Die Eucharistie, der größte Schatz der Kirche, in Zeiten der Drangsal

Gedanken zur Katakombenatmosphäre durch Corona-Maßnahmen


Bischof Athanasius Schneider: „Unter dem Vorwand der Covid-19-Epidemie wurde das unveräußerbare Recht von Christen zur öffentlichen Feier der Heiligen Messe auf unverhältnismäßige und ungerechtfertigte Weise missachtet.“
Von S. Ex. Bischof Athanasius Schneider*

Wir befin­den uns in einer ein­zig­ar­ti­gen, uner­hör­ten Lage: Zum ersten Mal in der Geschich­te der Kir­che wur­de die öffent­li­che Fei­er des eucha­ri­sti­schen Opfers nahe­zu welt­weit ver­bo­ten. Unter dem Vor­wand der Covid-19-Epi­de­mie wur­de das unver­äu­ßer­ba­re Recht von Chri­sten zur öffent­li­chen Fei­er der Hei­li­gen Mes­se auf unver­hält­nis­mä­ßi­ge und unge­recht­fer­tig­te Wei­se miss­ach­tet. In vie­len Län­dern, vor allem in vor­wie­gend katho­li­schen Län­dern, wur­de die­ses Ver­bot der­art syste­ma­tisch und bru­tal auf­ge­zwun­gen, dass es den Anschein hat, als sei­en die gna­den­lo­sen Zei­ten histo­ri­scher Ver­fol­gun­gen der Kir­che zurück­ge­kehrt. Es ent­stand eine Kata­kom­ben­at­mo­sphä­re mit Prie­stern, die die Hei­li­ge Mes­se ins­ge­heim mit einer Grup­pe Gläu­bi­gen zelebrierten.

Anzei­ge

Unglaub­li­cher­wei­se unter­sag­ten mit­ten in die­sem welt­wei­ten Ver­bot der öffent­li­chen Hei­li­gen Mes­se vie­le Bischö­fe sogar noch vor der Regie­rung den öffent­li­chen Got­tes­dienst, sie erlie­ßen Ver­fü­gun­gen, die nicht nur die öffent­li­che Zele­bra­ti­on der Hei­li­gen Mes­se, son­dern auch die Spen­dung jedes ande­ren Sakra­ments unter­sag­ten. Mit sol­chen anti-pasto­ra­len Maß­nah­men beraub­ten die­se Bischö­fe die Scha­fe der gei­sti­gen Nah­rung und Stär­kung, die nur die Sakra­men­te zu geben ver­mö­gen. Statt gute Hir­ten zu sein, ver­wan­del­ten sich die­se Bischö­fe in rigi­de Regie­rungs­be­am­te. Sie offen­bar­ten, dass sie von einer natu­ra­li­sti­schen Welt­sicht erfüllt sind, der es ledig­lich auf das zeit­li­che und leib­li­che Leben ankommt; ihre erste und uner­setz­li­che Auf­ga­be jedoch, die Sor­ge um das ewi­ge und gei­sti­ge Leben, ver­ga­ßen sie. Sie ver­ga­ßen die War­nung unse­res Herrn: 

„Was nützt es dem Men­schen, wenn er die gan­ze Welt gewinnt, aber sei­ne See­le ver­wirkt? Oder was kann ein Mensch als Löse­geld geben für sei­ne See­le?“ (Mt 16,26).

Bischö­fe, die sich um ihre Gläu­bi­gen nicht nur nicht küm­mer­ten, son­dern ihnen ganz unmit­tel­bar den Zugang zu den Sakra­men­ten ver­bo­ten, vor allem zum Sakra­ment der Hei­li­gen Eucha­ri­stie und zum Sakra­ment der Buße, han­del­ten wie fal­sche Hir­ten, die nur auf ihren eige­nen Vor­teil bedacht sind.

