
von Endre A. Bárdossy*
Im letzten Aufsatz, der von meiner Wenigkeit in diesem Blog in generöser Weise veröffentlicht worden ist, hat sich – unterhalb des Zwischentitels „Verballhornung der Begriffe“ – ein kapitaler Tippfehler eingeschlichen: „ENDCULTURATION“ (Zeile 7). Natürlich heißt der englische Terminus nicht „End-, sondern Enculturation“. Unglücklicherweise verdirbt dabei das fette „D“ den Sinn dieses Fachwortes, das aus den Humanwissenschaften des XIX. Jahrhunderts stammt. Eine Berichtigung ist auch für die folgenden Überlegungen von großem Belang, daher ist hier kurz und bündig die Wiederholung der Definitionen angezeigt:
- Culture ist die fleischgewordene Religion eines Volkes (T. S. Eliot, 1949). Demnach ist jede Religion als Lebensmittelpunkt immer Kulturproduzent und nicht Kulturprodukt. Allerdings ist es logisch unmöglich zwei Religionen (oder Weltanschauungen als Religionsersatz) gleichzeitig für wahr zu halten.
- Enculturation (verbal enculturate / einkulturieren) bedeutet, daß das neugeborene Kind in eine bestimmte Kultur seiner Umgebung hineinwachsen muß, wie es der Zeit, dem Raum und der Position der Eltern entspricht. Dabei werden die grundlegenden Werte und Verhaltensweisen angeeignet (M. J. Herskovits, 1948).
- Acculturation (etymologisch Ad-culturation) bedeutet dagegen den Kulturwandel eines Volkes, Stammes oder Individuums im halb- oder vollerwachsenen Alter. Das heißt in einer primär, bereits „einkulturierten“ Verfassung, mit allem was dazugehört wie Sprache, Religion, Sitten, Bildung, Identität und nicht zuletzt mit Bejahung oder Frustration der Lebensfreude dafür, daß ein neuer, drohender oder ersehnter Lebensmittelpunkt gesetzt werden muß (J. W. Powell, 1880).
Der Unterschied der beiden Termini besteht darin, daß die „Einkulturierung“ für das neugeborene Kind die primäre Kulturverfassung, während die „Akkulturierung“ vielmehr einen sekundären Kulturwandel, und eine Umerziehung der ganzen Seele im Erwachsenenalter vermitteln soll.
Mit der Notwendigkeit des Einmaleins resultiert aus jedem Akkulturationsprozeß eine partielle oder komplette Verdrängung oder Anpassung. Anpassung bedeutet Assimilation, Relativierung und / oder Korruption der unvereinbaren, eigenen oder fremden kulturellen Elemente, wobei die Gewinner-Partei „verdrängen“ kann, und die Verlierer-Partei fein oder grob, aber jedenfalls „beigeben“ muß: manchmal einseitig, manchmal vielleicht doch auch wechselseitig. Wer die größere Zahl und mehr Vitalität, wer den größeren Druck und die besseren Waffen (Argumente) auf seiner Seite hat, der hat den größeren Einfluß im Endergebnis: Amboß oder Hammer – meinte schon der alte Goethe. Tertium non datur.
Grobe Inkompatibilitäten können nicht konfliktfrei, in „Dialogform“ weggeplaudert und nur um den Preis einer großen Schlacht oder einer großen Opferbereitschaft bewältigt werden. Die üblichen Szenarien für einen gewaltigen Anprall der Kulturen sind:
- Flucht vor politischer Verfolgung, Krieg, Revolution oder Naturkatastrophen,
- Auswanderung aus wirtschaftlicher Not,
- Konversion aus Gründen der religiösen Überzeugung oder der politischen Weltanschauung,
- Liebesheirat zwischen Partnern aus zwei weit auseinander liegenden Welten… Diese kann freilich auch unter kontinentalen, nationalen oder unter gewaltigen Standesunterschieden zustandekommen.
Zur Einleitung: Historia magistra vitae
Kolonialismus und Liberalismus in der modernen Welt hatten ihren Ursprung und ihre Blüte im kühlen Klima Großbritanniens und im kühlen Temperament der Briten. Sie haben ebenfalls mit Vermischung und Konfrontation der Kulturen zu tun. Ganz neu sind sie freilich nicht. Für diese Verhaltensmuster gibt es seit dem Altertum bis heute viele Schulbeispiele der Geschichte, die nach Ciceros bekanntem Spruch die Lehrmeisterin des Lebens ist.
Die Ansiedlung der ältesten Griechen war ein Paradebeispiel der vorwiegend friedlichen Akkulturation. Sie unterschied sich insofern vom römischen Imperialismus, als die Handelsschiffe vor den Legionen absoluten Vorrang bewahrten. Diese sogenannte „Große Kolonisation“ im antiken Mediterraneum erfolgte von der Mitte des VIII. bis ins VI. Jahrhundert vor Chr., wodurch sich der Lebensraum der Frühzivilisation von der iberischen Halbinsel bis zum Kaukasus und von Südrußland bis Ägypten erstreckte. Die imperialen Höhepunkte des römischen, spanischen, britischen „Kolonialismus“ stellen geradezu die besten Beispiele für die erzwungene Akkulturation dar. Fremde Ländereien zu besetzen, verlockt stets die Ambitionen aller Menschen, die zu Macht gekommen sind. Der demnächst größer werdende Fisch frißt die anderen – das ist das eherne Gesetz, welches die Geschichte vorantreibt, Kulturen emporhebt und untergehen läßt.
