BLM, Woke, FFF? Neue soziale Bewegungen sind „Pseudo-Religionen“ in Konkurrenz zum Christentum

Erzbischof Gómez über Radikalisierung und neue Bedrohungen


Erzbischof Gómez, der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, sieht eine doppelte Polarisierung: Einerseits die Herausbildung von Eliten, die sich kaum mehr mit ihren Ländern und Traditionen verbunden fühlen, auch nicht mit der Religion, und neue soziale Bewegungen, die über Exklusion und Diskriminierungsdiskurs sich zum Opfer machen und andere Gruppen angreifen.
Erzbischof Gómez, der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, sieht eine doppelte Polarisierung: einerseits die Herausbildung von Eliten, die sich kaum mehr mit ihren Ländern und Traditionen verbunden fühlen, auch nicht mit der Religion, und neue soziale Bewegungen, die über Exklusion und Diskriminierungsdiskurs sich zum Opfer machen und andere Gruppen angreifen.

(Washing­ton) Der­zeit sind vie­le Blicke auf José Hec­tor Gómez, Erz­bi­schof von Los Ange­les und Vor­sit­zen­der der Bischofs­kon­fe­renz der Ver­ei­nig­ten Staa­ten, gerich­tet. Er gehört zum Kreis der kirch­li­chen Hier­ar­chen, denen San­ta Mar­ta die Kar­di­nals­wür­de vor­ent­hält. Papst Fran­zis­kus ver­schenkt sei­ne Gunst nach einer peni­blen Sym­pa­thie­ska­la. In neun Tagen beginnt die Herbst­voll­ver­samm­lung der Bischofs­kon­fe­renz und wird, so der der­zei­ti­ge Stand, im Tau­zie­hen mit Rom ihre Nie­der­la­ge offen­kun­dig machen. Vor weni­gen Tagen hielt Erz­bi­schof Gómez eine bemer­kens­wer­te Anspra­che zu einem ande­ren Phä­no­men, das von den USA aus­ge­hend auch Euro­pa erfaßt hat. Die soge­nann­te Woke-Bewegung.

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Am 4. Novem­ber wand­te sich Erz­bi­schof Gómez in einer bemer­kens­wer­ten Video­bot­schaft an die Teil­neh­mer der Tagung „Cató­li­cos y Vida Púb­li­ca“ (Katho­li­ken und öffent­li­ches Leben) in Madrid. Der Erz­bi­schof äußer­te „Über­le­gun­gen zur Kir­che und zu den neu­en Reli­gio­nen in den USA“.

Die Washing­ton Post berich­te­te auf­fal­lend nega­tiv dar­über und attackier­te den Vor­sit­zen­den der US-Bischofs­kon­fe­renz. Nach der New York Times ist die Washing­ton Post tra­di­tio­nell die wich­tig­ste Tages­zei­tung des links­li­be­ra­len Estab­lish­ments. Seit 2013 befin­det sie sich im Besitz von Ama­zon-Eig­ner Jeff Bezos. Ein Grund mehr, den „Über­le­gun­gen“ von Erz­bi­schof Gómez Auf­merk­sam­keit zu schenken.

„Sie haben mich gebe­ten, ein ern­stes, sen­si­bles und kom­pli­zier­tes The­ma anzu­spre­chen: das Auf­kom­men neu­er Ideo­lo­gien und säku­la­rer Bewe­gun­gen, die einen sozia­len Wan­del in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten anstre­ben, und die Aus­wir­kun­gen, die das für die Kir­che hat.“

Es müs­se allen klar sein, so der Erz­bi­schof, daß „das, womit die Kir­che in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten kon­fron­tiert ist, auch – in unter­schied­li­chem Aus­maß und auf unter­schied­li­che Wei­se“ – in Spa­ni­en „und in Län­dern in ganz Euro­pa geschieht“.

