Statt 500 Jahre Christianisierung zu feiern, soll sich die Kirche entschuldigen

1521–2021: Die Umdeutung der Geschichte durch Mexikos Staatspräsidenten Obrador


Schreiben von Mexikos Staatspräsident Obrador an Franziskus: Die Kirche soll sich entschuldigen.
Schreiben von Mexikos Staatspräsident Obrador an Franziskus: Die Kirche soll sich entschuldigen.

(Mexi­ko-Stadt) Mexi­kos lin­ker Staats­prä­si­dent und zugleich Regie­rungs­chef, Andrés Manu­el López Obra­dor, genannt AMLO, der vor weni­gen Tagen Papst Fran­zis­kus als „einen der besten Päp­ste in der Geschich­te der Kir­che“ lob­te, beharrt auch schrift­lich gegen­über Fran­zis­kus dar­auf, daß sich die Kir­che öffent­lich bei den „ursprüng­li­chen Völ­kern“ ent­schul­di­gen solle.

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Am ver­gan­ge­nen Sams­tag wur­de Obra­dors Frau, Bea­triz Gut­iérrez Mül­ler, von Papst Fran­zis­kus in Audi­enz emp­fan­gen. Das heu­ti­ge Prä­si­den­ten­paar hat­te drei Jah­re nach dem Tod von Obra­dors erster Frau gehei­ra­tet. Der gemein­sa­me Sohn heißt Jesus Erne­sto, weil Obra­dor bei der Namens­ge­bung die Ver­bin­dung von Chri­sten­tum und Mar­xis­mus prak­ti­zie­ren woll­te und sei­nen Sohn, wie er 2017 selbst erzähl­te, nach Jesus Chri­stus und dem kom­mu­ni­sti­schen Revo­lu­tio­när und Gue­ril­le­ro Erne­sto Che Gue­va­ra benannte.

In Zusam­men­hang mit der Audi­enz gab das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt bekannt, daß der Papst von Staats­prä­si­dent Obra­dor ein Schrei­ben erhal­ten habe. Obra­dor twit­ter­te nach der Begeg­nung sei­ner Frau mit dem Papst, daß die­ser sie „herz­lich“ emp­fan­gen und sei­nen Wil­len „bekräf­tigt“ habe, „gute Bezie­hun­gen zum Wohl des Vol­kes auf­recht­erhal­ten“ zu wol­len. Zugleich ver­öf­fent­lich­te Obra­dor sei­nen Brief an den Papst.

Seit eini­ger Zeit ver­steift sich Obra­dor dar­auf, vom König­reich Spa­ni­en und von der katho­li­schen Kir­che eine Ent­schul­di­gung zu for­dern, die an die „ursprüng­li­chen Völ­ker“ Mexi­kos zu lei­sten sei.

Die ent­spre­chen­de Stel­le im Schrei­ben Obra­dors lautet:

„Ich nut­ze die­se Gele­gen­heit, um dar­auf zu bestehen, daß sowohl die katho­li­sche Kir­che als auch die spa­ni­sche Mon­ar­chie und der mexi­ka­ni­sche Staat auf­grund die­ser Ereig­nis­se eine öffent­li­che Ent­schul­di­gung gegen­über den ursprüng­li­chen Völ­kern aus­spre­chen müs­sen, die seit der Erobe­rung 1521 bis in die jüng­ste Ver­gan­gen­heit die schänd­lich­sten Greu­el­ta­ten erlit­ten haben, um ihr Eigen­tum und Land zu plün­dern und sie zu unter­wer­fen. Sie ver­die­nen nicht nur die­se groß­zü­gi­ge Hal­tung von unse­rer Sei­te, son­dern auch die auf­rich­ti­ge Ver­pflich­tung, daß nie­mals mehr respekt­lo­se Hand­lun­gen gegen ihre Über­zeu­gun­gen und Kul­tu­ren began­gen wer­den und noch weni­ger, daß sie aus wirt­schaft­li­chen Grün­den oder Ras­sis­mus ver­ur­teilt oder aus­ge­grenzt werden.“

Obra­dor ver­mengt, ganz dem mar­xi­sti­schen Den­ken ver­haf­tet, alte mar­xi­sti­sche Agi­ta­ti­ons­for­meln mit neu­en wie dem US-ame­ri­ka­ni­schen Black-Lives-Mat­ter-Ras­sis­mus, den er nach Mexi­ko impor­tie­ren will. Im Gegen­satz zum eng­lisch, pro­te­stan­tisch gepräg­ten Nord­ame­ri­ka spiel­te der Ras­sis­mus im spa­nisch, katho­lisch gepräg­ten Latein­ame­ri­ka aber kei­ne rele­van­te Rolle.

Bea­triz Gut­iérrez Mül­ler, die zwei­te Frau von Mexi­kos Staats­prä­si­den­ten Obra­dor, bei Papst Franziskus

Der mexi­ka­ni­sche Staats­prä­si­dent, ein Ver­tre­ter des „alten Regimes“. Zusam­men mit sei­nem Lob für den amtie­ren­den Papst bekann­te AMLO, daß er in Bezug auf Mexi­kos Geschich­te gei­stig auf der Sei­te von Frei­mau­rern und Links­grup­pie­run­gen steht, die auf radi­ka­le und bru­ta­le Wei­se die katho­li­sche Kir­che bekämpf­ten. Die letz­ten anti­ka­tho­li­schen Geset­ze Mexi­kos wur­den erst um 2000 auf­ge­ho­ben. Zu AMLO sie­he: Mexi­kos neu­er Staats­prä­si­dent ein Ver­tre­ter des alten Regimes.

Kri­ti­ker hal­ten dem mexi­ka­ni­schen Prä­si­den­ten vor, daß Obra­dor, der kei­ne Skru­pel hat, die Tötung unge­bo­re­ner Kin­der zu lega­li­sie­ren und zu för­dern, mit Kri­tik, die sich auf Ver­gan­ge­nes bezieht, sich bes­ser zurück­hal­ten soll­te. Sein Ver­such, eine mar­xi­sti­sche Les­art der mexi­ka­ni­schen Geschich­te zu eta­blie­ren, spal­te das Land.

Zudem sei unklar, wel­che „Über­zeu­gun­gen und Kul­tu­ren“ Obra­dor genau meint, wenn er undif­fe­ren­ziert und kate­go­risch for­mu­liert: Meint er auch die grau­sam­ste Men­schen­op­fer dar­brin­gen­den Azte­ken? Sie waren die „Hoch­kul­tur“ und stärk­ste Macht, als die spa­ni­schen Kon­qui­sta­do­ren nach Mit­tel­ame­ri­ka kamen. Die mas­sen­haf­ten Men­schen­op­fer waren Teil ihrer Kul­tur und erfolg­ten aus reli­giö­sen Grün­den.
Die Hoch­kul­tur der Maya war bereits mehr als ein hal­bes Jahr­tau­send vor der Ent­deckung Ame­ri­kas kollabiert.

Die Idee könn­te bei Papst Fran­zis­kus den­noch auf frucht­ba­ren Boden fal­len, da er bereits in der Ver­gan­gen­heit Ent­schul­di­gun­gen aus­sprach und sich auf gei­sti­ge Lehr­mei­ster beruft, die dem anti­ko­lum­bia­ni­schen Ame­ri­ka­nis­mus anhän­gen, obwohl die­se anti­eu­ro­pä­isch und anti­christ­lich sind. Das zeigt sich auch dar­an, daß Fran­zis­kus 500 Jah­re der Chri­stia­ni­sie­rung Ame­ri­kas (des ame­ri­ka­ni­schen Fest­lan­des) kei­ne Rei­se wert sind. Die­se begann genau in dem Jahr, das Obra­dor als Beginn der „Schan­de“ nennt: Im Jahr 1521 wur­de die erste Kir­che Mexi­kos geweiht. Inzwi­schen ließ Fran­zis­kus wegen des Coro­na­vi­rus bekannt­ge­ben, daß er 1521 über­haupt kei­ne Aus­lands­rei­sen unter­neh­men wer­de. Daß die 500-Jahr­fei­ern der Evan­ge­li­sie­rung Mexi­kos ohne ihn statt­fin­den wür­den, stand schon 2018 fest. 

