(Asunción) Wegen „Radikalisierung“ wurde vom Bischof von Ciudad del Este in Paraguay der Orden der Comunidad Misionera de Jesús (CMJ) aufgehoben, den sein Vorgänger kanonisch errichtet hatte. Die Missionsgemeinschaft Jesu ist seit der Verlautbarung des Motu proprio Summorum Pontificum bi-rituell. Die Begründung ist ebenso selten wie ungewöhnlich. Ciudad del Este, der Name dieser Stadt läßt aufhorchen. Diese Bischofsstadt steht in Zusammenhang mit einem der massivsten Eingriffe von Papst Franziskus in eine Diözese.
Die Diözese Ciudad del Este galt vor zehn Jahren als Hoffnungsträger für ein Modell, eine Diözese aufblühen zu lassen. Damals war dort Msgr. Rogelio Livieres Plano Bischof. Der kommende 14. August ist sein sechster Todestag. Der gebürtige Argentinier, der dem Opus Dei angehörte, führte sein Bistum, nachdem er die Tradition wiederentdeckt hatte, innerhalb weniger Jahre zu einer ungeahnten Blüte. Damit begannen allerdings die Angriffe gegen ihn.
Was Grund zur Freude sein sollte, wurde einigen in der Kirche zum Anstoß. Solange Papst Benedikt XVI. regierte, hielt er seine schützende Hand über den streitbaren Bischof. Mit der Wahl von Papst Franziskus wendete sich das Blatt und es kam zu dem, was wirklich als „Radikalisierung“ bezeichnet werden könnte – allerdings von ganz anderer Art.
Von Msgr Livieres Heimatstadt Corrientes in Argentinien kann man über den Fluß Paraná nach Paraguay hinübersehen, das dem künftigen Bischof zur zweiten Heimat werden sollte. 2004 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Oberhirten von Ciudad del Este. Er übernahm ein Bistum mit nur wenigen Priestern und eine ziemlich darniederliegende Situation, wie sie für Paraguays Diözesen nicht untypisch ist.
Als Papst Benedikt XVI. das Motu proprio Summorum Pontificum erließ, begann Bischof Livieres öffentlich in beiden Formen des Römischen Ritus zu zelebrieren, privat aber nur mehr im überlieferten Ritus. Um die erstarrte, von der marxistischen Befreiungstheologie geprägte Situation in der Kirche in Paraguay aufzubrechen, setzte er mutige Schritte.
Er zog sich mit seinem Bistum aus dem zentralen gemeinsamen Priesterseminar aller Diözesen des Landes in der Hauptstadt Asunción zurück. In der dortigen Ausbildung sah er ein Haupthindernis für die Entfaltung der Kirche. Bischof Livieres gründete stattdessen ein eigenes Priesterseminar. Dort beruhte die Priesterausbildung nicht auf Befreiungstheologie, Soziologie und Psychologie. Das sakramentale Priestertum sollte nicht mehr in einem liberalen Umfeld durch die Betonung eines „allgemeinen Priestertums“ unkenntlich gemacht werden. Am neuen Priesterseminar von Ciudad del Este wurden die Seminaristen in der ordentlichen und der außerordentlichen Form des Römischen Ritus ausgebildet. Bischof Livieres gründete zahlreiche neue Pfarreien. In allen Pfarreien seines Bistums förderte er die eucharistische Anbetung, Bibelkurse, Katechesen zur Vorbereitung auf die Sakramente und als Kern die Zelebration im überlieferten Ritus.
Zum Bistum Ciudad del Este gehören zehn Prozent der Bevölkerung und der Gläubigen Paraguays. Im Studienjahr 2013/2014 bereiteten sich im diözesanen Priesterseminar jedoch fast dreimal so viele Seminaristen auf das Priestertum vor wie im nationalen Priesterseminar in Asunción, das damals die übrigen 90 Prozent des Landes umfaßte.
Bischof Livieres gründete neue Ordensgemeinschaften, die dem überlieferten Ritus verpflichtet waren, oder begleitete bestehende Gemeinschaften auf den Weg zur Bi-Ritualität.
Für andere Kirchenvertreter hatte Bischof Livieres damit inakzeptable Grenzen überschritten. Er hatte den befreiungstheologischen „Konsens“ mißachtet und stattdessen auf die Tradition gesetzt – und war damit auch noch auf ungeahnte Weise erfolgreich. Ein unglaublicher Affront. Sein Priesterseminar zog Berufungen aus ganz Paraguay an. Damit stellte er auch ohne jedes Zutun die Schwachheit der anderen Bischöfe und ihrer Linie vor aller Welt bloß.
Die Wende in Rom
Kaum hatte in Rom Papst Franziskus sein Amt angetreten, begann der Frontalangriff gegen den „Störenfried“. Es formierte sich gegen Bischof Livieres eine Allianz, die aus einer kleinen Gruppe von Priestern seiner Diözese bestand, die er bei seiner Bischofsernennung übernommen hatte, und aus den übrigen Bischöfen Paraguays. Das entscheidende Element war jedoch, daß dieser Allianz in Rom Gehör geschenkt wurde. Die für den Angriff nötigen Kritikpunkte oder Schwachstellen fanden sich dann schon.
Die Handvoll Priester seines Bistums beschwerten sich in Rom und die Bischöfe stellten sich hinter sie. Als die Intrige ruchbar wurde, reagierte Bischof Livieres in seiner Streitbarkeit und beging dabei auch Fehler. Dazu gehörte es, die homosexuellen Neigungen des damaligen Erzbischofs von Asunción öffentlich anzusprechen und zu kritisieren.
Papst Franziskus nahm die Beschwerde der Priestergruppe zum Anlaß, im Juli 2014 einen Apostolischen Visitator nach Ciudad del Este zu schicken. In Wirklichkeit waren nicht die Priester dafür ausschlaggebend, sondern die anderen Bischöfe von Paraguay. Die Rede war auch von persönlichen Ressentiments des Papstes gegen seinen argentinischen Landsmann. Franziskus führe im Episkopat seiner Heimat einen Kahlschlag durch, indem er nach seiner Wahl jene Bischöfe demontierte, die sich ihm vor seiner Wahl in der Argentinischen Bischofskonferenz entgegengestellt hatten. Bischof Livieres, der dem Opus Dei angehörte, soll dabei in der Liste weit oben gestanden haben, obwohl er nie der Argentinischen Bischofskonferenz angehörte. Sein „Modell Ciudad del Este“ war aber über die Grenzen Paraguays hinaus bekannt geworden. Die Eile und Härte, mit der gegen Bischof Livieres vorgegangen wurde, spricht dafür, daß sich Franziskus persönlich der Sache angenommen hatte.
Bischof Livieres war nach Abschluß der Visitation durch Kardinal Santos Abril y Castelló der Überzeugung, die Angelegenheit sei damit erledigt, da ihm der Visitator korrektes Handeln attestierte. Es dürfte sich um Zweckoptimismus gehandelt haben. Wenige Wochen später wurde Bischof Livieres unter einem Vorwand nach Rom gerufen, wo man ihn warten ließ. Währenddessen wurden in Ciudad del Este die Schlösser der bischöflichen Residenz ausgetauscht und der Bischof von Franziskus abgesetzt, wovon dieser aus den Medien erfuhr.
Bischof Livieres ersuchte mehrfach darum, von Papst Franziskus empfangen zu werden, weil er nicht verstehen konnte, was geschehen war. Doch Franziskus ließ ihn vor verschlossenen Türen stehen. Ein Grund für die Absetzung wurde vom Vatikan nicht genannt. Indirekt ließ sich aus der Erklärung des vatikanischen Presseamtes jedoch herauslesen, daß Bischof Livieres den Konsens in der Paraguayischen Bischofskonferenz gestört habe. Mit seiner Emeritierung wurde dieser wiederhergestellt.
