Indiens Christenfeindlichkeit

Restriktionen gegen Missionarinnen der Nächstenliebe und weiteres Antikonversionsgesetz


Christenfeindlichkeit in Indien richtet sich auch gegen die Missionarinnen von Mutter Teresa.
Christenfeindlichkeit in Indien richtet sich auch gegen die Missionarinnen von Mutter Teresa.

(Neu Delhi) Fast 80 Pro­zent der Inder sind Hin­dus. Es gibt im größ­ten Staat des süd­asia­ti­schen Sub­kon­ti­nents aber auch rund 25 Mil­lio­nen Chri­sten. Das sind etwas mehr als zwei Pro­zent der Bevöl­ke­rung. So klein im Ver­hält­nis die katho­li­sche Kir­che auch sein mag, ist Indi­en den­noch in abso­lu­ten Zah­len hin­ter den Phil­ip­pi­nen das asia­ti­sche Land mit der zah­len­mä­ßig größ­ten katho­li­schen Gemein­schaft. Die katho­li­schen Ein­rich­tun­gen wer­den geschätzt, vor allem die her­vor­ra­gen­den Schu­len, die allen offen­ste­hen. Eben­so die zahl­rei­chen kari­ta­ti­ven Akti­vi­tä­ten, die allen zugu­te­kom­men. Gleich­zei­tig weckt gera­de die­ser unter­schieds­lo­se Ein­satz für den Näch­sten Unbe­ha­gen, Res­sen­ti­ments, Feind­se­lig­keit, weil er, wenn auch ohne jede direk­te Absicht, das hin­du­isti­sche Kasten­sy­stem in Fra­ge stellt. 

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Die­se „Angriff“ wird auf ver­schie­de­nen Ebe­nen emp­fun­den, vor allem aber durch das Ver­hält­nis der Chri­sten gegen­über den Dalits, den Aus­ge­sto­ße­nen, Unbe­rühr­ba­ren, Pari­as, jener unter­sten sozia­len Stu­fe von Men­schen, deren Nied­rig­sein unent­rinn­bar vom Vater auf den Sohn ver­erbt wird.

Für hin­du­isti­sche Fun­da­men­ta­li­sten reicht es aus, daß die Chri­sten auch den Dalits die glei­che Men­schen­wür­de zuer­ken­nen, um Chri­sten als Bedro­hung zu sehen: gefähr­lich, weil sie die Grund­la­gen des Hin­du­is­mus und sei­ner jahr­tau­sen­de­al­ten Gesell­schafts­struk­tur unter­gra­ben. Die Chri­sten wer­den daher vor allem in den von Hind­una­tio­na­li­sten kon­trol­lier­ten Bun­des­staa­ten ver­folgt. Star­ke hin­du­isti­sche Bewe­gun­gen drän­gen die Regie­run­gen, die Frei­hei­ten der Chri­sten ein­zu­schrän­ken, und wie­geln die Bevöl­ke­rung gegen die Chri­sten auf. Die­se Strö­mung ist zuneh­mend erfolg­reich. Seit 2014 wird Indi­en von der Hin­du­isti­schen Volks­par­tei (BJP) regiert. 2019 wur­de ihr Anfüh­rer Naren­dra Modi mit einem Erd­rutsch­sieg im Amt bestätigt.

Nach­rich­ten aus Indi­en über geschän­de­te Kir­chen häu­fen sich. Gebets­tref­fen wer­den bru­tal unter­bro­chen. Phan­ta­sie­vol­le Anschul­di­gun­gen gegen Prie­ster und Mis­sio­na­re meh­ren sich, Dalits und Stam­mes­an­ge­hö­ri­ge durch Betrug und Gewalt zum Chri­sten­tum bekehrt zu haben. Aber auch katho­li­sche Schu­len und Kran­ken­häu­ser wer­den zum Ziel von gewalt­tä­ti­gen Angrif­fen. Kei­ne christ­li­che Ein­rich­tung, egal wie gut ihre Arbeit und ihr Ein­satz für die All­ge­mein­heit auch sein mag, kann sich mehr sicher fühlen.

Sogar die Mis­sio­narinnen der Näch­sten­lie­be, die Schwe­stern von Mut­ter Tere­sa von Kal­kut­ta, die stets beson­de­res Anse­hen genos­sen, sind ins Faden­kreuz der Hind­una­tio­na­li­sten gera­ten. Aus­ge­rech­net am ersten Weih­nachts­fei­er­tag gab der indi­sche Innen­mi­ni­ster bekannt, daß die Regie­rung die Geneh­mi­gung wider­ru­fen hat, daß die Schwe­stern Hilfs- und Spen­den­gel­der aus dem Aus­land emp­fan­gen dür­fen. Zur Begrün­dung nann­te er nicht näher prä­zi­sier­te „nega­ti­ve Fak­to­ren“. Die Bestim­mung wer­de, so der Innen­mi­ni­ster, in Kraft blei­ben „bis das Pro­blem gelöst ist“. Um wel­ches „Pro­blem“ es sich han­delt, sag­te er aller­dings nicht.

