Von Rom reingewaschen

Bischof vom Vorwurf des homosexuellen Mißbrauchs entlastet


Bischof Joseph Hart, der Mißbrauchstäter, der von Rom entlastet wurde.
Bischof Joseph Hart, der Mißbrauchstäter, der von Rom entlastet wurde.

(Rom) Die römi­sche Kon­gre­ga­ti­on für die Glau­bens­leh­re ent­la­ste­te einen US-ame­ri­ka­ni­schen Bischof vom Vor­wurf des sexu­el­len Miß­brauchs. Die Ent­schei­dung sorgt für Staunen. 

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Msgr. Joseph Hubert Hart war von 1978 bis 2001 Bischof der Diö­ze­se Che­yenne im Staat Wyo­ming. Schwer­wie­gen­de Vor­wür­fe des homo­se­xu­el­len Miß­brauchs hat­ten 2001 zu sei­ner vor­zei­ti­gen Eme­ri­tie­rung geführt. 20 Jah­re spä­ter beur­teil­te die für schwe­re Ver­ge­hen zustän­di­ge Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on den Fall anders. Zwar wur­de nur ein Teil der Anschul­di­gun­gen ver­han­delt, den­noch ent­ste­he der Ein­druck, so eine Opfer­sei­te, als habe man den Bischof reingewaschen.

Joseph Hart wur­de 1956 zum Prie­ster des Bis­tums Kan­sas City geweiht und 1976 von Papst Paul VI. zum Weih­bi­schof von Che­yenne ernannt. Zwei Jah­re spä­ter ernann­te ihn der­sel­be Papst, Hart war damals 46 Jah­re alt, zum Bischof die­ser Diözese.

Im Alter von 70 Jah­ren wur­de Msgr. Hart am 26. Sep­tem­ber 2001 von Papst Johan­nes Paul II. eme­ri­tiert. Bereits 1989 waren erste Anschul­di­gun­gen des homo­se­xu­el­len Miß­brauchs an die Öffent­lich­keit gelangt. Sie bezo­gen sich auf die frü­hen 70er Jah­re, als er im Bis­tum Kan­sas City als Prie­ster gewirkt hat­te. Damals habe er sich frei­wil­lig in Ari­zo­na einer Behand­lung unter­zo­gen. Ihm wur­de atte­stiert, weder für sich noch für ande­re eine Bedro­hung dar­zu­stel­len. Bekannt wur­den die­se Details erst nach sei­ner Emeritierung.

1977, als Hart bereits Weih­bi­schof von Che­yenne war, wur­de er auch dort des homo­se­xu­el­len Miß­brauchs beschul­digt. Er soll einen 14jährigen Jun­gen mehr­fach genö­tigt haben, sich aus­zu­zie­hen. Noch im sel­ben Jahr wur­de er jedoch in einer diö­ze­sa­nen Unter­su­chung freigesprochen. 

Spä­ter mel­de­ten sich wei­te­re Opfer, die aus­sag­ten, von Hart in jener Zeit homo­se­xu­ell miß­braucht wor­den zu sein. Das diö­ze­san­inter­ne Ver­fah­ren, das zu sei­ner Ent­la­stung geführt hat­te, erwies sich nach­träg­lich als feh­ler­haft. Ver­ant­wort­lich für das Ver­fah­ren war unter ande­rem Msgr. David Ricken, der 1999 zu Harts Koad­ju­tor und 2001 zu sei­nem Nach­fol­ger als Bischof von Che­yenne wer­den soll­te. Gegen ihn wur­den Vor­wür­fe erho­ben, Harts Homo­se­xua­li­tät gedeckt zu haben.

Nach sei­ner Eme­ri­tie­rung kamen neue Anschul­di­gun­gen hin­zu, die sich auf die Jah­re 1973/​74 bezo­gen. 2008 zahl­te die Diö­ze­se Kan­sas City zehn Mil­lio­nen Dol­lar Schmer­zens­geld an 47 Miß­brauchs­op­fer von Kle­ri­kern, dar­un­ter auch jene Harts.