Sei­ne Aus­füh­run­gen glie­der­te Msgr. Gómez in drei Tei­le: den „brei­ten Kon­text der welt­wei­ten Bewe­gung der Säku­la­ri­sie­rung und Ent­christ­li­chung und die Aus­wir­kun­gen der Pan­de­mie“, die „geist­li­che Inter­pre­ta­ti­on der neu­en Bewe­gun­gen für sozia­le Gerech­tig­keit und Iden­ti­täts­po­li­tik in den USA“ sowie einen Vor­schlag für Prio­ri­tä­ten aus dem Evan­ge­li­um, „mit denen die Kir­che die­ser Rea­li­tät begeg­nen kann“.

1. Säkularisierung und Entchristlichung

Trotz bestimm­ter „ein­zig­ar­ti­ger Bedin­gun­gen“ in den USA las­sen sich „seit lan­gem“ ähn­li­che Muster „einer aggres­si­ven Säku­la­ri­sie­rung“ auch in Tei­len Euro­pas beob­ach­ten. Mit sel­te­ner Prä­zi­si­on beschreibt Erz­bi­schof Gómez die glo­ba­li­sti­schen Eli­ten, die mit immer grö­ße­rem Nach­druck Ein­fluß auf das Leben ein­zel­ner Staa­ten und mög­lichst glo­bal suchen.

„In unse­ren Län­dern hat sich eine bestimm­te Art von eli­tä­ren Füh­rern her­aus­ge­bil­det, die wenig Inter­es­se an Reli­gi­on und kei­ne wirk­li­che Bin­dung zu den Natio­nen, in denen sie leben, oder zu den loka­len Tra­di­tio­nen oder Kul­tu­ren haben.“

„Die­se Grup­pe, die in den Unter­neh­men, Regie­run­gen, Uni­ver­si­tä­ten und Medi­en das Sagen hat und auch in den kul­tu­rel­len und beruf­li­chen Ein­rich­tun­gen zu fin­den ist, will so etwas wie eine glo­ba­le Zivi­li­sa­ti­on schaf­fen, die auf einer Kon­sum­wirt­schaft basiert und von Wis­sen­schaft, Tech­no­lo­gie, huma­ni­tä­ren Wer­ten und tech­no­kra­ti­schen Vor­stel­lun­gen bezüg­lich der Orga­ni­sa­ti­on der Gesell­schaft bestimmt wird.

In die­ser eli­tä­ren Welt­an­schau­ung gibt es kei­nen Bedarf an über­hol­ten Glau­bens­sy­ste­men und Reli­gio­nen. Aus ihrer Sicht ist die Reli­gi­on, ins­be­son­de­re das Chri­sten­tum, nur ein Hin­der­nis für die Art von Gesell­schaft, die sie auf­zu­bau­en hoffen.“

Die Kir­che wis­se aus ihrer Erfah­rung, daß Säku­la­ri­sie­rung in der Pra­xis „Ent­christ­li­chung“ bedeute.

„Seit eini­gen Jah­ren wird in Euro­pa und in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten bewußt ver­sucht, die christ­li­chen Wur­zeln der Gesell­schaft aus­zu­lö­schen und jeden noch vor­han­de­nen christ­li­chen Ein­fluß zu unterdrücken.“

Stich­wör­ter dafür sei­en „Can­cel Cul­tu­re“ und „Poli­ti­sche Korrektheit“.

„Wir stel­len fest, daß das, was aus­ge­löscht und kor­ri­giert wird, die Per­spek­ti­ven sind, die in den christ­li­chen Über­zeu­gun­gen über das Leben und die Per­son des Men­schen, über Ehe, Fami­lie und vie­les mehr ver­wur­zelt sind.“

In der Gesell­schaft schrump­fe der „Raum“, den die Kir­che und die christ­li­chen Gläu­bi­gen ein­neh­men können.

