Franziskus oder Johannes XXIV.?

Subtile Aussagen


Papst Franziskus empfing am 13. Mai Argentiniens Staatspräsident Alberto Fernández.
Papst Franziskus empfing am 13. Mai Argentiniens Staatspräsidenten Alberto Fernández.

(Paris) La Croix, die Tages­zei­tung der fran­zö­si­schen Bischö­fe, ver­öf­fent­lich­te am 29. Mai den Arti­kel „Fran­çois ou Jean XXIV?“ („Fran­zis­kus oder Johan­nes XXIV.?“). Heu­te wur­de er mit leich­ten Ände­run­gen auch in La Croix inter­na­tio­nal publi­ziert, der eng­lisch­spra­chi­gen inter­na­tio­na­len Ausgabe.

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Loup Bes­mond de Sen­ne­ville, seit 2020 Rom-Kor­re­spon­dent der Zei­tung, berich­tet über einen klei­nen Satz, der vor eini­gen Tagen bei einem Tref­fen zwi­schen Papst Fran­zis­kus und dem argen­ti­ni­schen Staats­ober­haupt hin­ter ver­schlos­se­nen Türen gefal­len ist.

Am 13. Mai emp­fing Papst Fran­zis­kus Alber­to Fernán­dez, den link­spe­ro­ni­sti­schen Staats- und Regie­rungs­chef sei­ner argen­ti­ni­schen Hei­mat. Wie bereits sein rechts­bür­ger­li­cher Vor­gän­ger Mau­ricio Macri sprach auch Fernán­dez die Ein­la­dung aus, der Papst möge doch sei­ne Hei­mat besu­chen. Das Kir­chen­ober­haupt sag­te über­ra­schend zu, daß eine Papst-Rei­se inner­halb der näch­sten zwei Jah­re nach Argen­ti­ni­en füh­ren wer­de. Aller­dings füg­te Fran­zis­kus „lächelnd“ hinzu:

„War­um nicht, aber wenn ich akzep­tie­re, weiß ich nicht, wer kom­men wird: Fran­zis­kus oder Johan­nes XXIV.?“

Loup Bes­mond de Sen­ne­ville meint dazu, es sei eine „sub­ti­le Art“, zu sagen, „daß Papst Fran­zis­kus nicht ewig ist, ande­rer­seits, daß die Ver­pflich­tun­gen, die er heu­te über­neh­me, von sei­nem Nach­fol­ger erfüllt wer­den“. Das bedeu­te, so der Kor­re­spon­dent von La Croix, daß sich der Agen­da von Fran­zis­kus auch sein Nach­fol­ger nicht ent­zie­hen wer­de kön­nen, „egal, ob er Johan­nes XXIV., Pius XIII. oder Johan­nes Paul III. heißt“.

Als Agen­da von Fran­zis­kus nennt Bes­mond de Sen­ne­ville „die Armen und die Umwelt“ und greift damit zu kurz. Die Agen­da von Papst Fran­zis­kus ist wesent­lich umfang­rei­cher und ent­hält weit bri­san­te­re Anlie­gen. Zudem nann­te Fran­zis­kus eben nicht Pius XIII. oder Johan­nes Paul III., son­dern Johan­nes XXIV., eine für pro­gres­si­ve Kir­chen­krei­se gera­de­zu mythi­sche Gestalt. Deren Papst schlecht­hin war Johan­nes XXIII., nicht etwa Paul VI., obwohl die­ser das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil umsetz­te. Die theo­re­ti­schen Visio­nen sind eben ange­neh­mer als das har­te Pfla­ster der Rea­li­tät.
Papst Fran­zis­kus wur­de seit sei­ner Wahl wie­der­holt als „Johan­nes XXIV.“ ange­spro­chen. Damit wird eine inhalt­li­che Anknüp­fung an das Erbe von Johan­nes XXIII. zum Aus­druck gebracht. Genau das tat auch Fran­zis­kus mit sei­ner Ant­wort an Alber­to Fernán­dez. Er sag­te damit, daß sein Nach­fol­ger auch wie­der ein Johan­nes XXIV. sein soll.

