Traditionis custodes: Ein Krieg am Rande des Abgrunds

Wie könnte man die Bosheit und Heuchelei jener übersehen, die die Tradition zerstören wollen, indem sie sich "Hüter der Tradition" nennen?


Prof. Roberto de Mattei: "Traditionis custodes ist noch schlimmer als Amoris laetitia."
Prof. Roberto de Mattei: "Traditionis custodes ist noch schlimmer als Amoris laetitia."

Von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

Die Absicht des Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des von Papst Fran­zis­kus vom 16. Juli 2021 ist es, jeden Aus­druck der Treue zur tra­di­tio­nel­len Lit­ur­gie zu unter­drücken. Doch das Ergeb­nis wird sein, einen Krieg zu ent­fa­chen, der unwei­ger­lich mit dem Tri­umph der Tra­di­ti­on der Kir­che endet.

Als Paul VI. am 3. April 1969 den Novus Ordo Mis­sae (NOM) ver­kün­de­te, war es sei­ne Grund­idee, daß die über­lie­fer­te Mes­se in weni­gen Jah­ren nur noch eine Erin­ne­rung sein wür­de. Die Begeg­nung der Kir­che mit der moder­nen Welt, die Paul VI. im Namen eines „inte­gra­len Huma­nis­mus“ erhoff­te, sah das Ver­schwin­den aller Hin­ter­las­sen­schaf­ten der „kon­stan­ti­ni­schen“ Kir­che vor­aus. Und der über­lie­fer­te Römi­sche Ritus, den der hei­li­ge Pius V. 1570 nach der pro­te­stan­ti­schen lit­ur­gi­schen Ver­wü­stung wie­der­her­ge­stellt hat­te, schien dem Unter­gang geweiht zu sein.

Nie erwies sich jedoch eine Vor­her­sa­ge als fal­scher. Heu­te sind die Prie­ster­se­mi­na­re ohne Beru­fun­gen und die Pfar­rei­en, manch­mal von Prie­stern im Stich gelas­sen, die ihre Hei­rat und ihre Rück­kehr in das bür­ger­li­che Leben ankün­di­gen, lee­ren sich. Im Gegen­satz dazu sind die Orte, an denen die über­lie­fer­te Lit­ur­gie gefei­ert und der Glau­be und die Moral aller Zei­ten gepre­digt wer­den, mit Gläu­bi­gen gefüllt und Quel­len der Beru­fun­gen. Die tra­di­tio­nel­le Mes­se wird regel­mä­ßig in 90 Staa­ten auf allen Kon­ti­nen­ten zele­briert, und die Zahl der Gläu­bi­gen, die dar­an teil­neh­men, wächst von Jahr zu Jahr und speist sowohl die Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. als auch die Eccle­sia-Dei-Insti­tu­te, die nach 1988 ent­stan­den sind. Das Coro­na­vi­rus hat zu die­sem Wachs­tum noch bei­getra­gen. Vie­le Gläu­bi­ge ver­las­sen nach dem Zwang zur Hand­kom­mu­ni­on, ange­wi­dert von die­ser Schän­dung, ihre Pfar­rei­en, um die hei­li­ge Eucha­ri­stie an den Orten zu emp­fan­gen, an denen sie wei­ter­hin in den Mund gespen­det wird.

Die­se Bewe­gung der See­len ent­steht als Reak­ti­on auf die „Form­lo­sig­keit“ der neu­en Lit­ur­gie, über die Mar­tin Mose­bach in sei­nem Buch Häre­sie der Form­lo­sig­keit (Karo­lin­ger, 2003; Neu­aus­ga­be Rowohlt, 2019) tref­fend geschrie­ben hat. Wenn pro­gres­si­ve Autoren wie Andrea Ric­car­di von der Gemein­schaft San­t’E­gi­dio das gesell­schaft­li­che Ver­schwin­den der Kir­che bekla­gen (La Chie­sa bru­cia. Cri­si e futu­ro del cri­stia­ne­si­mo, Tem­pi nuo­vi, 2021), dann ist eine der Ursa­chen dafür gera­de die Unfä­hig­keit der neu­en Lit­ur­gie, anzie­hend zu sein, da sie nicht imstan­de ist, den Sinn des Hei­li­gen und der Tran­szen­denz aus­zu­drücken. Nur in der abso­lu­ten gött­li­chen Tran­szen­denz kommt Got­tes extre­me Men­schen­nä­he zum Aus­druck, bemerk­te Kar­di­nal Ratz­in­ger in dem Buch, das er vor sei­ner Wahl zum Papst dem Geist der Lit­ur­gie wid­me­te (Her­der, 2013). Der dama­li­ge Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, der die Lit­ur­gie stets in den Mit­tel­punkt sei­ner Inter­es­sen gestellt hat­te, ver­kün­de­te, nach sei­ner Wahl zum Papst Bene­dikt XVI., am 7. Juli 2007 das Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum, mit dem er dem über­lie­fer­ten Römi­schen Ritus (unglück­lich als „außer­or­dent­li­che Form“ bezeich­net) das vol­le Bür­ger­recht zurück­gab, der zwar recht­lich nie abge­schafft, aber vier­zig Jah­re lang fak­tisch unter­sagt gewe­sen war.