Alexander der Große, der mit 20 Jahren König von Makedonien wurde (336–323 vor Chr.), läutete den Untergang des Hellenismus im damaligen Abendland ein. Nach seinem letzten großen Sieg gegen das zahlenmäßig weit überlegene Heer der Perser in der Schlacht von Gaugamela (331 vor Chr.) proklamierte sich der stämmige Makedone – der Napoléon ähnlich kleinwüchsig war – beim Einzug nach Babylon zum „König von Asien“. Selbst das reichte ihm nicht: Der maßlose Alexander führte seine Kriegszüge weiter bis zum bitteren Ende. Aus der Platonischen Philosophie hat er die Grundtugend aller Regierenden, das „Maßhaltenkönnen“, nicht erlernt. Das Konzept kam mit lateinischer Vermittlung (temperantia) sogar ins Englische (temperance) und ins Deutsche unserer Tage, wenn wir Wein auf eine gut abgestimmte Temperatur bringen: weder zu kalt noch zu warm „temperieren“ – oder auf wüste Leidenschaften „mäßigend einwirken“ wollen. Als Kuriosität ist zu erwähnen, daß wir neben dem Begriff des Temperaments auch die Temperafarbe – in einer mit Eigelb oder Milch gemischten, wäßrig-öligen Emulsion – aus der Kunst des Altertums geerbt haben.
An wessen Wesen soll die Welt genesen?
Cecil John Rhodes (1853–1902), ein britisch-südafrikanischer Staats- und Geschäftsmann, erwirkte die Kolonisierung Rhodesiens und damit ein wenig Weltberühmtheit. Die Leitsätze des grenzenlosen, von jeglicher moralischen Hemmung „befreiten“ Liberalismus im XIX. Jahrhundert können nirgendwo prägnanter belegt werden als aus seiner Feder:
- Remember that you are an Englishman, and have consequently won first prize in the lottery of life.
Erinnere, daß du Engländer bist und folglich den ersten Preis in der Lotterie des Lebens gewonnen hast. - Having read the histories of other countries, I saw that expansion was everything, and that the world’s surface being limited, the great object of present humanity should be to take as much of the world as it possibly could.
Nach der Lektüre der Geschichten anderer Länder erkannte ich, daß es bei der begrenzten Fläche der Welt allein auf die Expansion ankommt. Wir sollten also von der Welt jeweils so viel wie möglich in Besitz nehmen. - We must find new lands from which we can easily obtain raw materials and at the same time exploit the cheap slave labor that is available from the natives of the colonies. The colonies would also provide a dumping ground for the surplus goods produced in our factories.
Wir müssen neue Kolonien finden, aus denen wir leicht Rohstoffe beziehen und gleichzeitig die billige Sklavenarbeit ausbeuten können, die von den Eingeborenen zur Verfügung gestellt wird. Die Kolonien würden auch Dumping-Märkte für unsere überschüssigen Fabrikwaren bieten. - I have found out one thing and that is, if you have an idea, and it is a good idea, if you only stick to it you will come out all right.
Ich habe eine Sache herausgefunden, und zwar, wenn du eine Idee hast, und sie ist wirklich eine gute Idee, dann halte dich nur daran, nichts kann schiefgehen dabei. - So little done, so much to do.
So wenig getan, so viel zu tun.

C. J. Rhodes war am Höhepunkt des britischen Imperialismus eine führende Gestalt des liberal entfesselten Wettlaufs um Afrika und seine Naturschätze. Mit der Industriellen Revolution hat sich die abendländische Zivilisation noch einmal über Wasser halten können. Obwohl wir ohne Eisenbahn und Autobahn, hochkomplizierte Apparate, Maschinen, Fabriken und dergleichen nicht mehr existieren könnten – auch im tiefschwarzen Afrika, Arabien oder China nicht –, wird die glorreiche Revolution der Produktivität von den sozialen und grünen Hysterikern als „Kapitalismus“ verflucht. Ohne den Triumphzug der ersten Dampfmaschine (James Watt 1773) von Manchester bis an die Enden der Welt, ohne die Handelsschiffe der Marktwirtschaft von Stockholm bis Buenos Aires oder Hongkong hätten wir längst, von Seuchen geplagt, elendig verhungern können, wie es in der Dritten Welt nicht unbekannt ist.
Kolonisierung als Vorstufe der Zivilisation
Kolonie bedeutet schlicht und einfach „Siedlung“. Im doppelten Sinn ist sie nicht nur engstens verwandt mit Ausdehnung der Bodenkultur, Urbarmachung der Wüste, Kultivierung der Wildnis, sondern darüber hinaus auch mit der Expansion der Kultur und Zivilisation. Da die Sache uralt ist, geht sie auf das lateinische Verb colere, cultus (pflegen, kultivieren, das Land bestellen) zurück. Die griechische Etymologie klingt ebenfalls interessant: Apoikia (Ansiedlung) stammt aus ap-oikeo (auswandern), d. h. apo- / entfernt von der Heimat (Oikos, Oikia), nicht zuhause wohnen.
