Überlegungen zur befürchteten Einschränkung des Motu proprio Summorum Pontificum

Erzbischof Carlo Maria Viganò und die Angriffe auf den überlieferten Ritus und die Tradition


Erzbischof Viganò erklärt, warum es zu den Angriffen auf das Motu proprio Summorum Pontificum kommt und was dagegen zu tun ist.
Erzbischof Viganò erklärt, warum es zu den Angriffen auf das Motu proprio Summorum Pontificum kommt und was dagegen zu tun ist.

Von Erz­bi­schof Car­lo Maria Viganò

Anzei­ge

Anläß­lich des Phi­lo­so­phie-Sym­po­si­ums zum Geden­ken an Msgr. Anto­nio Livi, das am 30. Mai in Vene­dig statt­fand, habe ich ver­sucht, jene Ele­men­te auf­zu­zei­gen, die im Lau­fe der Geschich­te im Täu­schungs­werk des Bösen stän­dig wie­der­keh­ren. Bei mei­ner Unter­su­chung habe ich mich auf den Pan­de­mie­be­trug kon­zen­triert und auf­ge­zeigt, wie die Begrün­dun­gen, die zur Recht­fer­ti­gung ille­gi­ti­mer Zwangs­maß­nah­men und nicht weni­ger ille­gi­ti­mer Ein­schrän­kun­gen der natür­li­chen Frei­hei­ten ange­führt wur­den, Pro­pha­sen sind, also schein­ba­re Moti­va­tio­nen, die in Wirk­lich­keit dar­auf abzie­len, eine gewoll­te und bös­wil­li­ge Absicht und einen kri­mi­nel­len Plan zu ver­ber­gen. Die Ver­öf­fent­li­chung der E‑Mails von Antho­ny Fau­ci und die Unmög­lich­keit, die immer zahl­rei­cher wer­den­den Stim­men, die vom Main­stream-Nar­ra­tiv abwei­chen, zu zen­sie­ren, haben mei­ne Ana­ly­se bestä­tigt und las­sen uns auf eine ekla­tan­te Nie­der­la­ge der Unter­stüt­zer des Gre­at Reset hoffen.

In mei­ner Rede hat­te ich mich auf die Tat­sa­che kon­zen­triert, daß das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil in gewis­ser Wei­se ein Gre­at Reset für die Kir­che war so wie ande­re histo­ri­sche Ereig­nis­se, die geplant und aus­ge­dacht wur­den, um die Gesell­schaft zu revo­lu­tio­nie­ren. Auch damals beruh­ten die vor­ge­brach­ten Aus­re­den zur Legi­ti­mie­rung der Lit­ur­gie­re­form, des Öku­me­nis­mus und der Par­la­men­ta­ri­sie­rung der Auto­ri­tät der hei­li­gen Hir­ten nicht auf Treu und Glau­ben, son­dern auf Täu­schung und Lüge, um uns glau­ben zu machen, daß das siche­re Gut, auf das wir ver­zich­ten soll­ten – die apo­sto­li­sche Mes­se, die Ein­zig­ar­tig­keit der Kir­che für das Heil, die Unver­än­der­lich­keit des Lehr­am­tes und die Auto­ri­tät der Hier­ar­chie –, durch ein höhe­res Gut gerecht­fer­tigt sein könn­te. Wie wir wis­sen, ist das nicht ein­ge­tre­ten (und konn­te auch gar nicht ein­tre­ten), son­dern hat sich in sei­ner gan­zen zer­stö­re­ri­schen, sub­ver­si­ven Bedeu­tung mani­fe­stiert: Die Kir­chen sind leer, die Semi­na­re ver­ödet, die Klö­ster ver­las­sen, die Auto­ri­tät ist dis­kre­di­tiert und per­ver­tiert in Tyran­nei zum Nut­zen schlech­ter Hir­ten oder unwirk­sam gemacht für die guten. Und wir wis­sen auch, daß der Zweck die­ses Reset, die­ser ver­hee­ren­den Revo­lu­ti­on, von Anfang an mut­wil­lig und bös­ar­tig war, wenn auch in edle Absich­ten ver­hüllt, um die Gläu­bi­gen und Geist­li­chen zum Gehor­sam zu bewegen.

Im Jahr 2007 erkann­te Bene­dikt XVI. das vol­le Hei­mat­recht der ehr­wür­di­gen triden­ti­ni­schen Lit­ur­gie an und stell­te damit jene Legi­ti­mi­tät wie­der her, die ihr fünf­zig Jah­re lang durch Miß­brauch ver­wei­gert wor­den war. In sei­nem Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum erklär­te er:

„Dem­ge­mäß ist es erlaubt, das Meß­op­fer nach der vom sel. Johan­nes XXIII. im Jahr 1962 pro­mul­gier­ten und nie­mals abge­schaff­ten Edi­tio typi­ca des Römi­schen Meß­buchs als außer­or­dent­li­che Form der Lit­ur­gie der Kir­che zu fei­ern. […] Für eine sol­che Fei­er nach dem einen oder dem ande­ren Meß­buch benö­tigt der Prie­ster kei­ne Erlaub­nis, weder vom Apo­sto­li­schen Stuhl noch von sei­nem Ordinarius.“

Wap­pen von Erz­bi­schof Car­lo Maria Viganò

In Wirk­lich­keit wur­den das Motu pro­prio und die Durch­füh­rungs­do­ku­men­te nie voll­stän­dig umge­setzt und die Grup­pen von Gläu­bi­gen („coe­tus fide­li­um“), die heu­te im apo­sto­li­schen Ritus fei­ern, wen­den sich nach wie vor an ihren Bischof um Erlaub­nis, indem sie im Wesent­li­chen die Vor­schrift des vor­her­ge­hen­den Indults, des Motu pro­prio Eccle­sia Dei von Johan­nes Paul II., anwen­den. Die gerech­te Ehre, in der die tra­di­tio­nel­le Lit­ur­gie gehal­ten wer­den soll­te, wur­de durch ihre Gleich­set­zung mit der nach­kon­zi­lia­ren Lit­ur­gie­re­form geschmä­lert, indem jene als außer­or­dent­li­che und die­se als ordent­li­che Form defi­niert wur­de, als ob die Braut des Lam­mes zwei Stim­men haben könn­te – eine voll­stän­dig katho­li­sche und eine mehr­deu­tig öku­me­ni­sche –, um sich ein­mal an die gött­li­che Maje­stät und ein ander­mal an die Ver­samm­lung der Gläu­bi­gen zu wen­den. Aber es besteht kein Zwei­fel, daß die Frei­ga­be der triden­ti­ni­schen Mes­se viel Gutes getan hat, indem sie die Spi­ri­tua­li­tät von Mil­lio­nen von Men­schen speist und vie­le See­len dem Glau­ben näher­brach­te, die in der Ste­ri­li­tät des refor­mier­ten Ritus weder einen Anreiz zur Bekeh­rung fan­den noch zu einem inne­ren Wachstum.

Ver­gan­ge­nes Jahr schick­te der Hei­li­ge Stuhl mit dem typi­schen Ver­hal­ten der Neue­rer einen Fra­ge­bo­gen an die Diö­ze­sen des Erd­krei­ses, mit dem sie nach Infor­ma­tio­nen über die Anwen­dung des Motu pro­prio von Bene­dikt XVI. frag­ten: Die For­mu­lie­rung der Fra­gen ver­riet, wie­der ein­mal, einen ver­bor­ge­nen Zweck; die Ant­wor­ten, die an Rom geschickt wur­den, soll­ten die Grund­la­ge für eine schein­ba­re Legi­ti­mi­tät schaf­fen, um zu einer Ein­schrän­kung des Motu pro­prio, wenn nicht sogar zu sei­ner voll­stän­di­gen Auf­he­bung zu gelan­gen. Wenn noch der Autor von Sum­morum Pon­ti­fi­cum auf dem Thron sit­zen wür­de, hät­te die­ser Fra­ge­bo­gen es dem Papst ermög­licht, die Bischö­fe dar­an zu erin­nern, daß kein Prie­ster zur Fei­er der Mes­se im über­lie­fer­ten Ritus um Erlaub­nis bit­ten muß und dafür auch nicht aus dem Amt ent­fernt wer­den darf. Aber die wirk­li­che Absicht jener, die die Ordi­na­ri­en kon­sul­tie­ren woll­ten, scheint nicht im Salus ani­ma­rum [See­len­heil] zu lie­gen, son­dern im theo­lo­gi­schen Haß gegen einen Ritus, der den unver­än­der­li­chen Glau­ben der Hei­li­gen Kir­che mit unnach­gie­bi­ger Klar­heit zum Aus­druck bringt und der des­halb der Ekkle­sio­lo­gie und der Lit­ur­gie des Kon­zils, die die­ses vor­aus­setzt und ver­mit­telt, fremd ist. Nichts steht dem soge­nann­ten Lehr­amt des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils mehr ent­ge­gen als die triden­ti­ni­sche Lit­ur­gie: Jedes Gebet, jede Peri­ko­pe – wie die Lit­ur­gi­ker sagen wür­den – ist ein Affront für die zar­ten Ohren der Neue­rer, jede Zere­mo­nie ist in ihren Augen eine Beleidigung.

Auch nur zu tole­rie­ren, daß es Katho­li­ken gibt, die aus den hei­li­gen Quel­len die­ses Ritus trin­ken wol­len, klingt für sie bereits wie eine Nie­der­la­ge, die nur erträg­lich ist, wenn sie sich auf klei­ne Grup­pen von nost­al­gi­schen Alten oder exzen­tri­schen Ästhe­ten beschränkt. Aber wenn die außer­or­dent­li­che Form – die im umgangs­sprach­li­chen Wort­sinn tat­säch­lich eine sol­che ist – zur Nor­ma­li­tät für Tau­sen­de von Fami­li­en, Jugend­li­chen, ein­fa­chen Men­schen wird, die sich ihrer Wahl bewußt sind, wird sie zum Stein des Ansto­ßes und muß uner­bitt­lich bekämpft, ein­ge­schränkt und abge­schafft wer­den, da es kein Gegen­stück zur refor­mier­ten Lit­ur­gie, kei­ne Alter­na­ti­ve zum Elend der kon­zi­lia­ren Riten geben darf, so wie es kei­ne abwei­chen­de Stim­me oder argu­men­ta­ti­ve Wider­le­gung zum Main­stream-Nar­ra­tiv des Glo­ba­lis­mus geben darf und so wie ange­sichts der Neben­wir­kun­gen eines expe­ri­men­tel­len Impf­stoffs kei­ne wirk­sa­men Behand­lun­gen ange­wandt wer­den dür­fen, die sei­ne Nutz­lo­sig­keit bewei­sen würden.

Wir dür­fen uns nicht dar­über wun­dern: Wer nicht aus Gott ist, ist unduld­sam gegen­über allem, was auch nur im ent­fern­te­sten an eine Zeit erin­nert, in der die katho­li­sche Kir­che von katho­li­schen Hir­ten regiert wur­de und nicht von untreu­en Hir­ten, die ihre Auto­ri­tät miß­brau­chen; eine Zeit, in der der Glau­be in sei­ner Inte­gri­tät dem Volk gepre­digt und nicht ver­fälscht wur­de, um der Welt zu gefal­len; eine Ära, in der jene, die nach Wahr­heit hun­gern und dür­sten, von einer irdi­schen Lit­ur­gie in der Form, aber gött­lich in der Sub­stanz genährt und gestillt wur­den. Wenn alles, was bis gestern hei­lig und gut war, heu­te ver­dammt und lächer­lich gemacht wird, ist es unzu­mut­bar und eine uner­träg­li­che Belei­di­gung, daß es heu­te noch eine Spur davon gibt. Denn die triden­ti­ni­sche Mes­se berührt Sai­ten der See­le, die der Mon­ti­ni-Ritus nicht ein­mal zu strei­fen wagt.

Natür­lich sind die­je­ni­gen, die hin­ter den vati­ka­ni­schen Kulis­sen manö­vrie­ren, um die katho­li­sche Mes­se zu besei­ti­gen, jene, die im Motu pro­prio die Arbeit von Jahr­zehn­ten gefähr­det, den Besitz so vie­ler See­len, die sie heu­te unter­jocht hal­ten, bedroht und ihre Tyran­nei über die Kir­che geschwächt sehen. Die Prie­ster und Bischö­fe, die wie ich die­sen unschätz­ba­ren Schatz des Glau­bens und der Spi­ri­tua­li­tät wie­der­ent­deckt haben – oder ihn trotz der grau­sa­men Ver­fol­gung in der Nach­kon­zils­zeit durch die Gna­de Got­tes nie auf­ge­ge­ben haben – sind nicht bereit, dar­auf zu ver­zich­ten, da sie dar­in die See­le ihres Prie­ster­tums und die Nah­rung ihres über­na­tür­li­chen Lebens gefun­den haben. Und es ist beun­ru­hi­gend und zugleich skan­da­lös, daß es ange­sichts des Guten, das die triden­ti­ni­sche Mes­se der Kir­che bringt, sol­che gibt, die sie aus faden­schei­ni­gen Grün­den ver­bie­ten oder ihre Fei­er ein­schrän­ken wollen.

Wenn wir uns jedoch in die Lage der Neue­rer ver­set­zen, ver­ste­hen wir, wie per­fekt das mit ihrer ver­zerr­ten Sicht der Kir­che über­ein­stimmt, die kei­ne voll­kom­me­ne, von Gott hier­ar­chisch errich­te­te Gesell­schaft zum Heil der See­len ist, son­dern eine mensch­li­che Gesell­schaft, in der eine kor­rup­te und sich den Eli­ten andie­nen­de Auto­ri­tät die Bedürf­nis­se der Mas­sen nach einer vagen Spi­ri­tua­li­tät bedient und lenkt, indem sie den Zweck ver­leug­net, für den unser Herr sie woll­te. Und in der die guten Hir­ten durch die büro­kra­ti­schen Fes­seln, denen sie als ein­zi­ge gehor­chen, zur Untä­tig­keit gezwun­gen wer­den. Die­se Sack­gas­se, die­se recht­li­che Sack­gas­se, bedeu­tet, daß der Miß­brauch der Auto­ri­tät den Unter­ta­nen gera­de dadurch auf­er­legt wer­den kann, weil die­se in ihr die Stim­me Chri­sti erken­nen, selbst ange­sichts der intrin­si­schen Bos­heit der aus­ge­ge­be­nen Befeh­le und der Moti­ve, die sie bedin­gen, und selbst ange­sichts der Sub­jek­te, die sie aus­üben. Ande­rer­seits: Auch im welt­li­chen Bereich befol­gen vie­le in der Pan­de­mie absur­de und schäd­li­che Regeln, weil sie ihnen von Ärz­ten, Viro­lo­gen und Poli­ti­kern auf­er­legt wur­den, denen die Gesund­heit und das Wohl­erge­hen der Bür­ger am Her­zen lie­gen soll­ten. Und vie­le woll­ten selbst ange­sichts der Bewei­se für die kri­mi­nel­le Absicht nicht glau­ben, daß jemand den Tod oder die Krank­heit von Mil­lio­nen von Men­schen wol­len könn­te. Die Sozi­al­psy­cho­lo­gen nen­nen das kogni­ti­ve Dis­so­nanz, die Indi­vi­du­en dazu ver­lei­tet, sich in eine beque­me Nische der Irra­tio­na­li­tät zu flüch­ten, anstatt sich ein­zu­ge­ste­hen, das Opfer einer kolos­sa­len Täu­schung gewor­den zu sein und daher mann­haft reagie­ren zu müssen.

Fra­gen wir uns also nicht, war­um man ange­sichts der Ver­viel­fa­chung der Gemein­schaf­ten, die der über­lie­fer­ten Lit­ur­gie ver­bun­den sind, ange­sichts der Beru­fun­gen, die fast aus­schließ­lich im Rah­men des Motu pro­prio gedei­hen, der Zunah­me des Sakra­men­ten­emp­fangs und des kohä­ren­ten christ­li­chen Lebens unter jenen, die ihr fol­gen, ein unver­äu­ßer­li­ches Recht mit Füßen tre­ten und die apo­sto­li­sche Mes­se behin­dern will: Es ist die fal­sche Fra­ge, und die Ant­wort dar­auf wür­de in die Irre führen.

