„Wir müssen daraus schließen, daß die Erklärung von Papst Franziskus unbegründet und falsch ist“

P. Wojciech Gołaski OP analysiert Traditionis custodes und gibt seinen Wechsel zur Piusbruderschaft bekannt


P. Wojciech Gołaski OP schrieb Papst Franztiskus einen ausführlichen Brief zu Traditionis custodes, dem er vorwirft, richtiges und logisches Denken zu verhindern.
P. Wojciech Gołaski OP schrieb Papst Franziskus einen ausführlichen Brief zu Traditionis custodes, dem er vorwirft, richtiges und logisches Denken zu verhindern.

Der pol­ni­sche Domi­ni­ka­ner P. Wojciech Goła­ski OP schrieb Papst Fran­zis­kus einen aus­führ­li­chen Brief zum Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des. Dar­in berich­tet er Fran­zis­kus, wie er den über­lie­fer­ten Ritus vor zwölf Jah­ren ent­deck­te und welch über­wäl­ti­gen­den Schatz er dar­in fand. Er ana­ly­siert das Motu pro­prio, zeigt des­sen schwer­wie­gen­de Denk­feh­ler und Irr­tü­mer auf und gelangt zum Schluß, daß Tra­di­tio­nis cus­to­des „unbe­grün­det und falsch ist“. Am Ende teilt er dem Papst mit, zur Pius­bru­der­schaft zu wech­seln, die sein domi­ni­ka­ni­sches Cha­ris­ma respek­tie­re: „Sie bie­tet mir nicht nur ein Leben im Dienst an Gott und der Kir­che, einen Dienst, der nicht durch Wider­sprü­che behin­dert wird, son­dern auch die Mög­lich­keit, den Wider­sprü­chen ent­ge­gen­zu­tre­ten, die ein Feind der Wahr­heit sind und die die Kir­che so hef­tig ange­grif­fen haben.“

Anzei­ge

Auch in den Gemein­schaf­ten der Tra­di­ti­on ist man sich bewußt, daß San­ta Mar­ta den über­lie­fer­ten Ritus aus­lö­schen und neue Prie­ster­wei­hen im über­lie­fer­ten Ritus unter­bin­den will. Der Ritus und die mit ihm ver­bun­de­nen Gemein­schaf­ten und Gläu­bi­gen sol­len aus­ster­ben.
Das Schrei­ben von P. Goła­ski wur­de vor weni­gen Tagen vom US-Blog Rora­te Cae­li in eng­li­scher Spra­che ver­öf­fent­licht. Hier die deut­sche Über­set­zung einer wich­ti­gen Ana­ly­se und eines bedeu­ten­den Doku­ments der per­sön­li­chen Gewissensentscheidung.

Jam­na, 17. August 2021

Sei­ne Hei­lig­keit Papst Fran­zis­kus
Domus Sanc­tae Mart­hae
Hei­li­ger Stuh
l
Vati­kan­stadt

Zu Hän­den von:
Hochw. Gene­ral­mei­ster des Ordens, Gerard Fran­cis­co Timoner III. OP
Pater Pro­vin­zi­al der Pol­ni­schen Pro­vinz, Paweł Kozacki OP
S. E. Bischof der Diö­ze­se Tarnów, Andrzej Jeż
Pater Supe­ri­or des Hau­ses in Jam­na, Andrzej Chle­wicki OP
Brü­der und Schwe­stern im Orden
Hochw. Obe­rer des pol­ni­schen Distrikts der Bru­der­schaft St. Pius X., Karl Steh­lin FSSPX
Omnes quos res tangit

Heiliger Vater!

Ich wur­de vor 57 Jah­ren gebo­ren und trat vor 35 Jah­ren in den Domi­ni­ka­ner­or­den ein. Vor 29 Jah­ren leg­te ich mei­ne ewi­gen Gelüb­de ab und bin nun seit 28 Jah­ren Prie­ster. Aus mei­ner frü­hen Kind­heit hat­te ich nur vage Erin­ne­run­gen an die Hei­li­ge Mes­se in ihrer Form vor den Refor­men von 1970. Sech­zehn Jah­re nach mei­ner Prie­ster­wei­he dräng­ten mich zwei Lai­en­freun­de (die sich nicht kann­ten), zu ler­nen, wie man die Hei­li­ge Mes­se in ihrer tra­di­tio­nel­len Form fei­ert. Ich habe auf sie gehört.

Das war ein Schock für mich. Ich ent­deck­te, dass die Hei­li­ge Mes­se in ihrer klas­si­schen Form:

  • die gan­ze Auf­merk­sam­keit des Prie­sters und der Gläu­bi­gen auf das Myste­ri­um lenkt,
  • mit gro­ßer Prä­zi­si­on der Wor­te und Gesten den Glau­ben der Kir­che an das, was hier und jetzt auf dem Altar geschieht, zum Aus­druck bringt,
  • mit einer ihrer Prä­zi­si­on ent­spre­chen­den Kraft den Glau­ben des Zele­bran­ten und des Vol­kes stärkt,
  • weder den Prie­ster noch die Gläu­bi­gen zu eige­nen Erfin­dun­gen oder Krea­ti­vi­tät wäh­rend der Lit­ur­gie verleitet,
  • sie ganz im Gegen­teil auf einen Weg der Stil­le und der Kon­tem­pla­ti­on führt,
  • durch die Zahl und die Art der Gesten die Mög­lich­keit zu unab­läs­si­gen Akten der Fröm­mig­keit und der Lie­be zu Gott bietet,
  • den Prie­ster und die Gläu­bi­gen ver­eint, indem er sie auf die­sel­be Sei­te des Altars stellt und sie in die­sel­be Rich­tung dreht: ver­sus Crucem, ver­sus Deum.