Die­se Bischö­fe ver­schaff­ten sich selbst jedoch durch­aus Zugang zu den Sakra­men­ten, sie fei­er­ten ja die Hei­li­ge Mes­se, sie hat­ten ihre per­sön­li­chen Beicht­vä­ter, sie konn­ten, falls not­wen­dig, die Kran­ken­sal­bung emp­fan­gen. Die fol­gen­den ergrei­fen­den Wor­te Got­tes tref­fen zwei­fel­los auf sol­che Bischö­fe zu, die in die­ser von der Hygie­ne-Dik­ta­tur ver­ur­sach­ten Bedräng­nis ihren Scha­fen die gei­sti­ge Nah­rung der Sakra­men­te ver­wei­ger­ten, wäh­rend sie sich selbst mit der Spei­se der Sakra­men­te nährten:

„So spricht Gott, der Herr: Wehe den Hir­ten Isra­els, die nur sich selbst wei­den! Sol­len nicht die Hir­ten die Scha­fe wei­den? Von der Milch habt ihr euch genährt, mit der Wol­le euch beklei­det, die fet­ten Tie­re geschlach­tet, aber die Scha­fe habt ihr nicht gewei­det. … Dar­um, ihr Hir­ten, hört das Wort des Herrn: Weil mei­ne Scha­fe zur Beu­te wur­den und weil mei­ne Scha­fe allem Wild des Fel­des zum Fra­ße dien­ten, weil da kein Hirt war und mei­ne Hir­ten nicht nach mei­nen Scha­fen gesucht haben, weil die Hir­ten sich selbst und nicht mei­ne Scha­fe gewei­det haben, dar­um, ihr Hir­ten, hört das Wort des Herrn: So spricht Gott, der Herr: Jetzt kom­me ich über die Hir­ten und for­de­re mei­ne Scha­fe aus ihrer Hand zurück. Ich mache ihrem Hir­ten­amt ein Ende; die Hir­ten sol­len nicht län­ger nur sich selbst wei­den“ (Ez 34,2–10).

Zur Zeit der Pest, als die Sterb­lich­keits­ra­te ungleich viel höher war als bei der gegen­wär­ti­gen Covid-19-Epi­de­mie, erhöh­te der hei­li­ge Karl Bor­ro­mä­us die Anzahl der öffent­li­chen Mess­fei­ern. Zwar ließ er die Kir­chen eine Zeit­lang schlie­ßen, doch ord­ne­te er gleich­zei­tig an, dass an vie­len öffent­li­chen, offe­nen Orten – Plät­zen, Kreu­zun­gen, Stra­ßen­ecken – Mes­sen zu fei­ern waren. Er ver­pflich­te­te die Prie­ster, die Kran­ken und Ster­ben­den zu besu­chen, um ihnen die Sakra­men­te der Buße und der letz­ten Ölung zu brin­gen. Er ließ öffent­li­che Pro­zes­sio­nen abhal­ten, bei denen die Men­schen – in gehö­ri­gem Abstand von­ein­an­der – mit­gin­gen, um für die Sün­den Buße zu tun und die gött­li­che Barm­her­zig­keit anzu­fle­hen. Der hei­li­ge Karl Bor­ro­mä­us ver­gaß auch nicht die Sor­ge um den Leib der ange­steck­ten Men­schen, doch sei­ne ober­ste Sor­ge galt der gei­sti­gen Hil­fe durch die Sakra­men­te, mit denen die Kran­ken gestärkt wer­den soll­ten. Wir haben vie­le heroi­sche Bei­spie­le aus der Geschich­te, dass Prie­ster bewusst die Todes­ge­fahr auf sich nah­men, wel­che damit ver­bun­den war, dass sie Men­schen, die unter einer töd­li­chen anstecken­den Krank­heit lit­ten, die Sakra­men­te brachten.

Es gibt ein berüh­ren­des Zeug­nis aus der Oxford-Bewe­gung inner­halb der angli­ka­ni­schen Kir­che im 19. Jahr­hun­dert über den Wert der Schön­heit der Lit­ur­gie und der eif­ri­gen Ver­wal­tung der Sakra­men­te zur Zeit der gefähr­li­chen und extrem anstecken­den Cho­le­ra-Epi­de­mie in Eng­land. Die katho­li­sche Kir­che erkennt die­se Sakra­men­te nicht als gül­tig an, doch die Tat­sa­che, dass die­se Geist­li­chen wäh­rend einer Epi­de­mie der pasto­ra­len Sor­ge sol­che Bedeu­tung bei­ma­ßen, kann für uns heu­te vor­bild­lich sein.

