Sexueller Mißbrauch durch WHO- und NGO-Mitarbeiter in Afrika

Seit Jahrzehnten bekannt und durch Untätigkeit geduldet


Die WHO-Spitze beklagte vor zwei Tagen die Fälle von sexuellem Mißbrauch durch Mitarbeiter in Afrika. Tatsache ist, daß solche Gewalttaten durch UNO- und NGO-Mitarbeiter faktisch seit Jahrzehnten geduldet werden.
Die WHO-Spitze beklagte vor zwei Tagen die Fälle von sexuellem Mißbrauch durch Mitarbeiter in Afrika. Tatsache ist, daß solche Gewalttaten durch UNO- und NGO-Mitarbeiter faktisch seit Jahrzehnten geduldet werden.

Mit­ar­bei­ter der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) und von Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen haben im Ein­satz in Afri­ka zur Bekämp­fung der Ebo­la-Epi­de­mie mehr als fünf­zig ein­hei­mi­sche Frau­en sexu­ell miß­braucht und ver­ge­wal­tigt, oft durch Erpres­sung. Der Bericht, der nach der Recher­che durch Jour­na­li­sten erstellt wur­de, bestä­tigt alles. Der Bio­lo­ge und Kom­mu­nist Tedros Adha­nom Ghe­brey­esus, Gene­ral­di­rek­tor der WHO, ist empört. Es ist jedoch nicht das erste Mal, daß sich die UNO sol­cher Ver­bre­chen schul­dig gemacht hat. In allen bis­he­ri­gen Fäl­len hat sie nicht mit der nöti­gen Här­te reagiert und dadurch neue Ver­bre­chen begünstigt.

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„Unter den 83 huma­ni­tä­ren Hel­fern, die der Belä­sti­gung, des Miß­brauchs und der sexu­el­len Gewalt beschul­digt wer­den, wäh­rend sie im Kampf gegen den Ebo­la-Aus­bruch tätig waren, der von August 2018 bis Juni 2020 den Osten der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kon­go heim­such­te und 2.299 Men­schen töte­te, sind auch 21 Mit­ar­bei­ter der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on“, schreibt Anna Bono, Kolum­ni­stin der katho­li­schen Online-Zei­tung La Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na. Der Skan­dal war vor einem Jahr ruch­bar gewor­den, als die Nach­rich­ten­agen­tur The New Huma­ni­ta­ri­an und die Thom­son Reu­ters Foun­da­ti­on die Ergeb­nis­se einer Unter­su­chung ver­öf­fent­lich­ten. Ihre Recher­cheu­re hat­ten die Beschwer­den von Dut­zen­den von Frau­en gesam­melt, die zumeist in Gesund­heits­ein­rich­tun­gen beschäf­tigt waren, die für die Unter­brin­gung von Kran­ken und die Imp­fung der Men­schen, die mit ihnen in Kon­takt kamen, ein­ge­rich­tet wur­den: Köchin­nen, Pfle­ge­rin­nen, Dienst­mäd­chen, aber auch Frau­en, die für die in Afri­ka oft pro­ble­ma­ti­schen Bezie­hun­gen zwi­schen den aus­län­di­schen Hilfs­teams und den ört­li­chen Gemein­schaf­ten zustän­dig sind.

Eini­ge Frau­en berich­te­ten, daß sie betrun­ken waren, ande­re, daß sie in Büros und Kran­ken­häu­sern über­fal­len wur­den, wie­der ande­re, daß sie in ein Zim­mer gesperrt und ver­ge­wal­tigt wur­den. In eini­gen Fäl­len wur­den sie durch die Dro­hung, ihren Arbeits­platz zu ver­lie­ren, zum Geschlechts­ver­kehr gezwun­gen; in ande­ren Fäl­len wur­den sie durch das Ange­bot eines ande­ren Arbeits­plat­zes zu unge­woll­tem Geschlechts­ver­kehr ver­an­laßt. Vie­le der sexu­el­len Begeg­nun­gen sol­len in Hotels statt­ge­fun­den haben, in denen auch UN- und NGO-Büros unter­ge­bracht sind, ins­be­son­de­re im Oka­pi Palace und im Beni Hotel, wo Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen oft gan­ze Stock­wer­ke gebucht haben. Zeu­gen bestä­tig­ten die Schil­de­run­gen der Frau­en. Eini­ge Fah­rer gaben an, daß sie von Ärz­ten, Gesund­heits­per­so­nal und Ver­wal­tungs­an­ge­stell­ten benutzt wur­den, um Frau­en zu Hotels, nach Hau­se oder ins Büro zu brin­gen, wo es zum sexu­el­len Miß­brauch kam.

Als Fol­ge die­ser Doku­men­ta­ti­on wur­de eine Kom­mis­si­on ein­ge­setzt, die Unter­su­chun­gen und Kon­trol­len durch­führt. Das Ergeb­nis, das in einem 35-sei­ti­gen Bericht ent­hal­ten ist, lau­tet, daß mehr als 50 Frau­en sexu­ell miß­braucht wur­den, dar­un­ter sind neun Ver­ge­wal­ti­gun­gen. Bei den Tätern han­delt es sich sowohl um aus­län­di­sche als auch kon­go­le­si­sche Staatsangehörige.

