
(Rom) Kardinal Walter Kasper weiß immer Rat. So nimmt er in einem Interview in der heutigen Ausgabe der italienischen Tageszeitung Il Giornale zum jüngsten vatikanischen Finanzskandal Stellung. Der Papst sei „schockiert“ und werde nun „aufräumen“. Für dieses „Aufräumen“ empfiehlt ihm sein deutscher Vertrauter das Modell der Finanzkontrolle, wie es die Kirche in der Bundesrepublik Deutschland praktiziert. Auch das Geschäft mit der Pornographie?
Frage: Der Papst zeigt aber nun, daß er aufräumen will?
Kardinal Kasper: Das stimmt, der Papst will den Vatikan reinigen, vor allem in diesem Bereich der Finanzen, aber ich habe die jüngsten Ereignisse zu Kardinal Becciu nicht aus der Nähe verfolgt. Es ist aber zu sagen, daß Franziskus seit längerem diesen Weg eingeschlagen hat…
Frage: Wollen Sie uns das näher erklären?
Kardinal Kasper: Die Vatikanfinanzen in Ordnung zu bringen, ist eine Aufgabe, die er von den Kardinälen angenommen hat, als er gewählt wurde. Es wurde im Vorkonklave darüber gesprochen, als viele entsetzt waren wegen des Vatileaks-Skandals, und deshalb kam das heraus. Von diesem Moment an beschloß Franziskus die Römische Kurie zu reinigen und zu erneuern. Natürlich wissen wir alle, aber das weiß auch er genau, daß das ein sehr harter und nicht leichter Weg ist.
Frage: Manche meinen aber, daß der Papst allein ist und daß das Pontifikat abbröckelt…
Kardinal Kasper: Das stimmt nicht! Von wegen! Tatsache ist, daß eine Institution wie die Römische Kurie, die sehr alt und komplex ist, zu erneuern und zu reformieren, nicht leicht ist. Der Papst tut, was er kann! Es ist nicht nur ein organisatorisches Problem: Es braucht auch einen inneren Wandel der Personen, ihre Mentalität in der Tiefe zu ändern, bestimmte Rituale zu ändern, und das kann nicht von einem Tag auf den anderen gemacht werden!“
Frage: In diesen Jahren hat sich Franziskus nicht von ungefähr viele Feinde an der Kurie gemacht…
Kardinal Kasper: Es gibt Personen, die keine Reformen wollen, das ist offensichtlich, aber ich weiß ehrlich nicht, wie viele das sind. Der Papst ist entschlossen weiterzugehen: Eine Erneuerung ist notwendig, man kann nicht alles so lassen, wie es ist, das ist klar. Bereits Benedikt XVI. hatte den Weg der Erneuerung begonnen und Franziskus geht nun weiter.
Frage: Werden Ihres Erachtens bei der Kollekte für den Peterspfennig am 4. Oktober die jüngsten Skandale spürbar werden, die gerade die Gelder für die karitativen Werke des Papstes betreffen?
Kardinal Kasper: Das sind natürlich schreckliche Dinge, sie stellen für die Gläubigen ein Ärgernis dar, und auch der Papst ist schockiert darüber. Das alles darf aber die Kirche nicht bremsen: Es ist ein schwieriger Prozeß, aber es ist notwendig, die Dinge zum Besseren zu wenden, und wir wissen, daß man das nicht in einem Augenblick tun kann mit einem sofortigen Befehl.
Frage: Ein Weg für die Änderung ist zum Beispiel die Zentralisierung der finanziellen Ressourcen, ein Reformprozeß, den der Papst bereits vor zwei Jahren gefordert hat und wofür er arbeitet. Ist er damit Ihrer Meinung nach auf dem richtigen Weg?
Kardinal Kasper: Ich denke, daß es notwendig ist. Es braucht eine präzise Organisation, einen Zentralismus und eine gewisse Kontrolle. In einer Institution wie dem Heiligen Stuhl ist das von grundlegender Bedeutung. Und vor allem ist es wichtig, daß es über die Finanzen immer mehr Kontrolle gibt: In Deutschland macht man das inzwischen schon seit langem. Im Vatikan bewegen sich zum Glück die Dinge auch in diese Richtung.
Weltbild – Das Versagen der deutschen Finanzkontrolle
Kardinal Kasper nennt die Finanzkontrolle der Kirche in der Bundesrepublik Deutschland als Vorbild und scheint diese dem Papst auch als Modell zu empfehlen.
Die Aussagen von Kardinal Kasper verlangen zwei Anmerkungen:
Erstens war es Papst Franziskus, der es duldete, daß genau jene Kräfte an der Römischen Kurie, die mit der geforderten Finanzreform beauftragt waren (genannt seien nur Kardinal George Pell und Generalrevisor Libero Milone), von päpstlichen Vertrauten demontiert und aus dem Vatikan gejagt wurden. Erst 2018 begann er mit der ersten Emeritierung einer führenden Person der alten Seilschaften. Kardinal Angelo Becciu ließ er jedoch weiter gewähren, bis das Bekanntwerden neuer zweifelhafter Geschäfte und das Anschwellen der Ermittlungsakten der vatikanischen Staatsanwaltschaft ein Festhalten an ihm in der bisherigen Form nicht mehr möglich machten.

Zweitens muß Kardinal Kaspers nachlassendem Gedächtnis in Erinnerung gerufen werden, daß das von ihm empfohlene „deutsche Modell“ der Finanzkontrolle gar nicht so toll ist. Diese „Finanzkontrolle“ machte den Weltbild-Skandal möglich, einer Verlagsgruppe, die, obwohl im Besitz der deutschen Bischöfe, jahrelang mit Pornographie Geschäfte machte. Und als der Skandal aufgedeckt und angeprangert wurde, dauerte es weitere Jahre, bis sich die Bischofskonferenz zu Konsequenzen entschließen konnte. Pecunia non olet.
Fälle einzelner Diözesen mit Veruntreuung und Verspekulieren sollen nicht eigens genannt werden. Auch was die Finanzausgaben im Bereich des katholischen Verbandswesens und der Bistümer betrifft, würde das „Modell“ einer detaillierten Überprüfung kaum standhalten. Was da alles finanziell gefördert wird, von einer „neuen Sexualpädagogik“ und der Verharmlosung der Pädophilie bis zu offen antikatholischen Positionen, sollte vielmehr abschreckend wirken.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va/Archiv (Screenshots)