Die Kolonisierung wird heute nicht mehr in ihrem echten, griechisch-römischen, positiven Sinn verstanden. Die friedliche Verbreitung der Zivilisation in den Kolonien wäre an und für sich ein lobenswerter Prozeß, aber die Mißbräuche und Widersprüche des hemmungslos organisierten, grenzenlos liberalisierten Kolonialismus förderten nicht das Bürgertum und die Emanzipation der Indigenen. Entgegen der falschen Volksetymologie leitet sich das lateinische Wort Indigena nicht von den „Indianern, Negern oder Eskimos“ ab, sondern bedeutet schlicht und einfach „Inländer“ (lat. Ureinwohner, Einheimische, Eingeborene, Bodenständige). In Europa sind wir zuhause und haben somit die Rechte, Vorrechte und die Pflichten der Indigenen auf Selbstverteidigung – sei es gestern, heute und morgen. Historische Schulden gegenseitig aufzurechnen, wird wohl nur neue Schulden resultieren.

Die Helden der Entkolonisierung tragen daher die Verantwortung für die Rückfälle der Entzivilisierung und für die Fixierung des Rückstandes. Im geographischen Chaos pflegen sie nur einen leeren Nominalismus mit exotischen Länder- und Ortsnamen, aber den eigenen Fortschritt fördern sie kaum. Mit den sogenannten Flüchtlingen werden nur die potentiellen Bauleute ihrer Heimatländer in Europa frühzeitig „pensioniert…“. Nach ihrer Entlassung in den Freistilkampf des internationalen Liberalismus, Imperialismus und Sozialismus scheinen eher Krieg und Elend in den ehemaligen Kolonien Konjunktur zu haben. Mehr als jemals zuvor. Und die euro-amerikanische Zivilisation – die Bonzen der Europäischen Union an der Spitze: Frankreich und Deutschland – liefert ihnen die Waffen dazu.
Viele von ihnen erinnern sich zwar der Segnungen und Flüche der Kolonialzeiten, so träumen sie nun von einem arbeitslosen Leben in Europa – in der Hängematte des Sozialstaates. Die jungen Migranten wandern wie ehemals die weißen Siedler über weite Strecken, aber in die verkehrte Richtung einer ausweglosen Sackgasse, lediglich mit einem Mobiltelephon, ohne Sprache, ohne (anwendbare) Bildung, ohne Beruf und ohne eine heiratsfähige Frau für eine befriedigende Zukunft. Sie strömen ungebeten Richtung Europa, mit einem großen Unterschied: Die weißen Eroberer trafen in Afrika mit Waffen und Wissen bestens gerüstet ein. Die Schwarzen kommen in einem Gummiboot mit leeren Händen, und lassen sich „retten“ von sogenannten Gutmenschen – die Rechtsbrecher und keine Wohltäter sind – und Illusionen, denn die unlösbaren Probleme fangen erst an, sobald sie das Festland betreten haben. Nachdem die ehemalige Arbeiterklasse des XIX. Jahrhunderts aus der Unmündigkeit definitiv erwachsen ist, haben sich alle linksliberalen Kräfte der neuen Klientel angenommen: Sie verlocken völlig unangepaßte, nicht assimilierbare, naive Migranten aus Schwarzafrika, dem Nahen und Fernen Osten. Ihre letzten Ersparnisse werden von Schlepperbanden kassiert. Eine zusätzliche Volksschule in ihren Heimatländern zu besuchen wäre dienstvoller gewesen, als im Schlauchboot einen Ausflug in die Fremde zu wagen.
Anno dazumal wurden die neuen Siedlungen für die Britische Krone, die von Rhodes mit technologischer Überlegenheit, scharfem Geschäftssinn und mit dem Import von elementaren Bildungsgütern gewonnen wurden, nach ihm „Rhodesien“ benannt. Zweifellos trägt jede bescheidene Hebung des Bildungsnotstandes zur Hebung der Produktivität der billigen Arbeitskräfte bei. Auch ihr niedriger Lebensstandard hob sich vom absoluten Nullpunkt zum bescheidenen Wenig. Aus der eurozentrischen Sicht wurde es rechtens empfunden, obwohl die Verteilung der Reichtümer sehr asymmetrisch war. Unter Anführung der Siedlerwirtschaft gab es im Durchschnitt dennoch eine langsame, aber stetige Aufwärtsbewegung mit einer mäßigen Humanisierung. Zum allermindesten haben sie sich oft die Sprachen ihrer englischen, spanischen oder französischen Kolonialherren angeeignet, was in der global werdenden Welt allein schon ein großer Schatz ist, um bestehen zu können. Ähnlich wie in der nicht immer glorreichen Geschichte der Ersten Welt, war die Kolonisation eine vielfach ungerechte, aber effektive Vorstufe zur Zivilisation. Sowohl Hispano- wie auch Anglo-Amerika, Kanada, Australien, Neuseeland, Indien waren Kolonien. Heute sind sie (mehr oder minder hoch) entwickelte Staaten, was sie ohne ihre koloniale Vorgeschichte doch nicht hätten werden können. Wenn es vor allem in Afrika und Teilen Asiens nicht so weit gekommen ist, liegt es vielleicht – teilweise zumindest – am Charakter und Geschick der eingeborenen Inländer.
