(Rom) Vor 50 Jahren wurde die Praxis der Handkommunion in der katholischen Kirche offiziell erlaubt. Zum Jahresschluß ein Rückblick auf eine Praxis mit verheerender Wirkung. Eingeführt wurde sie ohne Not, obwohl der Papst, der sie gewährte, selbst Bedenken äußerte, die sich auf schwerwiegendere Weise bestätigten, als er es sich ausmalen konnte. Warum dem so war, ist schnell erklärt: Man folgte dem falschen historischen Beispiel.
Historisch lassen sich verschiedene Formen der Kommunionspendung nachweisen, doch setzte sich schon in der Zeit der Kirchenväter sowohl in der Westkirche als auch in der Ostkirche eine – unterschiedliche – Praxis der Mundkommunion durch, die im Frühmittelalter jede Form der Handkommunion verdrängte. Dies geschah jeweils aus Gründen der anbetenden Ehrfurcht für die Realpräsenz Jesu Christi.
Grundsätzliche Voraussetzung für den Kommunionempfang ist der Stand der Gnade, was Beichte und Sündenvergebung verlangt. Die Erwähnung sollte überflüssig sein, ist sie aber nicht. Viele Katholiken wissen nicht mehr darum und können auch mit dem Begriff „Stand der Gnade“ wenig anfangen – und das hat nicht zuletzt mit der geänderten Kommunionpraxis zu tun.
Zwinglis Kampf gegen den Glauben an die Realpräsenz
Huldreich Zwingli, der Begründer der sogenannten Reformierten Kirche, deren Anhänger seit Johannes Calvin auch Calvinisten (Kalvinisten) genannt werden, leugnete im 16. Jahrhundert die Realpräsenz Christi in der heiligen Eucharistie. Sein Fanatismus drängte ihn, den Glauben an die Realpräsenz den Menschen austreiben zu wollen. 1525 ordnete er an, daß erst nach der Wandlung zum Vater unser gekniet werden sollte. So hielten es auch seine Nachfolger. Zwingli führte die stehende Handkommunion ein, um jeden Zweifel zu beseitigen, daß „ein Stück Brot“ angebetet werde.
Das reformierte Patriziat, das kurz darauf in den Niederlanden die Macht an sich gerissen hatte, und die katholische, in einigen Gegenden lutherische Bevölkerungsmehrheit unterdrückte, erließ im Zuge seiner Verfolgung der katholischen Kirche, aber auch der Lutheraner ausdrückliche Verbote gegen die kniende Mundkommunion.
Just die Praxis der Häresiarchen Zwingli und Calvin, die die Realpräsenz Jesu Christi in der heiligen Eucharistie nicht nur leugneten, sondern bekämpften, wurde nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der katholischen Kirche eingeführt. Dies geschah im offenen Widerspruch zur fast zweitausendjährigen Tradition, die in ihrer historischen Entwicklung eben gerade die anfangs noch vorhandenen Formen der Handkommunion verworfen hatte, als sich das tiefere Verständnis der Eucharistie entfaltete.
Diese calvinistische Praxis in der katholischen Kirche setzte nicht von ungefähr in den Niederlanden ein und schwappte von dort in die Bundesrepublik Deutschland über. Der Sprung in die ebenfalls stark reformiert geprägte Schweiz war ebenso absehbar wie die weitere Ausbreitung im ganzen deutschen Sprachraum. Der Holländische Katechismus von 1966, im Auftrag der niederländischen Bischöfe erarbeitet und mit der Druckerlaubnis von Kardinal Bernardus Alfrink veröffentlicht, hatte sich sogar in der Leugnung der Realpräsenz der Lehre von Zwingli und Calvin angenähert.
Derselbe deutsche Sprachraum hatte in den Jahren zuvor im progressiven Sinn bereits maßgeblichen Einfluß auf das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) genommen und „alternativen“ Theologien die Türen geöffnet.
Einführung trotz erkannter Gefahren
Obwohl Papst Paul VI. in der Instruktion Memoriale Domini von 1969 vor Gefahren warnte, erteilte er den Bischofskonferenzen die Erlaubnis, die nur mehr durch liturgischen Archäologismus feststellbaren einstigen Formen der Handkommunion in ihren Gebieten zu gewähren. Vor einem solchen Archäologismus hatte noch Pius XII. gewarnt.