Neue Vorwürfe: Rom wird aktiv

Im Som­mer 2019 wur­den vier wei­te­re Fäl­le bekannt, womit die Zahl der nament­lich bekann­ten Hart-Opfer auf mehr als ein Dut­zend stieg. Im Zuge der neu­en Ent­hül­lun­gen kam ans Licht, daß Hart männ­li­che Kin­der und Jugend­li­che im Alter zwi­schen zwölf und sieb­zehn Jah­ren in ein Haus am Lake Viking in Mis­sou­ri brach­te, das einem ande­ren homo­se­xu­el­len Miß­brauchs­tä­ter gehör­te, dem Prie­ster Tho­mas O’Brien.

Eine älte­re und eine jün­ge­re Auf­nah­me des 2013 ver­stor­be­nen Rev. Tho­mas O’Brien

O’Bri­en war 1950 zum Prie­ster der Diö­ze­se Kan­sas City geweiht wor­den. Wie Hart hat­te er das Saint Mein­rad Semi­na­ry in India­na besucht. Die Anschul­di­gun­gen gegen O’Bri­en, der 2013 im Prie­ster­stand ver­stor­ben ist, rei­chen bis in die frü­hen 60er Jah­re zurück. Am Lake Viking soll er in den 70er Jah­ren teil­wei­se auch zusam­men mit Hart und einem drit­ten Prie­ster Opfer miß­braucht haben. Das jüng­ste Opfer, das O’Bri­en beschul­dig­te, war zum Zeit­punkt, als der Miß­brauch begann, sie­ben Jah­re alt. Der Prie­ster, der bevor­zugt an Schu­len und Inter­na­ten wirk­te, gab den Jun­gen, „oft zwölf Jah­re und jün­ger“, Alko­hol zu trin­ken und Mari­hua­na zu rau­chen und zeig­ten ihnen Por­no­fil­me. Anschlie­ßend droh­te er ihnen, daß sie schwei­gen müß­ten, wenn sie „nicht in die Höl­le kom­men“ wollten.

Hart und O’Brien kann­ten sich vom Saint Mein­rad Semi­na­ry, einem Prie­ster­se­mi­nar in India­na, das sie besucht hat­ten. Kurz vor sei­nem Tod akzep­tier­te O’Brien in einem außer­ge­richt­li­chen Ver­gleich, zwei Mil­lio­nen Dol­lar Schmer­zens­geld an die Fami­lie eines sei­ner Opfer zu zah­len, das im Alter von 14 Jah­ren Selbst­mord began­gen hatte.

Hart habe das Haus am Lake Viking benützt, bis er als Bischof nach Che­yenne gekom­men sei.

Das römische Verfahren gegen Bischof Hart

Im Fall Hart wur­de im Juni 2019 bekannt, daß mit Bil­li­gung von Papst Fran­zis­kus ein kano­ni­sches Ver­fah­ren auf­ge­nom­men wer­de. Für delic­ta gra­vio­ra, schwer­wie­gen­de­re Ver­ge­hen, ist die römi­sche Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on zustän­dig. Wie die Diö­ze­se Che­yenne am ver­gan­ge­nen Mon­tag mit­teil­te, wur­de der eme­ri­tier­te Bischof von der Kon­gre­ga­ti­on in sie­ben Fäl­len ent­la­stet. Fünf wei­te­re Fäl­le sei­en nicht mehr „mit mora­li­scher Gewiß­heit“ zu bewei­sen und die bei­den ver­blei­ben­den Fäl­le, die homo­se­xu­el­len Kon­takt zu männ­li­chen Jugend­li­chen im Alter von 16 und 17 Jah­ren betref­fen, wur­den gar nicht ver­han­delt, weil sie für die Kir­che zum Zeit­punkt des behaup­te­ten Miß­brauchs kei­ne Min­der­jäh­ri­gen mehr waren.

