Das intakte Bild des Seligen

Nicht nur Coronavirus-Pandemie: Zagreb nach dem Erdbeben


Die schwer beschädigte Zagreber Herz-Jesu-Kirche nach dem Erdbeben. Doch es gibt auch den Lichtblick, der als „Zeichen Gottes“ gedeutet wird.
Die schwer beschädigte Zagreber Herz-Jesu-Kirche nach dem Erdbeben. Doch es gibt auch den Lichtblick, der als „Zeichen Gottes“ gedeutet wird.

(Zagreb) Die kroa­ti­sche Haupt­stadt Zagreb und deren Umge­bung wur­den am ver­gan­ge­nen Sonn­tag von einem schwe­ren Erd­be­ben erschüt­tert. Um 6:24 Uhr beb­te die Erde in der Stär­ke 5,3 auf der Rich­ter­ska­la. Es folg­ten zahl­rei­che Nach­be­ben. Das stärk­ste um 7:01 Uhr in der Stär­ke 5,0. Vor allem in der präch­ti­gen Zagre­ber Alt­stadt ent­stan­den schwe­re Schä­den an histo­ri­schen Bau­wer­ken, beson­ders an Kir­chen und Klö­stern. Schwer beschä­digt wur­de die Bischofs­kir­che des Erz­bi­schofs von Zagreb und Pri­mas von Kroa­ti­en, die Kathe­dra­le Mariä Him­mel­fahrt und der Hei­li­gen Ste­phan und Ladis­laus. Unter ande­rem brach die ober­ste Turm­spit­ze des Süd­tur­mes ab. Das zwei Meter hohe und andert­halb Ton­nen schwe­re Turm­kreuz stürz­te laut kroa­ti­schen Medi­en­be­rich­ten auf das erz­bi­schöf­li­che Palais, durch­schlug das Dach und kam erst vor dem Schlaf­zim­mer des Erz­bi­schofs zum Ste­hen. Kar­di­nal Josip Boza­nić blieb unver­letzt. Unver­sehrt ist auch das Grab des seli­gen Ivan Merz. Sein auf einem klei­nen Sockel auf einem Sei­ten­al­tar frei­ste­hen­des Bild beweg­te sich nicht von sei­nem Platz. Das ist eine Gele­gen­heit, in Zei­ten der Coro­na­vi­rus-Pan­de­mie den Blick auf die­sen jun­gen Seli­gen zu lenken.

Anzei­ge

Das letz­te gro­ße Erd­be­ben in Zagreb fand 1880 statt. Damals hat­te Kroa­ti­en noch einen habs­bur­gi­schen König und gehör­te seit der Reichs­tei­lung zur unga­ri­schen Reichs­hälf­te. Damals hat­te das Beben die Stär­ke 6,3 auf der Rich­ter­ska­la erreicht und zwei Todes­op­fer gefor­dert. Am ver­gan­ge­nen Sonn­tag wur­de ein fünf­zehn­jäh­ri­ges Mäd­chen zu Hau­se von her­ab­stür­zen­den Gebäu­de­tei­len erschla­gen. Die Kathe­dra­le in der Bischofs­stadt war nach dem Erd­be­ben von 1880 im zeit­ge­nös­si­schen Stil wie­der­auf­ge­baut worden.

Schwe­re Schä­den sind auch in der Ober­stadt zu bekla­gen, beson­ders am Par­la­ments­ge­bäu­de und an der Mar­kus­kir­che. Das Gebäu­de der Juri­sti­schen Fakul­tät wur­de um gan­ze zehn Zen­ti­me­ter ver­scho­ben und ist wegen aku­ter Ein­sturz­ge­fahr gesperrt. Selbst wo die Außen­mau­ern stand­hiel­ten, ist das Inne­re von Kir­chen wie die von den Jesui­ten betreu­te Herz-Jesu-Kir­che ein Trümmerfeld.

Das unverrückte Bild des Seligen
Das unver­rück­te Bild des Seligen

Das unter­streicht, wie bemer­kens­wert es ist, daß das Bild des seli­gen Ivan Merz, das sich wie sein Grab in der Herz-Jesu-Kir­che befin­det, um kei­nen Mil­li­me­ter ver­rückt ist. Das ent­spre­chen­de Bild wur­de von der Pres­se­agen­tur der Kroa­ti­schen Bischofs­kon­fe­renz ver­öf­fent­licht. Unter der dar­ge­stell­ten Altar­plat­te des Sei­ten­al­tars befin­det sich das unver­sehr­te Grab des Seligen.

