„Was das Feuer verschont hat, will die Diözese zerstören“

Appell: Das Erzbistum Paris gefährdet den Wiederaufbau von Notre-Dame


Während die Außengestaltung von Notre-Dame in Paris originalgetreu erfolgt, will die Erzdiözese das Innere neu gestalten.
Während die Außengestaltung von Notre-Dame in Paris originalgetreu erfolgt, will die Erzdiözese das Innere neu gestalten.


(Paris) Paris hat vor weni­gen Tagen sei­nen Erz­bi­schof ver­lo­ren. Zeit­gleich wur­den die Ent­hül­lun­gen bestä­tigt, daß der Wie­der­auf­bau der Kathe­dra­le Not­re-Dame de Paris zu einer „bar­ba­ri­schen Neu­ge­stal­tung“ wer­den soll. Die bedeu­tend­ste Kir­che Frank­reichs soll ein „poli­tisch kor­rek­tes Dis­ney­land“ wer­den, so der bekann­te Archi­tekt und Stadt­pla­ner Mau­rice Culot. Bekann­te Per­sön­lich­kei­ten des öffent­li­chen Lebens machen seit Wochen­be­ginn dage­gen mobil.

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Erste Details hat­te Ende Novem­ber der bri­ti­sche Dai­ly Tele­graph ent­hüllt. Sie wur­den inzwi­schen durch Diö­ze­san­ver­ant­wort­li­che bestä­tigt. Man wol­le Besu­cher, „die nicht immer aus einer christ­li­chen Kul­tur kom­men“, „will­kom­men hei­ßen“ und einen „Dia­log mit Objek­ten der moder­nen Kunst“ för­dern, heißt es.

Bestä­tigt wur­de inzwi­schen auch, daß die Com­mis­si­on du patri­moi­ne (Denk­mal­schutz­kom­mis­si­on) das Pro­jekt zur Umge­stal­tung der sym­bol­träch­tig­sten Kir­che Frank­reichs mit zwei Vor­be­hal­ten geneh­migt hat:

  • die Skulp­tu­ren müs­sen in ihren Kapel­len bleiben,
  • die geplan­ten Bän­ke mit Rädern und Ker­zen sol­len über­ar­bei­tet werden.

Hun­dert Per­sön­lich­kei­ten, dar­un­ter Sté­pha­ne Bern, Alain Fin­kiel­kraut und Pierre Nora, haben Anfang der Woche einen Appell gestar­tet unter dem ankla­gen­den Motto:

„Was das Feu­er ver­schont hat, will die Diö­ze­se zerstören“.

Damit wol­len sie die „Dena­tu­rie­rung“ der Bischofs­kir­che ver­hin­dern. Die Gestal­tung der Kathe­dra­le fol­ge seit dem Mit­tel­al­ter einem eige­nen Weg und einer eige­nen Spra­che, so die Initia­to­ren. Alles sei genau durch­dacht gewe­sen und ent­spre­chend aus­ge­führt wor­den. Dar­an wur­de trotz zeit­be­ding­ten Reno­vie­run­gen fest­ge­hal­ten. In beson­de­rer Wei­se gel­te das für Eugè­ne Viol­let-le-Duc, der Mit­te des 19. Jahr­hun­derts die Restau­rie­rung der Kathe­dra­le gelei­tet hat­te. Die­se Ein­heit wol­le man nun durch „moder­ni­sie­ren­de“ Ein­grif­fe zunichtemachen.

Die Neu­ge­stal­tung sieht die Instal­la­ti­on von Bän­ken auf Rädern vor, die ent­fernt und umgrup­piert wer­den kön­nen, eine nach den Jah­res­zei­ten wech­seln­de Beleuch­tung, Video­pro­jek­ti­on u. a. m. Die Kri­ti­ker spre­chen von modi­schen, daher schon jetzt „schreck­lich ver­al­te­ten Ver­mitt­lungs­vor­rich­tun­gen“, wie sie sich bei allen „immersi­ven“ Kul­tur­pro­jek­ten fin­den, bei denen „oft die Dumm­heit mit dem Kitsch konkurriert“.

Für die Innen­ge­stal­tung der Kathe­dra­le ist für das Erz­bis­tum der Prie­ster Gil­les Drouin zustän­dig. Life­Si­teNews nennt ihn einen „begei­ster­ten Geg­ner des über­lie­fer­ten Ritus“. Drouin bekräf­tig­te gegen­über der Pres­se­agen­tur AFP, daß die Kathe­dra­le durch die Restau­rie­rung als Ort der Anbe­tung erhal­ten blei­ben sol­le. Dabei soll­ten die Sei­ten­ka­pel­len „mit moder­nen Kunst­ob­jek­ten in einen Dia­log tre­ten“, denn die Kathe­dra­le sei „schon immer offen für zeit­ge­nös­si­sche Kunst“ gewe­sen. Es wer­den Skulp­tu­ren von Künst­lern wie Ernest Pignon-Ernest, Anselm Kie­fer und Loui­se Bour­geois zu sehen sein, so Drouin.

