
(Rom) Heute nimmt Papst Franziskus die Generalaudienzen wieder auf. Unterdessen wurde auch „Das Video vom Papst“ für den Monat August veröffentlicht. Es steht unter dem Motto „Die Kirche auf dem Weg“. Das damit verbundene Gebetsanliegen lautet:
„Beten wir für die Kirche. Sie möge vom Heiligen Geist die Gnade und Kraft erlangen, sich selbst im Licht des Evangeliums zu erneuern.“
Wie sich Franziskus die Erneuerung der Kirche „im Licht des Evangeliums“ und durch „die Gnade und Kraft vom Heiligen Geist“ vorstellt, bzw. wie nicht, machte er am 16. Juli mit dem Motu proprio Traditionis custodes deutlich. Die Tradition der Kirche und der überlieferte Ritus sind für ihn kein Ausdruck von „Gnade und Kraft vom Heiligen Geist“ und können daher auch keinen Beitrag zur Erneuerung der Kirche leisten?
In der Videobotschaft stößt er in eine andere Richtung vor, die er in der Vergangenheit bereits vielfach geäußert hatte:
„Die eigentliche Berufung der Kirche ist es, zu evangelisieren, was nicht dasselbe ist wie Proselytismus. Nein. Die Berufung ist zu evangelisieren, ja, die Identität der Kirche ist Evangelisieren.
Wir können die Kirche nur erneuern, wenn wir Gottes Willen in unserem täglichen Leben erkennen und wenn wir uns vom Heiligen Geist verwandeln lassen. Unsere eigene Reform als Personen, das ist der Wandel. Lassen wir zu, dass der Heilige Geist, das Geschenk Gottes in unseren Herzen, uns an das erinnert, was Jesus gelehrt hat, und dass er uns hilft, es in die Praxis umzusetzen.
Beginnen wir die Reform der Kirche mit einer Reform von uns selbst. Ohne vorgefertigte Ideen, ohne ideologische Vorurteile, ohne Starrheit, sondern ausgehend von einer spirituellen Erfahrung, einer Erfahrung des Gebets, einer Erfahrung der Nächstenliebe, einer Erfahrung des Dienens.
Ich träume von einer noch missionarischen Entscheidung, wo man hinausgeht, um dem anderen zu begegnen, ohne Proselytismus, und wo die Strukturen mit dem Ziel der Evangelisierung der heutigen Welt umgestaltet werden.
Denken wir daran, dass die Kirche immer Schwierigkeiten hat, immer in der Krise ist, weil sie lebendig ist. Lebewesen geraten in eine Krise. Nur die Toten kennen keine Krise.
Beten wir für die Kirche. Sie möge vom Heiligen Geist die Gnade und Kraft erlangen, sich selbst im Licht des Evangeliums zu erneuern.“
Die Videobotschaft kann anhand des Motu proprio Traditionis custodes überprüft werden. Das ergibt sich bereits aus der zeitlichen Nähe, denn das August-Video ist das erste seit dem radikalen Schlag gegen den überlieferten Ritus und die damit verbundenen Gemeinschaften. Das Wirken der Gnade und des Heiligen Geistes, das in den Früchten erkennbar ist, wird von Franziskus im Zusammenhang mit der Tradition, den Ecclesia-Dei-Gemeinschaften und den traditionsverbundenen Gläubigen weder erkannt noch anerkannt.
Vielmehr könnten mehrere Schlagwörter aus der Videobotschaft als erneute Anklage gegen diese gelesen werden. Sie müssen nicht gegen die Tradition gerichtet sein, sind es aber sehr wahrscheinlich, denn gegen keine andere Seite in oder außerhalb der Kirche richtete Franziskus bisher mit vergleichbarer Härte und Insistenz den Vorwurf der „Starrheit“, „vorgefertigter Ideen“ und „ideologischer Vorurteile“.
„Mission“ und „Proselytismus“ werden von ihm, seit 2013 wiederholt, als eine Form von Synonymen verwendet, die mehr oder weniger deutlich ausgesprochen einen faktischen Verzicht auf Mission meinen (siehe Der Papst und die Proselyten – Verordnet Franziskus den katholischen Missionen „Silence“?). Die Aufforderung, sich zu Christus zu bekehren und taufen zu lassen, meidet Franziskus ebenso wie die Einladung an getaufte Christen, zur Einheit der einen heiligen, katholischen und apostolischen Kirche zu konvertieren.
Franziskus „träumt“ von einer „missionarischen Entscheidung“, die aber, so scheint es, weder missionieren will noch soll („ohne Proselytismus“), sondern eine Umgestaltung von „Strukturen“ meint, die er eine „Evangelisierung der heutigen Welt“ nennt. Bekehrung erfolgt jedoch in Personen, nicht in „Strukturen“. Nicht „Strukturen“ bekehren sich, sondern Menschen.
Das marxistische Denken ist strukturverhaftet und überzeugt, die Probleme dieser Welt ließen sich durch Strukturreformen beseitigen. Die Kirche weiß es besser, denn sie weiß mehr über die Natur des Menschen als die Marxisten und andere Materialisten. Oder muß man inzwischen sagen: Die Kirche sollte es jedenfalls besser wissen?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: thepopevideo.org (Screenshot)