Fra­gen wir uns viel­mehr, war­um noto­ri­sche Häre­ti­ker und Unzüch­ti­ge ohne Moral es dul­den soll­ten, daß ihre Irr­tü­mer und ihr bedau­erns­wer­ter Lebens­wan­del von einer Min­der­heit von Gläu­bi­gen und Kle­ri­kern in Fra­ge gestellt wird, wenn sie die Macht haben, das zu ver­hin­dern. An die­sem Punkt ver­ste­hen wir gut, war­um die­se Abnei­gung gar nicht umhin kann, dem Motu pro­prio ein Ende zu set­zen durch Miß­brauch einer usur­pier­ten und per­ver­tier­ten Auto­ri­tät. Schon zur Zeit der pro­te­stan­ti­schen Pseu­do­re­for­ma­ti­on war die Tole­ranz gegen­über eini­gen im Volk ver­wur­zel­ten lit­ur­gi­schen Bräu­chen nur von kur­zer Dau­er, denn die­se Mari­en­ver­eh­run­gen, die­se latei­ni­schen Hym­nen, die­ses Klin­geln bei der Ele­va­ti­on – die Ele­va­ti­on, die es nicht mehr gab – muß­ten zwangs­läu­fig ver­schwin­den, weil sie Aus­druck eines Glau­bens waren, den Luthers Anhän­ger ver­leug­ne­ten. Und es wäre absurd, ange­sichts der onto­lo­gi­schen Unver­ein­bar­keit zu hof­fen, daß es eine fried­li­che Koexi­stenz zwi­schen Novus und Vetus Ordo geben könn­te so wie zwi­schen der katho­li­schen Mes­se und dem luthe­ri­schen Abend­mahl. Bei nähe­rer Betrach­tung ent­spricht die von den Unter­stüt­zern des Novus befür­wor­te­te Nie­der­la­ge des Vetus ihren Grund­sät­zen, genau­so wie es die Nie­der­la­ge des Novus durch den Vetus sein soll­te. Es irrt sich, wer also glaubt, zwei gegen­sätz­li­che For­men des katho­li­schen Got­tes­dien­stes im Namen einer Plu­ra­li­tät des lit­ur­gi­schen Aus­drucks, die nicht mehr und nicht weni­ger eine Toch­ter der kon­zi­lia­ren Men­ta­li­tät ist als die Her­me­neu­tik der Kon­ti­nui­tät, zusam­men­hal­ten zu können.

Bei die­ser Ope­ra­ti­on gegen das Motu pro­prio zeigt sich wie­der ein­mal der Modus Ope­ran­di der Neue­rer: Zuerst for­dern, als Pro­vo­ka­ti­on, eini­ge der fana­tisch­sten Geg­ner der über­lie­fer­ten Lit­ur­gie die Auf­he­bung von Sum­morum Pon­ti­fi­cum, indem sie die über­lie­fer­te Mes­se als „spal­te­risch“ bezeich­nen. Dann bit­tet die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on die Ordi­na­ri­en um die Beant­wor­tung eines Fra­ge­bo­gens, des­sen Ant­wor­ten prak­tisch vor­ge­fer­tigt sind (die Kar­rie­re des Bischofs hängt davon ab, wie er sich ver­hält und was er dem Hei­li­gen Stuhl berich­tet, denn die Ant­wor­ten auf den Fra­ge­bo­gen wer­den auch der Bischofs­kon­gre­ga­ti­on bekannt). Dar­auf sagt Berg­o­glio unvor­sich­ti­ger­wei­se bei einem Tref­fen hin­ter ver­schlos­se­nen Türen mit Mit­glie­dern des ita­lie­ni­schen Epi­sko­pats, er sei besorgt über Semi­na­ri­sten, „die gut, aber starr zu sein schei­nen“, und über die Aus­brei­tung der über­lie­fer­ten Lit­ur­gie, wobei er immer wie­der betont, daß die nach­kon­zi­lia­re Lit­ur­gie­re­form unum­kehr­bar ist. Schließ­lich ernennt er einen erbit­ter­ten Feind des Vetus Ordo zum Prä­fek­ten der Got­tes­dienst­kon­gre­ga­ti­on, der ein Ver­bün­de­ter bei der Anwen­dung der even­tu­el­len Ein­schrän­kun­gen sein soll. Und schließ­lich erfah­ren wir, daß die Kar­di­nä­le Paro­lin und Ouel­let zu den ersten gehö­ren, die die­se Ein­schrän­kung des Motu pro­prio wol­len. Das ver­an­laßt die „kon­ser­va­ti­ven“ Prä­la­ten natür­lich zur Ver­tei­di­gung des der­zei­ti­gen Regimes der Koexi­stenz der bei­den For­men, der ordent­li­chen und der außer­or­dent­li­chen, was Fran­zis­kus die Gele­gen­heit gibt, sich als umsich­ti­ger Mode­ra­tor der bei­den gegen­sätz­li­chen Strö­mun­gen zu zei­gen, was „nur“ zu einer Ein­schrän­kung von Sum­morum Pon­ti­fi­cum anstatt zur tota­len Abschaf­fung füh­ren wird. Was genau das ist – wie wir wis­sen –, was er von Anfang an mit der Ope­ra­ti­on beabsichtigte.

