Der neue Bischof von Klagenfurt und die Priesterkinder von Kenia

Zölibatsdebatte


Zwei Brüder, verschiedene Mütter, derselbe Vater – ein Missionar und Priester.
Zwei Brüder, verschiedene Mütter, derselbe Vater – ein Missionar und Priester.

(Rom) Der prie­ster­li­che Zöli­bat steht seit den spä­ten 60er Jah­ren unter Druck. In unre­gel­mä­ßi­gen Abstän­den wur­de seit­her Stim­mung gegen ihn gemacht. Zöli­bats­kri­ti­ker fan­den dazu in welt­li­che Medi­en viel Raum. Seit der Ama­zo­nas­syn­ode herrscht in der Kir­che eine ange­spann­te Stim­mung. Die Syn­ode wird von vie­len als Signal zum Gene­ral­an­griff gese­hen. In kon­ser­va­ti­ven Krei­sen herrscht Sor­ge, die man aber nur andeu­tungs­wei­se äußert, was in etwa so klingt: Man müs­se sehen, was Papst Fran­zis­kus ent­schei­de. Der Haken an der Sache: Dann könn­te es mög­li­cher­wei­se zu spät sein.

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Die erwähn­te Span­nung läßt sich an zahl­rei­chen Angrif­fen gegen den prie­ster­li­chen Zöli­bat erken­nen, die auf unter­schied­li­chen Ebe­nen erfolgen. 

Zwei Bei­spie­le:

Der am 3. Dezem­ber neu­ernann­te Bischof der öster­rei­chi­schen Diö­ze­se Gurk-Kla­gen­furt, Msgr. Kurt Mar­ketz, sprach sich gleich in sei­ner ersten Stel­lung­nah­me „für ein Ende des Zöli­bats“ aus.

Gibt es noch Bischö­fe im deut­schen Sprach­raum, die den prie­ster­li­chen Zöli­bat ver­tei­di­gen? Vie­le sind es jeden­falls nicht.

Was zeich­net Msgr. Mar­ketz, den 66. Bischof der 1072 als Salz­bur­ger Eigen­bis­tum errich­te­ten Diö­ze­se, laut den Medi­en aus? Er war bis­her Direk­tor der diö­ze­sa­nen Cari­tas, er ist Kärnt­ner Slo­we­ne (das sind 2,3 Pro­zent der Kärnt­ner), und er ist für ein „Ende“ des prie­ster­li­chen Zöli­bats. „Alles wie gehabt“, kom­men­tier­te ein öster­rei­chi­scher Bekann­ter iro­nisch. So gefal­le es den Medi­en, und so wol­le man es in Rom.

Zu den zahl­rei­chen Sti­che­lei­en gegen den Zöli­bat gehört auch ein Bericht von Asso­cia­ted Press (AP), dem welt­wei­te Ver­brei­tung sicher ist. Am 6. Dezem­ber, dem Niko­laus­tag, berich­te­ten Kha­led Kaz­zi­ha und Nico­le Win­field über zwei Kenia­ner, die sich am 30. Okto­ber erst­mals begeg­net sind. Laut DNS-Test sind sie Brü­der – zumin­dest Halb­brü­der. Sie, 39 und 30 Jah­re alt, haben den­sel­ben Vater, aber nicht die­sel­be Mut­ter. Durch den Test steht fest: Ihr gemein­sa­mer Vater ist der ita­lie­ni­sche Mis­sio­nar P. Mario Lacchin.

Der älte­re der bei­den Män­ner heißt Ste­ven. Er wuß­te, daß sein Vater ihn und sei­ne Mut­ter „im Stich gelas­sen“ hat­te. Als er älter war, erfuhr er von der Mut­ter auch, daß sein Vater ein Mis­si­ons­prie­ster ist. Was er aber nicht wuß­te: Kaum zehn Kilo­me­ter ent­fernt leb­te die gan­ze Zeit sein Halb­bru­der Gerald, den sein Vater mit einer ande­ren Frau gezeugt hatte.

Nie­mand wis­se, wie vie­le Kin­der von Prie­stern es welt­weit gebe. „Es gibt sie aber auf der gan­zen Welt“, sagt Anne-Marie Jar­zac von der fran­zö­si­schen Orga­ni­sa­ti­on Enfants du Silence (Kin­der der Stil­le). Sie ver­han­delt mit den fran­zö­si­schen Bischö­fen, um Zugang zu den diö­ze­sa­nen Archi­ven zu erhal­ten, damit die­se Kin­der erfah­ren kön­nen, wer ihr Vater ist.