„Kirch­li­che Ein­rich­tun­gen und Unter­neh­men in christ­li­chem Besitz wer­den zuneh­mend ange­grif­fen und schi­ka­niert. Das Glei­che gilt für Chri­sten, die im Bil­dungs­we­sen, im Gesund­heits­we­sen, in der Regie­rung und in ande­ren Berei­chen arbei­ten. Bestimm­te christ­li­che Über­zeu­gun­gen bedro­hen angeb­lich die Frei­hei­ten und sogar die Sicher­heit ande­rer Grup­pen in unse­rer Gesellschaft.“

Um den „Kon­text zu ver­voll­stän­di­gen“, sei noch eine wei­te­re Tat­sa­che zu berücksichtigen.

„Wir alle ken­nen die dra­ma­ti­schen sozia­len Ver­än­de­run­gen, die mit dem Auf­tre­ten des Coro­na­vi­rus in unse­rer Gesell­schaft ein­ge­tre­ten sind, und die Art und Wei­se, wie die Behör­den auf die Pan­de­mie reagiert haben.
Ich den­ke, die Geschich­te wird zurück­blickend fest­stel­len, daß die­se Pan­de­mie unse­re Gesell­schaft nicht so sehr ver­än­dert hat, son­dern viel­mehr Trends und Muster beschleu­nigt hat, die sich bereits eta­bliert hat­ten.
Sozia­le Ver­än­de­run­gen, die viel­leicht Jahr­zehn­te gebraucht hät­ten, um sich zu ent­fal­ten, beschleu­ni­gen sich nun im Zuge die­ser Krank­heit und der Reak­ti­on unse­rer Gesell­schaf­ten darauf.“

Aus die­sen Ent­wick­lun­gen, die sich beschleu­nigt haben, schließt Erz­bi­schof Gómez:

„Die neu­en sozia­len Bewe­gun­gen und Ideo­lo­gien, von denen wir heu­te spre­chen, wur­den vie­le Jah­re lang an unse­ren Uni­ver­si­tä­ten und Kul­tur­ein­rich­tun­gen her­an­ge­züch­tet und vor­be­rei­tet.

Doch mit der durch die Pan­de­mie aus­ge­lö­sten Span­nung und Angst und als Fol­ge der sozia­len Iso­la­ti­on, aber auch wegen der Ermor­dung eines unbe­waff­ne­ten Afro­ame­ri­ka­ners durch einen angel­säch­si­schen Poli­zi­sten und der dar­auf fol­gen­den Pro­te­ste in unse­ren Städ­ten, wur­den die­se Bewe­gun­gen in unse­rer Gesell­schaft voll ent­fes­selt.
Die­ser Kon­text ist wich­tig, um die Situa­ti­on zu ver­ste­hen, in der wir in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten leben.“

Der Fokus habe sich auf die „tief ver­wur­zel­ten“, gro­ßen sozia­len Unter­schie­de in der US-Gesell­schaft gelegt.

2. Amerikas neue politische Religionen

Die dar­aus ent­stan­de­nen „neu­en Bewe­gun­gen für sozia­le Gerech­tig­keit“ sei­en „Pseu­do-Reli­gio­nen“.

„Mein Argu­ment ist fol­gen­des. Ich den­ke, die beste Art und Wei­se, wie die Kir­che die neu­en Bewe­gun­gen für sozia­le Gerech­tig­keit ver­ste­hen kann, ist, sie als Pseu­do-Reli­gio­nen und sogar als Ersatz für und Kon­kur­ren­ten von tra­di­tio­nel­len christ­li­chen Über­zeu­gun­gen zu sehen.“

Mit dem Auf­kom­men des Säku­la­ris­mus „haben poli­ti­sche Glau­bens­sy­ste­me, die auf sozia­ler Gerech­tig­keit und per­sön­li­cher Iden­ti­tät beru­hen, den Platz ein­ge­nom­men, der einst von christ­li­cher Über­zeu­gung und Pra­xis besetzt war“.