Ich sag­te mir: Das also ist die Hei­li­ge Mes­se! Und ich, seit 16 Jah­ren ein Prie­ster, wuss­te es nicht! Es war ein gewal­ti­ges Heu­re­ka [wört­lich: Ich hab’s gefun­den], eine Ent­deckung, nach der mei­ne Vor­stel­lung von der Mes­se nicht mehr die­sel­be blei­ben konn­te.

Von Anfang an war mir auf­ge­fal­len, dass die­ser Ritus das Gegen­teil des Kli­schees ist. Statt For­ma­lis­mus frei­er Aus­druck der See­le vor Gott. Statt Fri­gi­di­tät die Inbrunst des gött­li­chen Kul­tes. Statt Distanz Nähe. Statt Fremd­heit Inti­mi­tät. Statt Starr­heit Sicher­heit. Statt der Pas­si­vi­tät der Lai­en ihre tie­fe und leben­di­ge Ver­bun­den­heit mit dem Myste­ri­um (durch die Lai­en wur­de ich schließ­lich zur über­lie­fer­ten Mes­se geführt). Statt einer Kluft zwi­schen Prie­ster und Gläu­bi­gen eine enge geist­li­che Ver­bin­dung zwi­schen allen Anwe­sen­den, die durch die Stil­le des Kanons geschützt und aus­ge­drückt wird. Bei die­ser Ent­deckung wur­de mir klar: Gera­de die­se Form ist unse­re Brücke zu den Gene­ra­tio­nen, die vor uns gelebt und den Glau­ben wei­ter­ge­ge­ben haben. Mei­ne Freu­de über die­se kirch­li­che Ein­heit, die alle Zei­ten über­dau­ert, war enorm.

Von Anfang an erleb­te ich die star­ke geist­li­che Anzie­hungs­kraft der Mes­se in ihrer tra­di­tio­nel­len Form. Es waren nicht die Zei­chen an sich, die mich anzo­gen, son­dern ihre Bedeu­tung, die die See­le zu lesen weiß. Schon der Gedan­ke an die näch­ste Fei­er erfüll­te mich mit Freu­de. Mit Eifer und Sehn­sucht such­te ich jede Gele­gen­heit zum Zele­brie­ren. Sehr bald reif­te in mir die völ­li­ge Gewiss­heit, dass ich, wenn ich die Mes­se (wie auch jedes Sakra­ment und jede Zere­mo­nie) bis zum Ende mei­ner Tage nur in ihrer tra­di­tio­nel­len Form feie­re, die nach­kon­zi­lia­re Form nicht im Gering­sten ver­mis­sen wür­de.

Hät­te mich jemand gebe­ten, mit einem ein­zi­gen Wort mei­ne Gefüh­le über die über­lie­fer­te Zele­bra­ti­on im Kon­text des refor­mier­ten Ritus aus­zu­drücken, hät­te ich „Erleich­te­rung“ geant­wor­tet. Denn es war in der Tat eine Erleich­te­rung, eine unbe­schreib­lich tie­fe. Es war wie bei jeman­dem, der sein gan­zes Leben lang in Schu­hen gelau­fen ist, die einen Kie­sel­stein ent­hal­ten, der an den Füßen reibt und sie reizt, der aber kei­ne ande­re Erfah­rung mit dem Lau­fen hat, und dem 16 Jah­re spä­ter ein Paar Schu­he ohne Kie­sel­stein und die Wor­te ange­bo­ten wer­den: „Hier, zie­hen Sie die an, pro­bie­ren Sie sie aus!“ Ich ent­deck­te nicht nur die Hei­li­ge Mes­se wie­der, son­dern auch den ver­blüf­fen­den Unter­schied zwi­schen den bei­den For­men: der­je­ni­gen, die seit Jahr­hun­der­ten in Gebrauch war, und der nach­kon­zi­lia­ren. Ich hat­te die­sen Unter­schied nicht gekannt, weil ich die frü­he­re Form nicht kann­te. Ich kann mei­ne Begeg­nung mit der tra­di­tio­nel­len Lit­ur­gie nicht mit einer Begeg­nung mit jeman­dem ver­glei­chen, der mich adop­tiert hat und mein Adop­tiv­el­tern­teil gewor­den ist. Es war viel­mehr eine Begeg­nung mit der Mut­ter, die schon immer mei­ne Mut­ter war, die ich aber nicht kann­te.

