Querida Amazonia – das Scheitern einer Synode und eines Kardinals

Anmerkungen zum nachsynodalen Schreiben der Amazonassynode


Papst Franziskus und Kardinal Marx, ein Scheitern in gemeinsamer Sache – mit welchen Konsequenzen?
Papst Franziskus und Kardinal Marx, ein Scheitern in gemeinsamer Sache – mit welchen Konsequenzen?

Anmer­kun­gen von Giu­sep­pe Nardi.

Anzei­ge

Das nach­syn­oda­le Schrei­ben Quer­ida Ama­zo­nia (QA) über­rascht gro­ße Tei­le der Kir­che, und das auf allen Sei­ten. Erstau­nen läßt das tota­le Schwei­gen zu der am mei­sten und mit Ban­gen erwar­te­ten Fra­ge über den prie­ster­li­chen Zöli­bat. 55 Jah­re nach dem Ende des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils sind die neo­mo­der­ni­sti­schen Kräf­te erneut geschei­tert. Rober­to de Mat­tei, der Vor­sit­zen­de der Lepan­to-Stif­tung und Orga­ni­sa­tor der Aci­es ordi­na­ta vom 18. Janu­ar in Mün­chen, zitier­te dazu den Satz: „Die Revo­lu­ti­on frißt ihre Kin­der“. Auch das Wort Zöli­bat wird in dem nach­syn­oda­len Schrei­ben nicht erwähnt.

Der Papst beschränkt sich dar­auf, den Wunsch zu äußern, daß die Häu­fig­keit des Meß­be­suchs auch in den ent­le­gen­sten Gegen­den zuneh­men möge (QA, 86 und 88). Genau die­se Zunah­me kop­pel­ten die Macher hin­ter der Ama­zo­nas­syn­ode, allen vor­an der öster­rei­chi­sche Mis­si­ons­bi­schof Erwin Kräut­ler und Bra­si­li­ens Kar­di­nal Clau­dio Hum­mes, mit der For­de­rung nach Auf­he­bung des prie­ster­li­chen Zöli­bats. Für die poli­ti­sche wie kirch­li­che Lin­ke sind „Struk­tur­re­for­men“ das All­heil­mit­tel. Genau die­ser Weg ent­spricht aber nicht dem der Kir­che, deren Erneue­rung immer aus dem Inne­ren kom­men muß. Äuße­re Refor­men kön­nen nur die Kon­se­quenz einer inne­ren Erneue­rung sein, aber nicht umgekehrt.

Auch zur Rol­le der Frau in der Kir­che lie­fert das nach­syn­oda­le Schrei­ben kei­ne Neue­run­gen, dabei hat­ten Obe­rin­nen von katho­li­schen Frau­en­or­den und die Dele­gier­ten des „Syn­oda­len Weges“ im Frank­fur­ter Bar­tho­lo­mäus­dom mit Nach­druck auch dazu „struk­tu­rel­le Refor­men“ gefor­dert. Die Mono­to­nie pro­gres­si­ver „Lösun­gen“ hät­te viel­leicht sogar etwas Erhei­tern­des, wenn durch offen­kun­di­ge Blind­heit nicht soviel auf dem Spiel stünde.

Fran­zis­kus erteilt der Zulas­sung der Frau­en zum Wei­he­sa­kra­ment mit Quer­ida Ama­zo­nia viel­mehr eine Absa­ge. Im Para­graph 100 begrün­det er sein Nein mit der damit ver­bun­de­nen „Kle­ri­ka­li­sie­rung der Frau­en“. Damit wür­de das Kir­chen­ver­ständ­nis auf „funk­tio­na­le Struk­tu­ren“ reduziert.

Im Augen­blick fällt es schwer, zu ver­ste­hen, was genau Papst Fran­zis­kus von sei­nem zwei­fels­oh­ne beab­sich­tig­ten Schritt zurück­schrecken ließ, Hand an das sakra­men­ta­le Prie­ster­tum zu legen. Das Augen­merk rich­tet sich aber zu Recht auf das Plä­doy­er­buch von Kar­di­nal Robert Sarah und Bene­dikt XVI., das am 15. Janu­ar im fran­zö­si­schen Ori­gi­nal in den Buch­han­del kam und wie eine Bom­be ein­schlug. Die deut­sche Aus­ga­be wird am 21. Febru­ar erschei­nen, die eng­li­sche Aus­ga­be sogar erst am 12. März. Ihnen bleibt zu wün­schen, daß sie dann in viel­leicht ruhi­ge­rer Zeit jene Ver­tie­fung einer Theo­lo­gie des Zöli­bats ansto­ßen, die die Kir­che als Schutz­damm gegen die kirch­li­chen Ver­tre­ter der „Sexu­el­len Revo­lu­ti­on“ braucht.