Sum­morum Pon­ti­fi­cum hat zur Ver­brei­tung tra­di­tio­nel­ler Meß­or­te und zur Blü­te einer umfang­rei­chen Samm­lung hoch­wer­ti­ger Stu­di­en über die alte und die neue Lit­ur­gie bei­getra­gen. Mit der Bewe­gung zur Wie­der­ent­deckung der über­lie­fer­ten Lit­ur­gie durch die Jugend ging eine so reich­hal­ti­ge Lite­ra­tur ein­her, daß sie hier nicht berück­sich­tigt wer­den kann. Unter den jüng­sten Wer­ken genügt es, an die Schrif­ten von Abbé Clau­de Bar­the: Histoire du mis­sel triden­tin et de ses ori­gi­nes (Via Roma­na, 2016) und La Mes­se de Vati­can II. Dos­sier histo­ri­que (Via Roma­na, 2018) zu erin­nern; eben­so an Micha­el Fied­ro­wicz: Die über­lie­fer­te Mes­se. Geschich­te, Gestalt und Theo­lo­gie des klas­si­schen römi­schen Ritus (3. aktua­li­sier­te Auf­la­ge, Car­thu­sia­nus, 2014) und von Peter Kwas­niew­ski: Noble Beau­ty, Tran­s­cen­dent Holi­ness. Why the Modern Age Needs the Mass of Ages (Ange­li­co, 2017). Auf pro­gres­si­ver Sei­te wur­de kei­ne gleich­wer­ti­ge Stu­die hervorgebracht.

Auf die­se Bewe­gung der kul­tu­rel­len und geist­li­chen Wie­der­ge­burt reagier­te Papst Fran­zis­kus, indem er die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on anwies, den Bischö­fen einen Fra­ge­bo­gen zur Anwen­dung des Motu pro­prio von Bene­dikt XVI. zu über­mit­teln. Die Erhe­bung war sozio­lo­gisch, aber die Schluß­fol­ge­run­gen, die Fran­zis­kus dar­aus zog, sind ideo­lo­gisch. Es bedarf kei­ner Umfra­ge, um zu sehen, wie die Kir­chen, die von Gläu­bi­gen besucht wer­den, die der lit­ur­gi­schen Tra­di­ti­on ver­bun­den sind, immer voll sind und die ordent­li­chen Pfar­rei­en sich zuneh­mend ent­völ­kern. In dem Brief an die Bischö­fe, der das Motu pro­prio vom 16. Juli beglei­tet, sagt Papst Fran­zis­kus aber: „Die ein­ge­gan­ge­nen Ant­wor­ten haben eine Situa­ti­on offen­bart, die mich schmerzt und beun­ru­higt und mir die Not­wen­dig­keit bestä­tigt, ein­zu­grei­fen. Lei­der wur­de die pasto­ra­le Absicht mei­ner Vor­gän­ger, die beab­sich­tigt hat­ten, ‘alle Anstren­gun­gen zu unter­neh­men, damit all denen, die wirk­lich die Ein­heit wün­schen, ermög­licht wird, in die­ser Ein­heit zu blei­ben oder sie wie­der­zu­fin­den‘, oft schwer­wie­gend miß­ach­tet.“ „Nicht weni­ger betrübt mich eine instru­men­tel­le Ver­wen­dung des Mis­sa­le Roma­num von 1962, die zuneh­mend durch eine wach­sen­de Ableh­nung nicht nur der lit­ur­gi­schen Reform, son­dern auch des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils gekenn­zeich­net ist mit der unbe­grün­de­ten und nicht halt­ba­ren Behaup­tung, es habe die Tra­di­ti­on und die ‚wah­re‘ Kir­che ver­ra­ten.“ Daher „tref­fe ich den festen Ent­schluß, alle frü­he­ren Nor­men, Anwei­sun­gen, Zuge­ständ­nis­se und Gebräu­che vor die­sem Motu pro­prio auf­zu­he­ben“.