Bischof Livieres fügte sich und erklärte, dem Papst zu gehorchen, allerdings mit dem Zusatz, daß Franziskus seine Amtsenthebung einmal vor Gott verantworten werde müssen. In Schweigen versank der so demonstrativ mit Verweis auf die Tradition abgesetzte Bischof allerdings nicht. Er wurde zum Mitgründer des neuen spanischsprachigen Portals für Nachrichten, Orientierung und Katechese Adelante la Fe. Ein Jahr nach seiner unfreundlichen Entfernung aus seinem Bistum hatte er sich einem chirurgischen Eingriff zu unterziehen. Dabei kam es zu unerwarteten Komplikationen, denen Bischof Livieres, erst 69 Jahre alt, am 14. August 2015 erlag.
Die Nachfolge und der Kahlschlag
Im November 2014 hatte Franziskus mit dem deutschen Oblatenmissionar P. Wilhelm Steckling OMI einen neuen Bischof von Ciudad del Este ernannt. Im Zusammenwirken mit römischen Stellen wurde seither Schlag auf Schlag demontiert, was Bischof Livieres aufgebaut hatte. Zunächst wurden die Priesterweihen suspendiert, dann wurde 2017 das diözesane Priesterseminar aufgelöst. Auch die von Msgr. Livieres gegründeten oder geförderten Orden und Gemeinschaften erlebten Eingriffe oder ihre Auflösung.
Dieses Schicksal traf nun auch die Comunidad Misionera de Jesús (CMJ), die Missionsgemeinschaft Jesu. Es scheint nicht zu genügen, daß Bischof Livieres tot ist. Offenbar soll auch ausgelöscht werden, was an ihn erinnert. Der Schritt zur Damnatio memoriae ist da nicht mehr weit. Die Aufhebung der Missionsgemeinschaft Jesu wurde gestern auf einer Pressekonferenz bekanntgegeben und eine entsprechende Erklärung auf der Internetseite des Bistums veröffentlicht.
Paraguayische Medien berichteten ausführlich darüber. Die Tageszeitung Ultima Hora meldet, daß die Entscheidung des Bischofs in den sozialen Netzwerken „sehr kritisiert“ wird.
Bischof Steckling bezeichnete auf der Pressekonferenz seine Entscheidung als Ergebnis der kanonischen Visitation der Gemeinschaft, die 2018 stattfand. Er hatte, auch darin Papst Franziskus folgend, einen Kommissar eingesetzt, der in seinem Namen Informationen gesammelt und ihm vor kurzem zur Verfügung gestellt habe. Zu den Gründen sagte Bischof Steckling lediglich, daß es sich um „innerkirchliche“ handle, ohne näher darauf einzugehen. Er betonte allerdings, um möglichen Spekulationen vorzubeugen, daß es „nicht um moralische Fragen“ gehe, also weder um sexuelles Fehlverhalten noch um Mißbrauch. Vielmehr sagte er kryptisch, daß in der Pfarrei, die vom Gründer der Missionsgemeinschaft Jesu geleitet wurde, die Liturgie nicht so gefeiert worden sei wie in den anderen Kirchen der Diözese.
Im Vorfeld der nunmehrigen Aufhebung der Gemeinschaft war deren Gründer P. Jorge Miguel Martínez im Mai als Pfarrer der Pfarrei Sagrado Corazón de Jesús in der Stadt Hernandarias, nahe den berühmten Iguazú-Wasserfällen, abgelöst worden.
In der gestern veröffentlichten Presseerklärung der Diözese heißt es zudem, daß „eine Radikalisierung einiger Personen in bezug auf bestimmte Ausdrucksformen unseres Glaubens“ festgestellt worden sei. Zudem habe es „internationale Kontakte in Netzwerken mit ähnlich radikalen Gruppen“ gegeben, darunter auch eine „relevante Verbindung zu Gruppen politischer Natur“. Was das konkret heiße und worin diese Radikalisierung bestehe, wird nicht gesagt.
Ein Grundstück als Auslöser?
Der Verein Stella Maris von Hernandarias, in dem Wohltäter der nun aufgelösten Missionsgemeinschaft Jesu zusammengeschlossen sind, um ökonomische Angelegenheiten für die Gemeinschaft zu erledigen, gab eine ganze andere Darstellung der Ereignisse. Auslöser der ganzen Strafmaßnahme durch den Bischof sei ein Grundstück, das die Diözese beanspruche.