„Die ritu­el­len Erneue­run­gen, die ihnen vor­ge­wor­fen wur­den, wur­zel­ten ganz und gar in der ver­zwei­fel­ten pasto­ra­len Not­la­ge, in der sie sich befan­den. Sisters of Mer­cy (Schwe­stern der Barm­her­zig­keit) arbei­te­ten wäh­rend der Cho­le­ra-Epi­de­mien der spä­ten 1840er Jah­re mit den Geist­li­chen von St. Peter‘s in Ply­mouth zusam­men und baten den Gemein­de­prie­ster, Father Geor­ge Rund­le Pryn­ne, jeden Mor­gen eine Eucha­ri­stie zu zele­brie­ren, die sie für ihre Arbeit stär­ken soll­te. Das war seit der Refor­ma­ti­on wie­der der Anfang von täg­li­chen Mes­sen in der Church of Eng­land. Die Geist­li­chen von St. Saviour’s in Leeds leg­ten die mit­ge­brach­ten Medi­ka­men­te bei jeder mor­gend­li­chen Kom­mu­ni­on auf den Altar, bevor sie sie den vie­len Dut­zen­den Gemein­de­mit­glie­dern brach­ten, die am sel­ben Tag noch an der Cho­le­ra ster­ben wür­den. Die­se Slum-Kir­chen und ihre Prie­ster sind zu zahl­reich, als dass man sie alle auf­füh­ren könn­te, doch ihre Kühn­heit und ihre Fröm­mig­keit ist bewun­derns­wert. Die Church of Eng­land schau­te damals auf Ritua­le ver­ächt­lich her­ab, sie sah dar­in eine Nach­äf­fung einer papi­sti­schen Kir­che. Die Gewän­der emp­fand die über­wie­gen­de Mehr­heit der Church of Eng­land als fürch­ter­lich. Den­noch wur­den an Orten wie der Mis­si­ons­kir­che St. George’s im Osten Weih­rauch­fäs­ser geschwun­gen, es wur­de zum Knien auf­ge­for­dert, man mach­te häu­fig das Kreuz­zei­chen, die Ver­eh­rung des hei­lig­sten Sakra­ments war selbst­ver­ständ­lich. Es wur­den Beich­ten gehört, und es wur­de mit hei­li­gem Öl gesalbt. Schön­heit und Hei­lig­keit hiel­ten inmit­ten von Ärm­lich­keit und Nie­der­ge­schla­gen­heit Ein­zug: als Zeug­nis für den katho­li­schen Glau­ben an Jesus Chri­stus, den mensch­ge­wor­de­nen Gott, gegen­wär­tig und wir­kend in sei­ner Welt. Und was mög­li­cher­wei­se am wich­tig­sten war: Die Kran­ken und Ster­ben­den soll­ten die­se sakra­men­ta­le Anwe­sen­heit so weit wie irgend mög­lich erfah­ren kön­nen. Beich­ten am Ster­be­bett, Kran­ken­sal­bung, sogar gele­gent­lich Kom­mu­ni­on vom auf­be­wahr­ten Sakra­ment wur­den zu den Waf­fen der Prie­ster, etwa gegen die ent­setz­li­che Cho­le­ra-Epi­de­mie in Ost-Lon­don im Jahr 1866.“

Der hei­li­ge Dami­en de Veu­ster ist ein leuch­ten­des Bei­spiel eines Prie­sters und See­len­hir­ten. Um den ver­las­se­nen Lepra­kran­ken auf der Insel Molo­kai die Fei­er der hei­li­gen Mes­se und der ande­ren Sakra­men­te zu brin­gen, nahm er es frei­wil­lig auf sich, ihnen die Sakra­men­te zu spen­den, bei ihnen zu leben und sich dadurch selbst der töd­li­chen Krank­heit aus­zu­set­zen. Der Besuch der Sonn­tags­mes­se in der Kapel­le der hei­li­gen Phi­lo­me­na mach­te auf die Besu­cher einen unver­gess­li­chen Ein­druck. Pater Dami­en stand am Altar. Sei­ne Lepra­kran­ken waren am Altar um ihn ver­sam­melt. Sie huste­ten stän­dig und hat­ten Aus­wurf. Der Gestank war über­wäl­ti­gend. Aber Pater Dami­en wank­te nicht und zeig­te kei­ner­lei Anzei­chen von Ekel. Sei­ne Stär­ke kam aus der Eucha­ri­stie, was er es selbst so beschrieb: 

„Am Fuß des Altars fin­den wir die Stär­ke, die wir in unse­rer Iso­la­ti­on brauchen …“ 

Dort fand er für sich selbst und für jene, denen er dien­te, die Unter­stüt­zung und Ermu­ti­gung, den Trost und die Hoff­nung, die ihn, wie er es selbst von sich sag­te, zum „glück­lich­sten Mis­sio­nar der Welt“ mach­ten. Mahat­ma Gan­dhi sag­te, die Welt habe nur weni­ge Hel­den, die mit Pater Dami­en von Molo­kai ver­gleich­bar wären. Bel­gi­en, das Geburts­land des hei­li­gen Dami­en, erklär­te ihn zum bedeu­tend­sten Mann sei­ner natio­na­len Geschichte.

Unse­re Gegen­wart ist gekenn­zeich­net durch eine bei­spiel­lo­se, weit­ver­brei­te­te lit­ur­gi­sche und eucha­ri­sti­sche Kri­se. Die Wahr­heit, dass die Eucha­ri­stie, die hei­li­ge Kom­mu­ni­on der Schatz des Alta­res und von unsag­ba­rer Maje­stät ist, ist prak­tisch ganz aus dem Blick gera­ten. Des­halb sind die fol­gen­den Ermah­nun­gen des Kon­zils von Tri­ent so bedeut­sam wie nie zuvor:

„Kei­ne ande­re von gläu­bi­gen Chri­sten unter­nom­me­ne Hand­lung ist so hei­lig und so gött­lich wie die­ses gewal­ti­ge Geheim­nis, in wel­chem jeden Tag die leben­spen­den­de Opfer­ga­be, durch die wir mit Gott dem Vater ver­söhnt wur­den, Gott von den Prie­stern auf dem Altar dar­ge­bracht wird, und es ist eben­so klar, dass jede Anstren­gung und aller Eifer dar­auf ver­wen­det wer­den muss, dass sie mit größ­ter Rein­heit und inne­rer Lau­ter­keit und einer äuße­ren Hal­tung von Hin­ga­be und Fröm­mig­keit gefei­ert wird“ (Kon­zil von Tri­ent, Sit­zung XXII, Decre­tum de obser­van­dis et vitandis).

Doch ist die­se gött­li­che Maje­stät, die im Geheim­nis der Aller­hei­lig­sten Eucha­ri­stie ver­bor­gen ist, eben eine ver­bor­ge­ne Maje­stät. Unter den eucha­ri­sti­schen Gestal­ten ist die gött­li­che Maje­stät ver­bor­gen. Der hei­li­ge Pierre Juli­en Eymard, ein moder­ner Apo­stel der Eucha­ri­stie, sprach ein­drucks­voll von der Wahr­heit der ver­bor­ge­nen Maje­stät Chri­sti im eucha­ri­sti­schen Geheim­nis. Wir haben von ihm wun­der­ba­re Über­le­gun­gen wie die folgende:

„Jesus ver­birgt sei­ne Macht mit einem Schlei­er, andern­falls hät­te ich Angst. Er ver­birgt sei­ne Hei­lig­keit, deren Erha­ben­heit uns mit unse­ren spär­li­chen Tugen­den ent­mu­ti­gen wür­de, mit einem Schlei­er. Eine Mut­ter spricht mit ihrem Kind auf kind­li­che Wei­se, sie begibt sich auf sei­ne Ebe­ne her­un­ter. Auf die­sel­be Wei­se macht Jesus sich klein mit den Klei­nen, um sie zu sich auf­zu­he­ben. Jesus ver­birgt sei­ne Lie­be und Wär­me. Sei­ne Glut ist so groß, dass sie uns ver­zeh­ren wür­de, wenn wir ihren Flam­men unmit­tel­bar aus­ge­setzt wären. Das Feu­er ver­zehrt. Gott ist ein ver­zeh­ren­des Feu­er. Auf die­se Wei­se gibt uns der ver­bor­ge­ne Jesus Kraft gegen unse­re Schwä­chen. … Die­se Dun­kel­heit der ver­bor­ge­nen Maje­stät ver­langt von uns ein ganz und gar wür­di­ges Opfer, das Opfer unse­res Ver­stan­des. Wir sol­len glau­ben gegen das Zeug­nis unse­rer Sin­ne, gegen die Natur­ge­set­ze, gegen unse­re Erfah­rung. Wir sol­len nur dem Wort Jesu Chri­sti glau­ben. Es gibt nur eine ein­zi­ge Fra­ge: „Wer ist hier?“ – „Ich bin es“, ant­wor­tet Jesus Chri­stus. Ver­neigt euch und betet Ihn an! … Die­ser Schlei­er ist kei­ne Prü­fung, son­dern wird viel­mehr zu einem Ansporn, einer Ermu­ti­gung zu einem demü­ti­gen, auf­rich­ti­gen Glau­ben. Der Mensch will zu einer ver­hüll­ten Wahr­heit vor­drin­gen, einen ver­bor­ge­nen Schatz ent­decken, eine Schwie­rig­keit bewäl­ti­gen. Auf ähn­li­che Wei­se sucht die gläu­bi­ge See­le den Herrn in der Anwe­sen­heit des eucha­ri­sti­schen Schlei­ers, so wie Mag­da­le­na Ihn vor dem Grab gesucht hat. Die Eucha­ri­stie ist für die See­le, was Gott für die Seli­gen im Him­mel ist: eine immer alte und neue Wahr­heit und Schön­heit, die zu ergrün­den und zu erwä­gen der Mensch nicht müde wird. So wie in die­ser Welt die Lie­be von Glück und Sehn­sucht lebt, so ist auch die See­le glück­lich, und sie sehnt sich nach Glück durch die Eucha­ri­stie – die See­le isst und bleibt doch hung­rig. Nur die Weis­heit und Güte unse­res Herrn konn­ten den eucha­ri­sti­schen Schlei­er erfin­den“ (The Real Pre­sence. Eucha­ri­stic Medi­ta­ti­ons, New York 1938, 92–94).

Der­sel­be Hei­li­ge hin­ter­ließ uns tie­fe Gedan­ken über die Ver­eh­rung der Eucharistie:

„Ich lie­be die Schön­heit Dei­nes Hau­ses. (Psalm 25,8) Eines Tages kam eine Frau, eine from­me Anbe­te­rin, zu Jesus, um ihn anzu­be­ten. Sie hat­te ein Ala­ba­ster­ge­fäß voll kost­ba­ren Salb­öls bei sich, das sie über Sei­ne Füße aus­goss, um ihre Lie­be zu Ihm zu zei­gen und Sei­ner Gott­heit und hei­li­gen Mensch­heit zu hul­di­gen. ‚Wozu soll die­se Ver­schwen­dung gut sein?‘, sag­te der Ver­rä­ter Judas. ‚Die­ses Salb­öl hät­te man für viel Geld ver­kau­fen und das Geld den Armen geben kön­nen.‘ Doch Jesus ver­tei­digt Sei­ne Magd: ‚Was die­se Frau getan hat, ist ein gutes Werk. Und wo immer die­ses Evan­ge­li­um ver­kün­det wird, da wird man auch rüh­mend von dem erzäh­len, was sie getan hat.‘ Die­se Epi­so­de aus dem Evan­ge­li­um kann auf die Eucha­ri­stie über­tra­gen wer­den. Unser Herr ist im hei­lig­sten Sakra­ment, um von den Men­schen die­sel­be Hul­di­gung zu emp­fan­gen, die er von jenen emp­fing, die das Glück hat­ten, Ihm wäh­rend Sei­nes irdi­schen Lebens nahe­kom­men zu kön­nen. Er ist da, um jedem die Mög­lich­keit anzu­bie­ten, Sei­ne hei­li­ge Mensch­heit selbst zu ver­eh­ren. Wäre das der ein­zi­ge Grund für die Exi­stenz der Eucha­ri­stie, könn­te uns das schon sehr glück­lich machen, denn die Eucha­ri­stie befä­higt uns als Chri­sten, unse­rem Herrn per­sön­lich Ach­tung zu erweisen.

Die­se Anwe­sen­heit ist gleich­zei­tig die Recht­fer­ti­gung öffent­li­cher Ver­eh­rung und ihr Leben. Nimmt man die Real­prä­senz weg, wie kann man dann Sei­ner hei­li­gen Mensch­heit den Respekt und die Ehre zol­len, die ihr zuste­hen? Als Mensch ist unser Herr nur im Him­mel und im Aller­hei­lig­sten Sakra­ment gegen­wär­tig. Durch die Eucha­ri­stie kön­nen wir uns dem leben­den Ret­ter in Per­son nahen, wir kön­nen Ihn sehen, mit Ihm spre­chen. Ohne Sei­ne Anwe­sen­heit wird aus dem Got­tes­dienst eine Abstrak­ti­on. Durch die­se Anwe­sen­heit gehen wir direkt zu Gott und nahen uns Ihm wie wäh­rend Sei­nes sterb­li­chen Lebens. Wie ungün­stig wäre es, wenn wir, um die Mensch­heit Jesu Chri­sti zu ver­eh­ren, acht­zehn Jahr­hun­der­te zurück­ge­hen müss­ten! Das mag dem Geist ja ganz gele­gen kom­men, doch wie soll man einer so fer­nen Ver­gan­gen­heit hul­di­gen? Wir wür­den uns damit zufrie­den­ge­ben, für die Geheim­nis­se zu dan­ken, ohne aktiv Anteil dar­an zu haben. In der Eucha­ri­stie jedoch kön­nen wir wirk­lich kom­men und Ihn anbe­ten – wie die Hir­ten; wir kön­nen uns vor Ihm ver­nei­gen wie die Wei­sen; wir müs­sen nicht mehr bedau­ern, dass wir in Beth­le­hem oder auf Gol­go­tha nicht dabei waren.

