
Prof. Roberto de Mattei, Vorsitzender der Stiftung Lepanto und Mitinitiator der Acies ordinata, wandte sich heute persönlich an die deutschen Katholiken mit Überlegungen zum deutschen Kirchensteuersystem. Flankierend veröffentlichen wir auch sein Interview, das am Montag in der italienischen Tageszeitung La Verità erschienen ist.
Prof. de Mattei: Leider leben wir in der EU in einem Regime, in dem es keine volle Denk- und Meinungsfreiheit mehr gibt. Ein führender deutscher Familienaktivist sagte mir in München, daß er vor zwei Jahren die öffentlichen Kundgebungen einstellen mußte, weil es jedesmal eine Gegenkundgebung gab. Auch in Italien läuft jede öffentliche Veranstaltung, die sich kraftvoll dem politischen oder kirchlichen Establishment entgegenstellt, erhebliche Gefahr.
La Verità: Welche?
Prof. de Mattei: In erster Linie, im letzten Augenblick die behördliche Genehmigung aus „Gründen der öffentlichen Sicherheit“ zu verlieren. Dann, Provokationen und Infiltrationen zu erleiden. Schließlich, die Gegenkundgebungen mit dem Ziel, die Straße in ein Chaos zu verwandeln. Unsere Kundgebungen können immer geordnet und friedlich durchgeführt werden, weil wir den Überraschungseffekt nützen. Wir teilen der Presse die Veranstaltung erst am Tag der Kundgebung mit.
La Verità: Warum wurde der kriegerische Name Acies ordinata gewählt?
Prof. de Mattei: Der Name wurde von einer internationalen Koalition von Katholiken gewählt, um den streitbaren und geordneten Geist zum Ausdruck zu bringen, mit dem sie auf den öffentlichen Plätzen auftritt. Der Name ist dem Hohelied entnommen, dem biblischen Liebesgedicht an Gott, das traditionell auf die Gottesmutter bezogen wird. Sie wird als „terribilis ut castrorum acies ordinata“ beschrieben, also furchteinflößend wie ein in Schlachtordnung angetretenes Heer. Das ist doch ein eher unüblicher Aspekt, der der Gottesmutter zugeschrieben wird, die aber kämpft und siegt und in diesem Fall die Verteidiger des Glaubens vor der Verwirrung schützt, die wir ringsum erleben.
La Verità: Ein symbolisches Heer…
Prof. de Mattei: Natürlich. Es ist ein öffentliches Glaubensbekenntnis, das jedoch eine große mediale Wirkung hatte. Alle führenden, internationalen Medien haben darüber berichtet. Erstmals haben in Deutschland die Katholiken einen öffentlichen Widerstand gegen die Bischofskonferenz artikuliert.
La Verità: Sie haben die deutschen Katholiken aufgefordert, nicht mehr Kirchensteuer zu bezahlen.
Prof. de Mattei: Das ist eine verpflichtende Kirchensteuer in der Höhe von 8–9 Prozent der Einkommenssteuer. Die Sache ist äußerst schwerwiegend, da es sich meines Erachtens um eine geistliche Erpressung handelt, denn wer nicht zahlt, wird de facto exkommuniziert.
La Verità: Sogar?
Prof. de Mattei: In der Bundesrepublik Deutschland fragt dich der Staat, ob du Katholik bist. Wenn man das ist, erfolgt sofort die Einhebung der Steuer, die an die Kirche abgeführt wird. Wer nicht zahlt, kann die Kinder nicht taufen lassen und bekommt kein katholisches Begräbnis. Das ist ein Akt der Simonie: Das Kriterium für die Zugehörigkeit oder die Aufgabe des katholischen Glaubens kann nicht das Bezahlen einer Kirchensteuer sein. Die Häretiker, wenn sie zahlen, sind in der Kirche. Die rechtgläubigen Katholiken, wenn sie nicht zahlen, werden rausgeworfen.
La Verità: Sind Sie der Meinung, daß sich ein Katholik, um der kirchlichen Tradition treu zu bleiben, exkommunizieren lassen sollte?
Prof. de Mattei: Mir ist bewußt, daß das ein sehr heikles Gewissensproblem ist. Auf der Pressekonferenz habe ich versucht, die theologischen, moralischen und kirchenrechtlichen Gründe darzulegen, warum man vor dem eigenen Gewissen das Recht hat, keine Kirchensteuer zu zahlen, und warum die Pfarrer nicht das Recht haben, die Sakramente zu verweigern. In der Praxis muß dann jeder nach seinem Gewissen handeln.
La Verità: Ist Ihr Vorstoß nur eine Provokation?
