Die Simonie der deutschen Bischöfe

Das Kirchensteuersystem ist für Katholiken inakzeptabel


Die deutschen Bischöfe sind durch das Kirchensteuersystem Simonisten. Eine für Katholiken inakzeptable Situation.
Die deutschen Bischöfe sind durch das Kirchensteuersystem Simonisten. Eine für Katholiken inakzeptable Situation.

Von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

„Ach, wie möch­te ich eine arme Kir­che für die Armen!“, rief Papst Fran­zis­kus am 16. März 2013 bei sei­ner ersten Begeg­nung mit den Medi­en­ver­tre­tern aus.[1] Den Gegen­satz zu sei­nem Ide­al bil­det jedoch genau die ihm am näch­sten ste­hen­de Kir­che, näm­lich die deut­sche. Die Deut­sche Bischofs­kon­fe­renz, die jüngst im Okto­ber die Ama­zo­nas­syn­ode ideo­lo­gisch und finan­zi­ell geför­dert hat, ist in der Tat das reich­ste und pri­vi­le­gier­te­ste Unter­neh­men in ganz Deutsch­land. Die­ser Reich­tum kommt durch die Kir­chen­steu­er, die der Staat an die Kir­che abführt, und die sich aus den Ein­künf­ten der deut­schen Katho­li­ken ergibt, die 8–9 Pro­zent ihrer gesam­ten Steu­er­be­la­stung abfüh­ren müs­sen. Die Steu­er­ab­ga­be ist anders als in ande­ren Län­dern obli­ga­to­risch, in denen die Kir­chen durch die Groß­zü­gig­keit der Gläu­bi­gen finan­ziert wer­den, die frei ent­schei­den, einen Teil ihres Ein­kom­mens abzuführen.

Wer in Deutsch­land von der Kir­chen­steu­er befreit wer­den will, muß eine Kir­chen­aus­tritts­er­klä­rung unter­zeich­nen, die ihn der Sakra­men­te beraubt. Am 20. Sep­tem­ber 2012 ver­füg­ten die deut­schen Bischö­fe, daß die­je­ni­gen, die nicht mehr regi­striert sein wol­len, um der Zah­lung der Kir­chen­steu­er zu ent­ge­hen, weder beich­ten noch die Kom­mu­ni­on emp­fan­gen dür­fen, nicht gefirmt wer­den und bei ihrem Tod kein kirch­li­ches Begräb­nis erhal­ten. Sie dür­fen sich nicht ein­mal ehren­amt­lich in füh­ren­der Posi­ti­on in einem katho­li­schen Ver­ein enga­gie­ren, geschwei­ge denn in einer kirch­li­chen Ein­rich­tung wie einer Schu­le oder einem Kran­ken­haus ange­stellt wer­den. In einem Inter­view der Schwä­bi­schen Zei­tung vom 17. Juli 2016 kri­ti­sier­te Erz­bi­schof Georg Gäns­wein die­sen ekla­tan­ten Wider­spruch mit den Wor­ten: „Wie reagiert die katho­li­sche Kir­che in Deutsch­land auf jene, die die Kir­chen­steu­er nicht zah­len? Mit dem auto­ma­ti­schen Aus­schluß aus der kirch­li­chen Gemein­schaft, was bedeu­tet: Exkom­mu­ni­ka­ti­on. Das ist über­trie­ben und nicht nach­voll­zieh­bar. Man kann Dog­men infra­ge stel­len, das tut kei­nem weh, da fliegt kei­ner raus. Ist denn das Nicht­be­zah­len von Kir­chen­steu­er ein grö­ße­res Ver­ge­hen gegen den Glau­ben als Ver­stö­ße gegen Glau­bens­wahr­hei­ten? Kann es sein, daß die Nicht­zah­lung der Kir­chen­steu­er eine schwer­wie­gen­de­re Ver­let­zung dar­stellt als Ver­stö­ße gegen Glau­bens­wahr­hei­ten? Der Ein­druck ist, daß, solan­ge der Glau­be auf dem Spiel steht, es nicht so tra­gisch ist, aber wenn Geld ins Spiel kommt, dann scherzt man nicht mehr.“

Lau­te­te das Mot­to der ame­ri­ka­ni­schen Sied­ler im 18. Jahr­hun­dert: „No taxa­ti­on wit­hout repre­sen­ta­ti­on“ (Kei­ne Besteue­rung ohne Ver­tre­tung), so lau­tet das Mot­to der deut­schen Bischö­fe heu­te „No Sacra­ments wit­hout taxa­ti­on“ (Kei­ne Sakra­men­te ohne Besteue­rung). Wenn man bezahlt, erhält man die Sakra­men­te, wenn man nicht bezahlt, wird man ihrer beraubt. Der Reich­tum der deut­schen Kir­che beruht auf einem Wort, auf Simonie.