Ähn­lich den sexu­el­len Miß­brauchs­op­fern, so Jar­zac, erge­he es auch den Prie­ster­kin­dern: „von den Vätern ver­las­sen, ihrer Iden­ti­tät beraubt und von der kirch­li­chen Hier­ar­chie ignoriert“.

Der Mis­sio­nar Mario Lac­chin vom Con­so­la­ta-Orden, der jüngst im Zusam­men­hang mit der Ama­zo­nas­syn­ode bereits für nega­ti­ves Auf­se­hen sorg­te, ent­schul­dig­te sich in Brie­fen an „sei­ne Frau­en“ und stell­te sich als Opfer des „Drucks“ dar, der vom Orden auf ihn aus­ge­übt wor­den sei. Nur eine Aus­re­de? Ziem­lich wahr­schein­lich, nach­dem er inner­halb von neun Jah­ren im sel­ben Gebiet mit zwei Frau­en Kin­der zeug­te. Viel­leicht gibt es noch meh­re­re, was sich der­zeit nicht sagen läßt.

Ste­ven kann eine umfang­rei­che Doku­men­ta­ti­on vor­le­gen. Sie belegt die zehn Jah­re dau­ern­den Bemü­hun­gen sei­ner Mut­ter für die Aner­ken­nung des Soh­nes durch den Vater, wozu sie auch die Ordens­obe­ren und die kirch­li­che Hier­ar­chie kontaktierte.

Der Mis­sio­nar und Ste­vens Mut­ter hat­ten sich 1979 in einem Ort 200 Kilo­me­ter nörd­lich von Nai­ro­bi ken­nen­ge­lernt, wo sie an einer Mäd­chen­schu­le unter­rich­te­te, und er als Prie­s­ter­mis­sio­nar im Ein­satz war.

Irgend­wann schrieb sie dem Vater ihres Kindes:

„Ich akzep­tie­re Dei­ne Ent­schei­dung, was mich betrifft, aber ich kann nicht akzep­tie­ren, daß Du Dich hin­ter dem Prie­ster­tum ver­steckst, um dem Kind die Hil­fe zu ver­wei­gern, das Du mit mir gezeugt hast.“

Obwohl ger­ne anders dar­ge­stellt: Das Pro­blem ist nicht der Zöli­bat, son­dern der Umgang der direkt Betrof­fe­nen, aber auch der Obe­ren mit die­ser Art von Fehl­ver­hal­ten von Priestern.

Ste­vens Mut­ter schrieb 1988 an sei­nen Vater:

„Was wird Dein Sohn ein­mal von Dir und von Prie­stern denken?“

Der ande­re Aspekt ist, daß der­zeit nur weni­ge Kir­chen­ver­tre­ter ent­schlos­sen und sub­stan­ti­ell für den Zöli­bat eintreten.

Es gibt weni­ge Ver­tei­di­ger, aber vie­le Geg­ner. Dazwi­schen steht eine brei­te Rie­ge von vor­geb­li­chen Ver­tei­di­gern, die in Wirk­lich­keit kei­ne sind. Es sind jene, die den Zöli­bat zwar recht­fer­ti­gen und von sich selbst sagen, „kei­ne Pro­ble­me“ damit zu haben, ihn aber nur als Gesetz der Kir­che bezeich­nen. Die­se Art der „Ver­tei­di­gung“ sagt impli­zit, daß der Zöli­bat wie jedes Gesetz der Kir­che geän­dert wer­den kann. Auf eine tie­fer­ge­hen­de, theo­lo­gi­sche Ver­tei­di­gung tref­fen Katho­li­ken selten.

Das gilt auch für Papst Fran­zis­kus und erklärt, war­um vie­le Katho­li­ken in der Fra­ge nicht anders den­ken wie Nicht-Katholiken. 

Die Debat­te ist zur theo­lo­gi­schen Ver­tie­fung des prie­ster­li­chen Zöli­bats zu nüt­zen und von der Ebe­ne der Dis­kus­si­on eines „blo­ßen“ Kir­chen­ge­set­zes weg­zu­brin­gen, wenn sie frucht­bar sein soll.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: AP (Screen­shot)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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