Das „Pro­blem“, auf das sich der Mini­ster bezieht, ist höchst­wahr­schein­lich auch in die­sem Fall die Anschul­di­gung gegen die Schwe­stern von Mut­ter Tere­sa, kari­ta­ti­ve Akti­vi­tä­ten durch­zu­füh­ren, um Hin­dus zum Chri­sten­tum zu bekeh­ren. Im Dezem­ber bei­spiels­wei­se wur­den die Mis­sio­na­rin­nen der Näch­sten­lie­be, die in Ahmed­abad im Bun­des­staat Guja­rat ein Heim für jun­ge Frau­en betrei­ben, in die­sem Sin­ne denun­ziert. Die Ordens­frau­en wie­sen die­se Vor­wür­fe zurück, wie sie das bereits in der Ver­gan­gen­heit getan hat­ten. Am 14. Dezem­ber wur­de eine Mis­sio­na­rin der Näch­sten­lie­be ver­ur­teilt, weil ihr die Orga­ni­sa­ti­on „ille­ga­ler Adop­tio­nen“ vor­ge­wor­fen wur­de. Die Ordens­frau wies die Vor­wür­fe stets zurück. Auch in die­sem Fall geht es dar­um, daß aus­ge­setz­te Kin­der, die von Hind­una­tio­na­li­sten kate­go­risch für den Hin­du­is­mus rekla­miert wer­den, nicht nur an hin­du­isti­sche Fami­li­en über­ge­ben werden.

Die 1950 von Mut­ter Tere­sa von Kal­kut­ta gegrün­de­ten Mis­sio­na­rin­nen der Näch­sten­lie­be zäh­len heu­te zu den bekann­te­sten Ordens­ge­mein­schaf­ten der Welt. Allein in Indi­en wer­den von ihnen Hun­der­te von Pro­jek­ten wie Schu­len, Ambu­la­to­ri­en, Kran­ken­häu­ser, Alters­hei­me, Frau­en­häu­ser, Wai­sen­häu­ser usw. geführt. Ihnen die Mög­lich­keit zu ent­zie­hen, Spen­den­gel­der aus dem Aus­land zu emp­fan­gen, bedeu­tet, die­se Pro­jek­te zu gefährden.

Seit 2015 wur­den von der hind­una­tio­na­li­sti­schen Regie­rung ähn­li­che Restrik­tio­nen bereits gegen ande­re kari­ta­ti­ve Ein­rich­tun­gen ver­hängt. Aller­dings tref­fen die Ein­schrän­kun­gen auch inter­na­tio­na­le NGOs wie Green­peace und Amne­sty Inter­na­tio­nal, von denen sogar die Bank­kon­ten blockiert wur­den. Vor­erst wur­den gegen die Mis­sio­na­rin­nen der Näch­sten­lie­be kei­ne sol­chen Maß­nah­men ergrif­fen. Gegen­tei­li­ge Behaup­tun­gen, wie jene des Mini­ster­prä­si­den­ten des Staa­tes West­ben­ga­len, Mama­ta Baner­jee, wur­den von der Bun­des­re­gie­rung demen­tiert. Den­noch sind die Restrik­tio­nen gegen die Schwe­stern von Mut­ter Tere­sa schwerwiegend.

Zwei Tage vor Weih­nach­ten hat zudem das hind­una­tio­na­li­stisch domi­nier­te Par­la­ment des Staa­tes Khar­na­ta­ka ein soge­nann­tes Anti­kon­ver­si­ons­ge­setz beschlos­sen. Es ver­bie­tet „Zwangs­kon­ver­sio­ne­n­en“ und belegt sie mit schar­fen Sank­tio­nen. Obwohl sie den Chri­sten fern­lie­gen, wer­den sie ihnen zum Vor­wurf gemacht. Die Chri­sten sehen in sol­chen Geset­zen, wie sie in der Ver­gan­gen­heit bereits von ande­ren Staa­ten erlas­sen wur­den, eine gezielt anti­christ­li­che Maß­nah­me. Der Ein­brin­ger des Geset­zes, ein Ver­tre­ter der Hind­una­tio­na­li­sti­schen Volks­par­tei, sag­te im Par­la­ment, in Kar­na­ta­ka sei­en reli­giö­se Bekeh­run­gen „durch Gewalt weit ver­brei­tet“. Allein in sei­nem Wahl­kreis sei­en auf die­se Wei­se „mehr als 15.000 Men­schen zum Chri­sten­tum kon­ver­tiert“, dar­un­ter auch sei­ne Mutter.

Mit Kar­na­ta­ka haben neun von 28 indi­schen Bun­des­staa­ten Anti­kon­ver­si­ons­ge­set­ze erlas­sen, mit denen Chri­sten ver­folgt und ihre Akti­vi­tä­ten ein­ge­schränkt wer­den. Es sind die Staa­ten Uttar Pra­desh, Oris­sa, Mad­hya Pra­desh, Chhat­tis­garh, Guja­rat, Himachal Pra­desh, Jhark­hand und Utta­rak­hand. In zwei wei­te­ren Bun­des­staa­ten, Aru­n­achal Pra­desh und Raja­stan, wur­den sol­che Geset­ze ver­ab­schie­det, aber nicht in Kraft gesetzt. In Tamil Nadu wur­de das Gesetz beschlos­sen, dann aber wie­der auf­ge­ho­ben. Hind­una­tio­na­li­sti­sche Grup­pen set­zen sich für ein Anti­kon­ver­si­ons­ge­setz auf Bun­des­ebe­ne ein.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: NBQ

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