Unab­hän­gig vom End­ergeb­nis ist und bleibt Berg­o­glio der Deus ex machi­na die­ses vor­her­seh­ba­ren Spiels, der bereit steht, sowohl die Lor­bee­ren für eine Geste der nach­sich­ti­gen Indul­genz gegen­über den Kon­ser­va­ti­ven zu ern­ten als auch die Ver­ant­wor­tung für eine restrik­ti­ve Anwen­dung des Motu pro­prio auf den neu­en Prä­fek­ten Msgr. Arthur Roche und des­sen Lakai­en abzu­wäl­zen. So wird er im Fal­le eines laut­star­ken Pro­tests der Gläu­bi­gen und einer unge­stü­men Reak­ti­on des Prä­fek­ten oder ande­rer Prä­la­ten wie­der ein­mal den Zusam­men­prall zwi­schen Pro­gres­si­ven und Tra­di­tio­na­li­sten genie­ßen und dann aus­ge­zeich­ne­te Argu­men­te haben, um zu behaup­ten, daß die Koexi­stenz der bei­den For­men des Römi­schen Ritus zu Spal­tun­gen in der Kir­che führt und es daher klü­ger ist, zur Pax Mon­ti­nia­na zurück­zu­keh­ren, das heißt, zum tota­len Ver­bot der Mes­se aller Zeiten.

Ich ermah­ne mei­ne Mit­brü­der im Bischofs­amt, die Prie­ster und die Lai­en, ihr Recht auf die katho­li­sche Lit­ur­gie, die durch die Bul­le Quo pri­mum des hei­li­gen Pius V. fei­er­lich fest­ge­legt wur­de, mit Nach­druck zu ver­tei­di­gen und damit die Hei­li­ge Kir­che und das Papst­tum zu ver­tei­di­gen, die bei­de von den Hir­ten selbst der Dis­kre­di­tie­rung und dem Spott aus­ge­setzt wer­den. Die Fra­ge des Motu pro­prio ist nicht im gering­sten ver­han­del­bar, denn in ihm wird die Legi­ti­mi­tät eines Ritus bekräf­tigt, der nie­mals auf­ge­ho­ben oder abge­schafft wur­de. Zum siche­ren Scha­den, den die­se win­di­gen Neue­run­gen den See­len zufü­gen wer­den, und dem siche­ren Vor­teil, der dem Teu­fel und sei­nen Die­nern dar­aus zuteil wird, kommt noch die unziem­li­che Respekt­lo­sig­keit gegen­über dem noch leben­den Bene­dikt XVI. durch Berg­o­glio. Die­ser soll wis­sen, daß die Auto­ri­tät, die der Papst über die Kir­che aus­übt, stell­ver­tre­tend ist, und daß die Macht, die er hat, von unse­rem Herrn Jesus Chri­stus kommt, dem ein­zi­gen Haupt des mysti­schen Lei­bes: Die apo­sto­li­sche Auto­ri­tät und die Macht der hei­li­gen Schlüs­sel für einen Zweck zu miß­brau­chen, der dem ent­ge­gen­ge­setzt ist, wofür sie der Herr ein­ge­setzt hat, ist eine bei­spiel­lo­se Belei­di­gung der Maje­stät Got­tes, eine Schan­de für die Kir­che und eine Schuld, für die er sich vor dem ver­ant­wor­ten muß, des­sen Stell­ver­tre­ter er ist. Wer den Titel des Stell­ver­tre­ters Chri­sti ablehnt, muß wis­sen, daß damit auch die Legi­ti­mi­tät sei­ner Auto­ri­tät verlorengeht.

