Rom korrigiert teilweise die „drastischen Maßnahmen“

Pfarrkirchen wieder offen


Zumindest Roms Pfarrkirchen sind wieder offen. Geschlossen bleibt die Klosterkirche (Bild), die auch Titelkirche eines Kardinals ist.
Zumindest Roms Pfarrkirchen sind wieder offen. Geschlossen bleibt die Klosterkirche (Bild), die auch Titelkirche eines Kardinals ist. Alle öffentlichen Messen bleiben untersagt.

(Rom) Am 12. März erließ der Kar­di­nal­vi­kar von Rom, Ange­lo De Dona­tis, das Dekret Nr. 468/​20, mit dem er die Schlie­ßung aller Kir­chen anord­ne­te, nach­dem bereits zuvor alle Mes­sen unter­sagt wor­den waren. Radi­ka­ler geht es nicht mehr. Der Kar­di­nal­vi­kar ver­tritt den Papst in des­sen Amt als Bischof von Rom in der Lei­tung der Diö­ze­se. Es folg­ten jedoch Reaktionen.

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Der Rek­tor der deut­schen Natio­nal­kir­che in Rom, Franz Xaver Brand­mayr, lei­ste­te Wider­stand. Wer die Schlie­ßung sei­ner Kir­che San­ta Maria dell’Anima wol­le, müs­se ihn zuerst phy­sisch über­win­den. Damit wur­de der öster­rei­chi­sche Prie­ster zum Hel­den der Stun­de. Katho​li​sches​.info führ­te ein Inter­view mit ihm.

Papst Fran­zis­kus übte gestern vor sei­ner mor­gend­li­chen Mes­se in San­ta Mar­ta Kri­tik und äußer­te Zwei­fel, ob „dra­sti­sche Maß­nah­men“ immer die am besten geeig­ne­ten Mit­tel sei­en. Das „hei­li­ge Volk Got­tes“ dür­fe sich nicht allein­ge­las­sen füh­len. Die Men­schen bräuch­ten „den Trost des Wor­tes Got­tes, der Sakra­men­te und des Gebets“. Damit stand die Fra­ge im Raum, ob der Papst nicht weiß, was der Bischof von Rom tut, da kaum denk­bar ist, daß der Kar­di­nal­vi­kar von Rom ohne vor­he­ri­ge Rück­spra­che und Ein­wil­li­gung des Pap­stes den radi­kal­sten aller denk­ba­ren Schrit­te setzt, indem er alle Mes­sen unter­sagt und alle Kir­chen schließt.

Eben­so undenk­bar ist, daß die Ita­lie­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz, deren for­ma­les Ober­haupt der Papst als Bischof von Rom ist, sol­che Maß­nah­men ohne Rück­spra­che und päpst­li­che Zustim­mung trifft.

Tat­sa­che ist aber auch, daß nach der Über­re­ak­ti­on ein Umdenk­pro­zeß statt­fand. Nicht nur die Reak­ti­on des muti­gen Rek­tors der Ani­ma erfolg­te, son­dern auch im übri­gen Bis­tum und im Vati­kan waren star­ke Beden­ken gegen so „dra­sti­sche Maß­nah­men“ laut geworden.

Noch gestern erließ Kar­di­nal­vi­kar De Dona­tis ein wei­te­res Dekret, mit dem jenes vom Vor­tag „prä­zi­siert“ wur­de. Der voll­stän­di­ge Wort­laut, weil er auch kir­chen­recht­li­che Hin­wei­se enthält:

„Die Kir­che von Rom in vol­ler Gemein­schaft mit ihrem Bischof, dem Ober­sten Hir­ten der Welt­kir­che, ist sich der sym­bo­li­schen Bedeu­tung der getrof­fe­nen Ent­schei­dung des vor­ge­nann­ten Dekrets bewußt. Die Coro­na­vi­rus-Infek­ti­on brei­tet sich auf expo­nen­ti­el­le Wei­se aus: Inner­halb weni­ger Tage hat sich die Zahl der Betrof­fe­nen ver­dop­pelt, und in die­sem Tem­po ist unschwer vor­her­zu­se­hen, daß in weni­gen Tagen eine Grö­ßen­ord­nung von Zehn­tau­sen­den von betrof­fe­nen Per­so­nen allein in Ita­li­en erreicht wird. Die Gefahr eines Kol­lap­ses des Gesund­heits­we­sens ist offen­sicht­lich und schon von vie­len ange­spro­chen wor­den, vor allem wegen der Unver­hält­nis­mä­ßig­keit zwi­schen der zur Ver­fü­gung ste­hen­den Inten­siv­the­ra­pie und der Zahl der Erkrank­ten. Es könn­te eine noch grö­ße­re Zahl von Per­so­nen betrof­fen wer­den, vor allem Alte und ver­letz­li­che Sub­jek­te. Wir kön­nen die­se tra­gi­sche Even­tua­li­tät nur ein­däm­men, indem wir Maß­nah­men ergrei­fen, um die Ansteckung zu brem­sen und es dem natio­na­len Gesund­heits­dienst zu ermög­li­chen, sich zu reor­ga­ni­sie­ren. In den Ita­lie­nern wächst das Bewußt­sein, daß hin­ter der Ein­la­dung, das Haus nicht zu ver­las­sen, die unauf­schieb­ba­re Not­wen­dig­keit steht, das All­ge­mein­wohl zu schüt­zen.
Den­noch hat jede kirch­li­che Vor­sichts­maß­nah­me nicht nur das Gemein­wohl der Zivil­ge­sell­schaft zu berück­sich­ti­gen, son­dern auch jenes ein­zi­ge und kost­ba­re Gut des Glau­bens, vor allem den Glau­ben der Kleinsten.

Das Dekret Nr. 468/​20 wird daher abge­än­dert, indem den Prie­stern und allen Gläu­bi­gen die Letzt­ver­ant­wor­tung über den Besuch eines Kult­or­tes zufällt, sodaß die Bevöl­ke­rung kei­ner Ansteckungs­ge­fahr aus­ge­setzt und gleich­zei­tig das Zei­chen der phy­si­schen Zugangs­ver­hin­de­rung zu den Kult­or­ten durch die Schlie­ßung der­sel­ben ver­mie­den wird, was Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit und ein noch grö­ße­res Gefühl der Ver­un­si­che­rung schaf­fen könnte.

Im beson­de­ren wird ange­ord­net,
daß die Nr. 1 des Dekrets 468/​20 fol­gen­der­ma­ßen geän­dert wird:

1. Die Gläu­bi­gen wer­den ange­hal­ten, bis zum 3. April mit rei­fem Bewußt­sein und Ver­ant­wor­tungs­ge­fühl den Anwei­sun­gen der Dekre­te des Mini­ster­prä­si­den­ten Fol­ge zu lei­sten, beson­ders dem Dekret #Ich blei­be zu Hau­se. In Fol­ge des Dar­ge­leg­ten sind die Gläu­bi­gen von der Erfül­lung der Sonn­tags­pflicht (vgl. cann. 1246–1248 CIC) dis­pen­siert. Alle Kir­chen, die nicht Pfarr­kir­che sind, blei­ben geschlos­sen und gene­rell alle Kult­ge­bäu­de jeder Art (vgl. can. 1214ff CIC); es blei­ben hin­ge­gen geöff­net: die Pfarr­kir­chen und jene Kir­chen, die Mis­si­ons­sitz mit Seel­sor­ge sind, und die­sen gleich­ge­stell­te. Eben­so zugäng­lich blei­ben die Kapel­len dau­er­haft kon­sti­tu­ier­ter Gemein­schaf­ten (Orden, Mönchs­ge­mein­schaf­ten usw. vgl. can. 1223 CIC) beschränkt auf die ent­spre­chen­de Gesamt­heit jener, die sie gewohn­heits­mä­ßig nüt­zen, weil sie dort woh­nen oder mit­le­ben, bei gleich­zei­ti­ger Unter­sa­gung des Zugangs für Gläu­bi­ge, die nicht feste Mit­glie­der der betref­fen­den Gemein­schaft sind.

Die kirch­li­che Gemein­schaft, die uns ver­bin­det, wird uns in unse­rer täg­li­chen Anstren­gung unter­stüt­zen, auf den Not­stand schnell, effi­zi­ent und mit wah­rem Glau­bens­geist zu reagieren.

Ich seg­ne Euch. Mut­ter der Gött­li­chen Lie­be, bit­te für uns!

Rom, Sitz des Vika­ri­ats im Apo­sto­li­schen Late­r­an­pa­last, am 13. März A.D. 2020

Card. Ange­lo De Dona­tis
Vikar

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Il Sus­si­dia­rio (Screen­shot)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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