
(Washington) Am 27. Dezember ließ Kardinal Blase Cupich, der Erzbischof von Chicago, neue Leitlinien zur Umsetzung des Motu proprio Traditionis custodes bekanntgegeben, das von Papst Franziskus am 16. Juli erlassen wurde. Noch am selben Tag reagierten die Regularkanoniker des heiligen Johannes von Krakau (Canons Regular of St. John Cantius), die ihr Kloster im Erzbistum Chicago haben.
Bekanntgegeben wurden die Leitlinien nicht von den Medien des Erzbistums Chicago, sondern von progressiven Medien in den USA und VaticanNews. Damit wurde signalisiert, daß Santa Marta hinter den Restriktionen steht und ihnen Vorbildcharakter zuerkennt. Es handelt sich, abgesehen von einem Totalverbot, das einige Bischöfe verhängten, um die bisher radikalsten Einschränkungen gegen den überlieferten Ritus. Sie gehen noch über die bereits massiven Restriktionen hinaus, die für die Diözese Rom verhängt wurden. Damals wurde angenommen, daß die römischen Maßnahmen dem päpstlichen „Ideal“ entsprechen. Seit einigen Tagen steht nun fest, daß Franziskus durchaus noch radikalere Umsetzungen wünscht, wie sie ihm Kardinal Cupich, sein Mann in den USA, liefert.
Im Erzbistum Chicago haben die Regularkanoniker des heiligen Johannes von Krakau ihr Kloster; dort befindet sich ebenso der Hauptsitz des Instituts Christus König und Hohepriester in den USA, und auch die Petrusbruderschaft ist dort aktiv. Die Regularkanoniker wurden vom Augustiner-Chorherren Frank Philipps gegründet und 1998 vom damaligen Erzbischof Francis Kardinal George OMI kanonisch errichtet. Sie sind gemeinschaftsintern, in ihren Apostolaten und ihrem Meßbund altrituell, zelebrieren aber in ihrem pastoralen Wirken für die Gläubigen sowohl im überlieferten als auch im neuen Ritus.
Am 23. Dezember, dem Gedenktag des heiligen Johannes von Krakau (1390–1473) nach der Kalenderreform, wurde Kanonikus Joshua S. Caswell, der Generalobere der Regularkanoniker vom heiligen Johannes von Krakau, von Kardinal Cupich in Audienz empfangen. In seiner am 27. Dezember veröffentlichten Stellungnahme schreibt der Generalobere:
„Ich nahm unser Treffen zum Anlaß, Seiner Eminenz zu versichern, daß die Regularkanoniker sich für die Wahrung der Einheit mit ihm und dem Papst einsetzen.“
Kardinal Cupich seinerseits gab Caswell als „Weihnachtsgeschenk“ seine restriktiven Richtlinien zur Umsetzung von Traditionis custodes bekannt, die vier Tage später auch öffentlich bekanntgemacht wurden. Zugleich betonte der Erzbischof, „er wolle, daß die Arbeit der Regularkanoniker fortgesetzt wird, wenn auch innerhalb der Grenzen, die durch die am 25. Januar 2022 in Kraft tretenden Richtlinien der Erzdiözese gesetzt werden“.
Caswell schreibt dazu, die Nachricht über die Restriktionen „mit nicht wenig Traurigkeit“ aufgenommen zu haben. Mit Blick auf das besondere Charisma der Regularkanoniker, die „Wiederherstellung des Heiligen“, schreibt er:
„Wir tun dies durch die Feier der liturgischen Tradition unserer Kirche, sowohl nach dem Römischen Meßbuch des heiligen Paul VI. als auch im Missale des heiligen Johannes XXIII. für jene, die mit diesem verbunden sind. Wir werden Seine Eminenz um verschiedene Erlaubnisse bitten. Der Kardinal hat uns dazu ermutigt, dies zu tun.
In diesem Moment überlegen wir im Gebet, wie wir eine Brücke für die Einheit im Leben der Kirche sein können, indem wir die Politik der Erzdiözese im Einklang mit unserem geistlichen und pastoralen Patronat sowie mit der Führung des Erzbischofs von Chicago treu umsetzen und gleichzeitig unserer Mission treu bleiben.“
In diesem Sinne schreiben die Regularkanoniker in ihrer Stellungnahme an die Gläubigen:
„Wir laden Sie ein, uns bei dieser Entscheidungsfindung zu begleiten, indem Sie ab dem 25. Januar 2022 an einer Rosenkranznovene teilnehmen. Wir werden beten, daß die Jungfrau Maria, die zu unserem Herrn ‚Ja‘ gesagt hat, uns hilft, dem Willen ihres Sohnes und der von Ihm gegründeten Kirche zu folgen. Wir werden diese neun Tage beachten, die am Fest ihrer Reinigung, dem Mariä-Lichtmeß-Tag, enden. Während dieser Novene werden unsere Herzen auf Maria gerichtet sein – deren Herz ebenfalls durchbohrt wurde – und die schließlich zu uns sagen wird, was sie den Hochzeitsgästen in Kana sagte, indem sie auf ihren Sohn zeigte: ‚Tut alles, was Er euch sagt.‘
Mit Gebet in Christus,
Rev. Joshua S. Caswell, SJC“
Die Regularkanoniker, die durch ihre zumindest teilweise praktizierte Biritualität von den Maßnahmen weniger hart getroffen scheinen, erleben die Restriktionen als harten Schlag. Am selben Tag, an dem Caswell von Kardinal Cupich empfangen wurde, konnte er fünf Postulanten einkleiden, indem sie einen ersten Teil des Ordenskleides erhielten und ihr Noviziat begannen. So nahe beieinander können Traurigkeit und Hoffnung liegen. Die Chorherren müssen nun klären, wie sie mit der neuen Situation umzugehen gedenken, und begeben sich deshalb ins Gebet, um geistlichen Ratschluß zu finden. Umso mehr treffen die harten, von Franziskus gutgeheißenen Maßnahmen die Gemeinschaften, die ganz der Tradition verpflichtet sind.
Kardinal Cupich, der die Chorherren in der Vergangenheit bereits persönlich besuchte, zuletzt im vergangenen Mai, weiß, daß nichts von den negativen Charakterisierungen, die Papst Franziskus den Gemeinschaften der Tradition zuschreibt, auf die Regularkanoniker zutrifft. Dennoch geht er den bisher radikalsten Weg der Einschränkungen und lädt die Ordensmänner zugleich ein, ihr Wirken fortzusetzen. Gerade diese Widersprüchlichkeit im Zeichen des Abbruchs irritiert die Betroffenen im Zusammenhang mit Traditionis custodes weltweit.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Canon Regulars of St. John Cantius (Screenshots)