Im deutschen Sprachraum wurde sofort von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Ebenso in Ländern, deren tonangebende Bischöfe unter deutschem Einfluß standen, wie die Erzbischöfe von Montevideo in Uruguay. So führten die Bischofskonferenzen von Uruguay und Bolivien bereits 1969 die Handkommunion ein. 1971 auch Paraguay. Andere Länder folgten erst später: Spanien 1976, die USA 1977, die Philippinen 1989, Kolumbien 1991, Venezuela 1993, Polen erst 2005. In Argentinien, der Heimat von Papst Franziskus, erlaubte die Bischofskonferenz im Mai 1996 die Handkommunion. Damals war Kardinal Quarracino Primas, Bergoglio sein bevorzugter Weihbischof, der ein Jahr später sein Erzbischof-Koadjutor und Nachfolger wurde.
Paul VI. führte damit jene „Dezentralisierung“ ein, die fast ein halbes Jahrhundert später zu einem Zauberwort des Pontifikats von Papst Franziskus wurde. Er selbst führt keine andere Praxis ein, erlaubt aber anderen – den Bischofskonferenzen –, eine andere Praxis einzuführen.
Paul VI. warnte zugleich vor Gefahren, die mit der Einführung der Handkommunion verbunden sein könnten. Konkret nannte er:
- Sakramentenschändung,
- Ehrfurchtsverlust und
- schleichende Verfälschung der Glaubenslehre über die heilige Eucharistie.
Dieser Widerspruch in der Haltung des damaligen Papstes läßt den Druck erahnen, der aus dem deutschen, besonders dem niederdeutschen Raum auf Rom ausgeübt wurde. Dort praktizierten Priester bereits den offenen Widerspruch. Diesen Ungehorsam wollte Paul VI. durch seine „Erleichterung“, so eine wohlwollende Deutung, über die Ortsbischöfe kanalisieren. Die Mittel, die er dafür wählte, erwiesen sich als nicht zielführend. Im Gegenteil. Sie legitimierten den Ungehorsam, der sich auch in anderen Bereichen zeigte, und machten den Widerspruch zur dominanten Praxis.
Man könnte auch von Kapitulation sprechen.
Zwinglis und Calvins Saat geht erneut auf
Das Verständnis des Altarsakraments, Paul VI. hatte davor gewarnt, erlebte durch die geänderte Körperhaltung einen radikalen Wandel. Folgt man den Ausführungen des Kirchenrechtlers Georg May, war dies von den Rebellen auch so gewollt, da in den Niederlanden der Glauben zahlreicher Priester an die Realpräsenz bereits erschüttert war.
Aus der Eucharistie wurde ein Mahl, neuerdings plastisch in Szene gesetzt durch die Mode, Kirchen als Restaurants und Mensen zur Armenausspeisung, für Weihnachtsessen oder auch päpstliche Festbankette mit Migranten und Häftlingen zu gebrauchen und zu mißbrauchen. Das Gemeinschaftsmahl verdrängt die Realpräsenz Jesu Christi. Letztere Entwicklung ist eine Erfindung der 1968 gegründeten Gemeinschaft von Sant’Egidio, die unter dem derzeitigen Pontifikat Auftrieb verspürt.
Rückblickend besteht kein begründeter Zweifel, daß die von Paul VI. ausgesprochenen, aber von ihm selbst offenbar nicht ausreichend ernstgenommenen Gefahren die Kirche erfaßten und sich in ihr wie ein Flächenbrand ausbreiteten. Dabei hilft auch die theoretisch richtige Feststellung nicht, daß die heilige Kommunion auch als Handkommunion ehrfürchtig und würdig empfangen werden kann. Die Realität zeigt, daß es sich dabei um einen abstrakten Diskurs handelt, da Verständnis und Handeln immer in einem konkreten Kontext erfolgen, und daß äußere Gesten daher nicht beliebig sein können, sondern in einer direkten Wechselwirkung mit der inneren Haltung stehen. Die Praxis zeigt, daß Zwinglis und Calvins Einführung der stehenden Handkommunion letztlich genau das zur Folge hat, was sie damit bezweckten. Das anbetende, ehrfürchtige Knien vor dem Allerheiligsten beim Kommunionempfang wurde von vielen Gläubigen – mit klerikaler Unterstützung – konsequent „weiterentwickelt“, indem heute vielfach auch während der Wandlung gestanden wird.
Der „mündige“ Christ kniet nicht, auch nicht vor Gott.