Die Entfernung von P. Martínez als Pfarrer von Hernandarias wurde von Gläubigen als „willkürliche Entlassung“ kritisiert. Mehrere Wochen lang hielten sie Mahnwachen ab, um eine Rücknahme der Maßnahme zu erreichen. Bischof Steckling sagte dazu, daß P. Martínez „andere Aufgaben in anderen Pfarreien“ erhalten werde, ohne allerdings bekanntzugeben, wohin der Gründer der Missionsgemeinschaft Jesu kommen solle. Dieser äußerte sich weder zu seiner Absetzung als Pfarrer noch zur Aufhebung des Ordens.
Die Gläubigen von Hernandarias schätzen die Arbeit der von Bischof Livieres kanonisch errichteten Gemeinschaft. Auch diese gab bisher keine Erklärung zu den Ereignissen ab. Eine solche soll aber laut der Tageszeitung ABC Color folgen, die P. Martínez um eine Stellungnahme ersucht hatte, zu der dieser aber nicht bereit war.
Die 2002 gegründete Missionsgemeinschaft gliedert sich in permanente und angeschlossene Mitglieder. Letztere leben in der Welt, während erstere ein gemeinschaftliches Leben führen. Sie bestehen aus drei Zweigen, einem männlichen mit Priestern und Seminaristen, einem weiblichen mit den Missionsschwestern und einem Laienzweig von Verheirateten oder Unverheirateten. Jeder Zweig lebt in einer eigenständigen Niederlassung, die sich allerdings unweit voneinander befinden, um sich in den Aufgaben gegenseitig zu unterstützen, und vor allem wegen der heiligen Liturgie.
Im Sinne des Motu proprio Summorum Pontificum fördert die Gemeinschaft das liturgische Leben der Ordensmitglieder, aber auch in der Seelsorge und Mission. In der Gemeinschaft werden beide Formen des Römischen Ritus zelebriert, um den pastoralen Anforderungen in der Pfarrseelsorge zu entsprechen.
Es gehört zum Charisma, daß die Ordensangehörigen „Jesus Christus, unseres Herrn, auch in den schwierigsten Bedingungen und Situationen suchen und vor allem ihr ewiges Heil“. Das „führt sie dazu, immer und zu allem bereit und willig zu sein, was die Kirche von ihnen wünscht und erwartet, um dem höchsten und ewigen Haupt, unserem Herrn Jesus Christus, zu dienen und unter seinem Banner mutig voranzugehen.“
Ein weiteres Charisma ist die Kreuzverehrung. Die Patrone des Ordens sind der Apostel Paulus und die heilige Theresia vom Kinde Jesu.
Der Missionsorden widmet sich „der Verkündigung des Wortes Gottes – in ihren verschiedenen Formen – unter dem doppelten Aspekt von Offenbarung und Tradition (Heilige Schrift und Katechese): Volksmissionen, Predigt von Einkehrtagen und Exerzitien, Kommunikationsmittel (Radio, Internet und Fernsehen), Publikationen, Lehre in Theologie, Liturgie, Katechese, Erziehung und christliche Bildung des Volkes Gottes sowie Werke der Nächstenliebe.“
Die Facebook-Seite der Gemeinschaft ist noch aktiv. Wie an allen Tagen wurde auch heute das Tagesevangelium veröffentlicht, zudem eine Predigt zum Gedenktag der Geburt Johannes des Täufers.
Einen Tag vor dem Aufhebungsdekret durch Bischof Steckling erinnerte die Gemeinschaft an das Schicksal und den Kampf der Cristeros:
„Diese katholischen Kämpfer, von ihren Feinden „Cristeros“ genannt – wegen ihres Schlachtrufes –, sind das ’klare Spiegelbild eines christlichen Volkes, das sich weigert, durch die Hände der modernen Revolution zu sterben’.
Viva Cristo Rey!An einem Tag wie heute, dem 21. Juni 1929, endete der Cristero-Krieg in Mexiko.
Wir laden Sie ein, etwas über die Taten der mexikanischen Cristeros und ihr großes Vermächtnis zu erfahren.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: CMJ/Facebook/Accion Liturgica/diocesiscde.org.py (Screenshots)