Da die schwarzen Legenden und Geschichten der Humanität das Böse unentwegt in den Vordergrund kehren, ist es leider nicht zu leugnen, daß Peitsche, Aggression und Ausbeutung – weder in der altertümlichen Galeerensklaverei noch unter der Ägide des modernen Kolonialismus – niemals zur Gänze fehlten. Aber auch die Schwarz-Weiß-Malerei hat gewissermaßen ihre gebleichte Kehrseite: Kein vernünftiger, noch so gieriger Unternehmer oder Siedler will seine Arbeiter und Kunden zu Tode schinden, denn damit verlöre er nur die Produktionskräfte und die Abnehmer seiner Waren. Der langsam steigende Wohlstand ist also der wirksamste Multiplikator des Kapitalismus sowohl im Mutterland wie auch in den Kolonien, wenn auch hierorts nochmals viel langsamer, aber ebenfalls stetig. Marx und Engels verkalkulierten sich, als sie die proletarische Revolution schürten. Im fortschrittlichen Kapitalismus erlosch bald das revolutionäre Feuer, und loderte im Elend der rückschrittlichsten Agrarländer – Rußland, China, Cuba – umso heftiger wieder auf. Unter analogen Verhältnissen nach dem Ersten Weltkrieg im ausgeplünderten Deutschen Reich formierte sich der national-sozialistische, rechte Zwillingsbruder des proletarischen Links-Sozialismus. Diese Gebrüder nährten sich vor allem aus der arbeitslosen, ins Elend versunkenen Landbevölkerung. Die Massen strömten entweder in die rasant wachsenden Hauptstädte oder wanderten nach Übersee aus: Juden und Nichtjuden gleicherweise.

Wo es aber genug Kapital und Arbeit gab, dort gewann auch der Fortschritt eine Chance. Die kommunistischen Erhebungen wurden nicht vom Kapitalismus, sondern vom Fehlen eines lebensfähigen Kapitalismus ausgelöst. Die Kolonialherren haben die Geschichte nicht studiert, sonst hätten sie viel Übel ersparen können. Die englischen Ingenieure brachten nicht nur Schätze aus den Kolonien, sondern einiges an Werten auch ein: Eisenbahn, Industrie, Institutionen. Das Britische Reich hatte wohl deshalb eine längere Lebensdauer als die Landbesetzer aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden oder Portugal.
Rhodes‘ lesenswertes Curriculum

Um den Verlauf der Geschichte verstehen zu können, ist es immer lehrreich die Curricula ihrer Protagonisten unter die Lupe nehmen. Cecil war der Sohn eines anglikanischen Pfarrers. Als Kind litt er lange unter Tuberkulose, und seine Eltern schickten ihn im Alter von 17 Jahren nach Südafrika zu seinem Bruder Herbert, der es dort mit der Bewirtschaftung von Baumwollplantagen, Gold- und Diamantenminen zu Wohlstand brachte (1870). Daß die Gegend dort nicht gänzlich unwirtlich war, davon zeugt am vertraulichsten die Architektur der Epoche, die von englischen und vormals niederländischen Siedlern errichtet wurde. Rat- und Bürgerhäuser aus schmucken, rotgebrannten Backsteinziegeln, auch die Eisenbahnlinien mit ihren typischen Wächterhäuschen und Bahnstationen ergänzen das Bild, wo es früher nur Laubhütten und Bruchbuden gab.
Bald überließen die Gebrüder Rhodes die Geschäftsführung einem verläßlichen Partner und fuhren nach England (1873). Dort besuchte Cecil das Oriel College. 1877 wurde er in die Oxforder Apollo-Loge als Freimaurer aufgenommen. Die Logenbrüder übernahmen auf diesem Wege die globale Weltbeherrschung in ihre Hand. Währenddessen liefen die Geschäfte in Südafrika bestens weiter. 1880 gründeten die Rhodes als Haupteigentümer eine Mining Company mit einem Startkapital von nicht weniger als 200.000 £. Glücklicherweise schloß Cecil auch sein Abschlußexamen ab, und war nun Rechtsanwalt (1881). Im selben Jahr wurde er auch Parlamentsmitglied in der Kapkolonie und behielt diesen Sitz bis an sein Lebensende.

Rhodes schaffte es, die Kapkolonie Richtung Norden bedeutend auszudehnen. Die neuen Gebiete wurden an die Eisenbahn von Südafrika angeschlossen und nach ihm als Nord- und Südrhodesien benannt. Seit 1964 heißen sie Sambia und Simbabwe, doch bis 1923 kontrollierte die von Rhodes gegründete Britische Südafrika-Gesellschaft dieses Gebiet.
1890 wurde Rhodes zum Premierminister der Kapkolonie gewählt. Seine Vision war die Vereinigung seiner Wahlheimat samt allen südafrikanischen Republiken unter britischer Fahne, auch um den Preis von Verschwörungen und kleineren, lokalen Kriegen. Als Realpolitiker kümmerte er sich vor allem um Rhodesiens wirtschaftliche Weiterentwicklung und trieb unter anderem den Eisenbahnbau voran. Er ist auch der Gründer der Universität Kapstadt, Afrikas älteste Hochschule überhaupt. Mit dem unvollendeten Kap-Kairo-Plan verfolgte er das enorme Vorhaben, mit einer Eisenbahnlinie Südafrika lückenlos in britischer Hand bis zum Mittelmeer im Norden zu verbinden, das nur mit der kolossalen Transsibirischen Eisenbahn vergleichbar ist. Rhodes verstarb 1902, ohne diesen Traum verwirklichen zu können. The Rhodes Colossus, eine berühmte Karikatur von Edward Linley Sambourne (The Times, 1892), ist eine sarkastische Anspielung auf das dritte Weltwunder, den Koloß von Rhodos, um den imperialen Wettlauf um Afrika bloßzustellen.
