Das Schachspiel der Mächtigen – und von Santa Marta

Der nächste Karrieresprung von Mario Draghi


Mario Draghi mit Papst Franziskus
Mario Draghi mit Papst Franziskus

(Rom) Die Mäch­ti­gen und ihr Spiel auf dem Schach­brett. So lie­ße sich beschrei­ben, was der­zeit hin­ter den Kulis­sen vor­be­rei­tet wird. Unklar ist noch, ob als direk­tes Ziel oder als Plan B. In bei­den Fäl­len hät­te Ita­li­ens Mini­ster­prä­si­dent Giu­sep­pe Con­te sei­ne Schul­dig­keit getan. Auf dem Apen­nin­ge­biet lie­gen seit drei Jah­ren die Augen jener, die wirk­li­chen Ein­fluß haben – und San­ta Mar­ta spinnt die Fäden. Das hat auf den ersten Blick nichts mit reli­giö­sen Fra­gen zu tun und doch sehr viel. Wer ver­ste­hen will, was geschieht, muß gele­gent­lich den Vor­hang zur Sei­te schieben.

Anzei­ge

Wegen des Brexit gilt der Süden der EU als offe­ne öko­no­mi­sche Flan­ke. Er umfaßt auch die Außen­gren­ze, die durch die ille­ga­le Mas­sen­ein­wan­de­rung aus Afri­ka und Asi­en seit 2015 ein Dau­er­bren­ner ist. Ita­li­en ist nach dem Aus­schei­den Groß­bri­tan­ni­ens das dritt­größ­te EU-Mit­glied nach der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und Frank­reich. Alle Auf­merk­sam­keit kon­zen­triert sich daher auf die Fra­ge, wer Ita­li­en regiert bzw. dort an die Macht gelangt. Im Früh­jahr 2018 zeich­ne­te sich dies­be­züg­lich ein Super­gau ab.

Das EU-kritische Zwischenspiel

Wäh­rend Brüs­sel, Ber­lin und Paris noch hoff­ten, den Brexit doch noch abzu­wen­den, gelang­ten in Öster­reich und Ita­li­en Par­tei­en an die Macht, die beim EU-Estab­lish­ment und den Glo­ba­li­sten auf der roten Liste ste­hen. In Öster­reich war es die FPÖ und in Ita­li­en die Lega. Bei­de als Juni­or­part­ner. Die Lage in Rom war aber wegen der Bedeu­tung des Lan­des und dem Seni­or­part­ner noch wesent­lich deli­ka­ter als in Wien. Die FPÖ durf­te an der Sei­te der ÖVP mit­re­gie­ren, die in Brüs­sel als ver­läß­lich gilt. Bun­des­kanz­ler Seba­sti­an Kurz ist zudem Mit­glied im Euro­pean Coun­cil on For­eign Rela­ti­ons (ECFR) von Geor­ge Sor­os, was den Glo­ba­li­sten als siche­re Garan­tie gilt. In Ita­li­en hin­ge­gen kam es im Juni 2018 zu einem Novum. Erst­mals in der Geschich­te des Lan­des wur­de eine Regie­rung gebil­det, die aus­schließ­lich aus EU-Kri­ti­kern bestand. Anders als in Öster­reich galt der Seni­or­part­ner, die Fünf­ster­ne­be­we­gung (M5S) als beson­ders unzu­ver­läs­sig, da hyper­po­pu­li­stisch und in ihrer Pro­gram­ma­tik kaum faßbar.

Auf Wei­sung aus San­ta Mar­ta wur­den Kir­chen­ver­tre­ter zu laut­star­ken und teils radi­ka­len Regie­rungs­kri­ti­kern. Als der dama­li­ge Innen­mi­ni­ster und Lega-Vor­sit­zen­de Matteo Sal­vi­ni durch Ita­li­en rei­ste, wur­den an kirch­li­chen Gebäu­den, sogar an Klö­stern Trans­pa­ren­te mit Paro­len gegen ihn ent­rollt, um sei­ne Poli­tik der Grenz­si­che­rung durch Unter­bre­chung der „Mit­tel­meer­rou­te“ für die Schlep­per­ban­den zu kri­ti­sie­ren. Einen sol­chen Grad der Poli­ti­sie­rung gab es seit den frü­hen 50er Jah­ren des vori­gen Jahr­hun­derts nicht mehr, aller­dings damals vor einem ganz ande­ren Hin­ter­grund, als eine gewalt­sa­me kom­mu­ni­sti­sche Macht­über­nah­me nicht aus­ge­schlos­sen wer­den konnte.

Wundersame Flurbereinigung

Doch auf wun­der­sa­me Wei­se füg­te sich alles inner­halb weni­ger Mona­te, und dies just rund um die Wah­len zum EU-Par­la­ment, die im Mai 2019 statt­fan­den. Nach nur neun Mona­ten kata­pul­tier­te eine undurch­sich­ti­ge Intri­ge, deren Kern eine gestell­te Fal­le war, die FPÖ aus der Regie­rung und führ­te zugleich Bun­des­kanz­ler Kurz zum Höhen­flug. Weni­ge Wochen spä­ter geschah das­sel­be, wenn auch auf ande­rem Weg, mit der Lega in Ita­li­en. Hin­ter den Kulis­sen war die Fünf­ster­ne­be­we­gung in Brüs­sel „ein­ge­kauft“ wor­den, wie es der dama­li­ge Noch-Euro­pa­mi­ni­ster, der Lega-Ver­tre­ter Loren­zo Fon­ta­na, nannte.

Die Fünf­ster­ne­be­we­gung sicher­te Ursu­la von der Ley­en die not­wen­di­gen Stim­men für ihre Wahl zur EU-Kom­mis­si­ons­prä­si­den­tin. Damit sei klar gewe­sen, was es geschla­gen hat­te, so Fon­ta­na Ende August 2019. Die Regie­rung in Rom platz­te, die Lega flog aus der Regie­rung und wur­de durch die Links­de­mo­kra­ten (PD) ersetzt, einen Zusam­men­schluß der Mehr­heit der ehe­ma­li­gen Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Ita­li­ens (PCI) mit dem lin­ken Flü­gel der ein­sti­gen Christ­de­mo­kra­ten (DC). Kurz­um: Die geeich­ten Ver­tre­ter des EU-Estab­lish­ments kehr­ten wie­der an die Schalt­he­bel zurück, von denen sie erst 14 Mona­te zuvor ver­drängt wor­den waren. Der par­tei­lo­se Giu­sep­pe Con­te, 2018 von der Fünf­ster­ne­be­we­gung nomi­niert, blieb im Amt – mit Unter­stüt­zung des Vatikans.

Die­ser hat­te gegen­über der Per­son des Mini­ster­prä­si­den­ten bereits zuvor Sym­pa­thien erken­nen las­sen, zeigt sich seit dem Raus­wurf der Lega der neu­en Regie­rung gegen­über aber demon­stra­tiv freund­lich. Brüs­sel steht in Con­tes Schuld, was die Ent­wick­lung bei den jüng­sten Ver­hand­lun­gen zum Coro­na-Super­haus­halt der EU mit sei­nen gigan­ti­schen Trans­fer­lei­stun­gen erklärt. Den­noch: Con­te steht im eige­nen Land im Kreuzfeuer.

Ita­li­ens Mini­ster­prä­si­dent Giu­sep­pe Con­te mit Papst Fran­zis­kus: Demon­stra­ti­ve Freundlichkeit

Conte wegen des Coronavirus in der Kritik

Kri­ti­ker der Coro­na-Radi­kal­maß­nah­men erreich­ten auf dem Kla­ge­weg, Ein­sicht in die Unter­la­gen zu erwir­ken, die Anfang März zum „Lock­down“ geführt hat­ten. Ita­li­en hat­te als erster Staat des Westens das gan­ze Land mit einer Aus­gangs­sper­re belegt und in die Qua­ran­tä­ne geschickt. Die Wirt­schaft und das öffent­li­che Leben kamen zum Still­stand. Der Rei­he nach folg­ten wie Domi­no­stei­ne alle ande­ren west­eu­ro­päi­schen Staa­ten mit Aus­nah­me Schwe­dens. Die Fra­ge, die seit­her im Raum steht, lau­tet: Auf wel­cher Grund­la­ge erfolg­te die­ser radi­ka­le Schnitt?

Die Regie­rung erklär­te die Ent­schei­dungs­fin­dung zum Staats­ge­heim­nis, doch die Kri­ti­ker lie­ßen nicht locker und gin­gen den Instan­zen­weg der Ver­wal­tungs­ge­richts­bar­keit. Als sich abzeich­ne­te, daß das ober­ste Ver­wal­tungs­ge­richt, der Staats­rat, die For­de­rung nach Akten­ein­sicht unter­stüt­zen wird – die Ver­hand­lung ist für Sep­tem­ber ange­setzt –, trat die Regie­rung Con­te vor weni­gen Tagen die Flucht nach vor­ne an und gewähr­te teil­wei­se Akten­ein­sicht. Dar­aus geht her­vor, daß die amt­lich zustän­di­gen Exper­ten Anfang März nur punk­tu­el­le Absper­run­gen in Nord­ita­li­en emp­foh­len hat­ten, kon­kret von zwei Gemein­den, in denen das Coro­na­vi­rus gehäuft auf­ge­tre­ten war. Die Regie­rung schick­te statt­des­sen ganz Ita­li­en in die Qua­ran­tä­ne und wur­de inter­na­tio­nal richtungsweisend.

Han­del­te es sich dabei um einen Gei­stes­blitz der Regie­rung, die aus Nicht-Exper­ten besteht? Wer flü­ster­te die Ein­ge­bung, wenn es nicht die offi­zi­ell beauf­trag­ten Exper­ten waren? Die Fra­ge bleibt wei­ter­hin unbe­ant­wor­tet. Der Scha­den ist enorm.

Schlechte Umfragewerte

Vor allem zei­gen alle Umfra­gen seit dem Sturz der Lega im Som­mer 2019 eine Mehr­heit für das von ihr ange­führ­te rech­te Par­tei­en­bünd­nis. Der Höhen­flug der Lega wur­de zwar gestoppt, selbst Anhän­ger wer­fen ihrem Vor­sit­zen­den Matteo Sal­vi­ni vor, im Zuge der Regie­rungs­kri­se nicht immer klug agiert zu haben. Sie wird aber mit 25–28 Pro­zent wei­ter­hin als stärk­ste Par­tei gehan­delt. Ihre Ver­lu­ste in der Umfra­ge­gunst wur­den seit­her durch die ande­re Rechts­par­tei des Bünd­nis­ses, die Fra­tel­li d’Italia von Gior­gia Melo­ni, auf­ge­fan­gen, die inzwi­schen bei 15–18 Pro­zent liegt. Der dem EU-Estab­lish­ment am näch­sten ste­hen­den For­za Ita­lia von Sil­vio Ber­lus­co­ni wer­den nur mehr 5–8 Pro­zent zugetraut.

Die der­zei­ti­ge Links­re­gie­rung weiß also seit dem ersten Tag ihrer Amts­zeit, daß sie eigent­lich über kei­ne Mehr­heit ver­fügt und nur regie­ren kann, weil es kei­ne Wah­len gibt. Die­se kom­men aber bestimmt. Die sin­ken­den Umfra­ge­wer­te für die Regie­rung Con­te, die aktu­ell nur mehr bei 30 Pro­zent der Ita­lie­ner Zustim­mung fin­det (Umfra­ge Tec­né) füh­ren zu Gedan­ken­spie­len im Hin­ter­grund. Die macht­ver­wöhn­ten Links­de­mo­kra­ten drängt es zudem zurück in den Palaz­zo Chi­gi, den Amts­sitz des Mini­ster­prä­si­den­ten. Laut Umfra­gen haben sie die Fünf­ster­ne­be­we­gung mit 20 zu 15 Pro­zent längst und kon­stant über­run­det. Selbst die Fra­tel­li d’Italia, die Nach­fol­ge­par­tei der rechts­na­tio­na­len Alle­an­za Nazio­na­le (AN), lie­gen inzwi­schen um eine Nasen­län­ge vor der Fünf­ster­ne­be­we­gung, die sich als Stern­schnup­pe erweist, die eben­so schnell zu ver­lö­schen scheint, wie sie am Fir­ma­ment auf­ge­taucht ist.

Am 20. Sep­tem­ber fin­den in sie­ben von 20 ita­lie­ni­schen Regio­nen Land­tags­wah­len statt. Fest steht schon jetzt, daß die Fünf­ster­ne­be­we­gung ein Deba­kel erle­ben wird. Je nach­dem wie gut oder schlecht das der­zei­ti­ge Links­bünd­nis abschnei­den wird, könn­te bereits über Con­tes Schick­sal als Mini­ster­prä­si­dent entscheiden.

