„Papst Franziskus nähert sich zu sehr Protestanten, Marxisten und Freimaurern an“

Interview mit dem Dogmatiker P. Giovanni Cavalcoli


Der Dogmatiker P. Cavalcoli sagt, man müsse Papst Franziskus „ertragen“.
Der Dogmatiker P. Cavalcoli sagt, man müsse Papst Franziskus „ertragen“.

Der bekann­te Dog­ma­ti­ker und Domi­ni­ka­ner Pater Gio­van­ni Caval­co­li nahm in einem Inter­view zu aktu­el­len Kir­chen­fra­gen Stel­lung. 1976 zum Prie­ster geweiht, wur­de er 1984 am Ange­li­cum, der Päpst­li­chen Uni­ver­si­tät Hei­li­ger Tho­mas von Aquin in Rom, in Dog­ma­tik pro­mo­viert. Er ist Mit­glied der Päpst­li­chen Aka­de­mie für Theo­lo­gie und eme­ri­tier­ter Pro­fes­sor für Dog­ma­tik an der Theo­lo­gi­schen Fakul­tät der Emi­lia-Roma­gna und für Meta­phy­sik am Stu­di­um Domi­ni­ca­num Bono­niae in Bolo­gna. Aus­zü­ge des Inter­views von Bru­no Vol­pe für La Fede Quo­ti­dia­na in deut­scher Übersetzung:

Anzei­ge

„Ich habe den Ein­druck, daß Fran­zis­kus wenig auf Bene­dikt XVI. hört, der mei­ner Mei­nung nach eine aus­ge­wo­ge­ne­re Reform­li­nie ein­ge­schla­gen hat­te als Fran­zis­kus, und zwar mehr im Ein­klang mit der wah­ren Aus­le­gung des Kon­zils, das heißt mit der Aus­le­gung, die die Leh­ren des Kon­zils in Kon­ti­nui­tät mit dem vor­he­ri­gen Lehr­amt sieht, wenn es auch wei­ter fort­ge­schrit­ten ist. Statt­des­sen scheint es mir, daß Fran­zis­kus sich einer Inter­pre­ta­ti­on hin­gibt, die den Pro­gres­si­ven zuviel zuge­steht, indem er sich den Moder­ni­sten, den Rah­ne­ria­nern nähert, was soviel heißt wie den Pro­te­stan­ten, Mar­xi­sten und Frei­mau­rern, wäh­rend er sich um den Dia­log mit Tra­di­tio­na­li­sten und Lefeb­vria­nern wenig bemüht, was hin­ge­gen Bene­dikt gelang.
Bene­dikt war sicher­lich eif­ri­ger und flei­ßi­ger in der Bewah­rung der gesun­den Leh­re als Fran­zis­kus, der zu sehr von sei­nem Bedürf­nis nach Kon­takt mit den Mas­sen ein­ge­nom­men ist. Auch in Bezug auf das Ver­hält­nis zur isla­mi­schen und zur kom­mu­ni­sti­schen Welt scheint Fran­zis­kus über­mä­ßig mit den Fein­den des Chri­sten­tums und der Kir­che zu pak­tie­ren, um ein fried­li­ches Zusam­men­le­ben zu errei­chen, wäh­rend Bene­dikt sich mehr um die Klar­heit der Leh­re bemüh­te und die Katho­li­ken auf­for­der­te, gedul­dig zu sein und die Ver­fol­gung zu akzeptieren.“

Fra­ge: Pater Caval­co­li befin­det sich die Kir­che in der Krise?