Es ist nicht hin­nehm­bar, daß die ober­ste Auto­ri­tät der Kir­che sich erlaubt, in einer besorg­nis­er­re­gen­den Can­cel-cul­tu­re-Ope­ra­ti­on in reli­giö­sem Gewand, das Erbe aus­zu­lö­schen, das sie von ihren Vätern erhal­ten hat. Eben­so­we­nig ist es zuläs­sig, jene als außer­halb der Kir­che zu betrach­ten, die nicht bereit sind, den Ent­zug der Mes­se und der Sakra­men­te, die in der Form gefei­ert wer­den, die fast zwei­tau­send Jah­re lang Hei­li­ge geformt hat, zu akzep­tie­ren. Die Kir­che ist kein Unter­neh­men, in dem die Mar­ke­ting­ab­tei­lung beschließt, je nach den Anfor­de­run­gen der Kund­schaft alte Pro­duk­te aus dem Kata­log zu strei­chen und neue anzu­bie­ten. Es war schon schmerz­haft, den Prie­stern und Gläu­bi­gen im Namen des Gehor­sams gegen­über dem Kon­zil die lit­ur­gi­sche Revo­lu­ti­on auf­zu­zwin­gen, indem man ihnen die See­le des christ­li­chen Lebens ent­riß und durch einen Ritus ersetz­te, den der Frei­mau­rer Bug­nini aus Cran­mers Book of Com­mon Pray­er abge­schrie­ben hat­te. Die­ser Miß­brauch, der von Bene­dikt XVI. mit dem Motu pro­prio teil­wei­se saniert wur­de, darf sich jetzt auf kei­nen Fall wie­der­ho­len, in Gegen­wart von Ele­men­ten, die alle zugun­sten einer Frei­ga­be der über­lie­fer­ten Lit­ur­gie sind. Wenn man dem Volk Got­tes in die­ser Kri­se wirk­lich hel­fen woll­te, hät­te man die refor­mier­te Lit­ur­gie abschaf­fen müs­sen, die in fünf­zig Jah­ren mehr Scha­den ange­rich­tet hat als der Calvinismus.

