Der Paukenschlag – Benedikt XVI. und Kardinal Sarah: „Hände weg vom Zölibat“

„Zwei mächtige Stimmen erheben sich“


Kardinal Robert Sarah mit Benedikt XVI.: Gemeinsam haben sie eine Lanze für die Beibehaltung des priesterlichen Zölibats gebrochen.
Kardinal Robert Sarah mit Benedikt XVI.: Gemeinsam haben sie eine Lanze für die Beibehaltung des priesterlichen Zölibats gebrochen und eine Warnung an Papst Franziskus ausgesprochen.

(Rom) Das Jahr 2020 beginnt in der katho­li­schen Kir­che mit einem gro­ßen Pau­ken­schlag. Bene­dikt XVI. und Kar­di­nal Robert Sarah wen­den sich in einem gemein­sa­men Buch direkt an Papst Fran­zis­kus und for­dern ihn auf, nicht Hand an den prie­ster­li­chen Zöli­bat zu legen. „Zwei mäch­ti­ge Stim­men erhe­ben sich“, titelt Le Figa­ro. Das Buch kommt am 15. Janu­ar in den Buchhandel.

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San­dro Magi­ster, der unge­kür­te Doy­en der Vati­ka­ni­sten, spricht von einer „Bom­be“. Zu den Hin­ter­grün­den schreibt er: 

„Sie haben sich getrof­fen. Sie haben sich geschrie­ben. Und haben beschlos­sen, das Schwei­gen zu brechen.“

Das Buch heißt „Des pro­fon­deurs de nos coeurs“ (Aus den Tie­fen unse­rer Her­zen) und erscheint im fran­zö­si­schen Ver­lag Fay­ard. Der vor­ma­li­ge Papst und der Prä­fekt der römi­schen Kon­gre­ga­ti­on für den Got­tes­dienst und die Sakra­men­ten­ord­nung sind sich schon län­ger zuge­tan. Jean-Marie Gué­nois von Le Figa­ro spricht von einer „tie­fen spi­ri­tu­el­len Freund­schaft“. Dabei war es nicht Bene­dikt XVI., der den Kar­di­nal aus Gui­nea an die Spit­ze der Kon­gre­ga­ti­on stell­te, son­dern Papst Franziskus.

In einem Nach­wort zum Buch „Die Kraft der Stil­le“ von Kar­di­nal Sarah schrieb Bene­dikt XVI. 2017:

„Bei Kar­di­nal Sarah ist die Lit­ur­gie in guten Händen.“

Die bei­den „mäch­ti­gen Stim­men“ (Le Figa­ro) haben sich ver­eint, ange­trie­ben von einer „selt­sa­men Syn­ode“, deren Lärm, den die Medi­en um sie erzeug­ten, die „wirk­li­che Syn­ode“ ersetzt habe. Gegen die­sen Aus­tausch der Syn­ode erhe­ben sie gemein­sam ihre Stim­me und mei­nen damit die Gefahr eines Aus­tau­sches der Leh­re und der Dis­zi­plin, die sie am Hori­zont erkennen.

Das Buch wur­de von Fay­ard kurz vor Weih­nach­ten in Druck gege­ben. Nun liegt es vor und ist ab Mitt­woch im Buch­han­del erhält­lich. Die bei­den hoch­ka­rä­ti­gen Autoren stecken zunächst die Koor­di­na­ten ab und voll­zie­hen dabei eine Klar­stel­lung. Die Ama­zo­nas­syn­ode woll­te zwar über Flüs­se und Wäl­der spre­chen, doch in Wirk­lich­keit war sie eine „wil­de Dis­kus­si­on über die Zukunft des katho­li­schen Prie­ster­tums, ob zöli­ba­t­är oder nicht, und ob in Zukunft offen für Frau­en“, so Magister.

Bene­dikt XVI. und der römi­sche Prä­fekt für den Got­tes­dienst und die Sakra­men­ten­ord­nung, die erst­ran­gi­gen Auf­ga­ben­fel­der des Prie­sters, schie­ben mit ihrer Ver­öf­fent­li­chung den Bestre­bun­gen moder­ni­sti­scher Kir­chen­krei­se einen mas­si­ven Rie­gel vor. Sie stel­len klar, daß der prie­ster­li­che Zöli­bat nicht nur ein Gesetz der Kir­che, also ein men­schen­ge­mach­tes Gesetz ist, das auch geän­dert wer­den kön­ne. Die Bedeu­tung des prie­ster­li­chen Zöli­bats geht viel tie­fer und speist sich aus vie­len höhe­ren Quellen.

„Es wird ein ern­stes Pro­blem sein für Fran­zis­kus, eine Bre­sche für das ver­hei­ra­te­te Prie­ster­tum und das Frau­en­dia­ko­nat zu schla­gen, nach­dem sein Vor­gän­ger und ein Kar­di­nal von so tie­fer Kennt­nis der Glau­bens­leh­re und von so leuch­ten­der Hei­lig­keit des Lebens wie Sarah so ein­deu­tig und macht­voll begrün­det Posi­ti­on für den prie­ster­li­chen Zöli­bat bezo­gen haben, indem sie sich mit fast ulti­ma­ti­ven Wor­ten an den regie­ren­den Papst wenden.“

Wie lau­ten die­se „ulti­ma­ti­ven Worte“:

„Es gibt eine onto­lo­gisch-sakra­men­ta­le Ver­bin­dung zwi­schen dem Prie­ster­tum und dem Zöli­bat. Jede Redu­zie­rung die­ser Ver­bin­dung wür­de das Lehr­amt des Kon­zils und der Päp­ste Paul VI., Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. in Fra­ge stel­len. Ich bit­te demü­tig Papst Fran­zis­kus uns defi­ni­tiv vor einer sol­chen Even­tua­li­tät zu schüt­zen, indem er sein Veto gegen jede Schwä­chung des prie­ster­li­chen Zöli­bats­ge­set­zes einlegt.“

Die­se Wor­te stam­men von Kar­di­nal Sarah, haben aber „die vol­le Zustim­mung“ von Bene­dikt XVI., so Magi­ster. Die Auf­for­de­rung rich­tet sich aus­drück­lich auch gegen eine lokal begrenz­te Schwä­chung des prie­ster­li­chen Zöli­bats­ge­set­zes, die nur „auf die eine oder ande­re Regi­on beschränkt“ wäre. Wie­der­holt wur­de gesagt, man den­ke auf­grund „beson­de­rer Not­wen­dig­kei­ten“ nur dar­an, für die noch im Ama­zo­nas-Regen­wald leben­den Indi­os Locke­run­gen zu erlau­ben. Dem wider­spre­chen aller­dings die Absich­ten meh­re­rer Bischö­fe des deut­schen Sprach­rau­mes, die bereits ange­mel­det haben, auch für ihre Diö­ze­sen die­se Son­der­re­ge­lung in Anspruch neh­men zu wollen. 

Das Buch umfaßt 144 Sei­ten und beginnt mit einem Vor­wort des fran­zö­si­schen Jour­na­li­sten und Publi­zi­sten Nico­las Diat, mit dem Kar­di­nal Sarah bereits drei welt­weit beach­te­te Bücher ver­öf­fent­lich­te. Diat ist der Her­aus­ge­ber des neu­en, auf­se­hen­er­re­gen­den Buches. 

Es besteht aus vier Kapi­teln. Das erste Kapi­tel lau­tet: „Wovor fürch­tet ihr euch?“, das von Bene­dikt XVI. und Kar­di­nal Sarah gemein­sam stammt und im Sep­tem­ber 2019 ver­faßt wurde. 

Auch das zwei­te Kapi­tel, es stammt von Bene­dikt XVI. und hat einen bibli­schen und theo­lo­gi­schen Zuschnitt, ent­stand im Sep­tem­ber und damit noch vor der Ama­zo­nas­syn­ode, die am 6. Okto­ber, zwei Tage nach dem Pacha­ma­ma-Spek­ta­kel in den Vati­ka­ni­schen Gär­ten, eröff­net wurde.

Bei­de Kapi­tel ver­deut­li­chen, daß höch­ste Kir­chen­krei­se, dar­un­ter der gewe­se­ne Papst Bene­dikt XVI., bereits im Vor­feld der Ama­zo­nas­syn­ode schwer­wie­gen­de Befürch­tun­gen heg­ten, weil sie offen­sicht­lich Kennt­nis von bedenk­li­chen Akti­vi­tä­ten hin­ter den Kulis­sen hat­ten. Was sie wuß­ten, besorg­te sie so sehr, daß sie bereits vor Syn­oden­be­ginn zur Feder griffen.

Das drit­te Kapi­tel „Lie­ben bis zum Ende“, stammt von Kar­di­nal Sarah und ist ein „ekkle­sio­lo­gi­scher und pasto­ra­ler Blick auf den prie­ster­li­chen Zöli­bat“. Die­ser Teil trägt das Datum vom 25. Novem­ber, ent­stand also erst nach der Ama­zo­nas­syn­ode, an der Kar­di­nal Sarah mit gro­ßem per­sön­li­chem Ein­satz teil­nahm. Als Prä­fekt einer römi­schen Kon­gre­ga­ti­on war er von Amts wegen Syn­oda­le und bil­de­te ein Gegen­ge­wicht zu einer anson­sten stark ein­sei­tig aus­ge­wähl­ten Schar der Synodenväter.

Das vier­te und letz­te Kapi­tel des Buches, „Im Schat­ten des Kreu­zes“, ent­hält die Schluß­fol­ge­run­gen der bei­den Autoren und sind mit 3. Dezem­ber datiert. Bene­dikt XVI. arbei­tet dar­in vor allem „die tie­fe Ein­heit zwi­schen den bei­den Testa­men­ten durch den Über­gang vom Tem­pel aus Stein zum Tem­pel des Lei­bes Chri­sti“ her­aus. Die­se Her­me­neu­tik legt er drei bibli­schen Tex­ten zugrun­de, anhand derer er das christ­li­che Ver­ständ­nis des zöli­ba­t­ä­ren Prie­ster­tums aufzeigt.

Der erste die­ser Tex­te ist eine Stel­le aus Psalm 16: 

„Der Herr ist mein Anteil am Erbe und mein Kelch.“

Der zwei­te Text sind zwei Stel­len aus dem Buch Deu­te­ro­no­mi­um (Dt 10,8 und 18,5–8), die Teil des zwei­ten Hoch­ge­bets des Novus Ordo sind: 

„Wir dan­ken dir, daß du uns beru­fen hast, vor dir zu ste­hen und dir zu dienen.“

Gemeint ist hier der Voll­zug des prie­ster­li­chen Dien­stes. Um den Sinn die­ser Wor­te zu erhel­len, zitiert Bene­dikt XVI. fast voll­stän­dig sei­ne Pre­digt, die er am 20. März 2008 im Peters­dom gehal­ten hat­te. Das war am Grün­don­ners­tag jenes Jah­res bei der Chri­sam­mes­se zur Wei­he der hei­li­ge Öle, mit denen bei der Prie­ster­wei­he die Sal­bung erfolgt.

Bene­dikt XVI. sag­te damals:

Zugleich ist uns der Grün­don­ners­tag ein Anlaß, auch immer neu zu fra­gen: Wozu haben wir Ja gesagt? Was ist das, ein Prie­ster Jesu Chri­sti sein? Das 2. Hoch­ge­bet unse­res Mis­sa­le, wohl schon am Ende des 2. Jahr­hun­derts in Rom ent­stan­den, beschreibt das Wesen des prie­ster­li­chen Dien­stes mit den Wor­ten, mit denen im Buch Deu­te­ro­no­mi­um (18, 5. 7) das Wesen des alt­te­sta­ment­li­chen Prie­ster­tums beschrie­ben wor­den war: asta­re coram te et tibi mini­stra­re. Zwei Auf­ga­ben bestim­men danach das Wesen des prie­ster­li­chen Dien­stes. Zuerst das „Ste­hen vor dem Herrn“. Im Buch Deu­te­ro­no­mi­um ist dies im Zusam­men­hang mit der vor­her­ge­hen­den Bestim­mung zu lesen, daß die Prie­ster kei­nen Land­an­teil im Hei­li­gen Land erhal­ten – sie leben von Gott und für Gott. Sie gehen nicht den übli­chen Arbei­ten nach, die für den Unter­halt des täg­li­chen Lebens nötig sind. Ihr Beruf ist „Ste­hen vor dem Herrn“ – auf ihn hin­zu­schau­en, für ihn da zu sein. Das Wort bedeu­tet so im letz­ten ein Leben in der Gegen­wart Got­tes und damit auch einen stell­ver­tre­ten­den Dienst für die ande­ren. So wie die ande­ren das Land bebau­en, von dem auch der Prie­ster lebt, so hält er die Welt auf Gott hin offen, soll mit dem Blick auf ihn hin leben. Wenn die­ses Wort nun im Hoch­ge­bet der Mes­se unmit­tel­bar nach der Ver­wand­lung der Gaben, nach dem Her­ein­tre­ten des Herrn in die beten­de Ver­samm­lung steht, so ist damit für uns das Ste­hen vor dem gegen­wär­ti­gen Herrn, Eucha­ri­stie als Mit­te prie­ster­li­chen Lebens gemeint. Aber auch hier reicht der Radi­us wei­ter. In dem Hym­nus des Stun­den­ge­bets, der in der Fasten­zeit die Leseho­re ein­lei­tet, die einst bei den Mön­chen Stun­de der Nacht­wa­che vor Gott und für die Men­schen gewe­sen war, fin­det sich als eine der Auf­ga­ben der Fasten­zeit: arc­ti­us per­stemus in cus­to­dia – ste­hen wir ent­schie­de­ner auf Wache. In der syri­schen Mönchs­tra­di­ti­on hei­ßen die Mön­che „die Ste­hen­den“; Ste­hen war dabei Aus­druck für die Wach­sam­keit. Was hier als Auf­trag der Mön­che ange­se­hen war, dür­fen wir mit Recht gera­de auch als Aus­druck der prie­ster­li­chen Sen­dung und als rech­te Aus­le­gung des Deu­te­ro­no­mi­um-Wor­tes anse­hen: Der Prie­ster soll ein Wachen­der sein. Er soll Wache hal­ten gegen die her­ein­drän­gen­den Mäch­te des Bösen. Er soll die Welt wach­hal­ten für Gott. Er soll ein Ste­hen­der sein: auf­recht gegen­über den Strö­mun­gen der Zeit. Auf­recht in der Wahr­heit. Auf­recht im Ein­ste­hen für das Gute. Ste­hen vor dem Herrn muß zutiefst auch immer Ein­ste­hen für die Men­schen vor dem Herrn sein, der für uns alle beim Vater ein­steht. Und es muß Ein­ste­hen sein für ihn, für Chri­stus, für sein Wort, sei­ne Wahr­heit, sei­ne Lie­be. Auf­recht muß der Prie­ster sein, furcht­los und bereit, für den Herrn auch Schlä­ge ein­zu­stecken, wie die Apo­stel­ge­schich­te über die Apo­stel sagt: „Sie freu­ten sich, daß sie gewür­digt wor­den waren, für sei­nen Namen Schmach zu erlei­den“ (5, 41).

Kom­men wir zu dem zwei­ten Wort, von dem das Hoch­ge­bet mit dem Text aus dem Alten Testa­ment spricht, „vor dir zu ste­hen und dir zu die­nen“. Der Prie­ster muß ein Auf­rech­ter, ein Wachen­der, ein Ste­hen­der sein. Dazu aber kommt dann das Die­nen. Im alt­te­sta­ment­li­chen Text hat die­ses Wort wesent­lich kul­ti­sche Bedeu­tung: Den Prie­stern kamen all die kul­ti­schen Hand­lun­gen zu, die das Gesetz vor­sah. Die­ses kul­ti­sche Tun wird nun frei­lich als Dienst, als Amt des Die­nens ein­ge­stuft, und so wird aus­ge­legt, in wel­chem Gei­ste die­se Akti­vi­tä­ten gesche­hen müs­sen. In gewis­ser Wei­se wird – der Neu­heit des christ­li­chen Got­tes­dien­stes gemäß – die­se lit­ur­gi­sche Bedeu­tung des Wor­tes „die­nen“ mit der Auf­nah­me ins Hoch­ge­bet über­nom­men. Was der Prie­ster in die­sem Augen­blick, in der Fei­er der Eucha­ri­stie tut, ist Die­nen, Dienst für den Herrn und Dienst für die Men­schen. Der Kult, den Chri­stus dem Vater dar­ge­bracht hat, ist das Sich­ge­ben für die Men­schen bis zum Ende. In die­sen Kult, in die­ses Die­nen muß der Prie­ster ein­tre­ten. So umfaßt das Wort vom Die­nen vie­le Dimen­sio­nen. Dazu gehört gewiß zual­ler­erst die rech­te, von innen her voll­zo­ge­ne Fei­er der Lit­ur­gie, der Sakra­men­te über­haupt. Wir müs­sen die hei­li­ge Lit­ur­gie immer mehr in ihrem gan­zen Wesen ver­ste­hen ler­nen, in ihr leben­dig zu Hau­se sein, so daß sie See­le unse­res All­tags wird. Dann fei­ern wir recht, dann ergibt sich die ars cele­bran­di, die Kunst des Fei­erns von selbst. In die­ser Kunst darf nichts Künst­li­ches sein. Wenn Lit­ur­gie eine zen­tra­le Auf­ga­be des Prie­sters ist, dann heißt das auch, daß Beten für uns eine vor­dring­li­che Rea­li­tät sein muß, die wir in der Schu­le Chri­sti und der Hei­li­gen aller Zei­ten immer neu und tie­fer ler­nen müs­sen. Weil christ­li­che Lit­ur­gie ihrem Wesen nach auch immer Ver­kün­di­gung ist, müs­sen wir Men­schen sein, die in Got­tes Wort zu Hau­se sind, es lie­ben und leben: Nur dann kön­nen wir es recht aus­le­gen. „Dem Herrn die­nen“ – prie­ster­li­ches Die­nen heißt gera­de auch, ihn ken­nen­ler­nen in sei­nem Wort und ihn all denen bekannt­ma­chen, die er uns anvertraut.

Zum Die­nen gehö­ren schließ­lich noch zwei wei­te­re Aspek­te. Nie­mand ist sei­nem Herrn so nahe wie der Die­ner, der ins Pri­va­te­ste sei­nes Lebens Zugang hat. Inso­fern bedeu­tet Die­nen Nähe, for­dert Ver­traut­heit. Die­se Ver­traut­heit birgt auch eine Gefahr: Das Hei­li­ge, dem wir immer­fort begeg­nen, wird uns gewöhn­lich. Die Ehr­furcht erlischt. Wir spü­ren durch alle Gewohn­hei­ten hin­durch das Gro­ße, Neue, Über­ra­schen­de nicht mehr, daß ER sel­ber da ist, zu uns redet, sich uns schenkt. Die­ser Gewöh­nung ans Gro­ße, der Gleich­gül­tig­keit des Her­zens müs­sen wir immer wie­der ent­ge­gen­tre­ten, immer neu unse­re Arm­se­lig­keit erken­nen und die Gna­de, die es ist, daß ER sich so in unse­re Hän­de gibt. Die­nen bedeu­tet Nähe, aber es bedeu­tet vor allem auch Gehor­sam. Der Die­ner steht unter dem Wort: „Nicht mein Wil­le gesche­he, son­dern der Dei­ni­ge“ (Lk 22, 42). Mit die­sem Wort hat Jesus auf dem Ölberg den Ent­schei­dungs­kampf gegen die Sün­de aus­ge­tra­gen, gegen die Rebel­li­on des gefal­le­nen Her­zens. Die Sün­de Adams war es eben, daß er sei­nen Wil­len und nicht den Wil­len Got­tes woll­te. Die Ver­su­chung der Mensch­heit ist es immer wie­der, ganz auto­nom sein zu wol­len, nur dem eige­nen Wil­len zu fol­gen und zu mei­nen, erst dann sei­en wir frei; erst in sol­cher Frei­heit ohne Schran­ken sei der Mensch ganz Mensch. Aber gera­de so stel­len wir uns gegen die Wahr­heit. Denn die Wahr­heit ist es, daß wir unse­re Frei­heit mit den ande­ren tei­len müs­sen und nur im Mit­ein­an­der frei sein kön­nen. Die­se geteil­te Frei­heit kann wah­re Frei­heit dann und nur dann sein, wenn wir uns dabei in das Maß der Frei­heit selbst, in den Wil­len Got­tes hin­ein­stel­len. Die­ser grund­le­gen­de Gehor­sam, der zum Mensch­sein gehört – einem Sein nicht aus sich selbst und nur für sich selbst – wird beim Prie­ster noch kon­kre­ter: Wir ver­kün­di­gen nicht uns selbst, son­dern IHN und sein Wort, das wir uns nicht sel­ber aus­den­ken konn­ten. Wir ver­kün­den sein Wort recht nur in der Gemein­schaft sei­nes Lei­bes. Unser Gehor­sam ist Mit­glau­ben mit der Kir­che, Mit­den­ken und Mit­spre­chen mit der Kir­che, Die­nen mit ihr. Dazu gehört dann auch immer wie­der, was Jesus dem Petrus vor­her­ge­sagt hat: Du wirst geführt wer­den, wohin du nicht woll­test. Die­ses Sich-füh­ren-Las­sen wohin wir nicht woll­ten, ist eine wesent­li­che Dimen­si­on unse­res Die­nens, und gera­de dies macht uns frei. In sol­chem Geführt­wer­den, das gegen unse­re Vor­stel­lun­gen und Plä­ne ste­hen kann, erfah­ren wir das Neue – den Reich­tum der Lie­be Gottes.