Durch das Gold- und Diamantengeschäft war Rhodes zu einem der reichsten Männer der Welt geworden. Er brachte einen Großteil seines Vermögens testamentarisch in die Rhodes-Stiftung ein, die jährlich 200 Studenten ein Stipendium zum Besuch der Universität Oxford verleiht. Die Rhodes-Stiftung existiert bis heute. Einer der prominentesten Stipendiaten war Bill Clinton.

Die Mandela-Rhodes-Stiftung wurde (2002) aus Anlaß des hundertjährigen Jubiläums des Rhodes-Trusts in Partnerschaft mit der Nelson-Mandela-Stiftung gegründet. Auch ihr Ziel ist es, Führungspersönlichkeiten für Afrika heranzubilden im Geiste des Unternehmertums, der Erziehung und der Versöhnung, wie sie Cecil Rhodes und Nelson Mandela repräsentierten. Hierfür werden ebenfalls Stipendien für Studien an der Universität Oxford gezahlt. An den Feierlichkeiten nahmen neben Nelson Mandela, dem ehemaligen südafrikanischen Staatspräsidenten, auch der ehemalige US-Präsident Bill Clinton sowie der damalige britische Premierminister Tony Blair teil.
Höhenflug und Niedergang des Liberalismus
Der europäische „Wettlauf um Afrika“ an der Jahrhundertwende ist ein Lehrbuchbeispiel von Akkulturationsproblemen aus der jüngsten Geschichte. Tatsache ist, daß die liberal gesinnten Geister der europäischen Aufklärung – auch bei strenger Ausbeutung – dennoch ein nicht unwesentliches Mitbringsel für die kolonisierten Länder erwirtschaftet haben. Die verarmten Landstriche wurden urbar gemacht, besiedelt, wirtschaftlich erschlossen und, wenn auch unter Leid und Ungerechtigkeit, so doch langsam, millimeterweise zivilisiert. Auch die römischen Legionen brachten den Barbaren nicht nur Niederlagen, sondern auch die ersten gepflasterten Kriegs- und Handelsstraßen, die ersten Buchstaben und wohl auch die ersten Thermalbäder. Die Tage des römischen, aber auch des britischen Liberalismus waren dennoch gezählt.
Was schwerer wiegt, stellte sich ebenfalls heraus. Die heimlichen, doppelbödigen Schwächen der aufgeklärten, seit Adam Smith (1723–1790) ach so „Offenen Gesellschaft“ sind von der Geschichte ebenfalls definitiv entlarvt worden. Die Liberalen erheben im globalen Welthandel auf dem „freien“ Markt nur dann Zölle, wenn diese für sie günstig und nötig sind. Die Schutzzölle fremder Drittländer halten sie dagegen stets für verwerfliche Hemmnisse des überbordenden Freihandels.
Der dialektische Umschlag von Liberalismus in Imperialismus wird stets an der verhängnisvollen Scheidung der Triumph- und Profitsucht von allen ethischen Grundlagen erkennbar. Auch die sowjetrussische Schreckensherrschaft war ein grausamer Imperialismus sui generis. Der Staatskapitalismus des „freien“ Westens will unter dem Vorwand der repräsentativen Demokratie, mittels Gesetzgebung und Besteuerung, mit Beistand des Europäischen Gerichtshofes und der Zentralbank nur das schaffen, was die Kommunisten mit anderen Waffen nicht erreicht haben. Einfacher ausgedrückt: George Orwell (1903–1950) erkannte nämlich richtig, daß im Sozialismus aller Schattierungen die herrschenden Schichten „gleicher“ sind als die anderen. Sie wollen auf Kosten der echten Leistungsträger leben und Macht ausüben, ohne Rücksicht auf die verheerenden Folgen der dafür zwingend notwendigen Entmoralisierung und der Lähmung der Kreativität.
Ohne die guten Sitten eines pflichtbewußten Beamten oder eines ordentlichen Kaufmannes (Pünktlichkeit, Verläßlichkeit, Ausdauer… Gerechtigkeit etc.) ist nicht nur das Finanzamt, sondern auch der Markt nur eine organisierte Räuberbande. Wo sich „Liberalismus & Sozialismus“ konsolidiert haben, dort entfacht sich unvermeidbar auch ihr imperiales Gehabe. Wenn alle moralischen Stricke reißen und alles erlaubt ist, was nicht verboten ist, so brechen eigenwillige Minderheiten (Parteien) immer aus den Konditionen des fairen Wettbewerbs aus, um Alleinherrscher zu werden, sei es in einer demokratischen und / oder ökonomischen Polposition und Korruption.