Ideologische Aufladung
Da die Kirche hierarchisch verfaßt ist, war der Praxiswandel nur durch eine Umerziehung des Volkes durch einen Teil des Klerus möglich, der wiederum durch die Unterstützung, zumindest ein Gewährenlassen von Bischöfen gedeckt war.
Die Befragung aller Bischöfe der Welt durch den Heiligen Stuhl, die bis zum März 1969 erfolgte, hatte eine deutliche Mehrheit gegen eine Änderung der überlieferten Praxis ergeben. Nur 26 Prozent der Bischöfe sprachen sich dafür aus, zusätzlich zur überlieferten Praxis der knienden Mundkommunion auch die stehende Handkommunion zu erlauben. Zusätzlich. An der überlieferten Praxis sollte sich nichts ändern.
Dennoch erlaubte Paul VI. die Handkommunion, die zwar nur „zusätzlich“ in Form eines Indults, also einer Ausnahme von der Regel, gewährt wurde, in Wirklichkeit aber die kniende Handkommunion in einigen Ländern schnell verdrängte. Die Bequemlichkeit vieler Kleriker unterstützte diese Entwicklung.
Einmal verdrängt wurde an vielen Orten ein umgekehrtes Verbot daraus. Wer die kniende Mundkommunion wünschte, also die eigentliche Form des Kommunionempfangs, dem wurde sie verweigert. Sie galten als „Störenfriede“ der neuen Einheitlichkeit. Mehr noch: Wer für die Handkommunion war, war in der neuen Lesart für das Konzil, wer an der Mundkommunion festhielt, war ein Konzilsgegner, und das war in den 70er und frühen 80er Jahren das schlimmste Schimpfwort, das in der katholischen Kirche denkbar war.
Marcel Clement schrieb im Oktober 1976 in der französischen Zeitschrift L’Homme Nouveau:
„Es schleicht sich mehr oder weniger die Vorstellung ein, daß der Laie, der die Handkommunion praktiziert, dem Konzil gehorche und der Laie, der die Mundkommunion praktiziert, ein Konzilsgegner sei. In Wirklichkeit ist es genau umgekehrt (…) Warum hat man so vielen Ordensfrauen und so vielen Laien die Handkommunion vorgeschrieben, um dem Konzil zu gehorchen? (…) Während doch Rom diese Praxis lediglich toleriert hat, um ein zu hartes Vorgehen gegen die Ungehorsamen zu vermeiden?“
Die Austreibung des Exorzismus
Zwingli hatte Beichte, Bann und Exorzismus „ausgetrieben“. Man kann ohne Übertreibung sagen, daß auch ab Ende der 1960er-Jahre den Gläubigen die kniende Mundkommunion regelrecht ausgetrieben wurde. Anders läßt sich die insistente „Katechese“ für die Handkommunion nicht bezeichnen, mit der Erstkommunionkindern seit 1970 ausschließlich die Handkommunion beigebracht wird, während die in der Weltkirche ordentliche Form der Mundkommunion nicht einmal Erwähnung findet. Noch radikaler praktiziert wurde der gewollte „Umbau“ durch die Entfernung und Zerstörung der Kommunionbänke, die unmißverständlich verdeutlichen sollte, was erwünscht ist, und was nicht.
In Summe häßliche Beweise für eine seit einem halben Jahrhundert anhaltende Fehlentwicklung, und dafür, daß gute Absichten weder vor Torheiten noch vor Gefahren schützen.
Der bayerische Priester Wilhelm Schallinger faßt die Entwicklung in seinem 2017 in 2. Auflage erschienenen Buch „Das Lamm in Menschenhand“ (Patrimonium Verlag) zusammen und schreibt, daß die Einführung der Handkommunion „zu einer verheerenden Ehrfurchts- und Glaubenslosigkeit hinsichtlich der realen Gegenwart des Herrn in der Eucharistie geführt hat.“
Papst Benedikt XVI. versuchte durch sein Vorbild gegenzusteuern, indem er bei den Papstmessen nur mehr die Mundkommunion erlaubte. Es fehlte nicht an trotzigen Verweigerungen „mündiger“, sprich hochmütiger Christen wie der damaligen Königin Sophia von Spanien und des damaligen deutschen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) . Franziskus selbst ergreift auch in dieser Frage nach außen nicht Partei, indem er ganz auf die Kommunionspendung verzichtet. An der Wertung dieses Wesenszuges scheiden sich die Geister. Unter ihm ist es jedem kommunionspendenden Priester freigestellt, ob er Hand- oder Mundkommunion spendet. Entsprechend uneinheitlich ist die Praxis.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL