Erzbischof Giampaolo Crepaldi, der Bischof von Triest und emeritierte Vorsitzende des International Observatory Cardinal Van Thuan for the Social Doctrine of the Church (Kardinal-Van-Thuan-Beobachtungsstelle für die Soziallehre der Kirche), gehört zu den herausragenden Vertretern der katholischen Soziallehre. Er veröffentlichte nun ein Dokument über die Coronavirus-Krise, in dem er „den Tod der Europäischen Union durch das Coronavirus“ feststellt. Der Erzbischof von Triest schreibt darin unter anderem:
„Die Erfahrungen der letzten Tage haben gezeigt, daß die Europäische Union nicht nur gespalten, sondern ein Phantom ist. Unter den Mitgliedsstaaten ist es zu egoistischen Disputen gekommen anstatt zu Zusammenarbeit. Italien ist isoliert und wurde alleingelassen. Die Europäische Kommission hat spät und die Europäische Zentralbank schlecht interveniert. Angesichts der Epidemie hat sich jeder Staat eingeschlossen. Die Ressourcen, die Italien zur Bewältigung der Notsituation benötigt, die zu anderen Zeiten beispielsweise mit der Abwertung der Währung verbunden gewesen wären, hängen jetzt von den Entscheidungen der Union ab, denen wir uns beugen müssen.
Das Coronavirus hat definitiv die Künstlichkeit der Europäischen Union aufgedeckt. Sie ist nicht in der Lage, in der Not die Zusammenarbeit zwischen den Staaten zu erreichen, denen sie sich durch Souveränitätstransfer übergestülpt hat. Das Fehlen des moralischen Kitts wurde durch den institutionellen und politischen Kitt nicht kompensiert. Dieses unrühmliche Ende der Europäischen Union durch das Coronavirus ist zur Kenntnis zu nehmen. Ebenso gilt es nun zu denken, daß eine Zusammenarbeit zwischen europäischen Staaten im Kampf für die Gesundheit auch außerhalb supranationaler politischer Institutionen möglich ist.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Correspondenza Romana