Sobald der echte Unternehmergeist durch das unmoralische Treiben und das Treibenlassen von leistungsscheuen Interessengruppen, Lobbies, Klicken, Gremien, Parteien und Gewerkschaften überwältigt wird, gehen auch die Güter und Werte der verbindlichen Treue und Ehre unter. Im Gegensatz zu einer echten Lebensgemeinschaft (lat. Communio) wie die unkündbare Ehe, die Familie oder die Heimat (lat. Patria, Nation) bedeutet die lateinische Societas vorwiegend ein spezifisches, meistens kurz befristetes Zweckbündnis (lat. Assoziation), eine lockere Geselligkeit oder lediglich eine Spaßgesellschaft, die durch ein flüchtiges, meist übertriebenes Interesse zusammengehalten wird. Eine Gemeinschaft zeichnet sich dagegen unverkennbar auch als eine echte, wehrhafte, selbsterhaltende Leistungsgemeinschaft aus: Unus pro omnibus – omnes pro uno (Einer für alle – alle für einen). Was freilich nur in einer moralisch sauberen Gemeinschaft wahr sein kann. Robin Hoods „Ganovenehre“ schafft keine Gemeinschaft, sondern Komplizenschaft. Platon folgend können wir die Gemeinschaft vielleicht als eine relative – innere und äußere – Autarkie (Selbständigkeit, Unabhängigkeit) auffassen.
Ist die Christliche Demokratie das utopische Gegenstück zum enthemmten Liberalismus und zur Diktatur der Mehrheit?
Der Turbo-Kapitalismus multipliziert sich selber zu Tode, weil er nicht Maß halten kann. In den Turbulenzen der maßlosen „freien“ Marktwirtschaft können aber die Worte des weisen Papstes Benedikt XVI. einen sicheren Halt bieten (Spe salvi, 2007, § 4):
„Das Christentum hatte keine sozialrevolutionäre Botschaft gebracht, etwa wie die, mit der Spartakus in blutigen Kämpfen gescheitert war. Jesus war nicht Spartakus, er war kein Befreiungskämpfer wie Barabbas oder Bar-Kochba. Was Jesus, der selbst am Kreuz gestorben war, gebracht hatte, war etwas ganz anderes: die Begegnung mit dem Herrn aller Herren, die Begegnung mit dem lebendigen Gott und so die Begegnung mit einer Hoffnung, die stärker war als die Leiden der Sklaverei und daher von innen her das Leben und die Welt umgestaltete.
Was neu geworden war, wird am deutlichsten im Brief des heiligen Paulus an Philemon. Das ist ein ganz persönlicher Brief, den Paulus im Gefängnis schreibt und dem davongelaufenen Sklaven Onesimus für seinen Herrn – eben Philemon – mitgibt. Ja, Paulus schickt den zu ihm geflohenen Sklaven an seinen Herrn zurück, nicht befehlend, sondern bittend:
Ich bitte dich sehr für mein Kind Onesimus, dem ich im Gefängnis zum Vater geworden bin […] Ich schicke ihn zu dir zurück, das bedeutet mein eigenes Herz […] Vielleicht wurde er nur deshalb eine Weile von dir getrennt, damit du ihn für ewig zurückerhältst, nicht mehr als Sklaven, sondern weit mehr: als geliebten Bruder (Phlm 10–16)
Die Menschen, die sich ihrem zivilen Status nach als Herren und Sklaven gegenüberstehen, sind als Glieder der einen Kirche einander Brüder und Schwestern geworden – so redeten sich die Christen an; sie waren durch die Taufe neu geboren, mit dem gleichen Geist getränkt und empfingen nebeneinander und miteinander den Leib des Herrn. Das veränderte, auch wenn die äußeren Strukturen gleich blieben, von innen her die Gesellschaft.“
Die christliche Gemeinschaft, die christliche Familie und Nation sind keine Utopien, allerdings sind dafür Leistungen – Taten und Tatsachen – die Voraussetzung, nicht nur Gutgläubigkeit und ein guter Wille.
Die undankbare Nachwelt
Es steht indiskutabel fest, daß C. J. Rhodes – obwohl Sohn eines anglikanischen Geistlichen, – seine politischen und geschäftlichen Überlegungen nicht im Geiste des Philemonbriefes, sondern durch und durch nach gewinnorientierten Kriterien anstellte. Ein maßvoller Gewinn entspricht sicherlich der Klugheit und Gerechtigkeit. Aber bei einer maßlosen Ausbeutung hört der Spaß auf. Wo die Grenzen zu ziehen sind, hängt von der objektiven Situation ab und stellt ganz und gar keine subjektive, willkürliche Gewissensfrage dar, die aufrichtig entschieden werden muß: Was du dir selbst nicht wünschen magst, sollst anderen auch nicht antun.

Wie groß waren die Sünden des britischen Kolonialismus, das werden allein die Klagen der ehemaligen Leidtragenden vor dem Jüngsten Gericht aussagen können. Wer jetzt schon den moralischen Zeigefinger erheben und den ersten Stein werfen möchte, sollte sich wie immer lieber zurückhaltend, versöhnlich und reumütig zeigen.
