Franziskus ist Papst und Biden ein praktizierender Katholik – Das „Interview“ von Benedikt XVI.

Mainstream geht rein, Mainstream kommt raus


45 Minuten sprachen zwei Redakteure des Corriere della Sera mit Benedikt XVI.
45 Minuten sprachen zwei Redakteure des Corriere della Sera mit Benedikt XVI.

(Rom) In sei­ner heu­ti­gen Aus­ga­be titelt der Cor­rie­re del­la Sera: „Es gibt nicht zwei Päp­ste“. Die Aus­sa­ge stammt aus einem „Inter­view“ mit Bene­dikt XVI., des­sen Aus­sa­gen für Unver­ständ­nis sor­gen und Züge einer Selbst­de­mon­ta­ge tra­gen. Soll­te Bene­dikt XVI. das wirk­lich wol­len? Zwei­fel wer­den geäu­ßert. Sind sie begründet?

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Es ist nicht das erste „Inter­view“, wel­ches das gewe­se­ne Kir­chen­ober­haupt füh­ren­den Medi­en gewähr­te. Sol­che gab es bereits 2015 für die Bild-Zei­tung und 2019 für den Cor­rie­re del­la Sera. Das neue Inter­view fin­det sich direkt in der Tages­zei­tung, samt gro­ßer Schlag­zei­le auf der Titel­sei­te, das dama­li­ge Inter­view war für eine Wochen­bei­la­ge des größ­ten ita­lie­ni­schen Tag­blatts. Es ent­hielt bereits die zen­tra­le Bot­schaft, die sich auch im neu­en Inter­view fin­det: „Es gibt nur einen Papst“, und der hei­ße Fran­zis­kus. So wie­der­holt es Bene­dikt XVI. auch heu­te: „Es gibt nicht zwei Päp­ste. Nur einer ist Papst“, näm­lich sein Nachfolger.

Das „Inter­view“, von dem der Cor­rie­re spricht, ent­stand zum ach­ten Jah­res­tag des Amt­s­en­des von Bene­dikt XVI., als er sich am 28. Febru­ar 2013 frei­wil­lig nach Castel Gan­dol­fo zurück­zog. Was heu­te abge­druckt wur­de, ist jedoch kein Inter­view im eigent­li­chen Sinn, son­dern ein Gespräch mit Bene­dikt XVI. im ehe­ma­li­gen Klo­ster Mater Eccle­siae, das Mas­si­mo Fran­co als Arti­kel mit ein­ge­streu­ten Zita­ten zu Papier brach­te. Die Form erin­nert an die Gesprä­che von Euge­nio Scal­fa­ri mit Papst Franziskus. 

Den­noch fällt es schwer, an der Echt­heit der wie­der­ge­ge­be­nen Aus­sa­gen zu zwei­feln. Mas­si­mo Fran­co ist Kolum­nist und Redak­teur der römi­schen Redak­ti­on des Cor­rie­re del­la Sera. Er gehört zu den bekann­te­sten ita­lie­ni­schen Jour­na­li­sten. Von Bedeu­tung ist, auch im kon­kre­ten Zusam­men­hang, sei­ne trans­at­lan­ti­sche Ver­net­zung als Mit­glied des Inter­na­tio­nal Insti­tu­te for Stra­te­gic Stu­dies (IISS) und Mit­ar­bei­ter füh­ren­der geo­po­li­ti­scher Fach­zeit­schrif­ten. Der Besuch am Alters­sitz Bene­dikts fand sicher statt. Fran­co erwähnt aus­ge­tausch­te Geschen­ke und die Anwe­sen­heit von Kuri­en­erz­bi­schof Georg Gäns­wein, dem per­sön­li­chen Sekre­tär Bene­dikts, und von Lucia­no Fon­ta­na, dem Chef­re­dak­teur des Cor­rie­re. Um Zwei­feln vor­zu­beu­gen, schreibt Franco:

„Die Sät­ze kom­men nur tröpf­chen­wei­se, die Stim­me ist ein Hauch, die kommt und geht. Und Mon­si­gno­re Gäns­wein wie­der­holt und ‚über­setzt‘ an eini­gen weni­gen Stel­len, wäh­rend Bene­dikt zum Zei­chen der Zustim­mung nickt.“

Doch nicht nur die erwähn­te Bot­schaft, son­dern noch wei­te­re Par­al­le­len zum Cor­rie­re-Inter­view von 2019 fal­len auf. Damals wie heu­te gibt es kei­ne Fotos von dem Gespräch mit Bene­dikt XVI. Sol­che Fotos ste­hen als Beleg bei Inter­views und als Erin­ne­rung bei Begeg­nun­gen mit Bene­dikt XVI. ganz oben auf der Liste. Es gibt sie zuhauf von Besu­chern, die sich mit dem vor­ma­li­gen Papst ablich­ten. Daß aus­ge­rech­net ein Jour­na­list, der mit der Absicht, einen gro­ßen Arti­kel zu ver­öf­fent­li­chen, dar­auf ver­zich­ten soll­te, scheint wenig glaubhaft.