Bei all dem wur­de ich vom Segen der Päp­ste beglei­tet. Sie hat­ten gelehrt, dass das Mess­buch von 1962 „nie recht­lich auf­ge­ho­ben wur­de und daher im Prin­zip immer erlaubt bleibt“, und hin­zu­ge­fügt, dass „das, was für frü­he­re Gene­ra­tio­nen hei­lig war, auch für uns hei­lig und groß­ar­tig bleibt und nicht plötz­lich völ­lig ver­bo­ten oder gar als schäd­lich ange­se­hen wer­den kann. Es liegt an uns allen, die Reich­tü­mer, die durch den Glau­ben und das Gebet der Kir­che ent­stan­den sind, zu bewah­ren und ihnen den ihnen gebüh­ren­den Platz ein­zu­räu­men“ (Bene­dikt XVI., Brief an die Bischö­fe, 2007). Die Gläu­bi­gen wur­den auch belehrt: „Wegen ihres ehr­wür­di­gen und uralten Gebrauchs ist die for­ma extra­or­di­na­ria mit der ihr gebüh­ren­den Ehre zu erhal­ten“; sie wur­de als „ein kost­ba­rer Schatz, den es zu bewah­ren gilt“ bezeich­net (Instruk­ti­on Uni­ver­sae Eccle­siae, 2011). Die­se Wor­te folg­ten auf frü­he­re Doku­men­te, die es den Gläu­bi­gen ermög­lich­ten, die tra­di­tio­nel­le Lit­ur­gie nach den Refor­men von 1970 zu ver­wen­den; das erste war Quat­tu­or abhinc annos von 1984. Grund­la­ge und Quel­le all die­ser Doku­men­te ist nach wie vor die Bul­le des Hei­li­gen Pius V. Quo pri­mum tem­po­re (1570).

Hei­li­ger Vater, wenn wir, ohne das fei­er­li­che Doku­ment von Papst Pius V. zu ver­ges­sen, die Zeit­span­ne berück­sich­ti­gen, die die Erklä­run­gen Ihrer unmit­tel­ba­ren Vor­gän­ger umfasst, haben wir eine Dau­er von 37 Jah­ren, von 1984 bis 2021, in denen die Kir­che den Gläu­bi­gen in Bezug auf die über­lie­fer­te Lit­ur­gie immer nach­drück­li­cher gesagt hat: „Es gibt einen sol­chen Weg. Ihr könnt ihn beschreiten.“

Ich bin also den Weg gegan­gen, den mir die Kir­che ange­bo­ten hat.

Wer die­sen Weg geht, wer will, dass die­ser Ritus, der das Gefäß der gött­li­chen Gegen­wart und der gött­li­chen Hin­ga­be ist, in sei­nem Leben Früch­te trägt; der muss sich ganz öff­nen, um sich und die ande­ren Gott anzu­ver­trau­en, der durch das Gefäß die­ses hei­li­gen Ritus in uns gegen­wär­tig ist und han­delt. Das habe ich getan, mit vol­lem Ver­trau­en.

Dann kam der 16. Juli 2021.

Aus Ihren Doku­men­ten, Hei­li­ger Vater, habe ich erfah­ren, dass der Weg, den ich zwölf Jah­re lang gegan­gen war, nicht mehr exi­stiert.

Wir haben Aus­sa­gen von zwei Päp­sten. Sei­ne Hei­lig­keit Bene­dikt XVI. hat­te gesagt, dass das von Pius V. pro­mul­gier­te Römi­sche Mess­buch „als außer­or­dent­li­cher Aus­druck der lex oran­di der katho­li­schen Kir­che des Römi­schen Ritus betrach­tet wer­den muss“. Sei­ne Hei­lig­keit Papst Fran­zis­kus sagt jedoch, dass „die von den Päp­sten Paul VI. und Johan­nes Paul II. pro­mul­gier­ten lit­ur­gi­schen Bücher (…) der ein­zi­ge Aus­druck der lex oran­di des Römi­schen Ritus sind.“ Die Behaup­tung des Nach­fol­gers ver­neint also die sei­nes noch leben­den Vorgängers.

Kann eine bestimm­te Art der Mess­fei­er, die durch eine uralte, jahr­hun­der­te­al­te Tra­di­ti­on bestä­tigt, von jedem Papst, auch von Ihnen, Hei­li­ger Vater, bis zum 16. Juli 2021 aner­kannt und durch ihre Pra­xis über so vie­le Jahr­hun­der­te hin­weg gehei­ligt wur­de, plötz­lich auf­hö­ren, die lex oran­di des Römi­schen Ritus zu sein? Wenn dies der Fall wäre, wür­de das bedeu­ten, dass ein sol­ches Merk­mal dem Ritus nicht inne­wohnt, son­dern ein äuße­res Attri­but ist, das den Ent­schei­dun­gen jener unter­liegt, die hohe Ämter beklei­den. In Wirk­lich­keit bringt die über­lie­fer­te Lit­ur­gie die lex oran­di des Römi­schen Ritus durch jede Geste, jeden Satz und durch das Gan­ze, das sie bil­den, zum Aus­druck. Es ist auch garan­tiert, dass sie die­se lex oran­di zum Aus­druck bringt, wie es die Kir­che auf­grund ihres unun­ter­bro­che­nen Gebrauchs seit undenk­li­chen Zei­ten immer getan hat.

Wir müs­sen dar­aus schlie­ßen, dass die erste päpst­li­che Erklä­rung [von Bene­dikt] auf soli­den Grund­la­gen steht und wahr ist und dass die zwei­te [von Fran­zis­kus] unbe­grün­det und falsch ist.