Hart, der inzwi­schen 89 Jah­re alt ist, bestritt gegen­über dem Hei­li­gen Stuhl alle Anschuldigungen.

Erklä­rung von Bischof Bieg­ler zur Ent­schei­dung der Glaubenskongregation

Der amtie­ren­den Bischof von Che­yenne, Msgr. Ste­ven Bieg­ler, beton­te, daß der Vati­kan mit der Ent­schei­dung nicht gesagt habe, daß Hart unschul­dig ist, son­dern kei­ne aus­rei­chen­den Bewei­se vor­lie­gen, daß er schul­dig sei. Die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, so Bischof Bieg­ler, stüt­ze sich in ihrer Ent­schei­dung auf das Urteil von Prie­stern und Bischö­fen, die Kir­chen­rechts­exper­ten sind, und in letz­ter Instanz auf den Papst.

Die inter­na­tio­na­le Pres­se­agen­tur Asso­cia­ted Press (AP) erin­ner­te noch am Mon­tag in einem Bericht dar­an, daß die Anschul­di­gun­gen gegen Hart im wesent­li­chen jenen gegen Theo­do­re McCar­ri­ck ent­spre­chen, den eme­ri­tier­ten Erz­bi­schof von Washing­ton, dem 2018 die Kar­di­nals­wür­de ent­zo­gen und der 2019 in den Lai­en­stand zurück­ver­setzt wurde.

Weder das vati­ka­ni­sche Ver­fah­ren gegen McCar­ri­ck noch das gegen Hart waren öffent­lich. Da das Bis­tum Kan­sas City mit zehn Opfern Harts finan­zi­el­le Ver­glei­che schloß, kam es zu kei­ner Straf­ver­fol­gung durch die Staatsanwaltschaft.

Wie Bischof Bieg­ler von Che­yenne in sei­ner Erklä­rung betont, wur­de Hart von der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on geta­delt, daß er als Prie­ster und als Bischof es an Klug­heit ver­mis­sen habe las­sen, indem er sich allein mit Min­der­jäh­ri­gen in sei­nem Pri­vat­haus auf­ge­hal­ten und unter den­sel­ben Bedin­gun­gen Rei­sen unter­nom­men hat­te. Damit habe er sich der Gefahr aus­ge­setzt, sei­ner Ver­pflich­tung zur Ein­hal­tung des gebo­te­nen Abstan­des nicht nach­zu­kom­men und unter den Gläu­bi­gen Ärger­nis zu geben.

Hart wur­de ermahnt, die vom Vati­kan bereits frü­her ver­häng­ten Sank­tio­nen ein­zu­hal­ten, die ihm den Kon­takt mit Min­der­jäh­ri­gen und den Auf­ent­halt in Prie­ster­se­mi­na­ren ver­bie­ten. Eben­so­we­nig darf er an öffent­li­chen Hand­lun­gen teil­neh­men. Damit gab die Diö­ze­se zu ver­ste­hen, daß die genann­ten Ein­schrän­kun­gen wei­ter­hin Gül­tig­keit haben.

Bischof Ste­ven Bieg­ler gehört zu den neun pro­gres­si­ven US-Bischö­fen, die am sel­ben Tag, als er die Erklä­rung zu Bischof Hart ver­öf­fent­lich­te, der US-Bischofs­kon­fe­renz in den Rücken fie­len und eine fak­ti­sche Unter­stüt­zungs­er­klä­rung für die Homo-Agen­da von Joe Biden abgaben.

In pro­gres­si­ven Kir­chen­krei­sen wird Homo­se­xua­li­tät nicht mehr als Pro­blem oder gar als Sün­de gese­hen, son­dern nur der sexu­el­le Miß­brauch Schutz­be­foh­le­ner. Daß es sich in gut 80 Pro­zent aller Miß­brauchs­fäl­le durch Kle­ri­ker um homo­se­xu­el­len Miß­brauch han­delt, wird meist hin­ge­gen unterschlagen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Dio­ce­se of Cheyenne/​ (Screen­shot)

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