Ivan Merz wur­de am 22. Juni 2003 von Papst Johan­nes Paul II. seliggesprochen. 

Hans (Ivan) Merz wur­de am 16. Dezem­ber 1896 in Ban­ja Luka gebo­ren, das damals zu Öster­reich-Ungarn gehör­te. Die habs­bur­gi­sche Dop­pel­mon­ar­chie hat­te 1878 Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na über­nom­men, als die Tür­ken aus dem Bal­kan zurück­ge­drängt wer­den konn­ten. Die Osma­nen hat­ten die Stadt 1521 erobert. Bis dahin hat­te sie zusam­men mit Bihac zu Kroa­ti­en gehört, wes­halb das Gebiet nach der osma­ni­schen Erobe­rung als Tür­kisch-Kroa­ti­en bekannt wurde.

Ivans Vater, Moritz Merz (geb. 1868), war ein öster­rei­chi­scher Offi­zier. Er stamm­te aus Michels­burg bei Pil­sen in Böh­men und hat­te die Offi­ziers­lauf­bahn ein­ge­schla­gen. Sei­nen Dienst, zunächst in Prag, dann in Teme­schwar (Timișo­ara), hat­te er 1886 beim k.u.k. Infan­te­rie­re­gi­ment Wil­helm von Würt­tem­berg Nr. 73 ange­tre­ten. 1891 wur­de er der k.u.k. Bos­na­bahn zuge­teilt, die nach 1878 von der k. u. k. Armee in Bos­ni­en gebaut wur­de und zunächst unter Mili­tär­ver­wal­tung stand. Moritz Merz war Lei­ter der Eisen­bahn­sta­ti­on Ban­ja Luka und der Eisen­bahn­li­nie Ban­ja Luka – Dobrl­jin (Dober­lin). Er wur­de spä­ter ver­be­am­tet und blieb auf die­sem Posten bis 1919. Im Ersten Welt­krieg wur­de ihm das Gol­de­ne Ver­dienst­kreuz am Ban­de der Tap­fer­keits­me­dail­le verliehen. 

Sei­ne Mut­ter war The­re­se Stern-Mersch. Da der Vater Katho­lik, die Mut­ter aber Jüdin war, hei­ra­te­te das Paar zunächst nur stan­des­amt­lich im König­reich Ungarn. Das ein­zi­ge Kind des Paa­res wur­de am 2. Febru­ar 1897 vom Mili­tär­ka­plan Petar And­ras­sy in der Woh­nung der Eltern getauft. Dabei erhielt er den Namen Johan­nes, was im Sla­wi­schen Ivan heißt, wes­halb er nach dem Ersten Welt­krieg im kroa­ti­schen Umfeld als Ivan Merz bekannt wur­de. In sei­ner Fami­lie wur­de er Hans genannt.

Erst ein Jahr nach sei­ner Tau­fe hei­ra­te­ten die Eltern auch kirch­lich. Die Ehe zwi­schen einem katho­li­schen Offi­zier und einer assi­mi­lier­ten Jüdin, die der Ehe­schlie­ßung wegen kon­ver­tier­te, erklärt das libe­ra­le Kli­ma, das in der Fami­lie herrsch­te. Das Ver­hält­nis zwi­schen Eltern und Sohn war von gro­ßer Herz­lich­keit geprägt. Durch die Stel­lung des Vaters gehör­te die Fami­lie in der Stadt zum klei­nen Kreis der hono­ri­gen Fami­li­en. Selbst der Umgang mit Gene­rä­len war dem Jun­gen von klein auf ver­traut. Eine beson­de­re Fröm­mig­keit zeig­te er noch nicht, besuch­te aber jeden Sonn­tag die hei­li­ge Mes­se, was von der Schu­le initi­iert war und fast von allen Schü­lern befolgt wur­de. Erste Anzei­chen eines geleb­ten Glau­bens lie­ßen sich erken­nen, als er Real­schü­ler wur­de und sich dar­über empör­te, daß der Name Got­tes respekt­los aus­ge­spro­chen wur­de, und auch dar­auf beharr­te, daß am Frei­tag in der Fami­lie das Fasten­ge­bot ein­ge­hal­ten wurde. 

Banja Luka, die Heimatstadt von Hans Merz
Ban­ja Luka, die Hei­mat­stadt von Hans Merz

Gro­ßen Ein­fluß soll­te ab der 6. Klas­se sein Kroa­tisch­leh­rer Lju­bo­mir Mara­ko­vic auf ihn haben, der den christ­lich­so­zia­len Ideen von Bischof Antun Mah­nic nahe­stand, einem Slo­we­nen, der seit 1896 Bischof von Veglia (Krk) war und sich gegen den Pes­si­mis­mus und Skep­ti­zis­mus im dama­li­gen Kul­tur­schaf­fen von Slo­we­nen und Kroa­ten wand­te. Er war zugleich aber auch ein Ver­fech­ter einer slo­we­ni­schen und kroa­ti­schen Natio­nal­be­we­gung, wes­halb er 1919 von den Ita­lie­nern aus sei­nem Bis­tum, das zu Ita­li­en kam, depor­tiert wurde. 

Der Ein­fluß von Mara­ko­vic führ­te dazu, daß der jun­ge Hans Merz, der mit­ten in Bos­ni­en leb­te und die Schu­le besuch­te, zum über­zeug­ten Kroa­ten wur­de. Der Schü­ler war zur Mei­nung gelangt, er kön­ne trotz sei­ner Her­kunft kein Deut­scher sein, „denn sie haben die Slaven unter­jocht“. Das las­se sein Gerech­tig­keits­sinn nicht zu. Das kroa­ti­sche Volk, dem sei­ne Sym­pa­thien gel­ten, hält er noch für „unver­dor­ben“, wenn­gleich die Städ­te „ver­dor­ben“ sei­en, da „viel Übel aus Euro­pa“ komme.

Die Stadt Ban­ja Luka zähl­te 1910 14.800 Ein­woh­ner, von denen 26,6 Pro­zent katho­li­sche Kroa­ten, 44,5 Pro­zent mus­li­mi­sche Bos­nia­ken und 25 Pro­zent ortho­do­xe Ser­ben waren. Ganz anders waren die Mehr­heits­ver­hält­nis­se in dem aus­ge­dehn­ten, die Stadt umge­ben­den Land­be­zirk mit mehr als 58.000 Bewoh­nern. Dort mach­ten die Kroa­ten 24,6 Pro­zent, die Bos­nia­ken nur 4,2 Pro­zent, die Ser­ben aber 71 Pro­zent aus. Die Katho­li­ken bewohn­ten den klei­ne­ren Teil des Bezir­kes nörd­lich der Stadt, die Ortho­do­xen den grö­ße­ren Teil west­lich und süd­lich davon. Bei­de eth­nisch-reli­giö­sen Grup­pen hat­ten ein kom­pak­tes Sied­lungs­ge­biet. Die Stadt Ban­ja Luka bil­de­te die Ausnahme.

Neben den kul­tur­po­li­ti­schen Nei­gun­gen auf pan­sla­wi­sti­scher Grund­la­ge beschäf­tig­te sich der jun­ge Hans Merz in den obe­ren Klas­sen der Real­schu­le bereits inten­siv mit reli­giö­sen Fra­gen und sei­ner Selbsterziehung. 

Künst­le­risch begabt und lite­ra­risch und phi­lo­so­phisch inter­es­siert, leg­te er 1914 die Matu­ra ab und faß­te den Ent­schluß, selbst Gym­na­si­al­pro­fes­sor wer­den zu wol­len. Über sei­ne Schul­zeit äußer­te er sich 1925 aller­dings kri­tisch. Die Libe­ra­len hät­ten ihm in den Kopf „soviel Lügen ein­ge­trich­tert, daß ich die­sel­ben viel­leicht noch nicht abge­schüt­telt habe“.

Nach der Matu­ra trat er über­ra­schend in die Mili­tär­aka­de­mie in Wie­ner Neu­stadt ein. Ein Phi­lo­so­phie­stu­di­um blieb ihm ver­schlos­sen, da er als Real­schü­ler kein Latein gelernt hat­te, und die Eltern dräng­ten auf die mili­tä­ri­sche Laufbahn.