Die Simo­nie ist eine Sün­de, die die Kir­chen­ge­schich­te im Lau­fe der Jahr­hun­der­te beglei­tet hat und oft in Ver­bin­dung mit dem soge­nann­ten „Niko­lai­tis­mus“, dem Kle­ri­ker­kon­ku­bi­nat, auf­ge­tre­ten ist. Die ersten Syn­oden des hei­li­gen Gre­gor VII. (1073–1085), des gro­ßen Reform­pap­stes des Mit­tel­al­ters, waren genau dem Kampf gegen die simo­ni­sti­schen deut­schen Bischö­fe und Über­tre­ter des kirch­li­chen Zöli­bats gewid­met. Das war ein viel ern­ste­res Übel als der Ver­kauf von Abläs­sen, der den Vor­wand für Luthers Revo­lu­ti­on bildete.

Der Begriff Simo­nie lei­tet sich von Simon Magus ab, von dem man lesen kann, daß er den Apo­steln Geld ange­bo­ten hat (Apg 8, 18), um geist­li­che Gewalt zu kau­fen. Der hei­li­ge Tho­mas von Aquin, der der Simo­nie eine gan­ze Fra­ge der Sum­ma Theo­lo­gi­ca wid­met (II–II q. 100), erklärt, daß Simo­ni­sten sowohl die­je­ni­gen sind, die spi­ri­tu­el­le Din­ge kau­fen als auch verkaufen: 

„Jene, die Geist­li­ches ver­kau­fen, sind dem Simon gleich­för­mig in der Absicht; und jene, die Geist­li­ches kau­fen, in der Tat“ (q. 100, a. 1 ad 4). 

Nach dem hei­li­gen Tho­mas ist es eine Sün­de der Simo­nie, Geld für die geist­li­che Gna­de der Sakra­men­te zu erhal­ten, die durch kei­nen Brauch gerecht­fer­tigt wer­den kann: 

„Geld also anzu­neh­men für die geist­li­che Gna­de der Sakra­men­te, ist das Ver­bre­chen der Simo­nie; und kei­ne Gewohn­heit kann dage­gen recht­lich auf­kom­men, denn kei­ne Gewohn­heit kann sich recht­lich gegen das Natur- und das gött­li­che Gesetz rich­ten“ (Q. 100, a. 2 co.). 

„Wird Geld gege­ben mit der Absicht, die geist­li­che Gna­de zu kau­fen oder zu ver­kau­fen, so ist dies in jedem Fal­le Simo­nie; zumal wenn es ver­langt wird von einem, der es nicht geben will“ (p. 100 a. 2.ad 4).

Da die Kir­chen­steu­er gegen den Wil­len des Steu­er­zah­lers erzwun­gen wird, ist die unter­zeich­ne­te Aus­tritts­er­klä­rung aus der deut­schen Kir­che durch jene, die die Zah­lung ver­mei­den wol­len, vor der Kir­che wert­los. Der Päpst­li­che Rat für die Geset­zes­tex­te des Hei­li­gen Stuhls hat in einem Doku­ment vom 13. März 2006 erklärt, daß das Ver­las­sen der katho­li­schen Kir­che, um als ech­ter Actus for­ma­lis defec­tion­is ab Eccle­sia gül­tig zu sein, in fol­gen­den Punk­ten kon­kre­ti­siert wer­den muß: „a ) inne­re Ent­schei­dung, die katho­li­sche Kir­che zu ver­las­sen; b) äuße­re Umset­zung und Bekun­dung die­ser Ent­schei­dung; c) direk­ter Erhalt die­ser Ent­schei­dung durch die zustän­di­ge kirch­li­che Behörde“.

Jede Hand­lung, die nicht aus einer inne­ren Moti­va­ti­on her­vor­geht, son­dern erzwun­gen ist, kann nicht als freie, inne­re Ent­schei­dung zum Aus­tritt aus der katho­li­schen Kir­che ange­se­hen wer­den und ist ungül­tig. Dar­über hin­aus soll­te der Pfar­rer fest­stel­len, ob wirk­lich der Wil­le besteht, die Kir­che zu ver­las­sen, was in Deutsch­land aber nie­mals geschieht. Der deut­sche Katho­lik, der die Kir­chen­aus­tritts­er­klä­rung unter­zeich­net, muß also kei­ne Angst davor haben, schis­ma­tisch zu sein, wenn er nicht die wirk­li­che Absicht hat, die Kir­che zu ver­las­sen, son­dern sich nur von dem per­ver­sen Finanz­sy­stem tren­nen will, das ihn an die Bischofs­kon­fe­renz bin­det, die zudem nicht nur von simo­ni­sti­schen Bischö­fen gelei­tet wird, son­dern von Häre­ti­kern und Schis­ma­ti­kern. Der von Kar­di­nal Marx in Deutsch­land ein­ge­lei­te­te syn­oda­le Pro­zeß zielt dar­auf ab, die Sexu­al­mo­ral der Kir­che auf den Kopf zu stel­len und ihre hier­ar­chi­sche Struk­tur umzu­stür­zen. Es ist ein Pro­zeß der Selbst­auf­lö­sung, an dem die Katho­li­ken vor ihrem Gewis­sen nicht mit­wir­ken können.