Das Versagen von Bischofskonferenz und „Synodalem Weg“

Für jene, die den Zusam­men­hang nicht ver­ste­hen soll­ten, ein kur­zer Ein­schub. Die Marx-Bode-Mehr­heit der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz hat­te den „Syn­oda­len Weg“ unter ande­rem damit begrün­det, daß eine drin­gen­de Not­wen­dig­keit gege­ben sei, auf den sexu­el­len Miß­brauchs­skan­dal durch Kle­ri­ker zu reagie­ren. Dabei berie­fen sie sich auf die von ihnen in Auf­trag gege­be­ne MHG-Stu­die, benannt nach den Uni­ver­si­tä­ten Mann­heim, Hei­del­berg und Gie­ßen, an denen die Autoren leh­ren. Die Autoren benann­ten im prie­ster­li­chen Zöli­bat eine zen­tra­le Ursa­che des sexu­el­len Miß­brauchs und ent­larv­ten sich damit selbst als Pro­phe­ten der „Sexu­el­len Revo­lu­ti­on“. War­um? Weil die Prä­mis­se ihrer Schluß­fol­ge­rung offen­sicht­lich falsch ist. Was auch grund­sätz­li­che Zwei­fel zur Stu­die auf­wirft. War­um ist sie falsch? Weil min­de­stens 80 Pro­zent aller Miß­brauchs­op­fer männ­lich sind, was ein erdrücken­des Über­ge­wicht homo­se­xu­el­ler Tat­mo­ti­ve offen­legt. Die gigan­ti­sche Opfer­zahl in Rela­ti­on zur gerin­gen Zahl an Homo­se­xu­el­len ist gera­de­zu nie­der­schmet­ternd. Erschüt­ternd ist daher auch die Blind­heit der Autoren, die die­sen Zusam­men­hang nicht erken­nen woll­ten, eben­so wenig die Bischö­fe. Es ist offen­sicht­lich, daß die Abschaf­fung des prie­ster­li­chen Zöli­bats eines mit Sicher­heit nicht ist: irgend­ei­ne Form von Miß­brauchs­prä­ven­ti­on. Dar­aus folgt, daß die Behaup­tung, wegen des sexu­el­len Miß­brauchs­skan­dals in der Zöli­bats­fra­ge aktiv wer­den zu müs­sen, nur ein Vor­wand ist, der es zudem an Respekt­lo­sig­keit gegen­über den Miß­brauchs­op­fern nicht feh­len läßt. Die deut­schen Bischö­fe haben sich damit selbst ein denk­bar schlech­tes Zeug­nis aus­ge­stellt, und das in einer sehr ern­sten Fra­ge, denn der Miß­brauchs­skan­dal ver­langt nach Kon­se­quen­zen, und das drin­gend. Doch die Bischö­fe möch­ten lie­ber ihre eige­ne Wirk­lich­keit schaf­fen. Anders aus­ge­drückt, sie woll­ten den sexu­el­len Miß­brauchs­skan­dal ihrer­seits miß­brau­chen, um den Zöli­bat abzu­schaf­fen, obwohl die­ser damit in kei­nem ursäch­lich rele­van­ten Zusam­men­hang steht.

Das geschah nicht nur vor dem Hin­ter­grund, daß eben jeder sein eige­nes Süpp­chen kocht, die Bischö­fe ihres, die beauf­trag­ten Kri­mi­no­lo­gen ein ande­res, son­dern lie­fert ein Sit­ten­bild der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, in der das The­ma Homo­se­xua­li­tät zum umge­kehr­ten Tabu gewor­den ist. Es ist das Sit­ten­bild einer ver­kehr­ten Welt: Sprich über Homo­se­xua­li­tät und Homo­se­xu­el­le nur Gutes, oder schwei­ge – Miß­brauchs­op­fer hin oder her.

Die rote Linie für den Papst

Katho​li​sches​.info schrieb am 14. Janu­ar zum Kon­flikt, der um das Buch von Kar­di­nal Sarah und Bene­dikt XVI. ent­brannt war, aber den Zöli­bat meinte:

„Fran­zis­kus weiß, was er tut, und alles was er tut, tut er bewußt und berech­nend. Das betrifft auch sein Vor­ge­hen im Zusam­men­hang mit dem drän­gen­den Wunsch der kirch­li­chen 68er-Bewe­gung, den Zöli­bat aus der Liste der Wei­he­vor­aus­set­zun­gen zu strei­chen und als kon­sti­tu­ti­ves Ele­ment des latei­ni­schen Prie­ster­tums zu besei­ti­gen.
Die­sen Bestre­bun­gen stel­len sich nun aber zwei der höch­sten Kir­chen­ver­tre­ter in den Weg. Kein Gerin­ge­rer als Bene­dikt XVI., der Vor­gän­ger von Fran­zis­kus auf dem Papst­thron, und kein Gerin­ge­rer als Robert Kar­di­nal Sarah, der Prä­fekt der römi­schen Kon­gre­ga­ti­on für den Got­tes­dienst und die Sakra­men­ten­ord­nung. Sie ram­men mit ihrem Buch einen Mark­stein in den Boden, der für die Wie­der­her­stel­lung kla­rer Ver­hält­nis­se sorgt, die Fran­zis­kus seit meh­re­ren Jah­ren ver­hin­dert. Der vor­ma­li­ge Papst und der Kar­di­nal­prä­fekt haben eine rote Linie gezo­gen, die der gesam­ten Kir­che eine Über­tre­tung sicht­bar macht.“

Kuri­en­erz­bi­schof Georg Gäns­wein wur­de das Opfer des päpst­li­chen Furors, der sich wegen des Buches ent­lud. Offi­zi­ell wur­de er vom Amt des Prä­fek­ten des Päpst­li­chen Hau­ses auf unbe­stimm­te Zeit sus­pen­diert. Er wird es mit Blick auf die erreich­te Ver­hin­de­rung der Zöli­bats­li­qui­die­rung mit Fas­sung tra­gen können.

Die rote Linie, die Bene­dikt XVI. und Kar­di­nal Sarah mann­haft und uner­schrocken gezo­gen haben, wur­de zum Prüf­stein für Fran­zis­kus. Die bei­den Autoren hiel­ten trotz der dif­fa­mie­ren­den Kam­pa­gne, die über sie her­ein­brach, noch ehe das Buch erschie­nen war, stand. Es hat sie „ins Herz getrof­fen“ und „tief geschmerzt“, wie Kar­di­nal Sarah es aus­drück­te. Sie wis­sen nun, was sie damit bewegt haben.

Da Fran­zis­kus sich selbst mit der Aura des nicht Greif­ba­ren umgibt, bei dem nichts sicher scheint und alles stän­dig im Fluß ist, bleibt in Gesprä­chen mit römi­schen Beob­ach­tern ein Rest­zwei­fel, ob auf die Über­ra­schung von Quer­ida Ama­zo­nia nicht eine umge­kehr­te Über­ra­schung fol­gen könn­te. Das ist ver­ständ­lich. Die Zei­chen schei­nen jedoch ziem­lich klar und fin­den ihre Bestä­ti­gung gera­de im ange­kün­dig­ten Rück­zug von Kar­di­nal Marx vom Amt des Vor­sit­zen­den der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz. Auch er ist gescheitert. 

Nun weiß man, wes­halb er am 3. Febru­ar in Rom war, ob aus eige­ner Initia­ti­ve oder zitiert, sei dahin­ge­stellt. Das Ergeb­nis war jedoch, daß Fran­zis­kus ihm mit­teil­te, den prie­ster­li­chen Zöli­bat mit dem nach­syn­oda­len Schrei­ben nicht wie gedacht, kap­pen zu wer­den. Die auf die­se Ankün­di­gung fol­gen­den Tage wer­den für Marx kein Spa­zier­gang gewe­sen sein. Der Kar­di­nal, ein auf­merk­sa­mer Leser von Katho​li​sches​.info, konn­te die Anschul­di­gun­gen bei der Pres­se­kon­fe­renz der Aci­es ordi­na­ta am 18. Janu­ar, z.B. von Micha­el Matt und John Hen­ry Westen, noch weg­stecken, selbst den Vor­wurf, ein „fal­scher Pro­phet“ zu sein, was dann doch schwer ver­dau­li­che Kost für einen Kar­di­nal sein muß. Weg­stecken konn­te er es nur unter einer Bedin­gung: mit sei­nem „Syn­oda­len Weg“ erfolg­reich zu sein.