An der Mili­tär­aka­de­mie will er, ein­mal ein­ge­tre­ten, „ein guter Sol­dat“ wer­den. Schnell stel­len sich inne­re Kon­flik­te ein, die sowohl natio­nal­po­li­tisch moti­viert sind, wegen sei­ner Hin­nei­gung zu den süd­sla­wi­schen Völ­kern, als auch reli­gi­ös. Über vie­le Offi­zie­re, denen er begeg­net, urteilt er hart: 

„Ihr Ide­al ist nicht Gott. Im All­ge­mei­nen ver­ach­ten sie die Reli­gi­on, was eine natür­li­che Sache ist, denn sie ken­nen sie nicht.“ 

Sie wür­den weder an die Ver­gäng­lich­keit noch an den Schöp­fer oder die Natur und ihre Geset­ze den­ken. Als sich ein Aka­de­mi­ker am Aus­bil­dungs­ort erschießt, notiert Merz in sei­nem Tage­buch trocken: 

„Es ist kein Wun­der. Ihr Ide­al ist Sol­dat zu wer­den, dar­über hin­aus macht man sich kei­ne Gedan­ken. Wenn die­ses Ide­al ent­schwin­det, und man den Sinn des Lebens nicht kennt, will man nicht mehr leben. Das Leben ist kein Ruhen, son­dern ein Opfer.“ 

Schließ­lich resü­mier­te er: „Hier ist der Herd der Unmo­ral und des Ver­falls Öster­reichs“. Zugleich ver­merk­te er aber mit einem Hauch Sozi­al­ro­man­tik: „Vom Bau­ern erwar­ten wir die Renais­sance der Gesellschaft.“

Hans Merz als Leutnant im Ersten Weltkrieg
Hans Merz als Leut­nant im Ersten Weltkrieg

Er wird zum Pazi­fi­sten und ver­ur­teilt den Krieg als „Bestia­li­tät“. Wegen einer Lap­pa­lie im Arrest, wo er sich „präch­tig“ zurecht­fin­det, liest er „Die Kunst zu beten“. Kurz vor Weih­nach­ten ver­läßt er die Mili­tär­aka­de­mie, an der „so vie­le so nied­rig den­ken“. Er fährt nach Wien, besucht in der Hof­oper die Auf­füh­rung einer Wag­ner­oper und ver­säumt absicht­lich den Zug für die Rück­fahrt. Das bringt ihm einen neu­en, dies­mal ein­kal­ku­lier­ten Arrest ein. In den Weih­nachts­fe­ri­en bringt er sei­nen Eltern in Ban­ja Luka scho­nend bei, nicht mehr nach Wie­ner Neu­stadt zurückzukehren.

Im Gegen­zug imma­tri­ku­lier­te er an der Uni­ver­si­tät Wien und nahm im Som­mer­se­me­ster 1915 auf Wunsch der Eltern ein Stu­di­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten, was deren Bedin­gung war, sei­nen Abgang von der Mili­tär­aka­de­mie zu akzep­tie­ren. Die dafür not­wen­di­ge Latein­prü­fung muß­te er nach­ho­len. Er leg­te sie im Okto­ber 1915 in Sara­je­wo ab: 

„Ich habe im Jesui­ten­klo­ster gewohnt… Schon um 5 Uhr früh läu­ten die Glocken, die Orgel spielt und es wer­den Kir­chen­lie­der gesun­gen. Dar­in liegt viel Poesie.“

In Wien ist Hans Merz häu­fi­ger Gast der Opern‑, Thea­ter- und Kon­zert­häu­ser, aber auch der Kunst­ga­le­rien. Er genießt das Kul­tur­le­ben der Welt­stadt. Mit den Wer­ken beschäf­tigt er sich jeweils vor und nach den Auf­füh­run­gen gründ­lich. Im katho­li­schen aka­de­mi­schen Ver­ein „Hrvat­s­ka“ (Kroa­ti­en), der Bischof Mah­nic nahe­steht, hält er Vor­trä­ge dar­über. Er liebt die durch die Kunst aus­ge­drück­te Religion.