Am Tag des Gerichts wer­den wir das Recht haben, Ihm zu sagen: ‚Wir haben Dich nicht nur in den Armen besucht, son­dern in Dei­ner erha­be­nen Per­son selbst. Was wirst du uns dafür geben?‘ Welt­lich gesinn­te Men­schen wer­den das nie ver­ste­hen. ‚Gebt den Armen, und gebt ihnen viel‘, sagen sie. ‚Aber wozu soll es gut sein, den Kir­chen zu geben? All die­ser üppi­ge Auf­wand auf den Altä­ren ist hin­aus­ge­wor­fe­nes Geld.‘ So wird man zum Pro­te­stan­ten. Nein! Die Kir­che wünscht leben­di­ge Ver­eh­rung, weil sie ihren leben­den Erlö­ser auf Erden besitzt. Ist das nicht viel wert? Aber es ist nicht alles. Dem eucha­ri­sti­schen Jesus etwas zu geben ist ein Trost und eine Freu­de, und es ist ein Bedürf­nis. Ja, wir spü­ren die Not­wen­dig­keit, unse­ren Herrn in unse­rer Nähe zu sehen und Ihn zu spü­ren und Ihn mit unse­ren Gaben zu ehren. Wenn unser Herr von uns nichts wei­ter als inner­li­che Ver­eh­rung ver­lan­gen wür­de, dann wür­de er nicht einem der mäch­tig­sten Bedürf­nis­se des Men­schen gerecht wer­den; wir kön­nen nicht lie­ben, ohne die­se Lie­be durch äuße­re Zei­chen der Freund­schaft und Zunei­gung zu offenbaren.

Wenn die hei­li­gen Tücher rein sind, wenn die Gewän­der sau­ber und in einem guten Zustand sind, oh! das ist ein Zei­chen des Glau­bens. Wenn jedoch die Kir­che nicht die ange­mes­se­nen Gewän­der für den Dienst an unse­rem Herrn hat und mehr wie ein Gefäng­nis als wie eine Kir­che wirkt, dann fehlt der Glau­be. Men­schen spen­den für alle mög­li­chen wohl­tä­ti­gen Zwecke; bit­tet man jedoch für das Aller­hei­lig­ste Sakra­ment, dann wis­sen sie nicht, wovon die Rede ist. Soll denn der König in Lum­pen gehen, wäh­rend Sei­ne Die­ner reich geklei­det sind? Wir haben nicht die rich­ti­ge Art Glau­ben, einen Glau­ben, der prak­tisch ist, einen Glau­ben, der liebt; wir haben nur einen nega­ti­ven, spe­ku­la­ti­ven Glau­ben. Wir sind katho­lisch dem Namen nach, aber in der Pra­xis sind wir Pro­te­stan­ten.“ (The Real Pre­sence. Eucha­ri­stic Medi­ta­ti­ons, New York 1938, 172ff).

Der hei­li­ge Pierre Juli­en Eymard sag­te: „Im Got­tes­dienst ist alles groß, alles ist gött­lich. … Die hei­li­ge Römi­sche Lit­ur­gie ist des­halb im höch­sten Maß erha­ben und authen­tisch. Sie stammt von Petrus, dem Haupt der Apo­stel. Jeder Papst hat sich an sie gehal­ten und sie ehr­furchts­voll an die fol­gen­den Jahr­hun­der­te wei­ter­ge­ge­ben, jeweils in dem Wis­sen, wie in Über­ein­stim­mung mit den Erfor­der­nis­sen des Glau­bens, der Fröm­mig­keit und Dank­bar­keit neue For­meln, Dien­ste und hei­li­ge Riten hin­zu­zu­fü­gen waren. […] Der lit­ur­gi­sche Kult ist die Aus­übung jeg­li­cher Reli­gi­on par excel­lence“ (Diret­to­rio degli aggre­ga­ti del San­tis­si­mo Sacra­men­to, Ch. II, art. V, n. 1.)