Pater Caval­co­li: Die Kir­che erlebt unter dem Deck­man­tel einer fal­schen Moder­ne einen Moment des schwer­wie­gen­den Unbe­ha­gens und des lehr­mä­ßi­gen und mora­li­schen Ver­falls, wie er in der gesam­ten Geschich­te bei­spiel­los ist. Wie seit mehr als 40 Jah­ren dia­gno­sti­ziert wird, seit der Zeit Pauls VI., gab es wäh­rend des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils Hoff­nun­gen auf einen theo­lo­gi­schen, mora­li­schen und spi­ri­tu­el­len Fort­schritt, doch statt­des­sen kam es zu einer uner­war­te­ten und mas­si­ven Rück­kehr des Moder­nis­mus, was der bekann­te Tho­mist Pater Cor­ne­lio Fab­ro OP die „Ver­wü­stung“ nann­te. Es ist ein Moder­nis­mus, der weit­aus schlim­mer und gefähr­li­cher ist als jener zur Zeit des Hei­li­gen Pius X., wie Jac­ques Mari­tain bereits 1966 fest­stell­te. Papst Fran­zis­kus sag­te zum The­ma Evan­ge­li­sie­rung, es gehe nicht dar­um, „Räu­me“ zu beset­zen, son­dern „Pro­zes­se zu begin­nen“, doch genau wäh­rend­des­sen beset­zen die Moder­ni­sten alle Räu­me und ersticken die Frei­heit der weni­gen ver­blie­be­nen nor­ma­len Katho­li­ken. Ohne irgend­ei­ne wirk­li­che Erneue­rung ein­zu­lei­ten, las­sen sie die Theo­lo­gie einen Rück­schritt machen zu den vor-nizäi­schen und vor-chal­ce­do­ni­schen Häre­si­en und zur Phi­lo­so­phie der vor­so­kra­ti­schen Natu­ra­li­sten und den Mythen des Ama­zo­nas.
Ich stel­le der­zeit eine auf­merk­sa­me Dia­gno­se, spi­ri­tu­el­le Ener­gie und Frei­heit, Weis­heit, Sen­sus Eccle­siae, Gegen­wart und Par­r­he­sie des Hei­li­gen Gei­stes mehr bei den Lai­en als bei den Hir­ten fest. Papst Fran­zis­kus ist wie ein Steu­er­mann auf dem Boot Petri im Sturm. Er hat Schwie­rig­kei­ten, das Ruder zu hal­ten. Den­noch ist er der Anfüh­rer. Wir müs­sen ihm nahe sein, ihn akzep­tie­ren, ihn ertra­gen, für ihn beten, ihm hel­fen, ihn bera­ten, ihn von fal­schen Freun­den und Schmeich­lern befrei­en, ihn mit Respekt zu sei­nen Pflich­ten ermah­nen und alles Gute anneh­men, das er tut.

Fra­ge: Ist es theo­lo­gisch rich­tig, zu sagen: „Jesus ist ein Gottesmann“?

Pater Caval­co­li: Auf kei­nen Fall. Es ist ein Aus­druck, der die Leug­nung der Gött­lich­keit Chri­sti ver­mu­ten läßt. „Mann Got­tes“ ist ein Mensch, der zu Gott gehört, so wie man sagt, daß ein gelieb­ter Mensch zu denen gehört, die ihn lie­ben. Der Aus­druck wird ver­wen­det, um hei­li­ge Men­schen oder Men­schen zu bezeich­nen, die einen Ruf der Hei­lig­keit oder hoher Tugen­den haben, also Men­schen, die im Ver­trau­en auf Gott ganz Gott gewid­met sind, oder die ihr gan­zes Leben Gott gewid­met oder geweiht hat­ten.
Natür­lich ist Chri­stus all das, aber gleich­zei­tig unend­lich viel mehr: Er ist Gott, was bedeu­tet, daß er nicht nur ein Mensch ist, son­dern auch Gott. Chri­stus ist, wie ihn das Kon­zil von Chal­ce­don defi­niert hat, eine gött­li­che Per­son, die Per­son des Soh­nes oder des Wor­tes, mit zwei Natu­ren: der mensch­li­chen und der göttlichen.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: La Fede Quotidiana 

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!