„Es ist erschüt­ternd, daß huma­ni­tä­re Hel­fer bei der Bekämp­fung der Ebo­la-Epi­de­mie in der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kon­go Frau­en sexu­ell miß­braucht haben“, sag­te die WHO-Direk­to­rin für Afri­ka, Mats­hidi­so Moe­ti. Sie wie­der­hol­te dies auf einer Pres­se­kon­fe­renz am 28. Sep­tem­ber und füg­te hin­zu, sie sei „schockiert, ent­setzt und betrübt“ über die Ergeb­nis­se der Unter­su­chung. An der Pres­se­kon­fe­renz nahm auch WHO-Gene­ral­di­rek­tor Ghe­brey­esus teil, der den Bericht als „herz­zer­rei­ßend“ bezeich­ne­te. Es tut mir leid“, sag­te er an die Opfer gerich­tet, „was Sie von Leu­ten erlei­den muß­ten, die von der WHO beauf­tragt wur­den, Sie zu unter­stüt­zen und zu schützen“.

Ghe­brey­esus ver­si­cher­te, daß er die vol­le Ver­ant­wor­tung für die Gescheh­nis­se über­neh­men wer­de und sicher­te den Opfern Unter­stüt­zung und Schutz zu. Schließ­lich ver­sprach er, daß die Struk­tur und die Kul­tur der WHO über­ar­bei­tet wür­den und daß den Tätern kei­ne Ent­schul­di­gun­gen oder Nach­läs­se gewährt, son­dern die­se zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen würden.

„Die­se Ver­spre­chen wären glaub­wür­di­ger, wenn es sich um den ersten Fall die­ser Art han­deln wür­de, aber das ist nicht der Fall“, so Bono. Wei­te­re Sex­skan­da­le, die noch schreck­li­cher sind, weil sie Min­der­jäh­ri­ge betref­fen, fan­den bei UNO-Ein­sät­zen statt. Das Täter­spek­trum reicht von der WHO bis zu UNICEF, vom UN-Hoch­kom­mis­sa­ri­at für Flücht­lin­ge bis zu den ver­schie­de­nen frie­dens­er­hal­ten­den Mis­sio­nen. Zu den schwer­wie­gend­sten Fäl­len gehört die Zen­tral­afri­ka­ni­sche Repu­blik, wo Dut­zen­de von jun­gen Frau­en, auch min­der­jäh­ri­ge, von Sol­da­ten der UN-Frie­dens­mis­si­on MINUSCA sexu­ell miß­braucht wur­den. MINUSCA steht für Mul­ti­di­men­sio­na­le Inte­grier­te Sta­bi­li­sie­rungs­mis­si­on der Ver­ein­ten Natio­nen in der Zen­tral­afri­ka­ni­schen Repu­blik, die 2014 ein­ge­rich­tet wur­de und bis heu­te andau­ert, um die Bevöl­ke­rung zu schüt­zen und die Ein­hal­tung der Men­schen­rech­te zu über­wa­chen, die durch den 2012 aus­ge­bro­che­nen Bür­ger­krieg gefähr­det waren.
Eine im Jahr 2016 durch­ge­führ­te Unter­su­chung hat­te mehr als 130 Fäl­le von Ver­ge­wal­ti­gung und sexu­el­ler Aus­beu­tung von Frau­en durch Blau­hel­me in Burun­di und Gabun erge­ben.
Es wur­den auch Män­gel bekannt, mit denen auf ein­ge­gan­ge­ne Beschwer­den und Zeu­gen­aus­sa­gen reagiert wur­de. Es wur­de ver­tuscht und ver­zö­gert. Es kam zu Ein­schüch­te­run­gen von Opfern durch UNO-Ver­tre­ter, die die Ver­bre­chen erfas­sen soll­ten. Wenn Straf­ta­ten bekannt wur­den, kam es zu wochen­lan­gen Ver­zö­ge­run­gen, bis die Erkennt­nis­se mit­ge­teilt wur­den. Ein unrühm­li­ches Bei­spiel dafür ist UNICEF.

Schon damals ver­spra­chen die Ver­ant­wort­li­chen der UN-Orga­ni­sa­tio­nen, daß sich ähn­li­che Vor­fäl­le nicht wie­der­ho­len, und sag­ten zu, daß die Schul­di­gen vor Gericht gestellt wer­den. Die 76. UNO-Gene­ral­ver­samm­lung fin­det der­zeit im Glas­pa­last in New York statt. Die Ver­tre­ter der 194 Mit­glied­staa­ten soll­ten auch dar­über spre­chen, denn Gene­ral­di­rek­tor Ghe­brey­esus hat recht, wenn er sagt, daß sol­che Taten nicht zu tole­rie­ren sind, Tat­sa­che aber ist, daß sie seit Jahr­zehn­ten tole­riert werden.

Die WHO teil­te am 28. Sep­tem­ber mit, daß sie die Ver­trä­ge von vier Per­so­nen gekün­digt habe, die sich des sexu­el­len Miß­brauchs im Kon­go schul­dig gemacht hät­ten und noch bei ihr beschäf­tigt sind. Die Kom­mis­si­on, die den Skan­dal unter­such­te, erklär­te, sie habe „ein­deu­ti­ge struk­tu­rel­le Män­gel“ fest­ge­stellt, auch eine „man­geln­de Vor­be­rei­tung auf das Risi­ko von sexu­el­lem Miß­brauch und Aus­beu­tung“ im Kon­go. Und es wur­de auch dar­auf ver­wie­sen, als ob das ein mil­dern­der Umstand wäre, daß sich „alle Auf­merk­sam­keit auf die Aus­rot­tung von Ebo­la“ kon­zen­triert habe.

Text: Andre­as Becker
Bild: Wiki­com­mons

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