Aber obwohl sie falsch ist, wird ihr den­noch Geset­zes­kraft ver­lie­hen. Das hat Kon­se­quen­zen, über die ich wei­ter unten schrei­ben wer­de.

Die Zuge­ständ­nis­se bezüg­lich der Ver­wen­dung des Mis­sa­le von 1962 haben jetzt einen ande­ren Cha­rak­ter als frü­her. Es geht nicht mehr dar­um, auf die Lie­be zu reagie­ren, mit der die Gläu­bi­gen an der über­lie­fer­ten Form fest­hal­ten, son­dern dar­um, den Gläu­bi­gen Zeit zu geben – wie­viel Zeit, wird uns nicht gesagt –, um zur refor­mier­ten Lit­ur­gie „zurück­zu­keh­ren“. Aus den Wor­ten des Motu pro­prio und Ihrem Brief an die Bischö­fe geht ein­deu­tig her­vor, dass die Ent­schei­dung getrof­fen wur­de und bereits umge­setzt wird, die tra­di­tio­nel­le Lit­ur­gie aus dem Leben der Kir­che zu ent­fer­nen und sie in den Abgrund des Ver­ges­sens zu stür­zen: Sie darf in den Pfarr­kir­chen nicht ver­wen­det wer­den, es dür­fen kei­ne neu­en Grup­pen gebil­det wer­den, Rom muss kon­sul­tiert wer­den, wenn neue Prie­ster sie zele­brie­ren sol­len. Die Bischö­fe sol­len nun zwar Tra­di­tio­nis Cus­to­des sein, „Hüter der Tra­di­ti­on“, aber nicht im Sin­ne von Hütern, die sie beschüt­zen, son­dern eher im Sin­ne von Gefäng­nis­wär­tern.

Erlau­ben Sie mir, mei­ne Über­zeu­gung zum Aus­druck zu brin­gen, dass dies nicht gesche­hen wird und dass die Ope­ra­ti­on schei­tern wird. Was sind die Grün­de für die­se Über­zeu­gung? Eine sorg­fäl­ti­ge Ana­ly­se der bei­den Brie­fe vom 16. Juli zeigt vier Kom­po­nen­ten auf:

  1. Hege­lia­nis­mus,
  2. Nomi­na­lis­mus,
  3. Glau­be an die All­macht des Pap­stes und
  4. kol­lek­ti­ve Verantwortung.

Jede die­ser Kom­po­nen­ten ist ein wesent­li­cher Bestand­teil Ihrer Bot­schaft, und kei­ne von ihnen lässt sich mit dem katho­li­schen Glau­bens­gut ver­ein­ba­ren. Da sie nicht mit dem Glau­ben in Ein­klang gebracht wer­den kön­nen, wer­den sie weder in der Theo­rie noch in der Pra­xis in den Glau­ben inte­griert wer­den. Las­sen Sie uns jede von ihnen der Rei­he nach untersuchen.

1) Hegelianismus

Der Begriff ist kon­ven­tio­nell: Er bezeich­net nicht wört­lich das System des deut­schen Phi­lo­so­phen Hegel, son­dern etwas, das sich aus die­sem System ablei­tet, näm­lich das Geschichts­ver­ständ­nis als einen guten, ratio­na­len und unver­meid­li­chen Pro­zess kon­ti­nu­ier­li­cher Ver­än­de­run­gen. Die­se Denk­wei­se hat eine lan­ge Geschich­te, von Hera­klit und Plo­tin über Joa­chim von Fio­re bis hin zu Hegel, Marx und ihren moder­nen Erben. Cha­rak­te­ri­stisch für die­sen Ansatz ist die Ein­tei­lung der Geschich­te in Pha­sen, wobei der Beginn jeder neu­en Pha­se mit dem Ende der vor­an­ge­gan­ge­nen ver­bun­den wird. Ver­su­che, den Hege­lia­nis­mus zu „tau­fen“, sind nichts ande­res als Ver­su­che, die­se angeb­li­chen histo­ri­schen Pha­sen mit der Auto­ri­tät des Hei­li­gen Gei­stes aus­zu­stat­ten. Es wird ange­nom­men, dass der Hei­li­ge Geist der näch­sten Gene­ra­ti­on etwas mit­teilt, was er der vor­her­ge­hen­den nicht gesagt hat, oder dass er sogar etwas mit­teilt, das dem wider­spricht, was er vor­her gesagt hat. Im letz­te­ren Fall müs­sen wir eines von drei Din­gen annehmen:

  • ent­we­der hat die Kir­che in bestimm­ten Pha­sen dem Hei­li­gen Geist nicht gehorcht,
  • oder der Hei­li­ge Geist unter­liegt einem Wandel,
  • oder er trägt Wider­sprü­che in sich.