Papst Fran­zis­kus hielt es nicht für not­wen­dig, wegen der Zer­rüt­tung der Ein­heit durch die deut­schen Bischö­fe zu inter­ve­nie­ren, die im Namen des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils schon oft der Häre­sie ver­fie­len, scheint aber über­zeugt zu sein, daß die ein­zi­ge Bedro­hung für die Ein­heit der Kir­che von jenen kommt, die zum Zwei­ten Vati­ca­num Zwei­fel geäu­ßert haben, so wie an Amo­ris lae­ti­tia Zwei­fel auf­ge­wor­fen wur­den, ohne jemals eine Ant­wort erhal­ten zu haben. Daher rührt der Art. 1 des Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des, laut dem „die von den Päp­sten Paul VI. und Johan­nes Paul II. in Über­ein­stim­mung mit den Dekre­ten des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils ver­kün­de­ten lit­ur­gi­schen Bücher der ein­zi­ge Aus­druck der lex oran­di des Römi­schen Ritus sind“.

Auf recht­li­cher Ebe­ne ist die Auf­he­bung des frei­en Rechts des ein­zel­nen Prie­sters, gemäß den lit­ur­gi­schen Büchern vor der Reform von Paul VI. zu zele­brie­ren, offen­sicht­lich unrecht­mä­ßig. Sum­morum Pon­ti­fi­cum von Bene­dikt XVI. bekräf­tig­te, daß der über­lie­fer­te Ritus nie außer Kraft gesetzt wur­de und jeder Prie­ster das vol­le Recht hat, ihn über­all auf der Welt zu zele­brie­ren. Tra­di­tio­nis cus­to­des inter­pre­tiert die­ses Recht als Pri­vi­leg, das als sol­ches vom Ober­sten Gesetz­ge­ber wie­der ent­zo­gen wird. Die­ser modus pro­ce­den­di ist jedoch völ­lig will­kür­lich, denn die Recht­mä­ßig­keit der über­lie­fer­ten Mes­se ergibt sich nicht aus einem Pri­vi­leg, son­dern aus der Aner­ken­nung eines sub­jek­ti­ven Rechts der ein­zel­nen Gläu­bi­gen, sei­en es Lai­en, Kle­ri­ker oder Ordens­leu­te. Ent­spre­chend hat Bene­dikt XVI. nie etwas „gewährt“, son­dern ledig­lich das Recht aner­kannt, das „nie abge­schaff­te“ Meß­buch zu ver­wen­den und geist­li­chen Nut­zen dar­aus zu ziehen.

Der Grund­satz, den Sum­morum Pon­ti­fi­cum aner­kennt, ist die Unver­än­der­lich­keit der Bul­le Quo pri­mum des hl. Pius V. vom 14. Juli 1570. Als bedeu­ten­der Kir­chen­recht­ler bemerkt Abbé Ray­mond Dulac (Le droit de la Mes­se romaine, Cour­ri­er de Rome, 2018), daß Pius V. selbst nichts Neu­es ein­ge­führt, son­dern eine alte Lit­ur­gie wie­der­her­ge­stellt und jedem Prie­ster auf ewig das Pri­vi­leg ein­ge­räumt hat, sie zu zele­brie­ren. Kein Papst hat das Recht, einen Ritus, der auf die Apo­sto­li­sche Tra­di­ti­on zurück­geht und sich im Lau­fe der Jahr­hun­der­te her­aus­ge­bil­det hat, wie es für die soge­nann­te Mes­se des hl. Pius V. der Fall ist, auf­zu­he­ben oder zu ändern, wie der gro­ße Lit­ur­gi­ker Msgr. Klaus Gam­ber in sei­nem Werk Die Reform der römi­schen Lit­ur­gie. Vor­ge­schich­te und Pro­ble­ma­tik (Pustet, 1981) bestä­tigt, des­sen fran­zö­si­sche Aus­ga­be La Réfor­me lit­ur­gi­que en que­sti­on (Edi­ti­ons Sain­te-Made­lei­ne, 1992) ein Vor­wort von Kar­di­nal Ratz­in­ger enthält.

In die­sem Sin­ne kann das Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des als schwer­wie­gen­de­rer Akt ange­se­hen wer­den als das nach­syn­oda­le Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia. Nicht nur das: Das Motu pro­prio hat kir­chen­recht­li­che Anwen­dun­gen, die dem nach­syn­oda­len Schrei­ben feh­len. Wäh­rend Amo­ris lae­ti­tia jenen den Zugang zur Eucha­ri­stie zu gewäh­ren scheint, die kein Recht dazu haben, beraubt Tra­di­tio­nis cus­to­des jene des geist­li­chen Wohls der Mes­se aller Zei­ten, die ein Recht auf die­ses unver­äu­ßer­li­che Gut haben und das sie brau­chen, um im Glau­ben zu verharren.

Zudem ist das ideo­lo­gi­sche System offen­sicht­lich, das a prio­ri die Grup­pen von Gläu­bi­gen, die der lit­ur­gi­schen Tra­di­ti­on der Kir­che ver­bun­den sind, als Sek­tie­rer betrach­tet. Von ihnen wird gespro­chen, als ob sie Auf­rüh­rer wären, die ohne Defi­ni­ti­on von Beur­tei­lungs­kri­te­ri­en unter Beob­ach­tung gestellt wer­den müs­sen (vgl. Nr. 1, 5 und 6), deren Ver­ei­ni­gungs­recht ein­ge­schränkt und der Bischof unter Ein­engung sei­ner Rech­te als Ordi­na­ri­us (vgl. CIC, can. 321, §2) dar­an gehin­dert wird, neue zuzu­las­sen. Die Gläu­bi­gen­grup­pen sind bis­her spon­tan ent­stan­den und wur­den zu Spre­chern für eini­ge Anträ­ge bei den legi­ti­men Auto­ri­tä­ten, aber sie wur­den nie „auto­ri­siert“. Die Not­wen­dig­keit zu behaup­ten, daß die Grün­dung einer Grup­pe auto­ri­siert wer­den müß­te, stellt ein ern­stes vul­nus (Ver­let­zung) der Ver­ei­ni­gungs­frei­heit der Gläu­bi­gen dar, die das Zwei­te Vati­ca­num befür­wor­tet hat, so wie auch die Bestim­mung gegen das Kon­zil ver­stößt, die Bischö­fe zu blo­ßen Voll­streckern des päpst­li­chen Wil­lens macht.

Tra­di­tio­nis cus­to­des bestä­tigt den Pro­zeß zur Zen­tra­li­sie­rung der Macht von Papst Fran­zis­kus im Wider­spruch zu sei­nen stän­di­gen Hin­wei­sen auf die „Syn­oda­li­tät“ in der Kir­che. Den Wor­ten nach ist es „aus­schließ­lich“ Sache des Bischofs, die außer­or­dent­li­che Form in sei­ner Diö­ze­se zu regeln, aber in Wirk­lich­keit schränkt das Motu pro­prio (vgl. Art. 4) das Ermes­sen und die Auto­no­mie des Bischofs ein, wenn es vor­sieht, daß sei­ne Geneh­mi­gung nicht aus­reicht, damit die von einem Diö­ze­san­prie­ster erbe­te­ne Mes­se im über­lie­fer­ten Ritus zele­briert wer­den darf, son­dern in jedem Fall die Zustim­mung des Apo­sto­li­schen Stuhls ein­ge­holt wer­den muß. Das bedeu­tet, daß der Bischof die­se Ermäch­ti­gung (die nie als Befug­nis defi­niert wird, daher eher ein Pri­vi­leg zu sein scheint) nicht eigen­stän­dig ertei­len kann, son­dern sei­ne Ent­schei­dung noch von den „Vor­ge­setz­ten“ über­prüft wer­den muß. Wie Pater Ray­mond de Sou­za bemerkt:

„Die groß­zü­gi­gen Vor­schrif­ten sind ver­bo­ten, die restrik­ti­ven wer­den ermutigt“.