Die Alternative – mit Zustimmung von Santa Marta

Seit eini­gen Wochen wird an einer Alter­na­ti­ve zu Con­te geba­stelt, und die­se soll Mario Draghi hei­ßen. Der Glo­ba­list Draghi, der von 2011 bis 2019 Prä­si­dent der Euro­päi­schen Zen­tral­bank (EZB) war, wur­de am ver­gan­ge­nen 10. Juli von Papst Fran­zis­kus zum ordent­li­chen Mit­glied der Päpst­li­chen Aka­de­mie der Sozi­al­wis­sen­schaf­ten ernannt. Die Ernen­nung sorg­te unter Beob­ach­tern für Aufmerksamkeit.

Mario Draghi, für Anhän­ger „Super­ma­rio“

Die Aka­de­mie wird als Kanz­ler von Kuri­en­bi­schof Mar­ce­lo Sanchez Sor­on­do, dem poli­ti­schen Arm von Papst Fran­zis­kus, gelei­tet, jenem Mann, der die Welt unter Fran­zis­kus in einem „magi­schen Moment“ sieht, weil erst­mals Vati­kan und UNO die­sel­be Agen­da ver­fol­gen, der die kirch­li­che Sozi­al­leh­re im kom­mu­ni­sti­schen Chi­na am besten ver­wirk­licht sieht, Abtrei­bungs­geg­ner für „Fana­ti­ker“ hält und Abtrei­bung für eine Fol­ge des men­schen­ge­mach­ten Kli­ma­wan­dels. Er strickt seit Beginn des Pon­ti­fi­kats die Fäden für den poli­ti­schen Para­dig­men­wech­sel, den Fran­zis­kus betreibt. Zu Mit­glie­dern der Aka­de­mie waren vor Draghi bereits der UNO-Chef­öko­nom und Neo­mal­thu­sia­ner Jef­frey Sachs und der „Papst“ des angeb­lich men­schen­ge­mach­ten Kli­ma­wan­dels, Hans Joa­chim Schellnhu­ber, ernannt wor­den. Bei­de sind, wie auch Draghi, Aus­hän­ge­schil­der der glo­ba­li­sti­schen Agen­da.

„Was aber könn­te den argen­ti­ni­schen Ver­tei­di­ger der Letz­ten, der Unter­drück­ten und der Armen mit dem Ver­tre­ter der Mäch­ti­gen, der Finanz­olig­ar­chie und der glo­ba­li­sti­schen Plu­to­kra­tie ver­bin­den? Was hat der Papst der Armen mit jemand zu schaf­fen, der in Euro­pa für eine sozio­öko­no­mi­sche Schläch­te­rei ver­ant­wort­lich ist? Was hat der Stell­ver­tre­ter Chri­sti mit einem füh­ren­den Ver­tre­ter des Ein­heits­den­kens, der Ideo­lo­gie der poli­ti­schen Kor­rekt­heit und des neu­en Huma­nis­mus zu tun?“

Die­se Fra­gen stell­te jüngst die unab­hän­gi­ge katho­li­sche Inter­net­zei­tung La Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na. Fran­zis­kus und Draghi sind sich bis­her erst zwei­mal begeg­net. Das erste Zusam­men­tref­fen fand am 19. Okto­ber 2013 statt, als der Papst dem EZB-Chef und des­sen Fami­lie eine Pri­vat­au­di­enz gewähr­te. Die zwei­te folg­te am 6. Mai 2016, als Fran­zis­kus der Karls­preis ver­lie­hen wur­de, was nicht in Aachen geschah, son­dern außer­ge­wöhn­lich im Apo­sto­li­schen Palast im Vati­kan. Draghi saß bei die­sem Anlaß unter den höch­sten Reprä­sen­tan­ten der EU aus Poli­tik und Wirt­schaft, dar­un­ter Ange­la Mer­kel, Jean-Clau­de Jun­cker (damals EU-Kom­mis­si­ons­prä­si­dent), Mar­tin Schulz (damals Prä­si­dent des EU-Par­la­ments) und Donald Tusk (damals Prä­si­dent des Euro­päi­schen Rats). Mit Aus­nah­me von Mer­kel ist kei­ner mehr im Amt, doch alle wur­den von Gleich­ge­sinn­ten ersetzt. Die Rede, die Papst Fran­zis­kus damals hielt, um sich für die Ver­lei­hung zu bedan­ken, war ein Plä­doy­er des Glo­ba­lis­mus, ein Bekennt­nis zu Zie­len der Mäch­ti­gen, eine Bestä­ti­gung der UNO-Agen­da. Wört­lich sag­te Fran­zis­kus damals, wie­der­ge­ge­ben nach der offi­zi­el­len vati­ka­ni­schen Übersetzung:

 „Ich träu­me von einem neu­en euro­päi­schen Huma­nis­mus.“

Der Traum vom „neu­en Huma­nis­mus“ war der rote Faden, der sich durch die gan­ze Anspra­che zog. Wer immer dem Papst die Rede geschrie­ben hat­te, ver­gaß aller­dings etwas bzw. jemand zu erwäh­nen, der in San­ta Mar­ta bei sol­chen Anläs­sen eine immer gerin­ge­re Rol­le spielt: Jesus Chri­stus. Im Umfeld des der­zeit regie­ren­den Pap­stes schei­nen vie­le der Mei­nung zu sein, daß der „neue Huma­nis­mus“ ohne den Got­tes­sohn ver­wirk­licht wer­den kön­ne, die­ser viel­mehr hin­der­lich sei bei der Ver­wirk­li­chung der drei Zie­le sei, die Fran­zis­kus bei der Karls­preis­ver­lei­hung damit verknüpfte:

„Fähig­keit zur Inte­gra­ti­on, Fähig­keit zum Dia­log und Fähig­keit, etwas hervorzubringen.“

Dar­um noch ein­mal die Fra­ge: Was ver­bin­det Papst Berg­o­glio und den Glo­ba­li­sten Draghi?

Antonio Spadaro und die Civiltà Cattolica

Wer die­se Fra­ge sehr gut infor­mier­ten Per­so­nen stellt, erhält einen Namen zur Ant­wort: Anto­nio Spa­da­ro, Jesu­it wie Fran­zis­kus und Schrift­lei­ter der römi­schen Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà Cat­to­li­ca. Draghi selbst ist Absol­vent des renom­mier­ten römi­schen Jesui­ten­in­sti­tuts „Mas­si­mi­lia­no Mas­si­mo“, an dem er die gesam­te Zeit vom Kin­der­gar­ten bis zum Abitur verbrachte.

Nach sei­ner Pro­mo­ti­on in Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten am Mas­sa­chu­setts Insti­tu­te of Tech­no­lo­gy (MIT) in den USA im Geist von Keynes und Lehr­stel­len an ver­schie­de­nen ita­lie­ni­schen Uni­ver­si­tä­ten, wur­de er 1984, 37 Jah­re alt, zum ita­lie­ni­schen Exe­ku­tiv­di­rek­tor der Welt­bank ernannt. 1991 wur­de er Gene­ral­di­rek­tor des ita­lie­ni­schen Finanz­mi­ni­ste­ri­ums. In die­ser Zeit führ­te er die größ­te Pri­va­ti­sie­rungs­wel­le der Geschich­te in Kon­ti­nen­tal­eu­ro­pa durch. Das war die Ein­tritts­kar­te Ita­li­ens in die EU-Wäh­rungs­uni­on, für die das Land – was alle wuß­ten – nicht die Vor­aus­set­zun­gen erfüll­te, doch bestimm­te Inter­es­sen­grup­pen waren als gigan­ti­sche Nutz­nie­ßer durch die Pri­va­ti­sie­run­gen zufrie­den­ge­stellt wor­den. Wäre damals mit Roma­no Pro­di nicht schon ein Ita­lie­ner EU-Kom­mis­si­ons­prä­si­dent gewe­sen, wäre Draghi und nicht Horst Köh­ler, der nach­ma­li­ge deut­sche Bun­des­prä­si­dent, dafür 2000 mit dem Posten des geschäfts­füh­ren­den Direk­tors des Inter­na­tio­na­len Wäh­rungs­fonds (IWF) belohnt wor­den. Draghi erhielt statt­des­sen den Vor­sitz im Wirt­schafts- und Finanz­aus­schuß der EU. Draghis Auf­stieg setz­te sich an weit mäch­ti­ge­rer Stel­le fort: 2002 wur­de er Mana­ging Direc­tor und Vize­prä­si­dent der welt­weit größ­ten Invest­ment­bank Gold­man Sachs Inter­na­tio­nal, eines jener Unter­neh­men im Gotha der Finanz, die Ent­schei­dungs­trä­ger auf die höch­sten Posten in Poli­tik und Wirt­schaft aus dem eige­nen Mit­ar­bei­ter­stab ent­sen­det. So war es auch mit Draghi, der 2005 Gou­ver­neur der ita­lie­ni­schen Noten­bank Ban­ca d’Italia wur­de. Von dort wech­sel­te er 2011 schließ­lich an die Spit­ze der EZB. Eine Bio­gra­phie, die zwei­fel­los zeigt, daß er zu den Mäch­ti­gen gehört und als sol­cher zu einem eng­ma­schi­gen Netz­werk, das dar­auf besteht, sei­nen Ein­fluß zu bewahren.

Mario Draghi, Lobes­hym­ne der Civil­tà Cat­to­li­ca im Novem­ber 2019

Die Fäden zwi­schen San­ta Mar­ta und Draghi rei­chen wei­ter zurück. Am 2. Novem­ber 2019 ver­öf­fent­lich­te La Civil­tà Cat­to­li­ca eine Lobes­hym­ne auf die Amts­zeit Draghis bei der EZB, die gera­de zu Ende ging. Gan­ze drei­zehn Sei­ten umfaß­te der Auf­satz mit der Über­schrift „Der Bei­trag von Mario Draghi zu Euro­pa“[1] aus der Feder des Jesui­ten und pro­mo­vier­ten Wirt­schafts­wis­sen­schaft­lers Gui­do Ruta. Draghis Han­deln, so P. Ruta, sei „ent­schei­dend für die Ret­tung der Wirt­schafts- und Wäh­rungs­uni­on“ gewe­sen. Sie könn­te sogar die „außer­or­dent­li­che Gele­gen­heit“ sein, die euro­päi­sche Eini­gung in der EU „zu ver­voll­stän­di­gen“, indem alle „popu­li­sti­schen“, EU-kri­ti­schen und euro­skep­ti­schen Vor­stö­ße durch die „Voll­endung“ der poli­ti­schen Uni­on ein für alle Mal über­wun­den wer­den. Draghi habe dafür, so der Jesu­it, die Vor­aus­set­zun­gen geschaffen.

P. Ruta ist es auch, der damals den Vor­schlag mach­te, Draghi in die Poli­tik zu holen, um den „popu­li­sti­schen“ Paro­len und den Bestre­bun­gen einer Rück­kehr zu Lan­des­wäh­run­gen ent­ge­gen­zu­tre­ten. Beob­ach­ter merk­ten an: Wür­de auf der Titel­sei­te nicht La Civil­tà Cat­to­li­ca drauf­ste­hen, könn­te man anneh­men, die Finan­cial Times oder das Wall Street Jour­nal zu lesen. Seit April 2020, fünf Mona­te nach der Ver­öf­fent­li­chung des Arti­kels, wird Draghi wie­der­holt als mög­li­cher Nach­fol­ger von Giu­sep­pe Con­te als näch­ster ita­lie­ni­scher Mini­ster­prä­si­dent genannt. Von die­sem Arti­kel der römi­schen Jesui­ten­zeit­schrift führt auch ein gera­der Weg zur Ernen­nung Draghis zum ordent­li­chen Mit­glied der Päpst­li­chen Aka­de­mie der Sozi­al­wis­sen­schaf­ten.

Nach dem Vor­bild von Mario Mon­ti, eben­falls bei Gold­man Sachs unter Ver­trag, könn­te Draghi kurz vor dem Sprung in den Palaz­zo Chi­gi ste­hen und die Liste der an die Poli­tik ver­lie­he­nen Gold­man-Sachs-Ver­tre­ter erwei­tern. Den Segen der römi­schen Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà Cat­to­li­ca und von San­ta Mar­ta hat er bereits.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va/​W​i​k​i​c​o​m​m​o​n​s​/La Civil­tà Cat­to­li­ca (Screen­shots)


[1] Gui­do Ruta, Il con­tri­bu­to di Mario Draghi all’Europa, in: La Civil­tà Cat­to­li­ca, Heft 4065 (2019), S. 220–233.

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