Eine wei­te­re Fol­ge die­ser Welt­an­schau­ung ist eine Ver­än­de­rung des Ver­ständ­nis­ses von Kir­che und Tra­di­ti­on. Die Kir­che wird nicht mehr als eine Gemein­schaft gese­hen, die die Gläu­bi­gen über die Zeit hin­weg ver­eint, wie es im katho­li­schen Glau­ben der Fall ist, son­dern als eine Rei­he von Grup­pen, die den ver­schie­de­nen Pha­sen ange­hö­ren. Die­se Grup­pen ver­fü­gen nicht mehr über eine gemein­sa­me Spra­che: Unse­re Vor­fah­ren hat­ten kei­nen Zugang zu dem, was der Hei­li­ge Geist uns heu­te sagt. Die Tra­di­ti­on selbst ist nicht mehr eine ein­zi­ge Bot­schaft, die stän­dig ver­tieft stu­diert wird; sie besteht viel­mehr dar­in, immer wie­der neue Din­ge vom Hei­li­gen Geist zu emp­fan­gen. Wir hören statt­des­sen, wie in Ihrem Brief an die Bischö­fe, Hei­li­ger Vater, von „der Dyna­mik der Tra­di­ti­on“, oft ver­bun­den mit einer Anwen­dung auf kon­kre­te Ereig­nis­se. Ein Bei­spiel dafür ist, wenn Sie schrei­ben, dass die „letz­te Pha­se die­ser Dyna­mik das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil ist, wäh­rend des­sen sich die katho­li­schen Bischö­fe ver­sam­mel­ten, um zu hören und den Weg zu erken­nen, den der Hei­li­ge Geist der Kir­che weist“. Die­se Argu­men­ta­ti­on impli­ziert, dass eine neue Pha­se neue lit­ur­gi­sche For­men erfor­dert, weil die bis­he­ri­gen für die vor­an­ge­gan­ge­ne Pha­se geeig­net waren, die nun vor­bei ist. Da die­se Abfol­ge der Pha­sen vom Hei­li­gen Geist durch das Kon­zil sank­tio­niert wird, wider­set­zen sich jene dem Hei­li­gen Geist, die an den alten For­men fest­hal­ten, obwohl sie Zugang zu den neu­en haben.

Sol­che Ansich­ten ste­hen jedoch im Wider­spruch zum Glau­ben. Die Hei­li­ge Schrift, die Norm des katho­li­schen Glau­bens, bie­tet kei­nen Grund für ein sol­ches Geschichts­ver­ständ­nis. Viel­mehr lehrt sie uns ein ganz ande­res Ver­ständ­nis. Als König Josia von der Ent­deckung des alten Buches des Geset­zes erfuhr, ord­ne­te er an, dass das Pas­cha­fest, trotz einer Unter­bre­chung von einem hal­ben Jahr­hun­dert, nach die­sem Buch gefei­ert wer­den soll­te (2 Kön 22–23). Eben­so fei­er­ten Esra und Neh­emia nach ihrer Rück­kehr aus der baby­lo­ni­schen Gefan­gen­schaft das Laub­hüt­ten­fest mit dem gan­zen Volk streng nach den alten Auf­zeich­nun­gen des Geset­zes, obwohl seit der letz­ten Fei­er vie­le Jahr­zehn­te ver­gan­gen waren (Neh 8). In jedem Fall wur­den die alten Geset­zes­tex­te benutzt, um den Got­tes­dienst nach einer Zeit des Auf­ruhrs zu erneu­ern. Nie­mand ver­lang­te eine Ände­rung des Ritu­als mit der Begrün­dung, dass eine neue Zeit ange­bro­chen sei.

2) Nominalismus

Wäh­rend der Hege­lia­nis­mus das Geschichts­ver­ständ­nis beein­flusst, wirkt sich der Nomi­na­lis­mus auf das Ver­ständ­nis der Ein­heit aus. Der Nomi­na­lis­mus impli­ziert, dass die Ein­füh­rung einer äuße­ren Ein­heit (durch eine Ver­wal­tungs­ent­schei­dung von oben nach unten) gleich­be­deu­tend mit der Ver­wirk­li­chung einer wirk­li­chen Ein­heit ist. Das liegt dar­an, dass der Nomi­na­lis­mus die spi­ri­tu­el­le Wirk­lich­keit abschafft, indem er ver­sucht, sie mit mate­ri­el­len Maß­nah­men zu erfas­sen und zu regeln. Sie schrei­ben, Hei­li­ger Vater: „Um die Ein­heit des Lei­bes Chri­sti zu ver­tei­di­gen, sehe ich mich gezwun­gen, die von mei­nen Vor­gän­gern gewähr­te Voll­macht zurück­zu­neh­men“. Aber um die­ses Ziel, die wah­re Ein­heit, zu errei­chen, haben Ihre Vor­gän­ger die gegen­tei­li­ge Ent­schei­dung getrof­fen, und das nicht ohne Grund. Wenn man begreift, dass die wah­re Ein­heit etwas Gei­sti­ges und Inne­res beinhal­tet und sich somit von der blo­ßen äuße­ren Ein­heit unter­schei­det, sucht man sie nicht mehr nur durch die Ein­heit­lich­keit der äuße­ren Zei­chen. Auf die­se Wei­se erlangt man kei­ne wah­re Ein­heit, son­dern eine Ver­ar­mung und das Gegen­teil von Ein­heit: Spal­tung.

