
von Roberto de Mattei*
Die Tugend, die wir in Zeiten der Verwirrung vielleicht am meisten brauchen, ist die übernatürliche Tugend der Hoffnung, die unseren Blick zum Himmel erhebt, in dem Wunsch, ihn zu erreichen. Die Hoffnung entfernt uns vom Lärm der Welt und richtet sozusagen unsere Seele auf, indem sie ihr einen Sinn für das Ewige vermittelt, der uns die Dinge der Welt von oben beurteilen läßt. Die vollkommenste Form der Hoffnung ist das Vertrauen oder die Zuversicht auf Gott, die der heilige Thomas „spes roborata“ nennt, „eine Hoffnung, die durch eine feste Überzeugung gestärkt wird“ (Summa Theologiae, II-IIae, q. 129, art. 6 ad 3).
Der Unterschied zwischen Hoffnung und Vertrauen – so Pater Thomas de Saint-Laurent (1879–1949) in seinem berühmten Buch des Vertrauens – liegt nicht in der Natur der Sache, sondern nur im Grad und in der Intensität. Dass und daß werden nicht unterschieden. „So wie zum Tag sowohl das unsichere Aufscheinen der Morgendämmerung als auch der Sonnenglanz des Mittags gehört, sind Vertrauen und Hoffnung Teil derselben Tugend, nur daß eben das eine das völlige Erblühen des anderen ist.„
Das Konzil von Trient lehrt uns, daß wir alle unerschütterlich auf Gott vertrauen sollen (Canones et decreta, sessio VI, c. 13). Durch diese Tugend vertrauen wir nicht nur auf die Allmacht Gottes, sondern auch auf seine Liebe zu uns in den Stunden der Verwirrung. Denn die Hoffnung „läßt nicht zugrunde gehen“ (Röm 5,5).
Viele Seelen bitten um die Gnade des Vertrauens zu einem Bild, das unter diesem Titel im Päpstlichen Römischen Priesterseminar am Lateran verehrt wird. Die Geschichte dieser Verehrung ist mit der Dienerin Gottes Schwester Chiara Isabella Fornari verbunden, die 1697 in Rom geboren wurde und eine Klarissin und spätere Äbtissin im Kloster des heiligen Franziskus in Todi war. Sie starb am 9. Dezember 1744, im Alter von 47 Jahren im Stand der Heiligkeit. Sie hatte mystische Gnaden, Visionen und Ekstasen, darunter die Teilnahme am Leiden des Herrn.
Schwester Chiara Isabella Fornari hegte eine besondere Verehrung für ein ovales Bild, das die Jungfrau Maria mit dem Jesuskind darstellt, das mit dem linken Arm auf seine allerseligste Mutter zeigt und sie mit dem rechten Arm umarmt. Eine Kopie dieser Darstellung brachte sie nach Todi mit. Im Römischen Seminar wird ein auf Pergament geschriebenes Dokument aufbewahrt, in dem Schwester Chiara Isabella folgende Worte zugeschrieben werden:
„Die göttliche Frau hat sich gewürdigt, mir zu gewähren, daß jede Seele, die sich vertrauensvoll diesem Bildnis nähert, wahre Zerknirschung über die eigenen Sünden mit wahrem Leid und Reue findet und von ihrem göttlichsten Sohn einen allgemeinen Nachlaß aller Sünden erlangt. Darüber hinaus hat sich diese meine göttliche Frau mit wahrer mütterlicher Liebe darin gefallen, mir zu versichern, daß Sie jeder Seele, die Ihr Bildnis betrachtet, eine besondere Innigkeit und Verehrung für Sie schenken wird“ (Msgr. Roberto Masi, La Madonna della Fiducia, Tip. Sallustiana, Rom 1948, S. 29).
Der Seelenführer von Schwester Chiara war der Jesuitenpater Giammaria Crivelli von der Niederlassung des Heiligen Offiziums in Perugia, der auch zwei weitere umbrische Mystikerinnen begleitete: die heilige Veronica Giuliani (1660–1727) und die Klarissenkapuzinerin Sr. Maria Lanceata Morelli von Montecastrilli (1704–1762). Pater Crivelli, dessen Neffe von einer schweren Krankheit geheilt wurde, nachdem er vor dem Marienbild gebetet hatte, ließ eine Kopie anfertigen, die er in das römische Jesuitenkolleg mitnahm, als er dort hinzog. Das Gemälde verblieb in den Räumlichkeiten des Kollegs, die 1774, nach der Aufhebung des Jesuitenordens, vom Römischen Seminar übernommen wurden, das 1565 in Umsetzung der Dekrete des Konzils von Trient entstanden war. Seitdem ist die Geschichte dieses heiligen Bildes mit dem Römischen Seminar verbunden.
