(Luxemburg) Luxemburg zählt nur 614.000 Bewohner, von denen vor allem wegen der EU-Institutionen die Hälfte Ausländer sind. Obwohl ein so kleines Land, weist das Großherzogtum fast 500 Coronavirus-Infizierte auf. Zum Vergleich: Das Kaiserreich Japan, das mit 126.860.000 zweihundertsiebenmal mehr Einwohner zählt, fast nur Japaner, weist mit 963 Fällen nicht einmal doppelt so viele Erkrankungen auf.
Dabei trat der erste Coronavirus-Fall in Luxemburg erst am 29. Februar auf, in Japan schon am 16. Januar. Eine nennenswerte Anzahl an Erkrankungen (mehr als 25) wurde in Luxemburg erst am 12. März erreicht, in Japan bereits am 5. Februar.
Das nach allen Seiten hin offene Luxemburg, das ebenso spät reagierte wie andere EU-Mitgliedsstaaten, ist in weit kürzerer Zeit hundertmal stärker von der Coronavirus-Epidemie betroffen als Japan.
Auch der Erzbischof des Großherzogtums, Kardinal Jean-Claude Hollerich SJ, der zugleich auch Vorsitzender der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union (COMECE) ist, befindet sich in Quarantäne. In einem Telefongespräch mit dem Luxemburger Wort, der größten Tageszeitung des Landes, die sich mehrheitlich im Eigentum des Erzbistums befindet, nahm der Kardinal zur Coronavirus-Epidemie Stellung. Der Verfechter von offenen Grenzen meinte dabei, den Glauben „einiger Leute“ an Wunder „nicht zu teilen“.
Erzbischof Hollerich wurde gefragt, was er den Gläubigen sagt, die über die drakonischen Maßnahmen der Bischöfe, in einigen Ländern alle Messen auszusetzen, enttäuscht und empört sind. Seine Antwort:
„Die Allermeisten haben Verständnis dafür, weil es geht ja darum, Leben zu retten. Das Leben der älteren Menschen und von dem gefährdeten Teil der Bevölkerung zu retten, sie keinem Risiko auszusetzen. Und die meisten Leute nehmen das sehr gut an. Es sind aber auch einige, die klagen: Und jetzt nimmt man uns auch noch das! Oder wo so ein Wunderglaube vorhanden ist, den ich allerdings nicht teile.“
Die nüchtern klingende Antwort des Kardinals wirkt vielmehr ernüchternd. Der Glauben an Wunder spielt eine wichtige Rolle im christlichen Glauben, denn durch die Wunder hat Christus sich als Messias und Sohn Gottes zu erkennen gegeben und seine Vollmacht bezeugt.
Gehört das für Kardinal Hollerich alles einer fernen Vergangenheit an, die heute und jetzt keine Rolle mehr spielt? Glaubt Kardinal Hollerich, daß Gott sich von seiner Schöpfung zurückgezogen hat? Oder glaubt er, daß Gott im 21. Jahrhundert keine Wunder mehr wirken kann? Oder stellt der Kardinal eine Wahrscheinlichkeitsrechnung an?
Wie man es auch dreht und wendet, eine solche Antwort aus dem Mund eines Kirchenfürsten erstaunt. Oder paßt sie vielleicht nur zu gut zur Europäischen Union, der gegenüber er als Vorsitzender die Bischofskonferenzen vertritt?
Bedenklich erscheint die Wortmeldung des Erzbischofs und Ordensmitbruders von Papst Franziskus noch in anderer Hinsicht. Der Journalist des Luxemburger Wortes betonte, daß an mehreren Orten Bittprozessionen abgehalten werden, um den Schutz des Allmächtigen vor der Epidemie zu erflehen. Bittprozessionen waren durch die Jahrhunderte ein probates Mittel der Christenheit, um die Hilfe des Himmels vor Seuchen und anderen Übeln zu erbitten.
Kardinal Hollerich widersprach jedoch energisch:
„Ich rufe die Gläubigen zum Gebet auf, aber keinesfalls zu Prozessionen. Die einzigen, die sich über Prozessionen freuen, sind die Viren.“
Der horizontalen Sicht des Kardinals scheint die vertikale Perspektive zu fehlen. Den Jesuiten, der im Oktober 2019 von Papst Franziskus zum Kardinal kreiert wurde, mag es verwundern, doch es gibt tatsächlich noch gläubige Katholiken, die an Wunder glauben und die überzeugt sind, daß Gott als Schöpfer von Himmel und Erde wirklich Herr über die gesamte Schöpfung ist, und daß es durchaus denkbar ist, daß Er der Menschheit auch mit einer Coronavirus-Pandemie etwas sagen will.
Dem stehen Oberhirten gegenüber, die sich darauf beschränken, bereitwillige und eilfertige Vollstrecker staatlicher Anweisungen zu sein, selbst in Bereichen, wie dem Kultus, wo dem Staat keine Zuständigkeit zukommt.
Kardinal Hollerich betonte: „Leben schützen muß absolute Priorität haben“, allerdings könnten manche bezweifeln, daß er damit das ewige Leben meinte.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Luxemburger Wort (Screenshot)