Die Ein­heit ent­steht nicht durch den Ent­zug von Fähig­kei­ten, den Wider­ruf der Zustim­mung und die Auf­er­le­gung von Gren­zen. König Reha­beam von Juda beriet sich mit zwei Grup­pen von Bera­tern, bevor er ent­schied, wie er die Israe­li­ten behan­deln soll­te, die von ihm eine Ver­bes­se­rung ihres Loses wünsch­ten. Die Älte­ren emp­fah­len Nach­sicht und eine Ver­rin­ge­rung der Lasten des Vol­kes: Das Alter sym­bo­li­siert in der Hei­li­gen Schrift oft die Rei­fe. Die Jün­ge­ren, die Zeit­ge­nos­sen des Königs waren, emp­fah­len, die Lasten zu erhö­hen und har­te Wor­te zu gebrau­chen: Die Jugend steht in der Hei­li­gen Schrift oft für Unrei­fe. Der König folg­te dem Rat der jun­gen Leu­te. Dies führ­te nicht zu einer Eini­gung zwi­schen Juda und Isra­el. Im Gegen­teil, es begann die Spal­tung des Lan­des in zwei König­rei­che (1 Kön 12). Unser Herr heil­te die­se Spal­tung durch Mil­de, denn er wuss­te, dass der Man­gel an die­ser Tugend die Spal­tung ver­ur­sacht hat­te.

Vor Pfing­sten beur­teil­ten die Apo­stel die Ein­heit nach äuße­ren Kri­te­ri­en. Die­ser Ansatz wur­de vom Hei­land selbst kor­ri­giert, der auf die Wor­te des hei­li­gen Johan­nes: „Mei­ster, wir sahen einen Mann, der in dei­nem Namen die bösen Gei­ster aus­trieb, und wir lie­ßen ihn nicht gewäh­ren, weil er nicht zu uns gehör­te“, ant­wor­te­te: „Lasst ihn gewäh­ren, denn wer nicht gegen euch ist, ist mit euch“ (Lk 9,49–50; vgl. Mt 9,38–41). Hei­li­ger Vater, Sie hat­ten vie­le Hun­dert­tau­sen­de von Gläu­bi­gen, die „nicht gegen“ Sie waren. Und Sie haben so viel getan, um es ihnen schwer zu machen! Wäre es nicht bes­ser gewe­sen, den Wor­ten des Erlö­sers zu fol­gen, die auf ein tie­fe­res, gei­sti­ges Fun­da­ment der Ein­heit hin­wei­sen? Hege­lia­nis­mus und Nomi­na­lis­mus wer­den häu­fig zu Ver­bün­de­ten, da das mate­ria­li­sti­sche Ver­ständ­nis der Geschich­te zu der Über­zeu­gung führt, dass jede Etap­pe unwi­der­ruf­lich enden muss.

3) Der Glaube an die Omnipotenz des Papstes

Als Papst Bene­dikt XVI. dem Gebrauch der klas­si­schen Form der Lit­ur­gie grö­ße­re Frei­heit gewähr­te, berief er sich auf einen jahr­hun­der­te­al­ten Brauch und Usus. Die­se bil­de­ten eine soli­de Grund­la­ge für sei­nen Ent­schluss. Die Ent­schei­dung Eurer Hei­lig­keit stützt sich nicht auf sol­che Grund­la­gen. Im Gegen­teil, sie wider­ruft etwas, das seit sehr lan­ger Zeit besteht und Bestand hat. Sie schrei­ben, Hei­li­ger Vater, dass Sie sich auf die Ent­schei­dun­gen des hei­li­gen Pius V. stüt­zen, aber er hat Kri­te­ri­en ange­wandt, die genau das Gegen­teil von Ihren eige­nen sind. Ihm zufol­ge soll­te das, was seit Jahr­hun­der­ten bestand und Bestand hat­te, unge­stört fort­be­stehen; nur das, was neu war, wur­de abge­schafft. Die ein­zi­ge Grund­la­ge für Ihre Ent­schei­dung ist also der Wil­le einer ein­zi­gen Per­son, die mit päpst­li­cher Auto­ri­tät aus­ge­stat­tet ist. Kann aber die­se Auto­ri­tät, so groß sie auch sein mag, ver­hin­dern, dass alte lit­ur­gi­sche Bräu­che Aus­druck der lex oran­di der römi­schen Kir­che sind? Der hei­li­ge Tho­mas von Aquin fragt sich, ob Gott bewir­ken kann, dass etwas, das ein­mal exi­stier­te, nie exi­stiert hat. Die Ant­wort lau­tet nein, denn der Wider­spruch ist nicht Teil der All­macht Got­tes (Sum­ma Theo­lo­giae, S. I, Qu. 25, Art. 4). In ähn­li­cher Wei­se kann die päpst­li­che Auto­ri­tät nicht bewir­ken, dass tra­di­tio­nel­le Ritua­le, die jahr­hun­der­te­lang den Glau­ben der Kir­che (lex cre­den­di) zum Aus­druck gebracht haben, eines Tages plötz­lich nicht mehr das Gebets­recht der­sel­ben Kir­che (lex oran­di) zum Aus­druck brin­gen. Der Papst kann Ent­schei­dun­gen tref­fen, aber nicht sol­che, die eine Ein­heit ver­let­zen, die sich auf die Ver­gan­gen­heit und die Zukunft erstreckt, weit über die Dau­er sei­nes Pon­ti­fi­kats hin­aus. Der Papst steht im Dienst einer Ein­heit, die grö­ßer ist als sei­ne eige­ne Auto­ri­tät. Denn es han­delt sich um eine von Gott gege­be­ne Ein­heit und nicht um eine von Men­schen geschaf­fe­ne. Daher hat die Ein­heit Vor­rang vor der Auto­ri­tät und nicht die Auto­ri­tät vor der Einheit.

4) Die kollektive Verantwortung

Sie, Hei­li­ger Vater, erhe­ben ver­schie­de­ne und schwer­wie­gen­de Anschul­di­gun­gen gegen jene, die die von Papst Bene­dikt XVI. aner­kann­ten Befug­nis­se aus­üben, und begrün­den damit Ihre Ent­schei­dung. Es wird jedoch nicht spe­zi­fi­ziert, wer die­se Miss­bräu­che begeht, oder wo oder in wel­cher Anzahl. Es gibt nur die Wor­te „oft“ und „vie­le“. Wir wis­sen nicht ein­mal, ob es sich um eine Mehr­heit han­delt. Wahr­schein­lich nicht. Doch nicht die Mehr­heit, son­dern alle, die von den oben genann­ten Mög­lich­kei­ten Gebrauch machen, sind von einer dra­ko­ni­schen Stra­fe betrof­fen. Sie wur­den ihres spi­ri­tu­el­len Weges beraubt, ent­we­der sofort oder zu einem unbe­stimm­ten zukünf­ti­gen Zeit­punkt. Es gibt sicher­lich Men­schen, die Mes­ser miss­brau­chen. Soll­te man des­halb die Her­stel­lung und den Ver­trieb von Mes­sern ver­bie­ten? Ihre Ent­schei­dung, Hei­li­ger Vater, ist weit­aus schwer­wie­gen­der als die hypo­the­ti­sche Absur­di­tät eines all­ge­mei­nen Ver­bots der Her­stel­lung von Mes­sern.

Hei­li­ger Vater: War­um tun Sie das? War­um haben Sie die hei­li­ge Pra­xis der über­lie­fer­ten Form der Zele­bra­ti­on des hei­lig­sten Opfers unse­res Herrn ange­grif­fen? Die Miss­bräu­che, die in ande­ren For­men began­gen wer­den, auch wenn sie weit ver­brei­tet oder all­ge­mein sind, füh­ren zu nichts ande­rem als zu Wor­ten, zu all­ge­mein for­mu­lier­ten Erklä­run­gen. Aber wie kann man mit Auto­ri­tät leh­ren, dass „das Ver­schwin­den einer Kul­tur genau­so schwer­wie­gend oder sogar schwer­wie­gen­der sein kann als das Ver­schwin­den einer Pflan­zen- oder Tier­art“ (Lau­da­to si’, 145), und dann eini­ge Jah­re spä­ter mit einem ein­zi­gen Akt einen gro­ßen Teil des eige­nen gei­sti­gen und kul­tu­rel­len Erbes der Kir­che dem Unter­gang wei­hen? War­um fin­den die von Ihnen for­mu­lier­ten Regeln der „Tie­fen­öko­lo­gie“ in die­sem Fall kei­ne Anwen­dung? War­um haben Sie nicht statt­des­sen gefragt, ob die stän­dig wach­sen­de Zahl der Gläu­bi­gen, die der tra­di­tio­nel­len Lit­ur­gie bei­woh­nen, ein Zei­chen des Hei­li­gen Gei­stes sein könn­te? Sie sind dem Rat von Gam­a­liel (Apg 5) nicht gefolgt. Statt­des­sen haben Sie ein Ver­bot auf­er­legt, das nicht ein­mal eine vaca­tio legis [mehr­mo­na­ti­ger Zeit­raum bis zum Inkraft­tre­ten eines Geset­zes] hatte.

Gott, der Herr, das Vor­bild für irdi­sche Herr­scher und in erster Linie für kirch­li­che Auto­ri­tä­ten, setzt sei­ne Macht nicht auf die­se Wei­se ein. So spricht die Hei­li­ge Schrift von Gott: „Denn dei­ne Macht ist der Anfang der Gerech­tig­keit; und weil du aller Herr bist, bist du auch allen gnä­dig (…) Du aber, der du Herr der Macht bist, rich­test und ver­fügst mit gro­ßer Huld über uns; denn dei­ne Macht ist zur Hand, wenn du willst“ (Weish 12,1–18). Ech­te Macht braucht sich nicht durch Här­te zu bewei­sen. Und Här­te ist kein Attri­but einer Auto­ri­tät, die dem gött­li­chen Vor­bild folgt. Unser Hei­land selbst hat uns dazu eine prä­zi­se und zuver­läs­si­ge Leh­re hin­ter­las­sen (Mt 20,24–28). Den Men­schen, die auf Gott zuge­hen, wird nicht nur der Boden unter den Füßen weg­ge­zo­gen, son­dern es wird ver­sucht, ihnen den Boden zu ent­zie­hen, auf dem sie gehen. Die­ser Ver­such wird nicht gelin­gen. Nichts, was im Wider­spruch zum Katho­li­zis­mus steht, wird in der Kir­che Got­tes akzep­tiert wer­den.