Eine aus­ge­präg­te Seh­schwä­che, die ihn seit dem 10. Lebens­jahr plagt, schränkt das Lesen ein und behin­dert ihn beim Stu­di­um. Es ist eine Zeit der inne­ren Rei­fung, die aus sei­nem Tage­buch spricht. 

Schließ­lich wird auch er im Herbst 1915 zum Kriegs­dienst ein­be­ru­fen, absol­viert in der Stei­er­mark sei­ne Aus­bil­dung und legt die Offi­ziers- und Berg­füh­rer­prü­fung ab. Anschlie­ßend kommt er nach Tirol an die ita­lie­ni­sche Front.

Nach dem Krieg nimmt er in Wien schließ­lich das von ihm ange­streb­te Phi­lo­so­phie­stu­di­um auf und belebt den Ver­ein Hvrats­ka neu. Sein Vater wird 1919 für die neu­en Eisen­bah­nen des König­reichs der Ser­ben, Kroa­ten und Slo­we­nen nach Zagreb ver­setzt und beför­dert, wes­halb die Eltern dort­hin über­sie­deln. Das gan­ze Augen­merk von Hans Merz kon­zen­triert sich nun auf den Auf­bau einer katho­li­schen Stu­den­ten­be­we­gung. So gehört er zu den Grün­dern der katho­li­schen aka­de­mi­schen Ver­ei­ni­gung Logos in Wien, in der Katho­li­ken der ver­schie­de­nen Natio­na­li­tä­ten zusam­men­fin­den. Eben­so war er Mit­glied der Maria­ni­schen Kon­gre­ga­ti­on und unter­hält enge Kon­tak­te zum Mis­si­ons­zen­trum St. Gabri­el im Süden von Wien.

Rege nimmt er Anteil am Wir­ken der Katho­li­schen Akti­on im Erz­bis­tum Wien und bemüh­te sich, Ideen zu sam­meln, die er den Kroa­ten ver­mit­teln woll­te. 1920 schrieb er für die Grün­dung der Inter­na­tio­na­len Katho­li­schen Stu­den­ten­uni­on über Natio­na­lis­mus und Internationalismus:

„Der Inter­na­tio­na­lis­mus, wie ihn die Pazi­fi­sten sich den­ken, ist die Nega­ti­on jeder natio­na­len Kul­tur. Für uns ist der Inter­na­tio­na­lis­mus ein rein tech­ni­scher Begriff für jene Orga­ni­sa­ti­on, wel­che die gleich­be­rech­tig­ten Glie­der ver­schie­de­ner Natio­nen in eine ein­zi­ge Orga­ni­sa­ti­on zum Zwecke einer Koope­ra­ti­on ver­ei­nigt.
Unser Stand­punkt gegen­über dem Natio­na­lis­mus: Der Natio­na­lis­mus ist nur inso­fern berech­tigt, als er dem Mes­si­as und sei­ner Kir­che dient. Er ist rela­tiv, wenn wir ihn mit der Idee der Kir­che ver­glei­chen. Wenn die Mes­si­as-Idee die Natio­nen durch­drun­gen haben wird, dann wird der Wolf mit dem Scha­fe wei­den und der Ego­is­mus wird ver­nich­tet sein, der sich in jedem Natio­na­lis­mus befin­det.
Wir ver­wer­fen ent­schie­den auch den uto­pi­schen Kos­mo­po­li­tis­mus. Wir wol­len das Chri­sten­tum ver­brei­ten und das zu aller­erst in der Nati­on, der wir sel­ber ange­hö­ren, aber wir wol­len die Far­ben und Nuan­cen des Men­schen­ge­schlechts nicht absicht­lich weg­wi­schen, denn sie ermög­li­chen ihm in allen Rich­tun­gen sei­nen Zweck zu errei­chen. Das Schick­sal des jüdi­schen Vol­kes, wel­ches vom natio­na­len Chau­vi­nis­mus und von Blind­heit geschla­gen den Mes­si­as ver­warf, muß den Natio­nen der gan­zen Welt und aller Zei­ten ein Memen­to sein, sich vor über­trie­be­nem Natio­na­lis­mus zu hüten und alle ihre Ener­gien für die Ver­brei­tung des Got­tes­staa­tes ein­zu­le­gen. Der Auf­trag für den Ein­zel­nen, die Natio­nen und die Mensch­heit muß in den Wor­ten Chri­sti lie­gen: ‚Suchet zuerst das Reich Got­tes und alles ande­re wird Euch gege­ben wer­den‘ (Mt 6, 33).“