Die gegen­wär­ti­ge öffent­li­che Unter­bin­dung der hei­li­gen Mes­se und der sakra­men­ta­len hei­li­gen Kom­mu­ni­on wäh­rend der Covid-19-Epi­de­mie ist so uner­hört und ernst, dass man dahin­ter eine tie­fe­re Bedeu­tung ent­decken kann. Alles begann fast fünf­zig Jah­re nach der Ein­füh­rung der Hand­kom­mu­ni­on (im Jahr 1969) und einer radi­ka­len Reform des Mess­ri­tus (1969/​1970) mit ihren pro­te­stan­ti­sie­ren­den Ele­men­ten (Offer­to­ri­ums­ge­be­te) und ihrem hori­zon­ta­len, lehr­haf­ten Zele­bra­ti­ons­stil (Frei­stil­mo­men­te, Zele­bra­ti­on in einem geschlos­se­nen Kreis, zum Volk hin). Die Pra­xis der Hand­kom­mu­ni­on in den ver­gan­ge­nen fünf­zig Jah­ren hat zu einer unbe­ab­sich­tig­ten und beab­sich­tig­ten Ent­wei­hung des eucha­ri­sti­schen Lei­bes Chri­sti in einem bis damals unge­kann­ten Aus­maß geführt. Über mehr als fünf­zig Jah­re wur­de der Leib Chri­sti (zumeist unbe­ab­sich­tigt) von Kle­ri­kern und Lai­en in katho­li­schen Kir­chen welt­weit buch­stäb­lich mit Füßen getre­ten. Der Dieb­stahl geweih­ter Hosti­en hat eben­falls alar­mie­rend zuge­nom­men. Die Gewohn­heit, sich die hei­li­ge Kom­mu­ni­on selbst mit eige­nen Hän­den und Fin­gern zu neh­men, gleicht eher der Geste, mit der man gewöhn­li­che Nah­rung zu sich nimmt. Bei nicht weni­gen Katho­li­ken hat die Pra­xis, die Kom­mu­ni­on in die Hand zu emp­fan­gen, den Glau­ben an die Real­prä­senz, an die Trans­sub­stan­tia­ti­on und an den gött­li­chen, erha­be­nen Cha­rak­ter der kon­se­krier­ten Hostie geschwächt. Die eucha­ri­sti­sche Anwe­sen­heit Chri­sti wur­de im Lauf der Zeit zuneh­mend, und ohne dass es den Gläu­bi­gen bewusst war, für sie eine Art hei­li­ges Brot oder ein Sym­bol. Nun hat der Herr ein­ge­grif­fen und fast sämt­li­che Gläu­bi­gen der Mög­lich­keit beraubt, die hei­li­ge Mes­se zu besu­chen und sakra­men­tal die hei­li­ge Kom­mu­ni­on zu empfangen.

Die gegen­wär­ti­ge Aus­set­zung öffent­li­cher hei­li­ger Mes­sen und der hei­li­gen Kom­mu­ni­on könn­te vom Papst und den Bischö­fen als gött­li­cher Vor­wurf für die ver­gan­ge­nen fünf­zig Jah­re eucha­ri­sti­scher Ent­wei­hun­gen und Bana­li­sie­run­gen ver­stan­den wer­den und gleich­zei­tig als barm­her­zi­ger Auf­ruf zu einer ech­ten eucha­ri­sti­schen Bekeh­rung der gesam­ten Kir­che. Möge der Hei­li­ge Geist die Her­zen des Pap­stes und der Bischö­fe berüh­ren und sie dazu bewe­gen, kon­kre­te lit­ur­gi­sche Nor­men zu erlas­sen, auf dass der eucha­ri­sti­sche Kult der gesam­ten Kir­che gerei­nigt und wie­der auf Gott hin aus­ge­rich­tet wer­den möge. Denk­bar wäre, dass der Papst zusam­men mit Kar­di­nä­len und Bischö­fen einen öffent­li­chen Akt der Süh­ne für die Sün­den gegen die Eucha­ri­stie und für die Sün­de der Akte reli­giö­ser Ver­eh­rung der Pacha­ma­ma-Figu­ren voll­zieht. Wenn die gegen­wär­ti­ge Drang­sal vor­über ist, könn­te der Papst kon­kre­te lit­ur­gi­sche Nor­men for­mu­lie­ren, in wel­chen er die gesam­te Kir­che auf­for­dert, sich in der Zele­bra­ti­ons­wei­se wie­der dem Herrn zuzu­wen­den, das heißt, dass sich Zele­brant und Gläu­bi­ge wäh­rend des eucha­ri­sti­schen Gebets wie­der in die­sel­be Rich­tung wen­den. Der Papst soll­te außer­dem die Pra­xis der Hand­kom­mu­ni­on ver­bie­ten, denn die Kir­che kann nicht wei­ter­hin unge­straft mit dem Aller­hei­lig­sten in der klei­nen kon­se­krier­ten Hostie so mini­ma­li­stisch und acht­los umgehen.