„Wie auch immer wir die­se Bewe­gun­gen nen­nen – ‚sozia­le Gerech­tig­keit‘, ‚Woke Cul­tu­re‘, ‚Iden­ti­täts­po­li­tik‘, ‚Inter­sek­tio­na­li­tät‘, ‚Nach­folg­eideo­lo­gie‘ – sie behaup­ten, das zu bie­ten, was die Reli­gi­on nicht bie­tet. Sie geben den Men­schen eine Erklä­rung für Ereig­nis­se und Zustän­de in der Welt. Sie bie­ten einen Sinn, ein Lebens­ziel und ein Gefühl der Zuge­hö­rig­keit zu einer Gemein­schaft. Außer­dem erzäh­len die­se neu­en Bewe­gun­gen wie das Chri­sten­tum ihre eige­ne ‚Heils­ge­schich­te‘.“

Um zu erklä­ren, was er meint, führ­te Erz­bi­schof Gómez sei­ne Über­le­gun­gen anhand der soge­nann­ten „Woke“-Bewegung aus.

„Die christ­li­che Geschich­te, in ihrer ein­fach­sten Form, kann mehr oder weni­ger so beschrie­ben wer­den: Wir sind nach dem Bil­de Got­tes geschaf­fen und dazu beru­fen, ein Leben des Segens zu füh­ren, in Ein­heit mit Ihm und mit unse­rem Nächsten.

Das mensch­li­che Leben hat ein von Gott gege­be­nes ‚Telos‘ [Ziel], d. h. eine Absicht und eine Rich­tung. Auf­grund unse­rer Sün­de sind wir von Gott und von­ein­an­der ent­frem­det und leben im Schat­ten des Todes.
Durch Got­tes Barm­her­zig­keit und Sei­ne Lie­be zu jedem von uns wur­den wir durch den Tod und die Auf­er­ste­hung von Jesus Chri­stus geret­tet.
Jesus ver­söhnt uns mit Gott und unse­ren Näch­sten; er gibt uns die Gna­de, in sein Bild ver­wan­delt zu wer­den, und ruft uns auf, Ihm im Glau­ben zu fol­gen, Gott und unse­re Näch­sten zu lie­ben und am Auf­bau Sei­nes Rei­ches mit­zu­wir­ken.
All dies in der zuver­sicht­li­chen Hoff­nung, daß wir das ewi­ge Leben mit Ihm in der kom­men­den Welt erlan­gen wer­den.
Das ist die christ­li­che Geschich­te. Und mehr denn je müs­sen die Kir­che und jeder Katho­lik die­se Geschich­te ken­nen und sie in ihrer gan­zen Schön­heit und Wahr­heit verkünden.“

Dies müs­se umso mehr getan wer­den, weil sich der­zeit ein „ant­ago­ni­sti­sches Nar­ra­tiv“ ausbreite:

„Wir müs­sen das tun, weil es der­zeit eine ande­re Geschich­te gibt. Ein ant­ago­ni­sti­sches Nar­ra­tiv der ‚Ret­tung‘, das wir in den Medi­en und in unse­ren Insti­tu­tio­nen hören und das von den neu­en Bewe­gun­gen für sozia­le Gerech­tig­keit kommt.“

Die der christ­li­chen Geschich­te ent­ge­gen­ge­setz­te Geschich­te der „Woke“-Bewegung kön­ne wie folgt wie­der­ge­ge­ben werden:

„Wir wis­sen viel­leicht nicht, woher wir kom­men, aber wir sind uns bewußt, daß wir gemein­sa­me Inter­es­sen mit denen haben, die unse­re Haut­far­be oder unse­re Stel­lung in der Gesell­schaft tei­len.
Und wir sind uns schmerz­lich bewußt, daß unse­re Grup­pe lei­det und ent­frem­det wird und das ohne unser Ver­schul­den geschieht. Der Grund für unse­re Unzu­frie­den­heit ist, daß wir Opfer der Unter­drückung durch ande­re Grup­pen in der Gesell­schaft sind.

Wir errei­chen Befrei­ung und Erlö­sung durch unse­ren stän­di­gen Kampf gegen unse­re Unter­drücker, indem wir einen Kampf um poli­ti­sche und kul­tu­rel­le Macht im Namen der Schaf­fung einer gerech­ten Gesell­schaft führen.“

Das sei „ein mäch­ti­ger und attrak­ti­ver Dis­kurs für Mil­lio­nen von Men­schen, sowohl in der ame­ri­ka­ni­schen Gesell­schaft als auch in den Gesell­schaf­ten des Westens“.

„In der Tat för­dern und leh­ren vie­le der füh­ren­den ame­ri­ka­ni­schen Orga­ni­sa­tio­nen, Uni­ver­si­tä­ten und sogar öffent­li­che Schu­len aktiv die­se Sichtweise.“

Der Erz­bi­schof führt es nicht näher aus, meint jedoch die Ras­sen­un­ru­hen nach dem Tod von Geor­ge Floyd, der Ras­sis­mus und Anti­ras­sis­mus und als neue Form einen ras­si­sti­schen Anti­ras­sis­mus zur Fol­ge hat­te, wie ihn Black Lives Mat­ter (BLM) und die „Woke“-Bewegung ver­tritt. Vor allem auf letz­te­ren spielt Msgr. Gómez an.

Die Stär­ke die­ser Geschich­te lie­ge „in der Ein­fach­heit ihrer Erklä­run­gen: Die Welt ist in Unschul­di­ge und Opfer, Ver­bün­de­te und Fein­de unter­teilt“.

Sie sei auch des­halb so anspre­chend, weil sie „auf rea­le mensch­li­che Bedürf­nis­se und Lei­den“ ein­zu­ge­hen scheint wie „Dis­kri­mi­nie­rung“ und „Aus­schluß“ von den Mög­lich­kei­ten der Gesellschaft.

Es sei daher nicht zu ver­ges­sen, daß „vie­le“ jener, die sich die­sen „neu­en Bewe­gun­gen und Glau­bens­sy­ste­men“ anschlie­ßen, „durch edle Absich­ten moti­viert“ seien.

Im Prin­zip bestehe dar­in Über­ein­stim­mung mit ihnen:

„Aber wir kön­nen eine gerech­te Gesell­schaft nur auf der Grund­la­ge der Wahr­heit über Gott und über die mensch­li­che Natur aufbauen.“

Papst Bene­dikt XVI. habe davor gewarnt, „daß die Ver­dun­ke­lung Got­tes zur Ver­fin­ste­rung der mensch­li­chen Per­son führt“.

„Wenn wir Gott ver­ges­sen, sehen wir nicht mehr das Bild Got­tes in unse­rem Näch­sten.“

„Das genau ist das Pro­blem, das wir haben.“

„Die kri­ti­schen Theo­rien und Ideo­lo­gien von heu­te sind zutiefst athe­istisch. Sie leug­nen die See­le sowie die spi­ri­tu­el­le und tran­szen­den­te Dimen­si­on der mensch­li­chen Natur oder sind der Mei­nung, daß dies für das mensch­li­che Glück irrele­vant ist.

Sie redu­zie­ren das Mensch­sein auf phy­si­sche Eigen­schaf­ten wie die Haut­far­be, das Geschlecht bzw. die Vor­stel­lun­gen von Geschlecht oder die gesell­schaft­li­che Stellung.“

Bei der Suche nach den Wur­zeln die­ses Den­kens sto­ße man auf den Mar­xis­mus und Irr­leh­ren, die es in der Geschich­te der Kir­che bereits gab.

„Wir kön­nen erken­nen, daß dies eini­ge Ele­men­te der Befrei­ungs­theo­lo­gie sind, die in einer mar­xi­sti­schen kul­tu­rel­len Visi­on ver­wur­zelt sind. Sie sind auch ver­schie­de­nen Irr­leh­ren und fal­schen Evan­ge­li­en sehr ähn­lich, die wir in der Geschich­te der Kir­che finden:

▪ Wie die Manich­ä­er sehen die­se Bewe­gun­gen die Welt als einen Kampf zwi­schen Gut und Böse, zwi­schen dem Gerech­ten und dem Unge­rech­ten.
▪ Und wie die Gno­sti­ker leh­nen sie die Schöp­fung und den Kör­per ab, weil sie glau­ben, daß der Mensch aus sich machen kann, was er will.
▪ Die­se Bewe­gun­gen sind auch pela­gia­nisch und glau­ben, daß die Erlö­sung durch unse­re eige­nen mensch­li­chen Bemü­hun­gen erreicht wer­den kann, unab­hän­gig von Gott.
▪ Schließ­lich sind die­se Bewe­gun­gen uto­pisch, denn sie schei­nen zu glau­ben, dass wir durch poli­ti­sche Macht eine Art ‚Him­mel auf Erden‘, eine per­fek­te Gesell­schaft, schaf­fen können.“ 

Der Vor­sit­zen­de der US-Bischofs­kon­fe­renz sagt es nicht expli­zit, läßt es aber deut­lich anklin­gen, daß die Ver­ab­so­lu­tie­rung die­ser Irr­leh­ren uner­bitt­li­che Gegen­sät­ze zwi­schen den Men­schen schafft und in ihrer Radi­ka­li­sie­rung die Ver­nich­tung der Gegen­sei­te anstrebt. Gegen­sät­ze und Radi­ka­li­sie­run­gen, wie sie das Chri­sten­tum nicht kennt.

„Noch­mals, lie­be Freun­de, was ich sagen will, ist Fol­gen­des: Ich glau­be, daß es für die Kir­che wich­tig ist, die­se neu­en Bewe­gun­gen zu ver­ste­hen und sich ihnen nicht in sozia­ler oder poli­ti­scher Hin­sicht zu nähern, son­dern als gefähr­li­che Sub­sti­tu­te für die wah­re Reli­gi­on.“

„Indem sie Gott leug­nen, haben die­se neu­en Bewe­gun­gen die Wahr­heit über die mensch­li­che Per­son ver­lo­ren. Dies erklärt ihren Extre­mis­mus und ihre har­te, kom­pro­miß­lo­se und unver­söhn­li­che Hal­tung.“

„Aus der Sicht des Evan­ge­li­ums kön­nen die­se Bewe­gun­gen, da sie die mensch­li­che Per­son leug­nen, auch wenn sie noch so gut gemeint sein mögen, kein ech­tes mensch­li­ches Wohl­erge­hen för­dern.
Wie wir in mei­nem Land beob­ach­ten kön­nen, füh­ren die­se streng säku­la­ren Bewe­gun­gen zu neu­en For­men der sozia­len Spal­tung, Dis­kri­mi­nie­rung, Into­le­ranz und Ungerechtigkeit.“

3. Was zu tun ist

Wie soll­te die Kir­che auf die­se neu­en Phä­no­me­ne reagie­ren, wie auf sie zuge­hen oder eingehen?

„Mei­ne Ant­wort ist ein­fach. Wir müs­sen Jesus Chri­stus ver­kün­den. Ver­kün­den Sie ihn mutig und krea­tiv. Wir müs­sen unse­re Heils­ge­schich­te erzäh­len. Dies ist der Auf­trag der Kir­che für alle Zei­ten und für alle kul­tu­rel­len Momen­te.
Wir soll­ten uns von die­sen neu­en Reli­gio­nen der sozia­len Gerech­tig­keit und der poli­ti­schen Iden­ti­tät nicht ein­schüch­tern las­sen. Das Evan­ge­li­um ist die stärk­ste Kraft für sozia­le Ver­än­de­run­gen, die die Welt je gese­hen hat. Und die Kir­che ist von Anfang an ‚anti­ras­si­stisch‘ gewe­sen. Alle sind von der Heils­bot­schaft erfaßt.“

Und wei­ter:

„Jesus Chri­stus ist gekom­men, um die neue Schöp­fung zu ver­kün­den, Er ist gekom­men, um den neu­en Mann und die neue Frau zu ver­kün­den, die mit der Fähig­keit aus­ge­stat­tet sind, Kin­der Got­tes zu wer­den, um nach dem Bild ihres Schöp­fers erneu­ert zu werden.