Eben­so schrieb er:

„Damit das Chri­sten­tum geho­ben wird, muß in erster Linie der Kle­rus hei­lig sein.“

Hans Merz als junger Akademiker
Hans Merz als jun­ger Akademiker

In Ruß­land hat­ten 1917 die Kom­mu­ni­sten die Macht an sich geris­sen und es eben­so gewalt­sam 1919 in Ungarn, Wien und Mün­chen ver­sucht. Hans Merz erkann­te die Gefahr. Er woll­te, daß die sozia­le Fra­ge durch die Katho­li­ken, nicht durch die Kom­mu­ni­sten gelöst wird. Zum Stu­di­um des Kom­mu­nis­mus besuch­te er in Wien und Zagreb eini­ge ihrer Ver­samm­lun­gen. Ihm war aber klar, daß es kein kul­tu­rel­ler, kein poli­ti­scher oder sozia­ler, auch kein ästhe­ti­scher Katho­li­zis­mus sein kön­ne, dem sein Stre­ben gilt, son­dern ein­zig und allein die Katho­li­zi­tät Christi.

Von 1920–1922 begab sich Hans Merz auf Emp­feh­lung für zwei Jah­re zum Stu­di­um nach Paris, von wo aus er unter ande­rem Lour­des besuch­te. An der Sei­ne ver­kehr­te er im Kreis der katho­li­schen Intel­li­genz. Wäh­rend er die päpst­li­che Ver­ur­tei­lung der Action Fran­çai­se begrüß­te, ori­en­tier­te er sich vor allem an der Kin­der- und Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on der „Kreuz­kämp­fer“, womit er die 1886 gegrün­de­te Asso­cia­ti­on catho­li­que de la jeu­nesse fran­çai­se mein­te. Zudem nahm er Ein­flüs­se von Dom Gué­ran­ger auf, der die lit­ur­gi­sche Erneue­rung in Frank­reich ange­sto­ßen hat­te. So setz­te er sich nach sei­ner Rück­kehr nach Kroa­ti­en für die Wie­der­ent­deckung des Gre­go­ria­ni­schen Cho­rals ein.

Sein eige­nes Leben gestal­te­te er durch die Ein­übung von Ent­halt­sam­keit. Gebet und Fasten nah­men eine zen­tra­le Rol­le ein. Sei­ne gro­ße Sor­ge war die Bekeh­rung sei­ner Eltern, die nur lang­sam vor­an­kam. Am 20. Janu­ar 1921 ver­zeich­ne­te er in sei­nem Tagebuch: 

„Der Vater emp­fing nach 25 Jah­ren am 12.1. die hl. Kom­mu­ni­on. Mei­ne Gebe­te zum Her­zen Jesu sind erhört wor­den. Es bleibt noch die Mut­ter mei­ne Sor­ge! Herz Jesu hilf!“

Im März des­sel­ben Jah­res schrieb er den Eltern:

„Ihr müßt immer über­zeugt sein, daß das Leben kurz ist und ewig die Ewig­keit, daß die See­le des Men­schen, wie es unlängst ein fran­zö­si­scher Poli­ti­ker aus­sprach, wert­vol­ler sei als die gan­ze Welt, denn die Welt wird ver­ge­hen, die See­le aber immer am Leben bleiben.“

Im Juni 1923 wur­de Hans Merz in Zagreb zum Dok­tor der Phi­lo­so­phie pro­mo­viert. Noch im sel­ben Jahr leg­te er das Staats­examen in den Fächern Fran­zö­sisch, Deutsch und Kroa­tisch ab und erhielt eine Anstel­lung als Pro­fes­sor für Deutsch und Fran­zö­sisch am erz­bi­schöf­li­chen Gym­na­si­um von Zagreb. 

