
(Jerusalem) Eine Gruppe israelischer Archäologen legte in der Nähe der Quellen von Sepphoris in Galiläa ein Kreuzfahrerlager frei. Obwohl die Heere der Kreuzritter während der Kreuzzüge ständig in Bewegung waren, aber auch die dauerhaft oder zumindest für einen längeren Zeitraum im Heiligen Land lebenden Kreuzfahrer wiederholt in Kampfhandlungen verwickelt waren, was Ortswechsel und das Leben in Feldlagern erforderte, hatte man bisher keines ihrer Lager gefunden.
Mehr als 200 Jahre hielten sich zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert Kreuzritterheere im Heiligen Land auf. Ihr Ziel war es, die Heiligen Stätten von den Muslimen zu befreien und den freien Zugang für die christlichen Pilger zu sichern. Sie hinterließen im Nahen Osten zahlreiche beeindruckende Bauwerke, großartige Kirchen, Burgen und Klöster, die teils in gutem Zustand, teils als Ruinen erhalten geblieben sind. Dank der jüngsten Entdeckungen erhalten Archäologen und Historiker näheren Einblick in das Leben der Kreuzfahrer, die in einem Feldlager lebten und sich im Kriegszustand befanden.
Ein von den Archäologen Nimrod Getzov und Ianir Milevski geleitetes Ausgrabungsteam der israelischen Altertumsbehörde sichert die Reste des Lagers, die im Zuge von Bauarbeiten an der Route 79 entdeckt wurden, einer Straße, die Nazareth mit der Mittelmeerküste verbindet.
Die Gegend war der Geschichtswissenschaft im Zusammenhang mit der schicksalhaften Schlacht von Hattin im Jahr 1187 bereits bekannt. Deshalb interessiert sich Rafael Lewis vom Ashkelon Academic College und der Universität Haifa für die Grabungen und ihre Auswertung. Sie bieten „die wirklich außergewöhnliche Gelegenheit, ein mittelalterliches Feldlager zu studieren“, so Lewis gegenüber der Jerusalem Post.
Aus den Chroniken war bekannt, daß sich das gesamte christliche Heer bei Sepphoris sammelte, bevor es zur Schlacht von Hattin gegen die Truppen Saladins kam. Die Schlacht bei den Hörnern von Hattin wurde zur größten Niederlage der Kreuzritter und bedeutete den Wendepunkt. Saladin gelang es darauf Jerusalem zu erobern und das Ende der Kreuzfahrerstaaten im Heiligen Land und dem Nahen Osten einzuleiten. Im Jahr 1302 fiel ihre letzte Bastion, die von den Tempelrittern gehaltene Insel Aruad vor der Küste Syriens. Die vier Kreuzfahrerstaaten umfaßten das gesamte Territorium des heutigen Staates Israel und der Palästinensergebiete, fast den ganzen Libanon und nach den heutigen Grenzen Teile von Jordanien, Syrien, Ägypten und der Türkei.
Die Kreuzfahrer, die sich in dem entdeckten Lager aufhielten, befanden sich bereits vor der christlichen Hauptarmee vor Ort, die erst einen Tag vor der Schlacht in die Gegend kam. Ihre Anwesenheit dürfte daher im Zusammenhang mit der kleineren Schlacht von Cresson stehen, die am 1. Mai 1187, zwei Monate vor der Schlacht von Hattin, stattfand und als deren Vorspiel gilt. Welcher Einheit oder welchem Orden sie angehörten, ist nicht geklärt. An der Schlacht von Cresson nahmen Truppen des Königreichs Jerusalem sowie Templer und Johanniter teil, darunter beide Großmeister. Der Normanne Roger de Moulins, der Großmeister des Johanniterordens (heute Malteserorden genannt), fiel im Kampf.
Sepphoris war in byzantinischer Zeit ein Bischofssitz. Der älteste, namentlich bekannte Bischof war Dorotheus, der 451 erwähnt wird. Die Stadt gilt in der Überlieferung als Geburtsort Mariens, da ihre Eltern Anna und Joachim von dort stammten. Die Reste der im 5. Jahrhundert der Gottesmutter zur Ehre erbauten Basilika wurden ausgegraben und gesichert. In Sepphoris selbst hatten die Kreuzfahrer eine Burg errichtet. Ein Wachturm ist erhalten geblieben. Ebenso erbauten sie dort eine Kirche, die der Mutter Anna geweiht war. Die dreischiffige Basilika wurde möglicherweise wegen der Niederlage von Hattin nie fertiggestellt. Tatsache ist, daß sie im 17. Jahrhundert noch das Ziel von Wallfahrten war, bei denen in der Kirche oder den Kirchenruinen Messen zelebriert wurden. In den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts wird sie vom britischen Forschungsreisenden James Silk Buckingham als Ruine beschrieben und der Ort als nur von Muslimen bewohnt. 1841 konnte die Franziskanerkustodie des Heiligen Landes die Ruinen kaufen, allerdings erst einige Jahrzehnte später in Besitz nehmen. Die Franziskaner errichteten, angelehnt an die Apsisbögen ein Hospiz, das der Stabilisierung der Ruinen diente, und bemühen sich seither um ihren Erhalt. Heute besteht ein Kloster der Schwestern der heiligen Anna, welche den Ort betreuen.
Nach der Schlacht von Hattin fiel die Gegend in islamische Hände, gelangte im 13. Jahrhundert aber noch einmal unter christliche Herrschaft. Zwischen 1263 und 1266 endete hier die Zeit der Kreuzritter.

Im Feldlager an der Route 79 wurden bisher vor allem Hufeisennägel lokalen und europäischen Typus gefunden. Die Beschlagung der Pferde vor der Schlacht spielte demnach für die Kreuzritter eine besonders wichtige Rolle. Das Streitroß eines Panzerreiters hatte den Wert eines stattlichen Hofes. Zudem wurde anhand der Artefaktenverteilung eine soziale Rangfolge festgestellt: je näher an den Quellen, desto reichhaltiger die Funde, desto höher der soziale Rang.
Dennoch zeigt sich der Historiker Rafael Lewis erstaunt, daß wenig andere Gegenstände gefunden wurden, die für das Feldlager eines Heeres zu erwarten wären. Er schließt daraus, daß eine gewisse Knappheit herrschte und diese Gegenstände, z. B. Kochtöpfe, deshalb wieder in die Burgen und festen Siedlungen zurückgebracht wurden. Nicht zu unterschätzen ist allerdings, daß solche Gebrauchsgegenstände auch das Interesse der lokalen Bevölkerung und des siegreichen muslimischen Heeres gefunden haben dürften.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Nebbie del Tempo/Wikicommons (Screenshot)