Pfarrei erhoben. Als der Freibeuter Francis Drake 1596 im Auftrag der englischen Krone Bouzas brandschatzte, wurde auch die Kirche zerstört. Das war Anlaß, die heutige Michaelskirche zu errichten.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Google Maps (Screenshot)