Amazonassynode gescheitert

Die Ama­zo­nas­syn­ode, die sechs Jah­re die­ses Pon­ti­fi­kats in Anspruch nahm, ist geschei­tert, so wie Kar­di­nal Marx mit sei­nem „Syn­oda­len Weg“ geschei­tert ist. Was Marx nicht schaff­te, wird Bode erst recht nicht schaf­fen, ist er doch im Ver­gleich zum macht­be­wuß­ten Haus­her­ren im Münch­ner Palais Holn­stein ein Leichtgewicht. 

Kar­di­nal Marx hat­te mit dem „Syn­oda­len Weg“ die Büch­se der Pan­do­ra geöff­net. Er muß­te „lie­fern“, und ging die­sen Weg auch nur, weil er mit kal­ku­lier­tem Risi­ko von einem Erfolg aus­ge­hen konn­te. Am 3. Febru­ar erfuhr er aus dem Mund von Fran­zis­kus, daß er sei­ner „selt­sa­men Syn­ode“ (Kar­di­nal Robert Sarah) nicht „lie­fern“ wird kön­nen. Den Kar­ren der Kir­che in Deutsch­land sol­len nun ande­re aus dem Gra­ben zie­hen, in den Marx ihn mit vol­ler Wucht gefah­ren hat. Wer sich das antun will und auch die Sta­tur dazu hat, muß sich erst zeigen.

Die Gegen­schlä­ge aus Deutsch­land und Bra­si­li­en auf das nach­syn­oda­le Schrei­ben ste­hen noch aus. Am bedeut­sam­sten wird es nun sein, zu beob­ach­ten, wie jene Krei­se um Fran­zis­kus, die ihn 2013 auf den Schild geho­ben haben, nun reagie­ren wer­den. Es besteht kein Zwei­fel, daß das soge­nann­te Team Berg­o­glio, der aus­füh­ren­de Arm des inner­kirch­li­chen Geheim­zir­kels von Sankt Gal­len, mit dem dama­li­gen Erz­bi­schof von Bue­nos Aires, Jor­ge Mario Berg­o­glio, Wahl­ma­ni­pu­la­ti­on ver­ein­bart haben – in wel­cher Form auch immer. Man wird sich in jedem Fall auf eine Agen­da ver­stän­digt haben, die abge­ar­bei­tet wer­den soll­te. Das ist bis­her auch gesche­hen, mit poten­ti­ell weit­rei­chen­de­ren Fol­gen, als vie­len in der Kir­che bewußt ist.

Berg­o­glio war kein Zufalls­pro­dukt, son­dern wur­de bereits 2005 von einem ande­ren Jesui­ten unter den Pur­pur­trä­gern, Kar­di­nal Car­lo Maria Mar­ti­ni, als Kan­di­dat der „Mafia“ von Sankt Gal­len benannt. Mar­ti­ni hat­te weit mehr Gewicht und Bedeu­tung als Berg­o­glio, wur­de aber von der Zeit bestraft, oder anders gesagt, von Johan­nes Paul II., der zu lan­ge leb­te. Das­sel­be wäre Berg­o­glio auch pas­siert, hät­te Bene­dikt XVI. nicht den Ent­schluß gefaßt, zu tun, was vor ihm nur ein Papst unter ganz ande­ren Umstän­den getan hat­te. Er räum­te selbst das Feld, um es nun müh­sam vor sub­ver­si­ven Kräf­ten zu schüt­zen, die es umpflü­gen wollen.

Wird Fran­zis­kus fal­len­ge­las­sen von jenen, die ihn im März 2013 auf den Stuhl Petri hoben? Mit wel­chen Kon­se­quen­zen? Wird er zum ein­sa­men Papst wie Paul VI., oder gibt es einen Plan B?

Der Scher­ben­hau­fen, vor dem heu­te eini­ge ste­hen, kann von heil­sa­mem Nut­zen für die Kir­che sein, wenn er zu einer gei­sti­gen Ent­welt­li­chung in der Kir­che führt – Bene­dikt XVI. hat­te es in Frei­burg im Breis­gau gesagt –, beson­ders der Kir­che in Deutsch­land, aber nicht nur dort.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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