Der römische Dichter Marcus Valerius Martialis (40–103 nach Chr.) fragte sarkastisch: „Dic mihi, si fias tu leo, qualis eris?“ „Sag mir aufrichtig, wenn du ein Löwe wärest, wie hättest du dich verhalten wollen?“

Wenn es um historische Verdienste geht, sollte man gerechterweise ausgewogen und unparteiisch urteilen. Objektiv ist festzustellen: Auch bei Rhodes sammelten sich gute Werke an. Die Universität Kapstadt, die allererste des schwarzen Kontinents überhaupt, wurde nicht von mittellosen Inländern, sondern von Cecil Rhodes errichtet. Seine Statue vor der Universität Kapstadt wurde von rebellierenden Studenten demoliert (2015). Der griechisch anmutende Tempel der Wissenschaften steht immer noch vor dem imposanten Bergmassiv. Versöhnung ist der einzige rechte Ausweg aus dem Chaos, das die Welt immer wieder zu erschüttern droht.
Griechisches Ethos und christliche Moral sind in Vergessenheit geraten
Viktor Orbán ist vielleicht der letzte konservative Christdemokrat von großem Format, der in der Europäischen Volkspartei seinen festen christlichen Glauben auch praktisch umsetzen will. Denn Merkels CDU/CSU und Kurzens ÖVP sind lange nicht mehr christlich-demokratisch, sondern weitgehend linksliberal geprägt; von Christlich-Sozialen oder gar Christlich-Grünen ist erst gar nicht zu reden. In Übereinstimmung mit Papst Benedikt XVI. begründete Orbán philosophisch, historisch und praktisch-politisch, daß hinter jeder Diskussion und tiefer Differenz zwischen Regierenden und Opponenten dennoch eine letzte, moralisch gerade noch tragfähige Bindung existieren müßte, bevor alle Ordnung ins Chaos stürzt. Diese Bindung wurde von Platon (428–348 vor Chr.), dem eigentlichen Ahnvater des Abendlandes, als das Gute (gr. Agathon), nämlich als das Gemeinwohl (lat. Bonum commune) der Stadtgemeinschaft und seiner Bürger erkannt.
Das von Platon überlieferte Sokratische Denken hatte keine in Stein gemeißelten, übernatürlichen Gebote wie die alten Juden den Mosaischen Glauben. Die märchenhafte griechische Mythologie war vielleicht fromm, aus ihr kann jedoch keinesfalls eine ernsthafte Theologie abgeleitet werden. Platons Haupttugenden: die Klugheit, das Maßhalten, die Gerechtigkeit und der Mut, beruhen also klar und deutlich auf Argumenten der natürlichen Vernunft. Sie wurden erstmals von Ambrosius (339–397) als Kardinaltugenden bezeichnet und von Thomas von Aquin (1225–1274) voll in die christliche Ethik integriert:
Virtus aliqua dicitur cardinalis, quasi principalis, quia super eam aliae virtutes firmantur, sicut ostium in cardine. Eine Tugend heißt Kardinal- bzw. Haupttugend, weil an ihr die anderen Tugenden befestigt sind wie die Tür in der Angel (De virtutes 1. 12–14.).
Lat. cardo, cardinis; adj. cardinalis heißt Türangel, Achse, Hauptsache.
Nach Robert Spaemann, dem unvergeßlichen Philosophen unserer Tage, kann auch dem vor- und nicht-christlichen Menschen die Wahrheitsfähigkeit nicht streitig gemacht werden. (Der letzte Gottesbeweis, 2007)
Wanderwege und Lehrjahre von Karl Raimund Popper
Der halbwüchsige Karl Popper (1902–1994), Sohn eines zum Protestantismus konvertierten, wohlhabenden jüdischen Rechtsanwaltes, war zur Zeit der Ausrufung der Republik (1918/19) mit 16 Jahren kurzweilig, aus Trotz und Hetz, der Kommunistischen Partei Österreichs beigetreten. Von den Schießereien mit der Polizei eingeschüchtert, wandte er sich vom Marxismus sogleich wieder ab. Er wollte mal Musiker mal Tischler werden, maturierte als Externist, studierte an einem Pädagogischen Institut, promovierte in Psychologie (1928), und auf gewundenen Wegen wurde er schließlich doch Lehrer an einer mittleren Fachschule für Mathematik und Physik (1930–1935). Er beantragte Urlaub ohne Gehalt und emigrierte nach einer London-Reise da jüdischer Abstammung vor der imminenten Gefahr des Nationalsozialismus zusammen mit seiner Frau Hennie, vorübergehend nach Neuseeland (1937). Bedauerlicherweise kamen mehrere Mitglieder seiner Familie in der Judenverfolgung ums Leben.
Am Kriegsende ließ er sich behaglich in England nieder. Daher gilt er allgemein als ein Austrian-born, but British philosopher. Da haben wir wieder ein Paradebeispiel für die Akkulturation. Als Dozent der Universität Christchurch beschäftigte er sich mit der Wahrscheinlichkeitstheorie und brütete nebenbei über zwei eher literarische als philosophische Bücher a la Mode der Zeit, welche seine beiden populären Bestseller wurden:
- The Poverty of Historicism (Manuskript 1936, Buch 1944, dt. 1957) und
- The Open Society and Its Enemies (1945, mit unzähligen Neuauflagen)
Das Elend des Historizismus
Die erste Schrift ist ein Taschenbuch und ein Taschenspielertrick, womit aus dem Lauf der Geschichte jede regelmäßige Wiederholung, Wertung oder Belehrung tschiribu-tschiriba gelöscht werden kann. Geschichte wäre somit nur mehr eine rückgratlose Anhäufung von trockengelegten Daten. Es ist jedoch absolut widersinnig zu behaupten, daß die Geschichte der zivilisierten Menschheit nur „so“ sinnlos oder zufällig, völlig open end dahinströmt wie ein Wasserfall der primitiven Stammesgesellschaften, oder wie ein verirrter Meteorit im Weltall. Freilich vermögen sowohl die Historiker wie die Hofschranzen vielfach Mißbrauch im Übermaß zu betreiben, und der Geschichte mit dialektischen Kunstgriffen eiserne Tendenzen und zielgerichtete Endlösungen anzudichten.