Jesus hat uns gelehrt, Gott zu ken­nen und zu lie­ben, wäh­rend unser Vater Sei­ne Kir­che beru­fen hat, die­se gute Nach­richt bis an die Enden der Erde zu tra­gen und die eine Fami­lie Got­tes zu ver­sam­meln, die alle Men­schen der Welt, alle Ras­sen, alle Stäm­me und alle Völ­ker umfaßt.

Das war die Bedeu­tung von Pfing­sten, als Män­ner und Frau­en aus allen Natio­nen der Erde das Evan­ge­li­um in ihrer eige­nen Mut­ter­spra­che hör­ten. Das ist es, was der hei­li­ge Pau­lus mein­te, als er sag­te, daß es in Chri­stus weder Juden noch Grie­chen, weder Män­ner noch Frau­en, weder Skla­ven noch Freie gibt.“

In der Kir­che habe man „nicht immer nach die­sen schö­nen Grund­sät­zen gelebt, und wir haben auch nicht immer den uns von Chri­stus anver­trau­ten Auf­trag voll erfüllt“.

„Aber die Welt braucht kei­ne neue säku­la­re Reli­gi­on, die das Chri­sten­tum ersetzt. Sie braucht viel­mehr Sie und mich, um bes­se­re Zeu­gen, bes­se­re Chri­sten zu sein. Begin­nen wir damit, zu ver­ge­ben, zu lie­ben, uns für ande­re auf­zu­op­fern und gei­sti­ge Gif­te wie Groll und Neid zu vertreiben.

„Ich per­sön­lich las­se mich von den Hei­li­gen und den Men­schen inspi­rie­ren, die in der Geschich­te mei­nes Lan­des ein Leben der Hei­lig­keit geführt haben.

Ich den­ke dabei beson­ders an die Die­ne­rin Got­tes Doro­thy Day. Für mich ist sie ein wich­ti­ges Zeug­nis dafür, wie Katho­li­ken durch radi­ka­le Selbst­lo­sig­keit und Lie­be zu den Armen auf der Grund­la­ge der Selig­prei­sun­gen, der Berg­pre­digt und der Wer­ke der Barm­her­zig­keit auf eine Ver­än­de­rung der sozia­len Ord­nung hin­wir­ken kön­nen.
Sie war zutiefst davon über­zeugt, daß wir uns selbst ändern müs­sen, bevor wir die Her­zen ande­rer ändern kön­nen.
Sie sag­te ein­mal: ‚Ich sehe nur zu deut­lich, wie schlecht die Men­schen sind. Ich wünsch­te, ich wür­de es nicht so sehen. Es sind mei­ne eige­nen Sün­den, die mir die­se Klar­heit geben‘.“

Die­se Ein­stel­lung brau­che es in einer Zeit, „in der unse­re Gesell­schaft so pola­ri­siert und gespal­ten ist“.

„Mich inspi­riert auch das Zeug­nis des ehr­wür­di­gen Pater Augu­stus Tol­ton. Das ist eine beein­drucken­de und wahr­haft ame­ri­ka­ni­sche Geschich­te. Er wur­de in die Skla­ve­rei hin­ein­ge­bo­ren, ent­kam mit sei­ner Mut­ter in die Frei­heit und wur­de der erste afro­ame­ri­ka­ni­sche geweih­te Prie­ster in mei­nem Land. Pater Tol­ton sag­te ein­mal: ‚Die katho­li­sche Kir­che beklagt eine dop­pel­te Skla­ve­rei: die des Gei­stes und die des Kör­pers. Sie strebt danach, uns von bei­dem zu befrei­en‘. Wir brau­chen die­se Art von Ver­trau­en in die Kraft des Evangeliums.“

Es gebe schwe­re Bedro­hun­gen, die nicht zu unter­schät­zen seien:

„In die­sen Zei­ten besteht die Gefahr, daß wir in einen neu­en ‚Tri­ba­lis­mus‘ abglei­ten, in ein vor­christ­li­ches Men­schen­bild, das die Mensch­heit in Grup­pen und Frak­tio­nen auf­teilt, die mit­ein­an­der kon­kur­rie­ren.
Wir müs­sen das Evan­ge­li­um als den wah­ren Weg zur Befrei­ung von aller gei­sti­gen und mate­ri­el­len Knecht­schaft und Unge­rech­tig­keit leben und ver­kün­den.
In unse­rer Ver­kün­di­gung, in unse­rem prak­ti­schen Leben und vor allem in unse­rer Näch­sten­lie­be müs­sen wir Got­tes wun­der­ba­ren Plan für unser gemein­sa­mes Mensch­sein bezeu­gen, d. h. unse­ren gemein­sa­men Ursprung und unse­re gemein­sa­me Bestim­mung in Gott.
Schließ­lich glau­be ich, dass die Kir­che in die­ser Zeit eine Stim­me für das indi­vi­du­el­le Gewis­sen und die Tole­ranz sein muß.
Wir müs­sen mehr Beschei­den­heit und Rea­lis­mus in Bezug auf den mensch­li­chen Zustand för­dern und uns bewußt machen, daß unse­re gemein­sa­me Mensch­lich­keit auch die Aner­ken­nung unse­rer gemein­sa­men Schwä­chen beinhal­tet.
Die Wahr­heit ist, daß wir alle Sün­der sind, wir sind alle Men­schen, die das Rich­ti­ge tun wol­len, es aber oft nicht tun.“

„Wah­re Reli­gi­on zielt nicht dar­auf ab, Men­schen zu ver­let­zen oder zu demü­ti­gen oder ihren Lebens­un­ter­halt oder Ruhm zu rui­nie­ren. Wah­re Reli­gi­on bie­tet selbst den schlimm­sten Sün­dern die Mög­lich­keit, Erlö­sung zu finden.“

Got­tes Hand len­ke wei­ter­hin „unser Leben und das Schick­sal der Völ­ker“. In den USA und in Mexi­ko berei­te man sich auf den 490. Jah­res­tag der Erschei­nung der Got­tes­mut­ter von Gua­d­a­lu­pe vor, die zum gei­sti­gen Grün­dung­s­er­eig­nis für den ame­ri­ka­ni­schen Dop­pel­kon­ti­nent wurde

„Maria sag­te auf dem Tepe­yac: ‚Bin ich denn nicht hier, dei­ne Mut­ter? Bist du denn nicht in mei­nem Schat­ten, unter mei­nem Schutz?‘
Wir sehen Anzei­chen für ein reli­giö­ses Erwa­chen in unse­rem Land, unter den poli­ti­schen Kon­tro­ver­sen, den Pan­de­mie­wol­ken und der Unge­wiß­heit der Zukunft. Ich bin über­zeugt, daß wir im näch­sten Jahr­zehnt ein geist­li­ches Erwa­chen und ein Wachs­tum des Glau­bens erle­ben wer­den, wenn wir uns auf den 500. Jah­res­tag der Erschei­nung vorbereiten.“

„Möge Gott Sie alle seg­nen und möge die aller­se­lig­ste Maria von Gua­d­a­lu­pe für uns alle eintreten!

Erz­bi­schof Gómez the­ma­ti­sier­te nicht die Quer­ver­bin­dun­gen zwi­schen der „bestimm­ten Art von eli­tä­ren Füh­rern“, die sich her­aus­ge­bil­det hat und die „wenig Inter­es­se an Reli­gi­on und kei­ne wirk­li­che Bin­dung zu den Natio­nen, in denen sie leben, oder zu den loka­len Tra­di­tio­nen oder Kul­tu­ren haben“, und den neu­en sozia­len Bewe­gun­gen mit ihrem radi­ka­len Dis­kri­mi­nie­rungs­dis­kurs. Der gleich an den Beginn sei­ner Aus­füh­run­gen gesetz­te Hin­weis auf die „bestimm­te Art von eli­tä­ren Füh­rern“ signa­li­siert jedoch, daß er sich der Ver­bin­dun­gen und Wech­sel­wir­kun­gen durch­aus bewußt ist.

Text/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Deba­te TV (Screen­shot)

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Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

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