„Vor ihm ste­hen und ihm die­nen“: Jesus Chri­stus als der wah­re Hohe­prie­ster der Welt hat die­sen Wor­ten eine Tie­fe gege­ben, die vor­her nicht geahnt wer­den konn­te. Er, der als der Sohn der Herr war und ist, er woll­te der Knecht Got­tes wer­den, den die Visi­on des Jesa­ja-Buches vor­her­ge­se­hen hat­te. Er woll­te der Die­ner aller sein. Er hat das Gan­ze sei­nes Hohe­prie­ster­tums dar­ge­stellt in der Gebär­de der Fuß­wa­schung. Er wäscht mit sei­ner Gebär­de der Lie­be bis ans Ende unse­re schmut­zi­gen Füße, rei­nigt uns mit der Demut sei­nes Die­nens von der Krank­heit unse­res Hoch­muts. So macht er uns fähig zur Tisch­ge­mein­schaft mit Gott. Er ist abge­stie­gen, und der wah­re Auf­stieg des Men­schen geschieht nun dadurch, daß wir mit ihm und zu ihm abstei­gen. Sei­ne Erhö­hung ist das Kreuz. Es ist der tief­ste Abstieg und als Lie­be bis ans Ende zugleich der höch­ste Punkt des Auf­stiegs, die wah­re „Erhö­hung“ des Men­schen. „Vor ihm ste­hen und ihm die­nen“ – das bedeu­tet nun, in sei­ne Beru­fung als Knecht Got­tes ein­zu­tre­ten. Eucha­ri­stie als Gegen­wart von Chri­sti Abstieg und Auf­stieg weist so immer über sich hin­aus zu den viel­fäl­ti­gen Wei­sen des Dien­stes der Näch­sten­lie­be. Bit­ten wir den Herrn an die­sem Tag, daß er uns schenkt, in die­sem Sin­ne neu unser Ja zu sei­nem Ruf zu sagen: „Hier bin ich. Sen­de mich, Herr“ (Jes 6, 8). Amen.

Die drit­te Stel­le aus der Bibel, die Bene­dikt XVI. für den prie­ster­li­chen Zöli­bat her­an­zieht, sind die Wor­te Jesu im Johan­nes­evan­ge­li­um 17,17:

„Hei­li­ge sie in der Wahr­heit; dein Wort ist Wahrheit.“

Das neue Buch ist eine ern­ste Mah­nung an Papst Fran­zis­kus. Es macht es ihm gera­de­zu unmög­lich, den prie­ster­li­chen Zöli­bat zu schwä­chen und auf­zu­wei­chen – eine For­de­rung der kirch­li­chen 68er-Bewe­gung seit den Zei­ten des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils –, ohne daß der Bruch mit sei­nem Vor­gän­ger offen­sicht­lich wäre.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL/​Fayard

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