„Strenge ist heute ein bißchen in Mode, aber Ausdruck des Klerikalismus“

Papst Franziskus und ein Lieblingsthema


Papst Franziskus mit Bischöfen der Marken. Gestern empfing er die Gemeinschaft des Priesterseminars dieser Kirchenregion.
Papst Franziskus mit Bischöfen der Marken. Gestern empfing er die Gemeinschaft des Priesterseminars dieser Kirchenregion.

(Rom) Der 10. Juni war von der Nach­richt geprägt, daß Papst Fran­zis­kus das Rück­tritts­an­ge­bot von Kar­di­nal Rein­hard Marx als Erz­bi­schof von Mün­chen und Frei­sing abge­lehnt hat. Nichts ande­res war aller­dings erwar­tet wor­den. „Viel Lärm um nichts“ war es den­noch nicht, denn der Adres­sat der Akti­on war von vor­ne­her­ein ein ande­rer: Münch­ner „Rück­tritt“ ist kei­ne Bot­schaft an Rom, son­dern Köln. Die Ope­ra­ti­on „Rück­tritts­an­ge­bot“ soll­te die schis­ma­ti­sie­ren­de Linie des deut­schen „Syn­oda­len Wegs“ stär­ken. Genau das ist gestern erwar­tungs­ge­mäß gesche­hen. Fran­zis­kus ist gestern aber auch zu einem sei­ner Lieb­lings­the­men zurückgekehrt.

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Der Papst emp­fing die Gemein­schaft des Päpst­li­chen Regio­nal­se­mi­nars der Mar­ken „Pius XI.“ in Audi­enz. In die­sem Prie­ster­se­mi­nar mit Sitz in Anco­na wird der Prie­ster­nach­wuchs der Mar­ken aus­ge­bil­det. Bis 1860 waren die Mar­ken, heu­te eine Regi­on der Repu­blik Ita­li­en, Teil des Kir­chen­staa­tes, wes­halb die Ein­rich­tung den Sta­tus eines Päpst­li­chen Semi­nars genießt. Die nörd­li­chen Mar­ken waren 1100 Jah­re Teil des Patri­mo­ni­um Sanc­ti Petri. Die süd­li­chen Mar­ken fast 700 Jah­re. Die Bezeich­nung Mar­ken geht auf die Karo­lin­ger zurück, da die­ses Gebiet an der Adria die Süd­gren­ze des wie­der­errich­te­ten Hei­li­gen Römi­schen Rei­ches bildete.

In sei­ner Anspra­che an die Semi­na­ri­sten und Pro­fes­so­ren des Semi­nars kam Fran­zis­kus auf „die Rigi­den“ zu spre­chen, auf jene, die „streng“ und „unnach­gie­big“ sind. Sie wur­den wie­der ein­mal vom Kir­chen­ober­haupt geknüp­pelt. Wört­lich sag­te der Papst:

„Hütet Euch vor Erfah­run­gen, die zu unfrucht­ba­ren, gefühls­be­ton­ten Inner­lich­kei­ten füh­ren, vor ‚erfül­len­den Spi­ri­tua­lis­men‘, die Trost zu spen­den schei­nen und statt­des­sen zu Ver­schlos­sen­heit und Erstar­rung füh­ren. Und hier hal­te ich für einen Moment inne. Stren­ge ist heu­te ein biß­chen Mode; und die­se Starr­heit ist eine der Mani­fe­sta­tio­nen des Kle­ri­ka­lis­mus. Kle­ri­ka­lis­mus ist eine Per­ver­si­on des Prie­ster­tums: Es ist eine Per­ver­si­on. Und Starr­heit ist eine der Mani­fe­sta­tio­nen. Wenn ich einen star­ren Semi­na­ri­sten oder jun­gen Prie­ster tref­fe, sage ich: ‚Dem pas­siert inner­lich etwas Schlim­mes‘. Hin­ter jeder Starr­heit steckt ein ern­stes Pro­blem, denn der Starr­heit fehlt die Menschlichkeit.“

Fran­zis­kus ging dann auf „die vier Dimen­sio­nen der Aus­bil­dung“ ein: „die mensch­li­che Dimen­si­on, die spi­ri­tu­el­le Dimen­si­on, die intel­lek­tu­el­le Dimen­si­on und die pasto­ra­le Dimension“.

Zur spi­ri­tu­el­len Dimen­si­on sag­te er mit Absolutheitsanspruch:

„Die Spi­ri­tua­li­tät: Gebet ist kein Ritua­lis­mus, die Star­ren enden im Ritua­lis­mus, immer.“

Und wei­ter:

„Das Gebet soll eine Gele­gen­heit zur per­sön­li­chen Begeg­nung mit Gott sein, und wenn du wütend bist auf Gott, sei es, denn auf den Vater wütend sein, ist eine Art, Lie­be zu kom­mu­ni­zie­ren. Fürch­te dich nicht: Er ver­steht die­se Spra­che, Er ist ein Vater – per­sön­li­che Begeg­nung mit Gott, des Dia­logs und des Ver­trau­ens mit Ihm. Seid wach­sam, daß die Lit­ur­gie und das gemein­schaft­li­che Gebet nicht zu einer Zele­bra­ti­on von uns selbst wird.“

Die „Zele­bra­ti­on von uns selbst“ ist einer der Haupt­kri­tik­punk­te an der „krea­ti­ven“ Hand­ha­bung des Novus Ordo Mis­sae, bei der nicht Gott, son­dern der Mensch im Mit­tel­punkt der Lit­ur­gie steht, der sich selbst fei­ert. Doch das mein­te Fran­zis­kus offen­sicht­lich nicht.

Pro­fes­so­ren und Semi­na­ri­sten des Prie­ster­se­mi­nars der Mar­ken bei Papst Franziskus

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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