Deutsche Bischöfe erfinden die Pinzettenkommunion

Sonderfall Würzburg – Spanien, Italien, Südkorea


Die Offene Kirche mit verschlossenen Türen. Langsame Öffnung.
Die Offene Kirche mit verschlossenen Türen. Langsame Öffnung.

(Madrid) Die euro­päi­schen Regie­run­gen haben die „Pha­se 2“ der Coro­na-Kri­se aus­ge­ru­fen. Doch was den Zugang zur Mes­se angeht, herrscht wei­ter­hin Cha­os. Dar­an sind nicht nur die Regie­run­gen schuld. Auch eini­ge Bischö­fe schei­nen die Mes­se für die Gläu­bi­gen für sekun­där zu hal­ten. Deutsch­lands Bischö­fe, die vor 50 Jah­ren feder­füh­rend bei der Ein­füh­rung der Hand­kom­mu­ni­on waren, füh­ren nun die Pin­zet­ten­kom­mu­ni­on ein.

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Ita­li­ens Links­re­gie­rung lehnt die Wie­der­zu­las­sung von öffent­li­chen Mes­sen kate­go­risch ab. Dabei war genau das in den Wochen zuvor den Bischö­fen für den 4. Mai in Aus­sicht gestellt wor­den. Ande­re Regie­run­gen erlau­ben sie unter Ein­schrän­kun­gen. Sach­sen hat schon am 20. April wie­der geöff­net, am 1. Mai fol­gen wei­te­re Län­der, dar­un­ter Nord­rhein-West­fa­len. Öster­reich öff­net ab 15. Mai, Spa­ni­en bereits ab 11. Mai.

Die Maß­nah­men ver­mit­teln den Ein­druck der Will­kür. Spa­ni­en mach­te nach Öster­reich dicht und öff­net wie­der frü­her. Dabei ist das ibe­ri­sche Land neun­mal stär­ker vom Coro­na­vi­rus betrof­fen als die Alpen­re­pu­blik. In Öster­reich sind 0,006 Pro­zent der Bevöl­ke­rung an oder mit Covid-19 gestor­ben, so genau weiß das ohne Aut­op­sie nie­mand, in Spa­ni­en aber 0,053 Pro­zent. Auch das ist kei­ne epi­de­mi­sche Grö­ßen­ord­nung. Zur Zeit der Pest star­ben sogar bis zu 30 Pro­zent. Es ist aber fast das Zehn­fa­che Öster­reichs. Sogar in Ita­li­en ist die Sterb­lich­keits­ra­te mit 0,046 gerin­ger als in Spa­ni­en, dabei trug die Panik­be­richt­erstat­tung der Mas­sen­me­di­en über die Lage in Ita­li­en maß­geb­lich dazu bei, daß von ande­ren Regie­run­gen Radi­kal­maß­nah­men ergrif­fen wurden. 

Da der Höhe­punkt der von der WHO aus­ge­ru­fe­nen Pan­de­mie in den EU-Staa­ten über­schrit­ten ist, will Spa­ni­ens Links­re­gie­rung, obwohl deut­lich kir­chen­feind­li­cher als die ita­lie­ni­sche, den Gläu­bi­gen die Mes­se nicht län­ger vorenthalten.

Auch die dazu erlas­se­nen Bestim­mun­gen wir­ken ange­mes­se­ner als in deut­schen Lan­den. In Sach­sen wur­de im Zuge der Öff­nung vom 20. April die Zahl der Gläu­bi­gen auf 15 beschränkt. Öster­reichs Regie­rung mach­te vor weni­gen Tagen zur Bedin­gung, daß öffent­li­che Mes­sen ab 15. Mai nur statt­fin­den dür­fen, wenn jeder Gläu­bi­ge 20 Qua­drat­me­ter zur Ver­fü­gung habe. Die­se Norm sei durch eige­ne Tür­ste­her zu über­wa­chen. Ob die­se staat­lich ver­ord­ne­te Zugangs­be­schrän­kung durch Poli­zi­sten erfol­gen soll, wur­de nicht gesagt. Nach ent­spre­chen­den Inter­ven­tio­nen wur­de die Flä­che inzwi­schen auf zehn Qua­drat­me­ter redu­ziert, was immer­hin eine Ver­dop­pe­lung der Gläu­bi­gen­zahl erlaubt.

Es geht auch einfacher

Spa­ni­ens Regie­rung erlegt den Prie­stern kei­ne Erb­sen­zäh­le­rei von Qua­drat­me­tern auf, son­dern zieht das regu­lä­re Fas­sungs­ver­mö­gen einer Kir­che her­an. In der „ersten Stu­fe“ der Wie­der­zu­las­sung öffent­li­cher Mes­sen darf eine Kir­che zu 30 Pro­zent besetzt sein. Hat eine Kir­che ein Fas­sungs­ver­mö­gen von 300 Gläu­bi­gen, dür­fen ab 11. Mai bis zu 100 Gläu­bi­ge der Mes­se bei­woh­nen. Durch die Erhö­hung der Anzahl der Mes­sen wol­len Prie­ster zudem mög­lichst vie­len Gläu­bi­gen den Zugang ermöglichen.