Hei­li­ger Vater, es ist unmög­lich, zwölf Jah­re lang den Boden unter den Füßen zu spü­ren und plötz­lich zu behaup­ten, er sei nicht mehr da. Es ist unmög­lich zu behaup­ten, dass mei­ne eige­ne Mut­ter, die ich nach vie­len Jah­ren gefun­den habe, nicht mei­ne Mut­ter ist. Die päpst­li­che Auto­ri­tät ist immens. Aber selbst die­se Auto­ri­tät kann nicht bewir­ken, dass mei­ne Mut­ter auf­hört, mei­ne Mut­ter zu sein! Ein ein­zi­ges Leben kann nicht zwei sich gegen­sei­tig aus­schlie­ßen­de Brü­che ertra­gen, von denen der eine einen Schatz öff­net, wäh­rend der ande­re behaup­tet, dass die­ser Schatz auf­ge­ge­ben wer­den muss, weil sein Wert ver­fal­len ist. Wenn ich die­se Wider­sprü­che akzep­tie­ren wür­de, könn­te ich kein intel­lek­tu­el­les Leben mehr haben, und damit auch kein geist­li­ches Leben. Aus zwei sich wider­spre­chen­den Aus­sa­gen kann jede belie­bi­ge Behaup­tung, ob wahr oder falsch, abge­lei­tet wer­den. Das bedeu­tet das Ende des ratio­na­len Den­kens, das Ende jeg­li­cher Vor­stel­lung von der Rea­li­tät, das Ende der effek­ti­ven Kom­mu­ni­ka­ti­on von irgend­et­was zu irgend­je­man­dem. Aber all die­se Din­ge sind grund­le­gen­de Bestand­tei­le des mensch­li­chen Lebens im All­ge­mei­nen und des domi­ni­ka­ni­schen Lebens im Besonderen.

Ich habe kei­ne Zwei­fel an mei­ner Beru­fung. Ich bin fest ent­schlos­sen, mein Leben und mei­nen Dienst im Orden des hei­li­gen Domi­ni­kus fort­zu­set­zen. Aber dazu muss ich in der Lage sein, rich­tig und logisch zu den­ken. Nach dem 16. Juli 2021 ist dies für mich in den bestehen­den Struk­tu­ren nicht mehr mög­lich. Ich sehe mit aller Klar­heit, dass der Schatz der hei­li­gen Riten der Kir­che, der Boden unter den Füßen derer, die sie prak­ti­zie­ren, und die Mut­ter ihrer Fröm­mig­keit, wei­ter besteht. Eben­so klar ist mir gewor­den, dass ich dafür Zeug­nis able­gen muss.

Es bleibt mir nichts ande­res übrig, als mich an die­je­ni­gen zu wen­den, die von Beginn der radi­ka­len Ver­än­de­run­gen an (Ver­än­de­run­gen, die weit über den Wil­len des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils hin­aus­ge­hen) die Tra­di­ti­on der Kir­che zusam­men mit der Ach­tung der Kir­che vor den Erfor­der­nis­sen der Ver­nunft ver­tei­digt haben und die den Gläu­bi­gen wei­ter­hin das unver­än­der­li­che Gut des katho­li­schen Glau­bens ver­mit­teln: die Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. Die FSSPX hat sich bereit gezeigt, mich auf­zu­neh­men, wobei sie mei­ne domi­ni­ka­ni­sche Iden­ti­tät voll respek­tiert. Sie bie­tet mir nicht nur ein Leben im Dienst an Gott und der Kir­che, einen Dienst, der nicht durch Wider­sprü­che behin­dert wird, son­dern auch die Mög­lich­keit, den Wider­sprü­chen ent­ge­gen­zu­tre­ten, die ein Feind der Wahr­heit sind und die die Kir­che so hef­tig ange­grif­fen haben.

Es gibt eine Kon­tro­ver­se zwi­schen der Pius­bru­der­schaft und den offi­zi­el­len Struk­tu­ren der Kir­che. Es han­delt sich um einen inter­nen Streit inner­halb der Kir­che, und er betrifft Fra­gen von gro­ßer Bedeu­tung. Die Doku­men­te und die Ent­schei­dun­gen vom 16. Juli haben dazu geführt, dass sich mei­ne Posi­ti­on zu die­sem The­ma mit der­je­ni­gen der Pius­bru­der­schaft deckt. Wie jeder wich­ti­ge Streit­fall muss auch die­ser gelöst wer­den. Ich bin ent­schlos­sen, mei­ne Bemü­hun­gen auf die­ses Ziel aus­zu­rich­ten. Die­ser Brief soll ein Teil die­ser Bemü­hun­gen sein. Die Mit­tel, die dabei zum Ein­satz kom­men, kön­nen nur ein demü­ti­ger Respekt vor der Wahr­heit und Sanft­mut sein, die bei­de einer über­na­tür­li­chen Quel­le ent­sprin­gen. So kön­nen wir auf die Lösung der Kon­tro­ver­se und die Wie­der­her­stel­lung einer Ein­heit hof­fen, die nicht nur die jetzt Leben­den, son­dern auch alle Gene­ra­tio­nen, sowohl die ver­gan­ge­nen als auch die zukünf­ti­gen, ein­schließt.

Ich dan­ke Ihnen für die Auf­merk­sam­keit, die Sie mei­nen Wor­ten geschenkt haben, und bit­te Sie, Hei­lig­ster Vater, um Ihren apo­sto­li­schen Segen.

Mit kind­li­cher Hin­ga­be in Christus

P. Wojciech Goła­ski OP

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Rora­te Caeli

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