Musealisierung des Petersdoms?

Kardinal Müller: Priester ein Stück mehr zu "Funktionären" degradiert


Leerer Petersdom in der Osternacht 2020. Auch die neuen Zelebrationsanordnungen fördern die Musealisierung der größten Kirche der Christenheit.
Leerer Petersdom in der Osternacht 2020. Auch die neuen Zelebrationsanordnungen fördern die Musealisierung der größten Kirche der Christenheit.

(Rom) Gestern trat die Neu­re­ge­lung der Meß­ze­le­bra­tio­nen im Peters­dom in Kraft. Die fünf Anord­nun­gen erfolg­ten durch das vati­ka­ni­sche Staats­se­kre­ta­ri­at in einem Hand­streich, da die­se Behör­de über kei­ne Zustän­dig­keit über die Patri­ar­chal­ba­si­li­ken ver­fügt. Der Sub­sti­tut des Kar­di­nal­staats­se­kre­tärs nütz­te einen Aus­nah­me­zu­stand aus, weil die Dom­bau­hüt­te seit Som­mer 2020 einem päpst­li­chen Kom­mis­sar unter­steht und gera­de ein Wech­sel im Amt des Erz­prie­sters stattfindet.

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Edward Pen­tin, Vati­ka­nist des Natio­nal Catho­lic Regi­ster und häu­fi­ger Gast bei EWTN, schil­der­te die Umset­zung mit den Wor­ten, der Peters­dom sei „wie ein Muse­um“, es herr­sche „Gra­bes­ru­he“.

Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, ehe­ma­li­ger Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, kri­ti­sier­te gegen­über dem Natio­nal Catho­lic Regi­ster, daß die Prie­ster, die im Vati­kan tätig sind, auf die­se Wei­se noch mehr zu „Funk­tio­nä­ren“ gemacht wer­den, denen ihre „Iden­ti­tät als Prie­ster“ genom­men wird.

Fast alle Sei­ten­al­tä­re blei­ben seit gestern leer. Sie haben ihre Funk­ti­on ver­lo­ren. Sie wur­den zur Zele­bra­ti­on des hei­li­gen Meß­op­fers errich­tet und geweiht. Wird auf ihnen nicht mehr zele­briert, wer­den sie zu blo­ßen mehr oder weni­ger gelun­ge­nen Kunst­ob­jek­ten, die wie in einem Muse­um bestaunt wer­den. Gläu­bi­ge Katho­li­ken stim­men ent­leer­te Altä­re weh­mü­tig, da sie ein Wider­spruch in sich sind.

Seit gestern dür­fen im Peters­dom kei­ne Ein­zelz­ele­bra­tio­nen mehr statt­fin­den. Das Staats­se­kre­ta­ri­at ord­ne­te die Zele­bra­ti­on von höch­stens vier Mes­sen an ledig­lich zwei Altä­ren an. Anwe­sen­de Prie­ster müs­sen kon­ze­le­brie­ren. Der über­lie­fer­te Ritus wur­de gleich ganz in den Unter­grund ver­bannt und darf nur mehr in einer Kapel­le, der Cap­pel­la Cle­men­ti­na, in den Vati­ka­ni­schen Grot­ten zele­briert wer­den, eben­falls nur mehr vier­mal und zu den engen fest­ge­setz­ten Zei­ten. Glei­ches gilt für Pil­ger­grup­pen in Beglei­tung eines Bischofs oder Prie­sters. Die­se dür­fen zwar eine Mes­se zele­brie­ren, aber nur in den Vati­ka­ni­schen Grot­ten.

Der von Fran­zis­kus am 20. Febru­ar neu­ernann­te Erz­prie­ster des Peters­doms, Kar­di­nal Mau­ro Gam­bet­ti OFMConv, erklär­te, selbst von den Anord­nun­gen über­rascht wor­den zu sein. Es ist noch unklar, ob der bis­he­ri­ge Kustos des Hei­li­gen Kon­vents von Assi­si sei­nen Ein­stand in das neue Amt gleich mit einem Kon­flikt mit dem Staats­se­kre­ta­ri­at begin­nen will.

Auf den 45 Sei­ten­al­tä­ren und den Altä­ren der elf Kapel­len des Peters­doms zele­brier­ten bis­her, meist am frü­he­ren Mor­gen, vie­le Prie­ster, die in den vati­ka­ni­schen Dik­aste­ri­en arbei­ten, bevor sie ihren Dienst antra­ten. Für man­che war es an den Werk­ta­gen die ein­zi­ge Mög­lich­keit, ihr Prie­ster­tum zu leben.

Messen dürfen höchstens 30 Minuten dauern

Auch die Gläu­bi­gen, die in den Peters­dom kom­men, kön­nen nun nur mehr an einer der vier Mes­sen teil­neh­men, die am Mor­gen und frü­hen Vor­mit­tag zele­briert wer­den und höch­stens 30 Minu­ten dau­ern dür­fen. Bis­her bestand fak­tisch den gan­zen Tag hin­durch gute Aus­sicht, einer Mes­se bei­woh­nen zu kön­nen, da irgend­wo im Dom immer zele­briert wurde.

