(Rom) Das Kirchenoberhaupt sollte Leuchtturm und Führer sein, doch im Vatikan herrscht ein großes Durcheinander. Wenn die Welt in Unordnung gerät, sollte der Papst ein Hort der Ruhe sein. Das Bild, das sich derzeit zeigt, sieht allerdings anders aus. „Der Vatikan im Durcheinander“, schreibt der bekannte Vatikanist Sandro Magister. Zweimal erteilte Papst Franziskus in den vergangenen Tagen einen Befehl, den er innerhalb von 24 Stunden wieder zurücknahm.
Italien kann für sich in Anspruch nehmen, vom Coronavirus als erster Staat Europas überrascht worden zu sein, und zahlt dafür einen hohen Preis. Italien ist das am stärksten betroffene Land weltweit. Die Zahl der Toten steigt täglich. Allein gestern gab es weit über 400 Tote. Das ganze Land ist Notstandsgebiet. Es herrschen Quarantänemaßnahmen in unterschiedlicher Intensität. Im Norden dürfen die Bürger die Häuser nur in Notfällen verlassen, das Gemeindegebiet gar nicht.
Auch das Leben im Vatikan, dem kleinen Kirchenstaat, ist durch die Pandemie aus dem gewohnten Rhythmus geworfen worden. Nicht nur der päpstliche Terminkalender ist gestrichen. Das Virus machte auch der päpstlichen Agenda einen Strich durch die Rechnung. Der Gesamteindruck, den der Heilige Stuhl derzeit vermittelt, ist wenig hilfreich. Die Entscheidungsketten scheinen nicht mehr zu funktionieren. Das hat nicht nur mit dem Virus zu tun. Diesem gingen in den vergangenen Jahren die Bestrebungen von Papst Franziskus voraus, die eingespielten Kommunikations- und Entscheidungswege zu durchkreuzen und zu durchbrechen, indem er seine Entscheidungen zum Teil an ihnen vorbei traf und parallele, informelle Kommunikationskanäle auftat – manchmal ad hoc. Diese erweisen sich in Krisenzeiten als wenig tauglich. Die Folge sind Entscheidungen, die kurz darauf wieder zurückgenommen werden. Sie sind auch offensichtlicher Ausdruck von Ratlosigkeit.
Der erste Vorfall
Der Vatikanist Sandro Magister sieht als Ursache für den ersten der beiden Vorfälle die seit sieben Jahren vorangetriebenen Bestrebungen von Franziskus, eine Kurienreform zu erreichen. Schon länger wird unter Beobachtern gemunkelt, daß Franziskus zwar klare Vorstellungen darüber habe, wie er die Kurie nicht haben wolle, aber weniger klare Vorstellungen dazu, wie seine Vorstellungen organisatorisch umgesetzt werden könnten.
Am 6. März, „als die Römische Kurie halb verlassen war, da sich alle ihre Führungskräfte zu den Fastenexerzitien in der Gegend der Castelli Romani befanden, und Franziskus sich wegen eines ‚leichten Unwohlseins‘ in Santa Marta halb zurückgezogen hatte“, wurde im Tagesbulletin des Heiligen Stuhls die Errichtung „eines neuen, wichtigen Amtes“ bekanntgegeben:
„Seine Heiligkeit Franziskus nahm den Vorschlag des Kardinalsrates und des Wirtschaftsrates an und veranlaßte die Errichtung der ‚Personalgeneraldirektion‘ in der Abteilung für allgemeine Angelegenheiten des Staatssekretariats.“
Die Nachricht ging weitgehend unter, da sich derzeit alles auf das Coronavirus konzentriert.