Par­al­lel stu­dier­te er Scho­la­sti­sche Phi­lo­so­phie und Theo­lo­gie. Sein per­sön­li­cher Tages­ab­lauf war drei­ge­teilt in einen reli­giö­sen Teil, einen des Stu­di­ums und einen der Akti­on. Dar­an hielt er sich mit kon­se­quen­ter Dis­zi­plin. Letz­te­rer galt dem Auf­bau der Katho­li­schen Akti­on und der katho­li­schen Kroa­ti­schen Adler-Ver­ei­ni­gung  Orao (HOS). Hans Merz wur­de zur trei­ben­den Kraft der katho­li­schen kroa­ti­schen Jugend. Er orga­ni­sier­te, publi­zier­te, lehr­te und führte.

1930 grün­de­te er in Kroa­ti­en, was er in Frank­reich gese­hen hat­te: die Križa­ri, „die Kreuz­rit­ter der neu­en Zeit“. Sie soll­ten „dem gro­ßen Werk der Erneue­rung der katho­li­schen Bewe­gung die­nen“ und in erster Linie Gebets­apo­sto­lat und Selbst­hei­li­gung sein. Obwohl Merz selbst sehr kon­tem­pla­tiv ver­an­lagt war und auch danach leb­te, war er sich der Bedeu­tung der Auf­ga­be bewußt, an der Errich­tung einer katho­li­schen Gesell­schaft mit­zu­wir­ken. Jeden Mor­gen stand er um 5:30 Uhr auf, mach­te kurz Gym­na­stik, nahm eine kal­te Dusche und wid­me­te sich eine Drei­vier­tel­stun­de der geist­li­chen Betrach­tung. Anschlie­ßend besuch­te er die hei­li­ge Mes­se meist in der Jesui­ten­kir­che, wo er heu­te bestat­tet ist. Am Sonn­tag war er bemüht, zwei Mes­sen zu besu­chen und abends eine Stun­de Anbe­tung zu halten.

An jedem Abend las er geist­li­che Lek­tü­re, hielt eine Gewis­sens­er­for­schung, bete­te den Rosen­kranz und berei­te­te alles für die näch­ste mor­gend­li­che Betrach­tung vor. Sein per­sön­li­ches „Geheim­nis“, wie er es nann­te, lautete:

„Jesus, ich wün­sche, daß ich dich über die Hl. Maria täg­lich umso mehr liebe.“

Sei­ne Gesund­heit war nicht die beste. Ab dem 10. Lebens­jahr litt er unter der Seh­schwä­che. 1927 zog er sich mit einer star­ken Grip­pe eine Rip­pen­fell­ent­zün­dung zu. Er bemüh­te sich, sei­nem Lei­den und der Zwangs­pau­se von sei­nen Akti­vi­tä­ten eine geist­li­che Dimen­si­on zu geben. 

Im Febru­ar 1928 ver­zeich­ne­te er im Tagebuch: 

„Heu­te hat die Mam­ma das erste Mal ein­ge­wil­ligt, daß der Rosen­kranz in unse­rer Fami­lie gemein­sam gebe­tet wur­de. Mor­gen ist die Fei­er der Mut­ter­got­tes von Lour­des. Das ist ihr Werk.“

Kurz dar­auf kommt eine Kie­fer­höh­len­ent­zün­dung dazu. Im Tage­buch steht:

„Es ist leicht täg­lich die Hl. Kom­mu­ni­on zu emp­fan­gen und am Mah­le des Herrn teil­zu­neh­men. Oh, wie hart ist es aber für den Men­schen, wenn er bei­ßen muß und nagen am har­ten Holz des hl. Kreuzes!“

Zu sei­ner Mut­ter ver­merk­te er im Febru­ar 1928, sie mache sich Sor­ge um sei­ne Gesundheit:

„Die Mam­ma lei­det sehr, aber ich sehe nun, daß sie jetzt ger­ne betet. Gestern taten wir das Gelöb­nis, daß wir, wann immer sich Gele­gen­heit bie­tet und die Arbeit im Hau­se es erlaubt, immer gemein­sam den Rosen­kranz beten wol­len. Ver­wun­der­lich: Als ob die­ses unser Lei­den bei der Mam­ma Wun­der bewirkt hät­te, sie betet jetzt ziem­lich leicht und allein den Rosen­kranz und sagt, daß sie heu­te eini­ge hun­dert Vater­un­ser und Gegrü­ßet seist du Maria gebe­tet habe. Hier sieht man, wie das Lei­den das stärk­ste Mit­tel ist zur Ret­tung und Wei­he der Seelen.“