Prof. de Mattei: Wenn auch nur eine kleine Minderheit damit beginnt, sich in diese Richtung zu bewegen, könnte sie das perverse System, die aus der Deutschen Bischofskonferenz eine große Wirtschaftsmacht mit Hunderttausenden von Angestellten im kirchlichen Bereich gemacht hat, in ernste Schwierigkeiten bringen. Die deutsche Kirche zeigt sich in den Augen der Christen wie ein bürokratischer Apparat, der der öffentlichen Meinung und der staatlichen Autorität unterworfen ist.
La Verità: Die Gelder werden sicher auch für karitative Zwecke verwendet.
Prof. de Mattei: Diese Steuer ist auch dann ungerecht, wenn das gesamte Geld auf heiligste Weise ausgegeben würde. In Wirklichkeit wird es dazu eingesetzt, Deutschland zu entkatholisieren. Mit dem „Synodalen Weg“ der deutschen Bischöfe wollen sie die Ehe für Priester, die freie Sexualmoral, das Frauenpriestertum und anderes mehr durchsetzen. Kann ein Katholik mit seinen Steuern einen solchen Säkularisierungsprozeß finanzieren?
La Verità: Bevorzugen Sie die italienischen 0,8 Prozent?
[In Italien wird vom Staat eine obligatorische Religions- und Kultursteuer in der Höhe von 0,8 Prozent des Bruttosteuereinkommens eingehoben. In der Steuererklärung kann der Steuerzahler die Summe nach freiem Ermessen der katholischen Kirche, einer anderen christlichen Konfession oder einer anderen Religion zuwenden. Die Zuwendung kann auch an den Staat erfolgen und ist in jeder Steuererklärung neu zu bestimmen, weshalb sie nach Belieben von Jahr zu Jahr geändert werden kann. Wird keine der mehr als ein Dutzend als Nutznießer anerkannten Religionsgemeinschaften bedacht, fällt das Geld automatisch dem Staat zu, Anm GN]
Prof. de Mattei: Natürlich. Die Entscheidung ist frei. Wenn ich nicht unterschreibe, gibt es keine Konsequenzen.
La Verità: Zahlen Sie?
Prof. de Mattei: In den vergangenen Jahren nicht mehr. Und ich rate den Katholiken davon ab, zu zahlen angesichts der Richtung, die von der Italienischen Bischofskonferenz eingeschlagen wurde, Amoris laetitia in der radikalsten Weise anzuwenden.
La Verità: Sie öffnet sich den wiederverheirateten Geschiedenen?
Prof. de Mattei: Nicht nur, es gibt auch jene, die Segnungen für homosexuelle Paare ermutigen. Und es gibt die Politik zugunsten der Einwanderung. Die italienischen Bischöfe haben aufgehört, uns an die Glaubenswahrheit und die katholische Moral zu erinnern. Sie sprechen nur mehr von politischen und soziologischen Themen. Ich sehe nicht ein, warum ich das alles finanzieren sollte.
La Verità: Denken alle italienischen Bischöfe so?
Prof. de Mattei: Die Führungsspitze sicher. Nicht einmal alle deutschen Bischöfe denken wie Kardinal Marx. Die Bischofskonferenzen spielen aber eine übermäßige Rolle und machen die Autonomie des einzelnen Bischofs in seinem Bistum zunichte. Und das, obwohl es in der von Jesus Christus gewollten hierarchischen Struktur der Kirche den Papst und die Bischöfe gibt, aber keine Bischofskonferenzen oder andere bürokratische Organe, die sich heute über die göttliche Verfassung der Kirche darübergelegt haben.
La Verità: Sie wurden als Steve Bannons Mann in Italien bezeichnet.
Prof. de Mattei: Ich weiß, wer das ist, aber ich bin ihm nie begegnet und hatte nie Kontakt mit ihm.
La Verità: Bestätigen Sie, daß in München auch Erzbischof Carlo Maria Viganò anwesend war?
Prof. de Mattei: Ja. Ich wußte nicht, daß er sich sogar in die Aufstellung eingereiht hatte. Es war sein erster öffentlicher Auftritt nach langer Zeit, eine mutige Geste, die ich sehr zu schätzen weiß.
La Verità: Hören Sie ihn ab und zu? Wissen Sie, wo er lebt?
Prof. de Mattei: Nicht genau. Im übrigen, auch unseres ist ein unsichtbares Heer, solange es sich nicht zeigt. Wir müssen uns mit Klugheit bewegen, um freier zu sein.
La Verità: Wie hat Erzbischof Viganò von der Kundgebung in München erfahren?
Prof. de Mattei: Er verfolgt aufmerksam alles, was im Leben der Kirche geschieht. Er ist mit Priestern und Laien, aber auch mit Bischöfen und Kardinälen in Kontakt, die ihn unterstützen. Er hat noch nicht alles gesagt, was er weiß.
La Verità: Avvenire, die Tageszeitung der [italienischen] Bischöfe nannte ihre Gruppe einen „digitalen Manipel“. Greift das nicht zu kurz?