Das Ziel ist klar: die Prä­senz des über­lie­fer­ten Ritus mit der Zeit zu besei­ti­gen, um den Novus Ordo von Paul VI. als ein­zi­gen Ritus der Kir­che durch­zu­set­zen. Um die­ses Ziel zu errei­chen, ist eine gedul­di­ge Umer­zie­hung der Wider­spen­sti­gen not­wen­dig. Daher, wie man im Brief an die Bischö­fe lesen kann, sind „die Anwei­sun­gen zum Vor­ge­hen in den Diö­ze­sen haupt­säch­lich von zwei Grund­sät­zen dik­tiert: einer­seits für das Wohl derer zu sor­gen, die in der frü­he­ren Zele­bra­ti­ons­form (gemeint ist der über­lie­fer­te Römi­sche Ritus, Anm. d. Autors) ver­wur­zelt sind und Zeit brau­chen, um zum Römi­schen Ritus zurück­zu­keh­ren, der von den Hei­li­gen Paul VI. und Johan­nes Paul II. (der neue Römi­sche Ritus oder Novus Ordo Mis­sae, Anm. d. Autors) ver­kün­det wur­de; ande­rer­seits die Errich­tung neu­er Per­so­nal­pfar­rei­en abzu­bre­chen, die mehr mit dem Wunsch und Wil­len ein­zel­ner Prie­ster ver­bun­den sind als mit der wirk­li­chen Not des ‚hei­li­gen treu­en Vol­kes Got­tes‘.“

Tim Stan­ley liegt nicht falsch, wenn er im Spec­ta­tor vom 17. Juli von einem „erbar­mungs­lo­sen Krieg“ gegen den alten Ritus (The Pope’s mer­ci­less war against the Old Rite) spricht. Bene­dikt XVI. hat mit Sum­morum Pon­ti­fi­cum öffent­lich die Exi­stenz einer unver­än­der­li­chen lex oran­di der Kir­che aner­kannt, die kein Papst jemals auf­he­ben kann. Fran­zis­kus hin­ge­gen äußert sei­ne Ableh­nung der tra­di­tio­nel­len lex oran­di und impli­zit auch der lex cre­den­di, die der über­lie­fer­te Ritus zum Aus­druck bringt. Der Frie­den, der mit dem Motu pro­prio von Bene­dikt XVI. in der Kir­che zu sichern ver­sucht wur­de, ist zu Ende, und Joseph Ratz­in­ger ist acht Jah­re nach sei­nem Rück­tritt vom Pon­ti­fi­kat dazu ver­ur­teilt, wie im Epi­log einer grie­chi­schen Tra­gö­die Zeu­ge des Krie­ges zu wer­den, den sein Nach­fol­ger ent­fes­selt hat.

Der Kampf fin­det am Ran­de des Abgrunds zum Schis­ma statt. Papst Fran­zis­kus will sei­ne Kri­ti­ker hin­ein­stür­zen, indem er sie drängt, wenn nicht dem Prin­zip nach, so doch fak­tisch, eine ihm ent­ge­gen­ge­setz­te „wah­re Kir­che“ zu kon­sti­tu­ie­ren, aber er ris­kiert selbst, in den Abgrund zu ver­sin­ken, wenn er dar­auf beharrt, die Kir­che des Kon­zils jener der Tra­di­ti­on ent­ge­gen­zu­set­zen. Das Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des ist ein Schritt in die­se Rich­tung. Wie könn­te man die Bos­heit und Heu­che­lei jener über­se­hen, die die Tra­di­ti­on zer­stö­ren wol­len, indem sie sich „Hüter der Tra­di­ti­on“ nen­nen? Und wie könn­te man über­se­hen, daß dies gera­de zu einer Zeit geschieht, in der Häre­si­en und Irr­tü­mer aller Art die Kir­che verwüsten?

Wenn Gewalt die unrecht­mä­ßi­ge Anwen­dung von Macht ist, dann ist das Motu pro­prio von Papst Fran­zis­kus ein objek­tiv gewalt­tä­ti­ger Akt, weil anma­ßend und miß­bräuch­lich. Wer jedoch der Ille­gi­ti­mi­tät der Gewalt mit ille­gi­ti­men For­men des Wider­spruchs begeg­nen woll­te, läge falsch.

Der ein­zi­ge legi­ti­me Wider­stand ist der jener, die das Kir­chen­recht nicht igno­rie­ren und fest an die Sicht­bar­keit der Kir­che glau­ben; jener, die dem Pro­te­stan­tis­mus nicht nach­ge­ben und nicht den Anspruch erhe­ben, sich zum Papst gegen den Papst zu machen; jener, die ihre Spra­che mäßi­gen und die unge­ord­ne­ten Lei­den­schaf­ten unter­drücken, die zu über­stürz­ten Schrit­ten füh­ren kön­nen; jener, die nicht apo­ka­lyp­ti­schen Phan­ta­sien ver­fal­len und im Sturm ein siche­res Gleich­ge­wicht hal­ten; schließ­lich jener, die alles auf das Gebet grün­den in der Über­zeu­gung, daß nur Jesus Chri­stus und nie­mand sonst sei­ne Kir­che ret­ten wird.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017 und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobin­gen 2011.

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Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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