Erho­be­ne Faust: Obra­dor mit sei­ner Frau Gut­iérrez Mül­ler. Die­ses poli­ti­sche Sym­bol der radi­ka­len Lin­ken wur­de ab 1920 von den deut­schen Kom­mu­ni­sten (Spar­ta­kus­bund, KPD) etabliert.

Mit Obra­dors For­de­rung, deren Zeit­punkt in die­sem Zusam­men­hang zu sehen ist, erhält der päpst­li­che „Ver­zicht“ noch ein­mal eine gan­ze ande­re Dimen­si­on. Statt der 500-Jahr­fei­ern der Chri­stia­ni­sie­rung Ame­ri­kas soll 1521 sogar Abbit­te gelei­stet wer­den. Wie­der ein­mal soll die Wahr­heit auf den Kopf gestellt wer­den, sol­len die Wer­te umge­wer­tet und die Wirk­lich­keit umge­deu­tet wer­den. Für den Mar­xis­mus, der dann eben­so aus Euro­pa und aus dem euro­päi­schen Den­ken nach Ame­ri­ka „impor­tiert“ wur­de, gilt der geschol­te­ne „Kul­tur­ko­lo­nia­lis­mus“ natür­lich nicht.

Obra­dor wäre zu fra­gen, ob er ernst­haft eine Ent­schul­di­gung von der Kir­che dafür erwar­tet, daß sie die Fro­he Bot­schaft und die Zivi­li­sa­ti­on nach Latein­ame­ri­ka brachte.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: pre​si​den​te​.gob​.mx/​V​a​t​i​c​a​n​.va (Screen­shots)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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3 Kommentare

  1. Ohne das Chri­sten­tum wäre er zu dep­pert, sol­che For­de­run­gen zu stellen.
    Weil die Frei­mau­rer men­schen­feind­lich sind, agie­ren sie gegen die Kir­che und das Volk.

  2. Kei­nen scheint es zu küm­mern, dass der aztek­ti­sche Glau­be die Gott­heit durch Men­schen­op­fer zu besänf­ti­gen suchte..

    Schein­bar trau­ern sie dem heu­te nach.

  3. Die Ent­schul­di­gung der Kir­che für die Ver­brei­tung des Evan­ge­li­ums ist zwangs­läu­fig, wenn sie selbst den Got­tes­sohn als einen mög­li­chen Zugang (unter ande­ren) zu Gott und den katho­li­schen Glau­ben als einen unter vie­len mög­li­chen rela­ti­viert. Sie­he die ani­mi­sti­schen Ritua­le in den vati­ka­ni­schen Gär­ten oder die Bezeich­nung von „Ama­zo­ni­en oder auch jeder ande­re ter­ri­to­ria­le Raum indi­ge­nen bzw. gemein­schaft­li­chen Lebens“ als „theo­lo­gi­sche Orte“ und „beson­de­rer Quell­grund für die Offen­ba­rung Got­tes“ im Arbeits­pa­pier für die Ama­zo­nas­syn­ode (Instru­men­tum labo­ris, Punkt 19 https://​www​.adve​ni​at​.de/​f​i​l​e​a​d​m​i​n​/​u​s​e​r​_​u​p​l​o​a​d​/​I​n​f​o​r​m​i​e​r​e​n​/​A​k​t​u​e​l​l​e​s​/​I​n​s​t​r​u​m​e​n​t​u​m​_​L​a​b​o​r​i​s​_​D​e​u​t​s​c​h​.​pdf).

    Wenn so deut­lich sogar der Urwald („indi­ge­ner Natur­raum“) als „Ort von >Epi­pha­nie<, von Got­tes­er­fah­rung“ glo­ri­fi­ziert, gar als „bedeu­tungs­vol­len Ort für den Glau­ben bzw. für die Erfah­rung Got­tes in der Geschich­te“ ange­se­hen wird wie in besag­tem Arbeits­pa­pier, dann kann man sich für die Evan­ge­li­sie­rung als Kir­che nur entschuldigen.
    Dies ist dann nur logisch.

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