Detailliert wurde in der Verlautbarung beschrieben, daß die neue Personalgeneraldirektion Zuständigkeit für das Personal sämtlicher Dikasterien der Römischen Kurie, aber auch aller mit ihr verbundenen Einrichtungen und Agenturen habe, also zum Beispiel auch über die Vatikanbank IOR. Wörtlich hieß es:
„Es handelt sich um einen Schritt von großer Bedeutung auf dem vom Heiligen Vater beschrittenen Reformweg.“
Die Vatikanmedien und dem regierenden Papst nahestehende weltliche Medien berichteten die Entscheidung mit großer Begeisterung. Doch bereits am nächsten Tag ruderte der Vatikan zurück. Das vatikanische Presseamt veröffentlichte am 7. März eine ungewöhnliche Presseerklärung:
„In Bezug auf die gestrige Ankündigung zur Errichtung der Personalgeneraldirektion wird präzisiert, daß es sich derzeit um einen Vorschlag handelt, den Kardinal Reinhard Marx, Koordinator des Wirtschaftsrates, und Kardinal Oscar Rodríguez Maradiaga, SDB, Koordinator des Kardinalsrates, dem Heiligen Vater unterbreitet haben, damit er diese Struktur etabliere. Der Heilige Vater wird den Vorschlag prüfen und, wenn er es für angemessen hält, die Struktur zu gegebener Zeit in der von ihm festgelegten Weise mit einem speziellen Motu Proprio errichten.“
Innerhalb von 24 Stunden wurde die Entscheidung vom Vortag wieder zurückgenommen. Hatte Papst Franziskus sich die Sache nicht gut überlegt oder abrupt seine Meinung geändert? Oder hatte es jemand gewagt, im Namen des Papstes eine Entscheidung zu treffen, die dieser weder wollte noch von ihr wußte?
John Allen, früher der Rom-Korrespondent des progressiven US-Flaggschiffs National Catholic Reporter (NCR) und seit einigen Jahren Redaktionsleiter von Crux, sprach von einem „epic flip-flop“. Zugleich schilderte er, daß die Personalverwaltung des Vatikans ungeordnet und chaotisch sei. Zahlreiche Institutionen stellen unabhängig und eigenmächtig Personal ein. Es fehle an Qualifikationskriterien, es gebe zu viele Überschneidungen, und vor allem ergebe sich daraus der Effekt eines zu großen Apparates.
Die erste Erklärung, mit der die Errichtung einer zentralen Personalverwaltungsstelle bekanntgegeben wurde, hatte viele aufgeschreckt und Widerstand hervorgerufen. Die Konsequenzen ließen nicht lange auf sich warten. Mit den Worten von Sandro Magister ausgedrückt:
„Fakt ist, daß das neue Personalbüro bereits gestorben war, noch bevor es geboren wurde.“
Damit wurde allerdings auch das Durcheinander im Vatikan erheblich erhöht, weil die Verunsicherung erhöht wurde.
Da zusammen mit Magister vorausgesetzt werden darf, daß sich das vatikanische Presseamt die Errichtung der Personalgeneraldirektion nicht ausgedacht hatte, kann eine entsprechende Anweisung nur vom vatikanischen Staatssekretariat und damit letztlich von Papst Franziskus ergangen sein. Ebenso nur von dort kann die Anweisung am nächsten Tag auch wieder zurückgenommen worden sein.
„Jener Freitag, der 6. März, war ein unglücklicher Tag. Franziskus hatte an diesem Tag einen Überraschungsbesuch in Portacomaro geplant, jenem piemontesischen Dorf, aus dem seine Großeltern und sein Vater nach Argentinien ausgewandert waren, und in dem noch heute einige Verwandte leben.“
Der Besuch, von dem Magister berichtet, wurde im letzten Moment abgesagt, da die italienische Regierung bereits strengere Beschränkungen der Bewegungsfreiheit vorbereitete, die am Abend des 7. März bekanntgegeben wurden. Seit 8. März sind italienweit durch die Bischöfe alle Messen ausgesetzt, auch im Bistum Rom. Offiziell wurde ein Schnupfen des Papstes als Grund für die Absage angegeben. In Wirklichkeit wollte man den Papst nicht einem Gesundheitsrisiko aussetzen.
Der zweite Vorfall
Der zweite Zwischenfall von beachtenswertem Ausmaß steht in direktem Zusammenhang mit dem Coronavirus. Am erwähnten 8. März, dem zweiten Fastensonntag, ordnete die Italienische Bischofskonferenz die Aussetzung aller öffentlichen Messen und anderen religiösen Zeremonien an. Wie die Bischöfe zugleich mitteilten, sollen die Kirchen offenbleiben, um den Gläubigen den Besuch des Allerheiligsten und das persönliche Gebet zu ermöglichen.
Die Vatikanstadt und die exterritorialen Kirchen des Papstes, das sind die römischen Patriarchalbasiliken und andere, sind von der Anordnung der Bischofskonferenz nicht betroffen, da sie nicht in ihre Zuständigkeit fallen.
Am 10. März gab das vatikanische Presseamt bekannt, daß der Petersplatz und der Petersdom ab sofort „für Führungen und Touristen gesperrt“ sind. Die Bekanntmachung wird zu jenem Zeitpunkt so interpretiert, daß für die Gläubigen der Zugang weiter offenbleibt. Doch dem ist nicht so. Die italienische Polizei riegelt hermetisch ab.
Am 13. März sagt Kardinal Angelo Comastri, Erzpriester von Sankt Peter, dem vatikanischen Nachrichtenportal VaticanNews:
„Ich möchte klarstellen, daß der Petersdom heute von 7 Uhr morgens bis 18 Uhr abends immer offen und nie geschlossen war. Offensichtlich haben die Leute Schwierigkeiten zu kommen, aber die wenigen, die kommen, beten.“
Über den Petersplatz konnten diese „wenigen“ Gläubigen, die den Petersdom erreichten, nicht gekommen sein. Sie konnten die Patriarchalbasilika nur aus dem Inneren der Vatikanstadt erreichen.
Warum aber empfand Kardinal Comastri das Bedürfnis, zu erklären, daß der Petersdom immer offengeblieben ist, fragte sich Sandro Magister.
„Weil an jenem 13. März und am Vortag, dem 12. März, in Rom und im Vatikan Feuer am Dach war.“
Um 12 Uhr mittags des 12. März hatte Kardinalvikar Angelo De Donatis, der für den Papst die Diözese Rom leitet, ein Dekret erlassen, mit dem nicht nur die Aussetzung der Messen und der religiösen Zeremonien für das Bistum bestätigt wurde, sondern überhaupt die Schließung aller Kirchen und Kapellen angeordnet wurde. Das ging noch über die Anordnung der Bischofskonferenz hinaus. Es bedeutete, daß auch die Kirchen und Kapellen der Vatikanstadt und die Patriarchalbasiliken betroffen waren. Laut Dekret sollte die Anordnung bis zum 3. April gelten.
Am 13. März trat Papst Franziskus vor der morgendlichen Messe in Santa Marta, die wegen des Coronavirus sine populo stattfindet, aber dafür in Direktübertragung über Internet verbreitet wird, an das Mikrophon und kritisierte das Dekret des Vortages, ohne dieses ausdrücklich beim Namen zu nennen. Wörtlich sagte der Papst:
„Drastische Maßnahmen sind nicht immer gut. Deshalb beten wir: daß der Heilige Geist den Pastoren die Fähigkeit und die pastorale Unterscheidung schenke, damit sie Maßnahmen ergreifen, die das heilige, treue Volk Gottes nicht alleinlassen.“
Am selben Morgen meldete sich Kardinal Konrad Krajewski, der Almosenier des Papstes und dessen getreuer Arm in sozialen Fragen, auf VaticanNews zu Wort. Die Stellungnahme gab er an der Schwelle zu seiner Titelkirche Santa Maria Immacolata auf dem Esquilin ab, übrigens die Kirche, die vor bald drei Jahren als möglicher Sitz der Personalprälatur der Priesterbruderschaft St. Pius im Gespräch war, wenn es zu einer Einigung mit Rom gekommen wäre:
„Es ist mein Recht, den Armen eine offene Kirche sicherzustellen, und so kam ich um 8 Uhr morgens hierher und habe das Kirchenportal geöffnet.“
Gegenüber Crux erklärte er kurz darauf:
„Ja, es ist ein Akt des Ungehorsams. Es ist ein Akt, der den anderen Priestern Mut machen soll.“
Es war allerdings schwer vorstellbar, daß ausgerechnet Kardinal Krajewski gegenüber Franziskus ungehorsam sein wollte. Die dritte Erklärung, jene von Kardinal Comastri, wurde bereits erwähnt. Die Konsequenz blieb nicht aus: Kardinalvikar De Donatis korrigierte noch am 13. März sein Dekret vom Vortag. Alle Pfarrkirchen wurden wieder geöffnet, alle anderen Kirchen und Kapellen bleiben aber geschlossen. Zumindest eine „andere Kirche“ Roms wurde nie geschlossen, die deutsche Nationalkirche Santa Maria dell’Anima, weil deren Rektor Franz Xaver Brandmayr auf das erste Dekret des Kardinalvikars mit den Worten reagierte: „Wer meine Kirche schließen will, muß zuerst mich überwinden“. Keiner hat es bisher versucht.