Soll­te die Infek­ti­ons­ra­te wei­ter­hin rück­läu­fig sein, wie es der­zeit der Fall ist, dür­fen in der „zwei­ten Stu­fe“ ab dem 25. Mai 50 Pro­zent einer Kir­che besetzt werden.

In Spa­ni­en wur­den die Kir­chen nie geschlos­sen. Die Regie­rung unter­sag­te öffent­li­che Mes­sen zu kei­nem Zeit­punkt. Die staat­li­che Auf­la­ge lau­te­te auch am Höhe­punkt der Kri­se, daß ein Min­dest­ab­stand von einem Meter zwi­schen den Gläu­bi­gen ein­ge­hal­ten wer­den müs­se. Die Bischö­fe waren es, die öffent­li­che Mes­sen verboten.

Am 26. April ver­si­cher­te Kar­di­nal Juan José Omel­la, Erz­bi­schof von Bar­ce­lo­na und Vor­sit­zen­der der Spa­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, den Gläu­bi­gen, daß die Regie­rung „bal­di­ge“ Öff­nun­gen vor­neh­men wer­de. Ent­spre­chen­de Zusa­gen hat­te er von der Min­der­heits­re­gie­rung des Sozia­li­sten Pedro Sanchez erhal­ten, die sich bis­her auch dar­an hält.

Das italienische Dilemma

Anders ver­läuft es in Ita­li­en. Auch dort hat­te nicht die Regie­rung die öffent­li­chen Mes­sen ver­bo­ten, son­dern die Bischö­fe. Die Regie­rung hat­te einen Meter Abstand zur Auf­la­ge gemacht. Deren Ein­hal­tung war den Bischö­fen aber zu ris­kant und zu müh­se­lig. Auch die Ita­lie­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz kün­dig­te ver­gan­ge­ne Woche die bal­di­ge Öff­nung der Kir­chen an und ver­wies dabei auf die Regie­rung. Da die­se öffent­li­che Mes­sen aber nie unter­sagt hat­te, ist damit die Auf­he­bung der Abstands­re­ge­lung gemeint, was von den Bischö­fen aber so nicht kom­mu­ni­ziert wird. Viel­mehr ver­mit­teln sie den Ein­druck, als habe der Staat die Mes­sen ver­bo­ten, wes­halb er es auch sei, der ihre Wie­der­zu­las­sung erlau­ben müsse.

Am 26. April folg­te eine kal­te Dusche. Im Zusam­men­hang mit dem Regie­rungs­de­kret für die „Pha­se 2“ der Coro­na­kri­se, schloß Mini­ster­prä­si­dent Giu­sep­pe Con­te Locke­run­gen für die Mes­sen aus. Die Bischö­fe sit­zen seit­her in einer selbst­ge­strick­ten „Fal­le“.

Der Phi­lo­soph und bekann­te Sozi­al­ethi­ker Ste­fa­no Fon­ta­na rief die Bischö­fe auf, die­se Fal­le zu ver­las­sen, indem sie nun nicht jam­mernd oder for­dernd auf die Reli­gi­ons­frei­heit pochen, son­dern das sou­ve­rä­ne Recht der Kir­che in Sachen Mes­se in Anspruch neh­men soll­ten. Kon­kret: Die Gläu­bi­gen sol­len zur Mes­se gehen und die Bischö­fe sol­len die Regie­rung nicht län­ger um Erlaub­nis fra­gen. Anders aus­ge­drückt: Hät­ten die Bischö­fe die Mes­se nicht selbst ver­bo­ten und so getan, als sei es die Regie­rung gewe­sen, befän­de man sich nicht im der­zei­ti­gen Dilem­ma – des­sen erste Leid­tra­gen­de die Gläu­bi­gen sind. Die Bischö­fe hät­ten damit die Posi­ti­on der Kir­che nicht nur geschwächt, son­dern poten­ti­ell beschädigt.

Sonderfall Würzburg

Gegen den Trend mar­schiert auch Bischof Franz Jung von Würz­burg, der gestern bekannt­gab, daß es in sei­nem Bis­tum auch wei­ter­hin kei­ne öffent­li­chen Mes­sen geben wer­de. Damit bestä­tigt auch er, daß es kei­nes­wegs nur staat­li­cher Zwang ist, der die Gläu­bi­gen um den Meß­be­such bringt, son­dern Bischö­fe tat­kräf­tig dar­an mit­ge­wirkt haben und noch mitwirken.