Wäh­rend die fran­zö­si­sche Regie­rung für den Wie­der­auf­bau und den Erhalt der Bau­sub­stanz zustän­dig ist, liegt die Zustän­dig­keit für die Innen­re­no­vie­rung und Innen­ge­stal­tung beim Erz­bis­tum Paris. Die Kathe­dra­le befin­det sich seit dem Gesetz über die Tren­nung von Staat und Kir­che von 1905 in Staats­ei­gen­tum. Die Erz­diö­ze­se ver­fügt über das allei­ni­ge Nutzungsrecht.

Als nach dem ver­hee­ren­den Brand Plä­ne für „Moder­ni­sie­run­gen“ des Erschei­nungs­bil­des laut wur­den, sorg­ten Pro­te­ste von Gläu­bi­gen und Bür­gern, Archi­tek­ten und Denk­mal­schüt­zern, daß sol­che Absich­ten nicht zum Tra­gen kom­men. Die bür­ger­li­che Mehr­heit des fran­zö­si­schen Senats leg­te sicher­heits­hal­ber fest, daß der Wie­der­auf­bau des äuße­ren Erschei­nungs­bil­des ori­gi­nal­ge­treu erfol­gen müs­se. Selbst der Dach­stuhl wird mit Bal­ken aus Eichen­holz wie­der­errich­tet, die nach Kri­te­ri­en bear­bei­tet wer­den, wie es auch Zim­mer­leu­te im Mit­tel­al­ter taten.

Im gro­ßen und gan­zen blieb das Inne­re trotz des ver­hee­ren­den Bran­des erhal­ten, so die Orgel, die Sei­ten­ka­pel­len und auch die Hoch­re­li­efs des Cho­res. Obwohl eine Innen­neu­ge­stal­tung des­halb gar nicht not­wen­dig ist, ent­schied das Erz­bis­tum anders.

Es heißt, die Kanz­lei von Staats­prä­si­dent Emma­nu­el Macron drän­ge dar­auf, das Tem­po anzu­zie­hen. Er hat­te den Wie­der­auf­bau inner­halb von fünf Jah­ren ver­spro­chen. Die Hälf­te die­ser Zeit ist inzwi­schen um. Aller­dings wird Macron, das zeich­net sich immer deut­li­cher ab, nach den 2022 bevor­ste­hen­den Prä­si­dent­schafts­wah­len nicht mehr in den Ély­sée-Palast zurück­keh­ren. Ent­spre­chen­de Rück­sicht­nah­men sind daher nicht vonnöten.

Das „Pro­blem“ sei viel­mehr das Erz­bis­tum selbst. Abbé Drouin, der Direk­tor des Lit­ur­gi­schen Insti­tuts, zielt vor allem auf die Mil­lio­nen Tou­ri­sten ab, die jähr­lich die Kathe­dra­le auf­su­chen, aber zum Groß­teil nicht gläu­big sei­en oder ande­ren Reli­gio­nen ange­hö­ren. Vie­le wür­den das Chri­sten­tum nicht ken­nen, so der Lit­ur­gi­ker. Es gehe daher um die Bedeu­tung, die Sym­bo­lik einer katho­li­schen Kathe­dra­le zu ver­mit­teln, „indem sie ihre Kunst­wer­ke für alle auf kul­tu­rel­le und kate­che­ti­sche Wei­se ent­schlüs­selt und gleich­zei­tig den Glau­ben jedes Ein­zel­nen respektiert“.

Als er Tibet besuch­te, habe er groß­ar­ti­ge Tem­pel gese­hen, so Drouin. Er habe „ein Geheim­nis gese­hen, aber ich hat­te kei­nen Schlüs­sel dazu“. So müs­se es anders­her­um asia­ti­schen Tou­ri­sten gehen, wenn sie Not­re-Dame auf­su­chen. Er wol­le den Besu­chern „den Schlüs­sel“ in die Hand geben. Da es das Dra­ma des ver­hee­ren­den Bran­des „nun­mal gab“, wol­le die Erz­diö­ze­se die Gele­gen­heit nüt­zen, „um den Raum noch ein­mal zu lesen“:

„Wir wol­len einen lit­ur­gi­schen Raum, der allen offensteht.“

Es gehe aber nicht dar­um, Not­re-Dame in ein Muse­um mit einer „klei­nen Ecke für die Mes­se“ umzu­wan­deln, so Drouin. Der Leit­fa­den sei viel­mehr eine „Beglei­tung“ der Besu­cher „durch eine Ent­schlüs­se­lung der Kunst­wer­ke für alle, kul­tu­rell und kate­che­tisch, unter Wah­rung der Weltanschauung“.

Eine bei­spiel­lo­se welt­wei­te Spen­den­samm­lung, die ein­setz­te, als der Brand noch nicht ganz gelöscht war, erbrach­te die spek­ta­ku­lä­re Sum­me von einer Mil­li­ar­de Euro. Die Initia­to­ren des Appells für die ori­gi­nal­ge­treue Innen­ge­stal­tung spre­chen davon, daß die­se Spen­den unzäh­li­ger Men­schen „alle­samt Lie­bes­er­klä­run­gen an die Kathe­dra­le“ waren und den Wunsch bezeu­gen, „daß das künst­le­ri­sche und geist­li­che Erbe wie­der­be­lebt und nicht ersetzt wird“. Nun aber sei genau die­ser Wie­der­auf­bau für das Inne­re der Kathe­dra­le „ernst­haft gefährdet“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL/​InfoCatolica

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