Die vatikanischen Medien und noch lautstarker die weltlichen Medien stellten die Sache wie folgt dar: Ein wahnwitziger Kardinalvikar habe alle Kirchen sperren lassen, doch Papst Franziskus habe energisch eingegriffen, den Kardinal zurechtgewiesen und die Kirchen wieder öffnen lassen. Magister merkt dazu süffisant an:
„Leider hat fast die Gesamtheit der Medien, mit wenigen Ausnahmen, vergessen, zu überprüfen, was sie in alle vier Winde hinausbrüllten.“
Kardinalvikar De Donatis veröffentlichte sein zweites Dekret zusammen mit einem Hirtenbrief an die Gläubigen der Diözese Rom. Darin findet sich gleich am Anfang ein Hinweis, der die mediale Darstellung widerlegt:
„Mit einer beispiellosen Entscheidung haben wir gestern, nach Rücksprache mit unserem Bischof Papst Franziskus, das Dekret veröffentlicht, mit dem die Schließung unserer Kirchen für drei Wochen festgelegt wird.“
Der Kardinalvikar hatte nicht selbstherrlich und im Alleingang gehandelt, sondern nur seine Aufgabe erfüllt, nämlich im Bistum Rom umzusetzen, was der Papst als Bischof der Diözese anordnet.
Daß Papst Franziskus es sich dann anders überlegte, weil viele Priester, wie Brandmayr, der Rektor der Anima, betonte, gegen die Maßnahme aufbegehrten, steht auf einem ganz anderen Blatt geschrieben. Die Verantwortung wälzte er auf den Kardinalvikar ab. Der zum Sündenbock Gemachte legte allerdings mit seinem Halbsatz am Beginn des Hirtenbriefes die Hintergründe offen. Dort heißt es weiter:
„Eine neuerliche Begegnung mit Papst Franziskus heute morgen hat uns jedoch dazu veranlaßt, ein anderes Bedürfnis zu berücksichtigen. Daher das neue Dekret, das Ihnen mit diesem Brief übermittelt wird.“
Elegant war die Art nicht, mit der sich Papst Franziskus aus der Affäre zog. Magister sagt es so:
„Es gibt unterschiedliche Arten und Weisen. Franziskus hätte es seinem Kardinalvikar ersparen können, von ihm öffentlich als unfähig, ohne Unterscheidungsgabe und unsensibel gegenüber den Armen und dem ‚heiligen, treuen Volk Gottes‘ hingestellt zu werden. Doch genau das ist geschehen.“
Hören wir auch Magisters Schlußbemerkung:
„Dieser Zwischenfall, wie auch der vorhergehende, hat nicht nur die Defekte im vatikanischen Kommunikationssystem bloßgelegt – am Montag, 16. März, wurde Paolo Ruffini, der Präfekt des Kommunikationsdikasteriums, vom Papst in Audienz empfangen –, sondern mehr noch jene in der Kommandokette. Angefangen bei ihrem ersten Glied: Franziskus.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/Diocesi di Roma (Screenshot)
Es ist jetzt nicht die Zeit über den den Papst und das übrige „Bodenpersonal“ unserer Kirche zu urteilen !
Papst Franziskus ruft für heute Abend um 21:00 Uhr dazu auf den ( lichtreichen ) Rosenkranz mitzubeten.
Wir wissen welche Kraft dieses segensreiche Gebet in der Vergangenheit zeigte und welche Verheißungen unsere
allerheiligste Mutter Maria damit verbunden hat.
Bitte beten Sie alle täglich betrachtend den Rosenkranz.
Unser Herr erfüllt die Bitten seiner heiligen Mutter.