Das Bild am Seitenaltar, darunter sein Grab
Das Bild am Sei­ten­al­tar, dar­un­ter das Grab von Hans Ivan Merz

Der Gesund­heits­zu­stand kom­pli­zier­te sich. Die Ärz­te rie­ten zu einer Ope­ra­ti­on. Hans Merz berei­te­te sich auf sie so gründ­lich vor und regel­te sei­ne Din­ge, als gin­ge er dem Tod ent­ge­gen. Er hat­te es offen­sicht­lich geahnt. Sei­ner Mut­ter sag­te er mehr­fach, er wer­de vor ihr ster­ben und bat sie, ein jun­ges Vor­stands­mit­glied der katho­li­schen Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on, das weder Vater noch Mut­ter mehr hat­te, wie einen Sohn anzu­neh­men. Er ver­ab­schie­de­te sich von den Eltern mit gro­ßer Herz­lich­keit und beson­ders innig, such­te sei­nen Beicht­va­ter auf, emp­fing das Buß­sa­kra­ment und begab sich ins Krankenhaus.

Am 26. April 1928 fand der ope­ra­ti­ve Ein­griff statt. Anschlie­ßend tra­ten star­ke Blu­tun­gen auf. In den Auf­zeich­nun­gen von Dra­gut­in Knie­wald, der Hans Merz per­sön­lich kann­te, ist unter Beru­fung auf des­sen Vater Moritz Merz festgehalten: 

„Ein wun­der­schö­ner Brief des Erz­bi­schofs Šarić und das Tele­gramm des Bischofs Sre­brnić, die ihm den bischöf­li­chen Segen sen­den, konn­te er nicht mehr lesen, aber wir teil­ten ihm bei Bewußt­sein den Inhalt mit. Der apo­sto­li­sche Nun­ti­us, der sich um 9 Uhr auf der Durch­rei­se mit mir eini­ge Wor­te in Zagreb unter­hielt und von der Krank­heit des Dr. Merz erfuhr, besuch­te ihn und spen­de­te ihm den apo­sto­li­schen Segen. Ganz erschüt­tert sag­te er bei die­ser Gele­gen­heit zu Hans‘ Vater: „Wenn er stirbt, ist es kein Unglück für ihn, wohl aber für uns“. Am Vor­abend sei­nes Todes erhielt er tele­gra­phisch vom Hl. Vater Papst Pius XI. selbst den Segen.“

Er ertrug alles mit größ­ter Geduld und starb mit den Ster­be­sa­kra­men­ten ver­se­hen am 10. Mai 1928 im Alter von 31 Jah­ren im Ruf der Heiligkeit.

Auf sei­nem Grab­stein steht geschrieben:

I(ohannes) M(erz) IN PACE
MIHI VIVERE CHRISTUS FUIT ET MORI LUCRUM

“ [Ich] Johan­nes Merz [ruhe hier] in Frie­den. Chri­stus war mein Reich­tum im Leben und im Tode.“ 

Wäh­rend das Haupt­schiff der Herz-Jesu-Kir­che durch die her­ab­stür­zen­de Decke ein Trüm­mer­feld ist, wur­den das Bild und das Grab des seli­gen Hans Ivan Merz nur mit Staub bedeckt.

Nach dem Erd­be­ben von 1880 erließ der dama­li­ge Bür­ger­mei­ster von Zagreb, damit Gott die Stadt scho­ne, ein Ver­bot für „schwe­res Flu­chen und Läste­run­gen“. Bei Zuwi­der­hand­lung droh­ten Haft­stra­fen von sechs Stun­den bis 14 Tagen. Auch das Sonn- und Fei­er­tags­ge­bot sol­le strikt ein­ge­hal­ten werden. 

Wie die Medi­en berich­te­ten, reagier­te das Volk tat­säch­lich mit einer star­ken Teil­nah­me an den hei­li­gen Mes­sen und zahl­rei­chen Beichten.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wikicommons/NBQ/ivanmerz.hr (Screen­shots)

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