Bischof Jung, ursprüng­lich Prie­ster des Bis­tums Spey­er, wur­de im Febru­ar 2018 von Papst Fran­zis­kus zum 89. Bischof von Würz­burg ernannt. Noch im sel­ben Jahr mach­te er durch einen rebel­li­schen Akt auf sich auf­merk­sam. Als erster Bischof setz­te er die Inter­kom­mu­ni­on um, indem er pro­te­stan­ti­schen Ehe­gat­ten von Katho­li­ken den Kom­mu­nion­emp­fang erlaub­te. Jung rief Pro­te­stan­ten aus­drück­lich zum Kom­mu­nion­emp­fang auf und führ­te die Kom­mu­ni­ons­pen­dung selbst im Würz­bur­ger Dom durch. For­mal ver­stößt er damit gegen das Kir­chen­recht, von Fra­gen der Glau­bens­leh­re ganz zu schwei­gen. Rom schweigt jedoch dazu, kam der Anstoß dazu doch von Papst Fran­zis­kus selbst. Krea­ti­ve Eigen­wil­lig­keit mit rebel­li­schem Touch wer­den nicht nur gedul­det, son­dern schei­nen im Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus sogar gefragt, wie Deutsch­lands Bischö­fe unter Beweis stellen.

Ins­ge­samt gaben meh­re­re Bischö­fe in der Coro­na-Kri­se nicht nur ent­behr­li­che, son­dern ärger­li­che Stel­lung­nah­men ab. Bischof Ger­hard Fei­ge von Mag­de­burg bei­spiels­wei­se stell­te am 20. April die rhe­to­ri­sche Frage: 

„Sind unse­re Got­tes­dienst­aus­fäl­le nicht fast Luxusprobleme?“

Den „weh­lei­di­gen oder kämp­fe­ri­schen“ Unmut man­cher Katho­li­ken bezeich­ne­te er als „irri­tie­rend“.

Bischof Hei­ner Wil­mer von Hil­des­heim warf den Katho­li­ken am 12. April vor, „nur auf die Eucha­ri­stie fixiert“ zu sein.

Irri­tiert und genervt gab sich auch Erz­bi­schof Franz Lack­ner von Salz­burg. Am 19. April beklag­te er, „lästi­ge“ Bitt­brie­fe von Gläu­bi­gen zu erhal­ten, die eine Wie­der­zu­las­sung von öffent­li­chen Mes­sen wünschen 

Auf Mundkommunion und Handkommunion folgt Pinzettenkommunion

Die Coro­na­kri­se bringt Anord­nun­gen her­vor, die ins Kurio­si­tä­ten­ka­bi­nett gehö­ren wie jene, daß die Kom­mu­ni­on nur mit einer „Kom­mu­ni­onpin­zet­te“ gespen­det wer­den darf. Neben Mund- und Hand­kom­mu­ni­on füh­ren die deut­schen Bischö­fe nun die Pin­zet­ten­kom­mu­ni­on ein. Nach­dem sie bereits vor 50 Jah­ren „inno­va­tiv“ waren und nach pro­te­stan­ti­schem Vor­bild die Hand­kom­mu­ni­on ein­führ­ten, ist ihre jüng­ste „avant­gar­di­sti­sche“ Ein­ge­bung die Pin­zet­ten­kom­mu­ni­on. Eine skur­ri­le Maß­nah­me, da nie­mand gezwun­gen ist, die Kom­mu­ni­on zu emp­fan­gen, schon gar nicht, wenn er sich aus hygie­ni­schen Grün­den vor dem Leib Chri­sti oder den Fin­gern des Zele­bran­ten fürchtet. 

Gemäß „deut­scher Gründ­lich­keit“ gilt die Anord­nung auch für die hei­li­ge Mes­se im über­lie­fer­ten Ritus, in der nur die Mund­kom­mu­ni­on erlaubt ist. Wer­den die Prie­ster der Tra­di­ti­on in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land erneut auf die Kom­mu­ni­ons­pen­dung ver­zich­ten? Das war bereits am Beginn der Coro­na-Kri­se der Fall, als die Bischö­fe, lit­ur­gisch unsen­si­bel, die kate­go­ri­sche Hand­kom­mu­ni­on verordneten.

In Süd­ko­rea sind die Kir­chen schon wie­der offen. Am ver­gan­ge­nen Sonn­tag wur­den lan­des­weit öffent­li­che Mes­sen zele­briert. Der Zugang ist auf ein Drit­tel des Fas­sungs­ver­mö­gens beschränkt, zudem müs­sen die Gläu­bi­gen einen Meter Abstand unter­ein­an­der ein­hal­ten. Am Kir­chen­ein­gang wird Des­in­fek­ti­ons­mit­tel zum Rei­ni­gen der Hän­de ange­bo­ten und die Kör­per­tem­pe­ra­tur der Gläu­bi­gen gemes­sen. Wer eine erhöh­te Tem­pe­ra­tur hat, wird abgewiesen. 

Kon­kret sieht das in Süd­ko­re­as Kir­chen dann so aus, wie das Bild aus der Kathe­dra­le von Mye­ong­dong vom ver­gan­ge­nen Sonn­tag zeigt.

Kathe­dra­le von Mye­ong­dong (Süd­ko­rea) am 26. April 2020

Am zwei­fel­haf­te­sten ist, daß jeder Gläu­bi­ge am Sonn­tag sei­ne Kon­takt­da­ten abzu­lie­fern hat­te, was in Süd­ko­rea die digi­ta­le Erfas­sung mit­tels Mobil­te­le­fon bedeu­tet, also die Akti­vie­rung eines Cont­act-Tra­cing-Systems oder des­sen Überprüfung.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Flickr/​Contafisca/​MiL

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