Bes­mond de Sen­ne­ville spricht auch Rück­tritts­ge­rüch­te an, die schon das gan­ze Pon­ti­fi­kat von Fran­zis­kus beglei­ten. In Rom gibt es dazu zwei Theo­rien, die eben­so alt sind. Es gibt jene, die über­zeugt sind, daß Fran­zis­kus sein Pon­ti­fi­kat bis zum letz­ten Atem­zug aus­schöp­fen wer­de. Ihnen ste­hen ande­re gegen­über, die schon mehr­fach sei­nen unmit­tel­bar bevor­ste­hen­den Amts­ver­zicht annah­men. Unter erste­ren, so der Rom-Kor­re­spon­dent, wür­den sich vor allem der Hof­staat, Freun­de und Sym­pa­thi­san­ten ein­rei­hen, unter letz­te­ren vor allem die Kri­ti­ker „und Fein­de“ von Fran­zis­kus. Auch hier greift Bes­mond de Sen­ne­ville zu kurz. Eine sol­che Ein­tei­lung nach „Lagern“ läßt sich in Rom nicht fest­stel­len, wes­halb auch der Autor die Hand­brem­se zieht:

„Sicher­lich hat Fran­zis­kus nie aus­ge­schlos­sen, daß er eines Tages frei­wil­lig den Thron des Petrus ver­las­sen könn­te. Aber es besteht kein Zwei­fel, daß heu­te nie­mand eine Ant­wort auf die wah­ren Absich­ten des Pap­stes in die­ser Ange­le­gen­heit hat. Alles ande­re ist nur Spekulation.“

Wenn Bes­mond de Sen­ne­ville es auch nicht erwähnt: Sagen läßt sich, daß Papst Fran­zis­kus die Rück­tritts­spe­ku­la­tio­nen selbst befeu­ert wie am 13. Mai gegen­über dem argen­ti­ni­schen Staats­ober­haupt. Sagen läßt sich auch, daß er immer mehr aufs Gas­pe­dal drückt und das Tem­po erhöht. 

Die pro­gres­si­ve Mehr­heit der deut­schen Bischö­fe, die zu sei­nem Unter­stüt­zer­kreis gehört – immer­hin waren zwei von vier Mit­glie­dern des Teams Berg­o­glio, das für den Geheim­zir­kel von Sankt Gal­len sei­ne Wahl orga­ni­sier­te, Deut­sche –, ist des­il­lu­sio­niert von sei­nem Pon­ti­fi­kat. Auch für sie gilt: „Der Appe­tit kommt beim Essen“. Die jako­bi­ni­sche Revo­lu­ti­on in der Kir­che geht ihnen zu lang­sam. Sie wol­len immer mehr und das immer schnel­ler. Sie sind des­il­lu­sio­niert, aber sie wer­den des­halb nicht zu sei­nen „Fein­den“, nicht ein­mal zu sei­nen Geg­nern. Ihr Spiel­raum, der für die Kir­che unge­sund ist, wird ihnen von Fran­zis­kus gewährt, der sie immer wie­der sei­ner Sym­pa­thien ver­si­chert, meist durch sein Schwei­gen und sei­ne Taten­lo­sig­keit ange­sichts deut­scher Rebellionen.

La Croix („Das Kreuz“) erscheint seit 1883 als Tages­zei­tung. Seit der 1926 erfolg­ten Ver­ur­tei­lung der Action fran­çai­se ist ihre Aus­rich­tung leicht, seit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil deut­lich pro­gres­siv. Heu­te gehört sie nicht nur zu den weni­gen fran­zö­si­schen Tages­zei­tun­gen, die schwar­ze Zah­len schrei­ben, son­dern ist seit 2001 sogar die auf­la­gen­stärk­ste Zei­tung Frank­reichs. Seit 2016 erscheint sie als eng­lisch­spra­chi­ge Online-Zei­tung auch mit einer inter­na­tio­na­len Ausgabe.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati­can­News (Screen­shot)

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5 Kommentare

    • So ähn­lich sehe ich das auch. Scheint da nicht etwa Reue beim regie­ren­den Papst durch?

  1. An Bel­lis und Besu­cher : Genau gesagt die Ver­wir­rung geht wei­ter. Es gab zwei Johan­nes XXIII , Bald­as­sa­re Cos­sa ein Gegen­papst und
    Ange­lo Ron­cal­li. Auf wen bezieht sich die Namensgebung?

  2. Höf­fent­lich kommt ein Papst mit dem Namen Pius XIII. oder Petrus II., der end­lich in der Hei­li­ge Apo­sto­li­sche Katho­li­sche Kir­che aufräumt.

  3. An Ante Parat. Ihre Wün­sche sind au die Mei­nen. Aber ich könn­te mir auch einen Bene­dikt XVII vor­stel­len. Haben wir je begrif­fen, was Bene­dikt XVI uns mit sei­nen gro­ßen Reden in Regens­burg, in Ber­lin , Frei­burg und nicht zuletzt in sei­nem Rede­ent­wurf für die Sapi­en­tia hin­ter­las­sen hat? Erken­nen wir, wel­che Geg­ner ihm gegen­über­stan­den und ihn erpresst haben? Alle gro­ßen Päp­ste hat­ten Fein­de, aber mir scheint, als habe Bene­dikt der Macht der Höl­le direkt gegenübergestanden.

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