Wir wis­sen nicht, ob die befürch­te­ten Ein­schrän­kun­gen, die der Hei­li­ge Stuhl zum Motu pro­prio ein­füh­ren will, die Diö­ze­san­prie­ster oder auch die Insti­tu­te betref­fen, deren Mit­glie­der aus­schließ­lich den über­lie­fer­ten Ritus zele­brie­ren. Ich fürch­te jedoch, wie ich bereits in der Ver­gan­gen­heit Gele­gen­heit hat­te zu sagen, daß gera­de auf letz­te­re die zer­stö­re­ri­sche Akti­on los­ge­las­sen wird. Die Neue­rer kön­nen viel­leicht die zere­mo­ni­el­len Aspek­te der triden­ti­ni­schen Lit­ur­gie dul­den, aber abso­lut nicht das Fest­hal­ten an der lehr­mä­ßi­gen und ekkle­sio­lo­gi­schen Struk­tur akzep­tie­ren, die sie impli­ziert, und die in schar­fem Gegen­satz zu den kon­zi­lia­ren Abwei­chun­gen steht, die sie ohne Aus­nah­men durch­set­zen wol­len. Des­halb ist zu befürch­ten, daß von die­sen Insti­tu­ten irgend­ei­ne Form der Unter­wer­fung unter die kon­zi­lia­re Lit­ur­gie ver­langt wird, etwa indem sie ver­pflich­tet wer­den, zumin­dest gele­gent­lich den Novus Ordo zu zele­brie­ren, wie es die Diö­ze­san­prie­ster schon jetzt tun müs­sen. Auf die­se Wei­se sehen sich jene, die vom Motu pro­prio Gebrauch machen, nicht nur zu einer impli­zi­ten Akzep­tanz der Lit­ur­gie­re­form gezwun­gen, son­dern auch zu einer öffent­li­chen Akzep­tanz des neu­en Ritus und sei­ner dok­tri­nä­ren Mens [Gesin­nung]. Und wer bei­de For­men des Ritus zele­briert, wird ipso fac­to sei­ne Kohä­renz dis­kre­di­tiert sehen, indem sei­ne lit­ur­gi­schen Ent­schei­dun­gen als rein ästhe­ti­sche, ich wür­de fast sagen cho­reo­gra­phi­sche Tat­sa­che abge­tan wird, was ihn jedes kri­ti­schen Urteils gegen­über der Mon­ti­ni-Mes­se und der Mens, die ihr Form gibt, beraubt, denn er wird sich gezwun­gen sehen, die­se Mes­se zu fei­ern. Es ist eine bös­ar­ti­ge und listi­ge Ope­ra­ti­on, bei der eine Auto­ri­tät, die ihre Macht miß­braucht, die­je­ni­gen dele­gi­ti­miert, die sich ihr wider­set­zen, indem sie einer­seits den über­lie­fer­ten Ritus gewährt, ihn aber ande­rer­seits zu einer rein ästhe­ti­schen Ange­le­gen­heit macht und zu einem heim­tücki­schen Biri­tua­lis­mus zwingt und ein noch heim­tücki­sche­res Fest­hal­ten an zwei gegen­sätz­li­chen und kon­tra­stie­ren­den dok­tri­nä­ren Ansät­zen erzwingt. Wie kann man aber von einem Prie­ster ver­lan­gen, daß er jetzt einen ehr­wür­di­gen und hei­li­gen Ritus zele­briert, in dem er eine voll­kom­me­ne Über­ein­stim­mung zwi­schen Leh­re, Zere­mo­nie und Leben fin­det, und dann einen ver­fälsch­ten Ritus, der den Häre­ti­kern zuzwin­kert und fei­ge ver­schweigt, was der ande­re stolz verkündet?

Laßt uns also beten: Laßt uns beten, daß die gött­li­che Maje­stät, der wir voll­kom­me­ne Ver­eh­rung erwei­sen, indem wir den ehr­wür­di­gen apo­sto­li­schen Ritus fei­ern, sich her­ab­las­sen möge, die hei­li­gen Hir­ten zu erleuch­ten, damit sie von ihrem Vor­ha­ben ablas­sen und viel­mehr die triden­ti­ni­sche Mes­se zum Wohl der hei­li­gen Kir­che und zur Ehre der Hei­lig­sten Drei­fal­tig­keit ver­meh­ren. Wir rufen die Schutz­pa­tro­ne der Mes­se an – in pri­mis den hei­li­gen Gre­gor den Gro­ßen, den hei­li­gen Pius V. und den hei­li­gen Pius X. – und alle Hei­li­gen, die im Lau­fe der Jahr­hun­der­te das hei­li­ge Opfer in der uns über­lie­fer­ten Form gefei­ert haben, damit wir es treu bewah­ren. Möge ihre Für­spra­che am Thron Got­tes die Mes­se aller Zei­ten bewah­ren, dank derer wir gehei­ligt und in der Tugend gestärkt wer­den und den Angrif­fen des Bösen wider­ste­hen kön­nen. Und wenn die Sün­den der Män­ner der Kir­che jemals eine so har­te Stra­fe ver­die­nen soll­ten, wie sie von Dani­el pro­phe­zeit wur­de, dann soll­ten wir uns dar­auf vor­be­rei­ten, in die Kata­kom­ben hin­ab­zu­stei­gen und die­se Prü­fung für die Bekeh­rung der Hir­ten aufzuopfern.

+ Car­lo Maria Viganò, Erz­bi­schof

9. Juni 2021
Feria IV inf­ra Heb­doma­dam II
post Octa­vam Pentecostes

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: sum​morum​pon​ti​fi​cum​.par​roc​chia​cat​to​li​ca​.it (Screen­shot)

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