Rätselhafte Worte des Papstes

Wenn der Papst "segnet", ohne zu segnen


Papst Franziskus sprach am vergangenen Samstag zu den "Gemeinschaften Laudato si'"
Papst Franziskus sprach am vergangenen Samstag zu den "Gemeinschaften Laudato si'"

(Rom) Am ver­gan­ge­nen Sams­tag, dem 12. Sep­tem­ber, emp­fing Papst Fran­zi­kus in der Päpst­li­chen Audi­enz­hal­le die „Teil­neh­mer des Tref­fens der Gemein­schaf­ten Lau­da­to si’, ange­führt von Car­lo Pet­ri­ni, genannt „Car­lìn”.

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Am Ende sei­ner Anspra­che sag­te das Kirchenoberhaupt:

„Ich dan­ke Ihnen für Ihre Gebe­te. Jene von Ihnen, die beten, bit­te ich zu beten, und jene, die nicht beten, bit­te ich, mir zumin­dest ‚gute Wel­len’ zu schicken, ich brau­che es! [lacht, Applaus]

Und jetzt möch­te ich Gott bit­ten, jeden von Ihnen zu seg­nen, das Herz eines jeden von Ihnen zu seg­nen, ob Sie ein Gläu­bi­ger oder ein Ungläu­bi­ger sind, wel­cher reli­giö­sen Tra­di­ti­on Sie auch immer sein mögen. Möge Gott Sie alle seg­nen. Amen.”

Auch die Anga­ben in Klam­mern wur­den so auf der Inter­net­sei­te des Hei­li­gen Stuhls veröffentlicht.

Ein neuer Typus „kirchlicher“ Gemeinschaften?

Zunächst erstaunt, um was für „Gemein­schaf­ten Lau­da­to si’”, benannt nach der Ökoen­zy­kli­ka von Fran­zis­kus, es sich han­deln mag, die so vie­le Ungläu­bi­ge und Ange­hö­ri­ge „wel­cher reli­giö­sen Tra­di­ti­on auch immer” mit ein­schlie­ßen, daß sie so aus­drück­lich vom Kir­chen­ober­haupt erwähnt und ange­spro­chen wer­den. Ein Blick auf Car­lìn Pet­ri­ni dürf­te dar­über Aus­kunft geben (sie­he dazu Der Papst, der Kom­mu­nist und die „inte­gra­le Öko­lo­gie“).

Die Ver­knüp­fung die­ser „Gemein­schaf­ten“ mit einer durch den hei­li­gen Franz von Assi­si zutiefst katho­li­schen For­mu­lie­rung, die zudem den Namen einer päpst­li­chen Enzy­kli­ka trägt, wirft die Fra­ge auf, ob das der neue Typus einer „halb reli­giö­sen“ Ver­ei­ni­gung sein soll, die pri­mär poli­tisch aus­ge­rich­tet ist.

Vor zwei Jah­ren berich­te­ten die offi­zi­el­len kirch­li­chen Medi­en, daß die dama­li­ge Grün­dung der Gemein­schaf­ten Lau­da­to si‘ erfolgt sei, um die Ökoen­zy­kli­ka von Papst Fran­zis­kus umzusetzen.

Die Kuriosität der „buena onda“

Eine Kurio­si­tät stellt hin­ge­gen der Wunsch dar, dem Papst „bue­nas ondas“, „gute Wel­len zu schicken”. Die For­mu­lie­rung wur­de von Fran­zis­kus nicht zum ersten Mal verwendet.

Am 9. Juli 2015 besuch­te er Latein­ame­ri­ka und hielt in San­ta Cruz de Sier­ra in Boli­vi­en eine Anspra­che beim Welt­tref­fen der Volks­be­we­gun­gen. Die­se been­de­te er mit den Worten:

„Y, por favor, les pido que recen por mà. Y si algu­no de ustedes no pue­de rezar, con todo res­pe­to le pido que me pien­se bien y me man­de bue­na onda. Gracias.“

Der deut­sche Über­set­zungs­dienst des Vati­kans wuß­te nicht recht, was es mit die­ser „bue­na onda” auf sich haben könn­te und setz­te die „gute Wel­le” unter Anführungszeichen:

„Und bit­te beten Sie für mich! Und wenn jemand von Ihnen nicht beten kann, dann bit­te ich ihn – mit allem Respekt –, dass er gut an mich denkt und mir eine ‚gute Wel­le’ sen­det. Danke.“

Im Herbst des­sel­ben Jah­res glaub­te man, das Rät­sel um „me man­de bue­na onda” gelüf­tet zu haben. Als Papst Fran­zis­kus am Abend des 25. Novem­ber in Nai­ro­bi lan­de­te, erwar­te­te ihn am Flug­ha­fen ein nigel­na­gel­neu­es Auto der Mar­ke Hon­da. Unter Vati­ka­ni­sten wur­de viel dar­über gelacht.

Am 14. Dezem­ber 2016 mein­te das Kir­chen­ober­haupt bei der Gene­ral­au­di­enz, man sol­le ihm noch nicht zum Geburts­tag gra­tu­lie­ren (Fran­zis­kus wur­de am 17. Dezem­ber jenes Jah­res 80 Jah­re alt), denn das „brin­ge Unglück“. Weni­ge Tage zuvor, am 12. Dezem­ber, hat­te er sich bei Ada Colau, der links­ra­di­ka­len Bür­ger­mei­ste­rin von Bar­ce­lo­na, für die Teil­nah­me an einer Tagung über Flücht­lin­ge bedankt, die von der Päpst­li­chen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten, einer zen­tra­le Dreh­schei­be der päpst­li­chen Poli­tik, aus­ge­rich­tet wor­den war:

„Ver­ges­sen Sie nicht, für mich zu beten, oder wenn Sie nicht beten, den­ken Sie bit­te an mich, und sen­den sie mir eine gute Welle.”

Ada Colau, die vor weni­gen Tagen eine von der Stadt Bar­ce­lo­na finan­zier­te Aus­stel­lung über Trans­se­xua­li­tät eröffnete

Auch am ver­gan­ge­nen Sams­tag hat­te der vati­ka­ni­sche Über­set­zungs­dienst sei­ne Pro­ble­me mit der unkla­ren For­mu­lie­rung des Pap­stes, die histo­risch bis in die jüng­ste Zeit nicht beleg­bar ist und mehr an Eso­te­ri­sches erin­nert, um christ­li­che Segens­wün­sche zu umge­hen. Der spa­ni­sche Über­set­zer von Vati­can­News gab die­se Stel­le der auf ita­lie­nisch gehal­te­nen Anspra­che zunächst mit „gute Wün­sche” wie­der, was Fran­zis­kus aller­dings nicht gesagt hat­te, wes­halb der Über­set­zer die Ori­gi­nal­wor­te „bue­na onda” nachschob.

Wel­cher Kate­go­rie gehö­ren die „bue­nas ondas“ jedoch an? Blo­ßer Füll­au­te, all­ge­mei­ner Wün­sche, eso­te­ri­scher Ebenen?

Der unterbliebene Segen

Drit­tens sag­te der Papst zwar, alle sol­len geseg­net sein. „Möge Gott Sie alle seg­nen.“ Doch der Papst seg­ne­te sie nicht. Das Sze­na­rio erin­ner­te an die erste Pres­se­kon­fe­renz des Pap­stes am Tag nach sei­ner Wahl, in der er am Ende unter Ver­weis, daß „nicht alle“ anwe­sen­den Repor­ter gläu­big sei­en, dar­auf ver­zich­te­te, sie zu seg­nen. Der Segen ist jedoch kei­ne Zwangs­maß­nah­me, kei­ne Nöti­gung. Das latei­ni­sche Verb bene­di­ce­re sagt es aus: Jeman­dem Gutes zuspre­chen, wor­un­ter die Kir­che ein ritu­el­les Bitt­ge­bet ver­steht. Jeder Getauf­te soll­te seg­nen, damit der Geseg­ne­te Segen emp­fan­ge und selbst zum Segen werde.

Fran­zis­kus ver­än­der­te aller­dings vom Tag sei­ner Wahl an das Ver­hält­nis der Kir­che zur Umwelt, zu ande­ren Kon­fes­sio­nen, zu ande­ren Reli­gio­nen und zu den Reli­gi­ons­lo­sen und Atheisten.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: VaticanNews/​Youtube/​Libertad Digi­tal (Screen­shots)

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3 Kommentare

  1. Hat denn Gott nicht nur ver­schie­de­ne Reli­gio­nen gewollt (Abu Dja­bi immer noch nicht berich­tigt, obwohl vom Papst gegen­über Weih­bi­schof Atha­na­si­us Schnei­der gegen­über anders erklärt) son­dern auch jeg­li­che Esoterik?

  2. Das ist geleb­tes 2.Vatikanum.
    Aller­lö­sung, Reli­gi­ons­frei­heit, rein­ster Subjektivismus.
    Schon inter­es­sant, zu was Gott hier degra­diert wird, durch sei­nen Stellvertreter.
    Das mutet eher wie die Quiz­sen­dung „Wünsch Dir was“ an, als eine geist­li­che Ansprache.

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