Vie­le deut­sche Katho­li­ken kri­ti­sie­ren die Kir­chen­steu­er, behaup­ten jedoch, sie könn­ten nicht anders, als sie zu bezah­len, damit ihnen nicht die Sakra­men­te vor­ent­hal­ten wer­den. Damit aber wer­den sie Kom­pli­zen der Simo­nie der Bischö­fe. Der hei­li­ge Tho­mas erklärt zum Beispiel: 

„Da man in kei­nem Fall sün­di­gen darf, muß man im Not­fall, wenn der Prie­ster ohne Geld nicht tau­fen will, sel­ber das Kind tau­fen oder es von irgend­je­mand tau­fen las­sen. (…) Und wenn er nicht auf ande­re zurück­grei­fen könn­te, dürf­te er auf kei­nen Fall für die Tau­fe bezah­len, son­dern ohne Tau­fe ster­ben: denn das Feh­len des Sakra­ments wür­de durch die Begier­de­tau­fe aus­ge­gli­chen“ (q.100, a. 2 ad 1) .

Aber ist es wirk­lich unmög­lich, in- und außer­halb Deutsch­lands Prie­ster und Bischö­fe zu fin­den, die bereit sind, Ver­wei­ge­rern der Kir­chen­steu­er aus Gewis­sens­grün­den die Sakra­men­te zu spen­den? Wir glau­ben das nicht, auch des­halb, weil nichts für jene unmög­lich ist, die vor allem das Reich Got­tes und sei­ne Gerech­tig­keit suchen (Mt 6, 33).

Der fran­zö­si­sche Schrift­stel­ler Ernst Hel­lo (1828–1885) sagt, Auf­ge­ben sei das Wort des Teufels. 

„Gott gibt nie­mals auf. Der Teu­fel immer, auch wenn er zu han­deln scheint. Er ist der­je­ni­ge, der auf­gibt. Der Mann, der auf­gibt, kann nichts tun und ver­hin­dert alles. Der Mann, der nicht auf­gibt, bewegt Ber­ge“ (L’ hom­me, Paris 1872; deut­sche Aus­ga­be: Der Mensch, Leip­zig 1935). 

Was ich heu­te am mei­sten fürch­te, sind die resi­gnier­ten Katho­li­ken und die Katho­li­ken, die auf­ge­ben. Wer sind die Katho­li­ken, die auf­ge­ben? Die­je­ni­gen, die davon über­zeugt sind, daß es ein Miß­ver­hält­nis in den Kräf­ten zwi­schen uns und unse­ren Geg­nern gibt (was zutrifft), und wir nur die de fac­to Situa­ti­on akzep­tie­ren kön­nen (was nicht zutrifft). Die Katho­li­ken, die auf­ge­ben, kri­ti­sie­ren die Kir­chen­steu­er pri­vat, aber sie hal­ten es für sinn­los, sie öffent­lich zu kri­ti­sie­ren, weil sich ohne­hin nichts ändern werde.

Am 21. Janu­ar sag­te Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler in sei­ner Pre­digt zum Fest der hei­li­gen Agnes in Rom: 

„Mit dem Blut ihres jun­gen Lebens bezeug­te die Hei­li­ge Agnes Chri­stus, den Sohn Got­tes und ein­zi­gen Ret­ter der Welt. Und so ermu­tigt sie auch uns hier in Rom und in Euro­pa, unse­ren katho­li­schen Glau­ben öffent­lich und ohne Angst vor den Men­schen zu bekennen.“

In Deutsch­land ris­kie­ren jene, die die Deut­sche Bischofs­kon­fe­renz öffent­lich kri­ti­sie­ren und sich folg­lich wei­gern, die Kir­chen­steu­er zu zah­len, nicht den Tod wie die Hei­li­ge Agnes, son­dern das Risi­ko, der Sakra­men­te beraubt und vor allem sozi­al bestraft zu wer­den. Das ist sicher eine har­te Prü­fung, aber viel­leicht soll­ten wir uns ein Bei­spiel an den Katho­li­ken neh­men, die in Eng­land wäh­rend der Zeit von Eli­sa­beth I. oder in Frank­reich wäh­rend der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on der Sakra­men­te beraubt und ver­folgt wur­den, aber dem katho­li­schen Glau­ben treu geblie­ben sind. Das säku­la­ri­sier­te Euro­pa braucht Hel­den­tum, nicht Resignation. 

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana


[1] Osser­va­to­re Roma­no vom 17. März 2013

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