Eine wei­te­re Par­al­le­le ist, daß der lan­ge Arti­kel nur sehr weni­ge direk­te Aus­sa­gen Bene­dikts XVI. ent­hält. Sie sind der Grund, wes­halb Fran­co und Fon­ta­na sich in die Vati­ka­ni­schen Gär­ten bega­ben. Die Aus­beu­te an direk­ten Zita­ten der laut Fran­co 45 Minu­ten dau­ern­den Begeg­nung fiel beschei­den aus, ist aber nicht ohne Brisanz.

Die Aussagen von Benedikt XVI.

Zur Anoma­lie zwei­er Päp­ste wird Bene­dikt XVI. mit den Wor­ten zitiert:

„Es gibt nicht zwei Päp­ste. Nur einer ist Papst.“

Auch sei­nen über­ra­schen­den Rück­tritt ver­tei­dig­te er samt einer Breitseite:

„Es war eine schwie­ri­ge Ent­schei­dung. Aber ich habe sie mit rei­nem Gewis­sen getrof­fen, und ich den­ke, daß ich das gut gemacht habe. Eini­ge mei­ner ‚fana­ti­schen‘ Freun­de sind immer noch wütend, sie woll­ten mei­ne Ent­schei­dung nicht akzep­tie­ren. Ich den­ke an die Ver­schwö­rungs­theo­rien, die ihr folg­ten: Eini­ge sag­ten, der Vati­leaks-Skan­dal sei schuld gewe­sen, ande­re spra­chen von einer Ver­schwö­rung der Schwu­len­lob­by, wie­der ande­re vom Fall des kon­ser­va­ti­ven lefeb­vria­ni­schen Theo­lo­gen Richard Wil­liam­son. Sie wol­len nicht an eine bewußt getrof­fe­ne Ent­schei­dung glau­ben. Aber mein Gewis­sen ist in Ordnung.“

Fon­ta­na und Fran­co wol­len von Bene­dikt wis­sen, was er vom neu­en ita­lie­ni­schen Mini­ster­prä­si­den­ten Mario Draghi hält, der Ita­li­en auf EU- und EZB-Kurs hal­ten soll:

„Hof­fen wir, daß er es schafft, die Kri­se zu lösen.“

Zum links­ka­tho­li­schen ita­lie­ni­schen Staats­prä­si­den­ten Ser­gio Mat­tar­el­la sag­te Bene­dikt XVI.:

„Er ist ein auch in Deutsch­land sehr geschätz­ter Mann.“

Des­sen Vor­gän­ger Gior­gio Napo­li­ta­no, bis 1991 Mit­glied der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei und des­sen Vater bereits eine Rol­le in der Frei­mau­re­rei spiel­te, habe er aber bes­ser gekannt:

„Wie geht es ihm?“

Fran­co ver­gißt nicht das Coro­na-Nar­ra­tiv: Bene­dikt XVI. und auch Gäns­wein und der Groß­teil der vati­ka­ni­schen Mit­ar­bei­ter sei­en bereits gegen Covid-19 geimpft, so der Jour­na­list. Ita­li­en und der Groß­teil Euro­pas wür­den den Vati­kan­staat dar­um benei­den. Ein dafür ver­wert­ba­res Zitat aus dem Mund Bene­dikts gab es aber nicht.

Dann geht es um die inter­na­tio­na­le Poli­tik. Zur bevor­ste­hen­den Irak-Rei­se von Papst Franziskus:

„Ich glau­be, daß es eine sehr wich­ti­ge Rei­se ist. Lei­der fällt sie in einen schwie­ri­gen Moment, der sie auch zu einer gefähr­li­chen Rei­se macht: aus Grün­den der Sicher­heit, aber auch wegen Covid. Und dann ist da die insta­bi­le ira­ki­sche Situa­ti­on. Ich wer­de Fran­zis­kus mit mei­nem Gebet begleiten.“

Fran­co gibt zu der inter­na­tio­nal der­zeit wich­tig­sten Fra­ge die Linie vor: der Akzep­tanz von Joe Biden, dem neu­en US-Prä­si­den­ten. Die Bezie­hun­gen mit dem Vati­kan sei­en nun bestimmt, so der Jour­na­list, bes­ser zu wer­den, da Biden und nicht mehr Donald Trump im Wei­ßen Haus sei. Bene­dikt XVI. habe aber Beden­ken gegen Biden auf reli­giö­ser Ebe­ne geäu­ßert. „Er ver­lei­he damit“, so Fran­co, „dem Miß­trau­en und der Ableh­nung eines Groß­teils des US-Epi­sko­pats gegen­über Biden und sei­ner Par­tei, die als zu ‚libe­ral‘ gel­ten, eine Stim­me.“ Bene­dikt XVI. selbst wird mit den Wor­ten zitiert:

„Es stimmt, er ist katho­lisch und prak­ti­zie­rend. Und per­sön­lich ist er gegen die Abtrei­bung. Aber als Prä­si­dent neigt er dazu, sich in Kon­ti­nui­tät mit der Linie der Demo­kra­ti­schen Par­tei zu zei­gen… Und bezüg­lich der Gen­der-Poli­tik haben wir noch nicht genau ver­stan­den, was sei­ne Posi­ti­on ist.“

Es sind nur weni­ge Aus­sa­gen, die Fran­co und Fon­ta­na von den 45 Minu­ten mit Bene­dikt XVI. mit­neh­men. Sie betref­fen nur drei The­men­fel­der: die Unter­stüt­zung für Papst Fran­zis­kus, ein impli­zi­ter „Segen“ für Joe Biden und die Ver­tei­di­gung des bis heu­te umstrit­te­nen Amtsverzichts.

Die Aus­beu­te ist beschei­den und folgt exakt der offi­zi­el­len Linie. Man könn­te auch fol­gern: Wo der Main­stram rein­geht, scheint auch der Main­stream her­aus­zu­kom­men. Bene­dikt XVI. weiß dar­um und stimm­te der Begeg­nung zu.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­rie­re del­la Sera (Screen­shot)

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8 Kommentare

  1. Bene­dikt ist der Trump der Kir­che. Bei­de haben anfäng­lich Begei­ste­rung aus­ge­löst. Bei­de sind in ihrer Amts­zeit inak­tiv geblie­ben und haben alles dar­an gesetzt, dass das libe­ra­le Lager jede Schlacht gewinnt. Bei­de sind kon­ser­va­tiv, aber nicht traditionell.

    • Ich fin­de den Ver­gleich nicht ganz pas­send, da Trump mei­ner Mei­nung nach sei­ne Posi­tio­nen nicht durch­set­zen konn­te. Ver­glei­chen Sie lie­ber Bene­dikt mit Frau Bun­des­kanz­le­rin. Bei­de hat­ten eine inter­es­san­te Jugend. Bei­de haben – schein­bar – ihre Posi­ti­on gewech­selt. Inter­es­sant, oder?

  2. Das sind und waren nie­mals die Wor­te von Papst Been­dikt. Man kann an der Ange­le­gen­heit erken­nen, wie mas­siv man von den Anhän­gern des Gegen­kan­di­da­ten beim Kon­kla­ve 2005 Bene­dikt miß­braucht. Ein neu­er Skan­dal der Homo­ma­fia im Vati­kan und von da bis Mün­chen und Osna­brück; das ist nichts Neues. 

    Die Grün­de lie­gen auf der Hand: man ist sich bewußt, daß Bene­dikt Papst, Vikar Chri­sti, geblie­ben ist. Jetzt soll er noch die Homo- und Abtrei­bungs­agen­da von dem gegen­wär­ti­gen US-Prä­si­den­ten abseg­nen, irre!, und damit die Mäch­ti­gen im Vati­kan. Denn zwi­schen Biden und die­sem, der Biden mas­siv unterstützt(e) paßt kein Blatt.
    Die Fein­de haben es wohl sehr nötig, Bene­dikt zu instru­men­ta­li­sie­ren, aber das nützt ihnen nichts.

  3. Das „Inter­view“ ist frei erfun­den und spie­gelt den der­zei­ti­gen (un)- gei­sti­gen Zustand der Mäch­ti­gen in der Kir­che mit­samt ihrer Homo- und Abtrei­bungs­ma­fia von Rom bis Mün­chen und Osna­brück bestens wider.
    Bene­dikt ist mal wie­der ver­leum­det wor­den: es ist nichts Neues.

    • @ Frank Rech
      Genau dies kam mir in den Sinn: Hier lese ich nicht Papst Bene­dikt. Und ich fra­ge mich auch: Wel­che Mög­lich­kei­ten hät­te denn Bene­dikt, sich gegen sol­che Behaup­tun­gen zur Wehr zu set­zen? Kei­ne – letzt­lich ist er im Vati­kan ein Gefangener.

  4. Lang­sam wird es pein­lich und an Frech­heit kaum zu toppen! 

    Kein Wort glau­be ich davon! So ein dum­mes Zeug redet Bene­dikt nicht! Das tun ande­re in sei­nem Namen!

  5. Erstun­ken und erlo­gen. Der gesam­te Wort­laut ist sprach­sti­li­stisch betrach­tet leicht als plum­pe und stüm­per­haf­te Fäl­schung anzusehen.

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