Prof. de Mattei: Sehr zu kurz. Die Präsenz auf der Straße ist keine digitale oder virtuelle Präsenz. Wohin ich auch gehe, um Vorträge zu halten, ob in Italien oder im Ausland, begegne ich einer realen Menschenmenge von Katholiken, die zwar zögern, öffentlich aufzutreten, die aber eine weit größere Zahl ausmachen, als sich der Avvenire vorstellen kann.
La Verità: Ist nicht auch das deutsche Vorpreschen von Minderheiten getragen?
Prof. de Mattei: Davon bin ich überzeugt. Der radikale Umbau der Kirche wird von einer kleinen Minderheit betrieben, die aber über große finanzielle Ressourcen, Medien und einen enormen Apparat verfügt. Es ist wichtig, daß diese Minderheit, die die kirchliche Glaubenslehre und die Sitten der Kirche umstürzen will, sich einer Gruppe gegenübersieht, die mit nicht weniger Nachdruck zur Verteidigung des katholischen Glaubens entschlossen ist. In diesem Moment ist die Kirche ein Boden, auf dem zwei Religionen aufeinanderprallen: die überlieferte und die deutsch-amazonische, während sich der Großteil der katholischen Welt in ziemlicher Verwirrung dazwischen befindet.
La Verità: Sie sehen jedenfalls die Kirche nicht als Feldlazarett.
Prof. de Mattei: Nein, heute ist sie ein Schlachtfeld.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: La Verità (Screenshot)
„obwohl es in der von Jesus Christus gewollten hierarchischen Struktur der Kirche den Papst und die Bischöfe gibt, aber keine Bischofskonferenzen oder andere bürokratische Organe, die sich heute über die göttliche Verfassung der Kirche darübergelegt haben.“
Erklären Sie mir bitte, wo Christus eine hierarchische Struktur der Kirche gewollt hat, mit Bischöfen und Kardinälen, die – zumindest in Deutschland – überwiegend wie die Made im Speck leben und an alles Mögliche erinnern, nur nicht an die Nachfolge der Apostel.
Der Anspruch, Sonderrechte für unsere Zeit bzw. den herrschenden Zeitgeist in Anspruch nehmen zu wollen, wird bereits durch das Zeugnis der Urchristen ad absurdum geführt. Insofern vermittelt die Botschaft von Fatima betreffend der Irrtümer Russlands eine so präzise Diagnose der aktuell an heiligem Geist darbenden Kirchenverantwortlichen, dass ich einmal mehr darüber erstaunt bin, wie sehr Fatima gerade für unsere Zeit an Relevanz gewonnen hat. Oder ist die HL. Kirche etwa nicht die wirkliche, echte Welt nach der es jede Seele dürstet, die irdische Heimstadt des himmlischen Versprechens…
Die Idee, aus dem gewohnten Kirchensteuersystem auszubrechen, ist gewöhnungsbedürftig. Da kommen zahlreiche Bedenken und Überlegungen auf. Allerdings ist es eine Idee, an die man sich gewöhnen sollte, denn letztlich zählt eine Frage: Was nützt der Kirche und hilft der Erfüllung ihres göttlichen Auftrags, bzw. was schadet der Kirche und verhindert die Erfüllung ihres Auftrags. Die spontane Antwort lautet: Mehr Geld, mehr Möglichkeiten. Doch bei näherem Hinsehen hält der Satz nicht stand. Zumindest derzeit scheint weniger mehr zu sein. Darüber wird jeder nachdenken müssen. Die Kirche geht nicht an Geldmangel zugrunde, das war nie ihr Problem. Ihre Probleme sind immer geistlicher Natur.
Die Frage auszutreten aus der Kirche Körperschaft des öffentlichen Rechtes hat m.Er. persönlich für jeden mit 2 Aspekten zu tun: einerseits ist man Christ und andererseits Staatsbürger.
Wenn man austritt aus der Körperschaft Kirche, die nicht (ganz) identisch ist mit der Kirche Christi, ist man dann tatsächlich kein Katholik mehr und dazu auch kein guter Staatsbürger? – Diese Fragen spielen in der Entscheidung ob oder ob nicht eine zentrale Rolle.
Persönlich habe ich diese Fragen dahingehend beantwortet, daß ich auf dem dafür zuständigen Standesamt mein Austritt aus der Kirche als Körperschaft kundgetan habe und ein entsprechendes Dokument unterschrieben habe. Man kann m.Er. nur wahrer Christ und wahrer, guter Staatsbürger sein, wenn man klare Linien zieht zwischen beiden. Das jetzige Kirche- Staat oder Staat-Kirche- System ist so eine ungute Vermischung von beidem, ein Gemurkse- zum Schaden der Kirche und auch letztlich des Staates. Die Entweltlichung der Kirche, die auch diese Kirchensteuerfesselung betrifft, ist ein Muß, wenn die Kirche noch Kiche Christi sein will: entweder Kirche Christi oder nichts.