Als 1837 in Italien und im Kirchenstaat eine schwere Choleraepidemie ausbrach, baten die Seminaristen, Oberen und Studenten des Seminars die Muttergottes vom Vertrauen in Form eines Gelübdes um Schutz für sich und ihre engsten Angehörigen. Alle wurden von der Krankheit verschont, und zur Erfüllung des Gelübdes wurde eine kostbare Lampe gespendet, die noch immer ununterbrochen vor dem heiligen Bild brennt. Im darauffolgenden Jahr wurden dem Bildnis Unserer Lieben Frau vom heiligen Vertrauen von Kardinal Carlo Odescalchi, dem Generalvikar von Gregor XVI., feierlich zwei goldene Kronen aufgesetzt. Dies geschah am 14. Oktober 1838 in der Sommerresidenz des Seminars, der Villa La Pariola, die 1576 von Kardinal Ugo Boncompagni, dem späteren Papst Gregor XIII., der Gesellschaft Jesu als „Haus für die Sommerfrische“ geschenkt worden war. Am 20. Oktober 1863 hatte die Pariola, nach der das umliegende Viertel Parioli benannt ist, die Ehre, vom seligen Pius IX. besucht zu werden, der einen 300tägigen Ablaß gewährte, der immer gewonnen werden konnte, wenn vor der Madonna della Fiducia die Lauretanische Litanei gebetet wird. Im Jahr 1920 wurde die Villa von Graf Ludovico Taverna erworben, der sie 1948 an die Vereinigten Staaten verkaufte, die sie zur Residenz ihres Botschafters in Italien machten.
Am Abend des 3. November 1913 übersiedelten die jungen Männer des Römischen Seminars in den neuen Lateranpalast. Die Kapelle Unserer Lieben Frau des Vertrauens wurde am Ende eines feierlichen Triduums am 6. Januar 1917 von Kardinal Oreste Giorgi eingeweiht, der auch den neuen Altar weihte. Anläßlich der Einweihung wurde zum ersten Mal die Hymne O Maria quant’è felice gesungen, die von Maestro Raffaele Casimiri auf einen Text von Don Alfredo Ottaviani (dem späteren Kardinalpräfekten des Heiligen Offiziums) komponiert wurde. Der Heilige Vater Benedikt XV. nahm an den Feierlichkeiten teil, indem er die Precatio iaculatoria, das Stoßgebet, Mater mea Fiducia mea anstimmte.
Während des Ersten Weltkriegs legte das Seminar ein Gelübde ab, um seine Studenten zu retten, von denen 111 eingezogen worden waren. Nur einer starb am Vorabend des Waffenstillstands, und das Gelübde wurde, in Achtung des geheimnisvollen göttlichen Willens, am 12. Mai 1920 durch die Verzierung des Bildes mit einem kostbaren Strahlenkranz erfüllt.
Die Verehrung der Madonna della Fiducia wurde von vielen heiligen Regenten des Römischen Seminars angeregt, wie dem heiligen Vinzenz Pallotti (1795–1850), dem Diener Gottes Oreste Borgia (1840–1914) und dem Diener Gottes Pier Carlo Landucci (1900–1986). Landucci, der von 1935 bis 1942 Spiritual im Seminar war, verfaßte Texte von tiefer Spiritualität, darunter ein Buch über die allerseligste Maria im Evangelium (Paoline, Rom 1954), das eine außergewöhnliche Hommage an die Mutter des Vertrauens ist, zu deren Verehrung er sieben Generationen von Seminaristen erzogen hatte. Er bekräftigte, daß alle Menschen zur Heiligkeit berufen sind, und sagte, wenn der Mangel an Vertrauen in die Rettung der Seele eine Sünde der Verzweiflung ist, dann verfehlt sich gegen die Hoffnung auch, wer nicht die heroische Heiligkeit anstrebt, zu der der Herr gewiß ruft (Formazione seminaristica moderna, Borla, Turin 1962, S. 336f).
In der Kapelle des Römischen Seminars flößt die Muttergottes noch heute mit ihrem mütterlichen Blick all jenen Hoffnung und Mut ein, die nicht aufgeben, die nicht aufhören, die heroische Heiligkeit anzustreben, die der Herr in der Finsternis unserer Tage von allen verlangt.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017 und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
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Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana/seminarioromano.it (Screenshots)