Auch die vier Zele­bra­tio­nen im über­lie­fer­ten Ritus dür­fen nur eine hal­be Stun­de dau­ern, was als Zumu­tung und beson­de­re Unfreund­lich­keit von Sub­sti­tut Edgar Peña Par­ra ver­stan­den wird. Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke sprach des­halb am 13. März von einer direk­ten und inak­zep­ta­blen Ver­let­zung des Kir­chen­rechts und ver­lang­te die sofor­ti­ge Rück­nah­me der Anord­nun­gen. Das gel­te auch für den Zwang zur Kon­ze­le­bra­ti­on, durch wel­che die Frei­heit des Prie­sters mas­siv beschnit­ten werde.

Schar­fe Kri­tik übte auch Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler gestern im Natio­nal Catho­lic Regi­ster. Das vati­ka­ni­sche Staats­se­kre­ta­ri­at besit­ze weder die recht­li­che noch theo­lo­gi­sche Zustän­dig­keit, sol­che Anord­nun­gen zu erlas­sen. Das Doku­ment der Ersten Sek­ti­on des Staats­se­kre­ta­ri­ats nann­te Kar­di­nal Mül­ler „rück­sichts­los“ und „auto­ri­tär“. Es sei „ohne Kon­sul­ta­tio­nen oder Syn­oda­li­tät auf­er­legt“ wor­den. Es las­se ein „säku­la­ri­sier­tes Ver­ständ­nis“ der Mes­se erken­nen, als gin­ge es um eine Art von reli­giö­ser Unter­hal­tung. Dadurch wer­de die „geist­li­che Tra­di­ti­on des katho­li­schen Prie­ster­tums“ miß­ach­tet, „jeden Tag die Mes­se zu fei­ern“. Kar­di­nal Mül­ler sprach von einem wei­te­ren Schritt zur „Selbst­sä­ku­la­ri­sie­rung der Kir­che“. Es wer­de ein denk­bar schlech­tes Bei­spiel gege­ben, denn die römi­sche Kir­che sei Mater et Magi­stra für die gan­ze Kir­che und habe daher der Welt­kir­che ein Vor­bild zu sein.

Der Peters­dom wer­de durch die neu­en Bestim­mun­gen ein Stück weni­ger zum Haus der Lit­ur­gie und des Gebets, sag­te Geor­ge Weigel vom Ethics and Public Poli­cy Cen­ter und Bio­graph von Johan­nes Paul II. 

Baumroths Roman

Dys­to­pi­scher Roman mit dem Peters­dom als Museum

Die Musea­li­sie­rung der größ­ten und bedeu­tend­sten Kir­che der Chri­sten­heit erin­nert an den apo­ka­lyp­tisch-dys­to­pi­schen Roman Scan­dalum cru­cis von Wolf­gang Baum­roth. Hin­ter die­sem Pseud­onym ver­barg sich der sude­ten­deut­sche Prie­ster und Schrift­stel­ler Leo­pold Kli­ma. In sei­nem 1928 ver­öf­fent­lich­ten Roman schil­dert er die end­zeit­li­che Chri­sten­ver­fol­gung. Msgr. Kli­ma wur­de 1886 in Rothen­baum in Deutsch­böh­men (Gerichts­be­zirk Neu­ern, Bezirks­haupt­mann­schaft Klattau) gebo­ren. Er war Erz­de­chant der Stadt Bischoft­e­i­nitz (heu­te tsche­chisch Horšov­ský Týn), die zum Bis­tum Bud­weis gehör­te. Da zum Groß­teil von Deut­schen bewohnt, wur­de die Stadt 1938 als Teil des Sude­ten­lan­des dem Deut­schen Reich ange­schlos­sen und vom Bis­tum Regens­burg für das Bis­tum Bud­weis verwaltet. 

Msgr. Kli­ma erleb­te ab die­sem Moment bis Kriegs­en­de die Ver­fol­gung durch die Natio­nal­so­zia­li­sten, dann nach Kriegs­en­de die Ver­fol­gung und Ver­trei­bung durch die tsche­chi­schen Natio­na­li­sten und Kom­mu­ni­sten. Er starb 1955 im baye­ri­schen Neu­kir­chen beim Hei­li­gen Blut (Bis­tum Regens­burg), einem Wall­fahrts­ort direkt an der Gren­ze zu Böh­men (damals zur kom­mu­ni­stisch beherrsch­ten Tsche­cho­slo­wa­ki­schen Repu­blik), von wo aus er zumin­dest in sei­ne Hei­mat hin­ter dem Eiser­nen Vor­hang hin­ein­schau­en konn­te. Auch Kli­mas Bru­der und ein Nef­fe waren Priester.

Sein vor mehr als 93 Jah­ren geschrie­be­ner Zukunfts­ro­man ver­blüfft in vie­ler­lei Hin­sicht den heu­ti­gen Leser durch die Klar­sicht, selbst was den tech­ni­schen Fort­schritt anbe­langt. Es han­delt sich um einen Roman, des­sen Lek­tü­re sich gera­de in der aktu­el­len Lage emp­fiehlt, nicht zuletzt des­halb, weil er Hoff­nung schenkt. 2016 wur­de das Buch vom Chri­stia­na-Ver­lag (fe-Medi­en­ver­lag) neu aufgelegt.

Vom Staats­se­kre­ta­ri­at nahm bis­her nie­mand, weder Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin noch Sub­sti­tut Edgar Peña Par­ra, zu den Anord­nun­gen und der Kri­tik dar­an, aber auch nicht zu den Bit­ten um Rück­nah­me Stellung.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: VaticanNews/​Youtube (Screen­shot)

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