Und wir müs­sen auf die Stim­me der Klei­nen in der Kir­che hören, die Stim­me der zahl­lo­sen Gläu­bi­gen, Kin­der, jun­gen Leu­te, Fami­li­en­vä­ter und ‑müt­ter und der älte­ren Men­schen, die im sicht­ba­ren Aus­druck ihrer Ehr­furcht und ihrer Lie­be zum eucha­ri­sti­schen Herrn inmit­ten der Kir­che durch einen arro­gan­ten und zwei­fel­los pha­ri­säi­schen Kle­ri­ka­lis­mus ernied­rigt und ver­ach­tet wur­den. Die­se klei­nen Lieb­ha­ber und Ver­tei­di­ger der Eucha­ri­stie wer­den das Leben der Kir­che in unse­rer Zeit erneu­ern, und so gel­ten die­se Wor­te Jesu zu Recht und ver­dien­ter­ma­ßen ihnen: 

„Ich prei­se dich, Vater, Herr des Him­mels und der Erde, dass du dies vor Wei­sen und Klu­gen ver­bor­gen, den Klei­nen aber offen­bart hast“ (Mt 11,25).

Möge die­se Wahr­heit uns inmit­ten der Dun­kel­heit Hoff­nung und Licht schen­ken und unse­ren Glau­ben und unse­re Lie­be zum eucha­ri­sti­schen Jesus ver­meh­ren, denn wenn wir den eucha­ri­sti­schen Jesus haben, dann haben wir alles, und nichts wird uns fehlen.

*Bischof Atha­na­si­us Schnei­der hielt die­se Anspra­che beim Rome Life Forum 2020 (20.–22. Mai), das wegen der staat­li­chen Coro­na-Maß­nah­men in die­sem Jahr nur vir­tu­ell statt­fin­den konn­te. Sie­he zum Rome Life Forum auch: „Das Got­tes­ge­richt in der Geschich­te“ von Prof. Rober­to de Mattei.

Bild: Life­Si­teNews

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4 Kommentare

  1. Herz­li­chen Dank an Bischof Atha­na­si­us Schnei­der, ob die­ser beein­drucken­den Wor­te. Er hat alles gesagt, aber er hat auch gezeigt, dass die Kir­che noch Hir­ten hat, die durch die Türe in den Schaf­stall des Her­ren gehen, und nicht nur Mietlinge.

  2. Ja aber Bischö­fe wie er haben kei­ne chan­ce in der Kon­zils Kirche.
    Er und Kar­di­nal Sarah und alle recht­glaeu­bi­gen Kle­ri­ker soll­ten zur Bru­der­schaft St pius x kommen.
    Das wae­re ein Zei­chen dem vie­le fol­gen wuer­den und den glau­bens­ab­fall bremsen.
    Auf­zu­hal­ten ist das Gericht sowie­so nicht mehr.

  3. Wir Chri­sten erlei­den Drang­sal, aber wir sind nicht in der Peri­ode der Drang­sal, von der bei den alt­te­sta­ment­li­chen Pro­phe­ten, in Mat­thä­us 24 (und par­al­lel) und in der Offen­ba­rung die Rede ist.

  4. Herz­li­chen Dank, Herr Bischof Schnei­der. Sie spre­chen genau die­ses Pro­blem an. Wir kön­nen und müs­sen beten, um „Maria­ni­sche Prie­ster“ und Ordensgemeinschaften.

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