Im Namen von jedermanns Willensfreiheit und grundsätzlichem, individuellem Pflichtbewußtsein verdienen freilich die tendenziösen Idealisierungen der Geschichte als Elend der Historikerzunft angeprangert zu werden. Neben den Werken Hegels, Marxens oder Francis Fukuyamas (Das Ende der Geschichte, 1992) geben wir mutig zu, daß auch des hl. Augustinus Dichotomie „Gottesstaat / Weltstaat“ in die utopische Literatur gehört. Sein Alterswerk De civitate Dei wurde während der dreizehn Jahre seiner langen Entstehungszeit (413–426) beträchtlich in die Länge geplaudert. Gute Literatur paßt nicht in die eigentliche Kompetenz der Philosophen und Theologen. Platons literarisches Genie ist wohl eine seltene Ausnahme.
Für die Weltgeschichte gibt es also keine simplen Erklärungsmodelle, weil es auch keine Geradlinigkeit des historischen Ablaufs gibt. Die feigen Konzilsväter des Vaticanum II (1962–1965) unter Papst Paul VI. trauten sich eine Kritik des damaligen Kommunismus nicht zu. Niemand sah das Ende des Sowjet-Imperialismus voraus. Sodann ziehen aber die notorischen Unklugheiten, Exzesse, Ungerechtigkeiten und Mutlosigkeit der Anführer und der angeführten Völker wie eh und je – gestern, heute und morgen – mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht nur den Untergang, sondern beim Eintreten der Ereignisse auch eine große Überraschung nach sich: Der Fall Alexandriens (30 vor Chr.), die Plünderung Roms durch Alarichs Goten (410), der Fall Konstantinopels durch die Hand des Osmanischen Reiches (1453), die Abdankung des letzten römisch-deutschen Kaisers Franz II. (1806), die letzte Schlacht Napoléons bei Waterloo (1815), das Ende der neugegründeten, ephemeren Kaiserreiche in Deutschland und Österreich (1804–1918), das Ende des National-Sozialismus (1945), der Zerfall der Sowjetunion (1991) waren schockierende „Haltepunkte, Zeitabschnitte“ (gr. Epoche) der Geschichte jeweils mit einer dramatischen moralischen Dekadenz verbunden.
Daß Klugheit, Maß, Gerechtigkeit und Mut dennoch immer wieder gute Früchte tragen – weil sie in Gottes Schöpfungsplan eingebettet sind –, sollte dafür von der Jugend immer wieder neu entdeckt werden. Für den Verlauf der Geschichte gibt es keine Prädestination: Wo? Wann? Wer? Was? Der Wiederaufstieg setzt jedenfalls die Pflege der vier Grundtugenden voraus. Die Geschichte wird stets aus Freiheit & Verantwortung, Tugenden & Untugenden neu gewoben. Das Gute kann nicht verordnet werden, es muß aus freien Stücken einer freien Gemeinschaft geleistet werden.
Die Offene Gesellschaft
Poppers zweiter Bestseller Die Offene Gesellschaft und ihre Feinde ist eine langwierige – nach meinem Empfinden eine langweilige –, libertäre Schmähschrift auf Platon in zwei dicken Bänden, in denen alles herabgeredet und übersehen wird, was man im allgemeinen von ihm hochhält. Unverschämterweise wird Platon als Schirmherr und Chefideologe des damals tobenden deutschen und sowjetrussischen Totalitarismus hingestellt.

Na, mehr brauchten seine wild entfesselten Studenten nicht… Unter ihnen befand sich ein junger, ungarischer Emigrant, aus dem dank seiner erfolgreichen, liberalen Devisenspekulation ein amerikanischer Krösus werden sollte: George Soros – auf dem Weg der politischen und wirtschaftlichen Akkulturation von einem einfachen, jüdischen „Flüchtlingskind“ zu einem schillernden „Multimilliardär & Zentralfigur“ der internationalen Geheimnistuerei in der Hohen Politik.
Auf den Holzwegen des Liberalismus – Popper war für George Soros der Stichwortgeber
Poppers Vorzugsschüler versteht sich heute als Inspektor, Vollstrecker und Garant der linksliberalen „Offenen Gesellschaft“, in der er als Philanthrop verkleidet und mit Milliarden jonglierend insgeheim die Strippen zieht.
Der junge Dozent Popper genoß anscheinend in der frischen Luft von Neuseeland sehr viel freie Zeit, um gegen Philosophen erster Ordnung wie Platon und Aristoteles und Historiker vom Fach wie Oswald Spengler seine dilettantischen Pamphlete loszutreten. Da er selber weder eine akademische Vorbildung noch Feingefühl für Philosophie und Geschichte hatte, trampelte er wie ein Elefant mit sensationellen Sprüchen im Porzellanladen der englischen Salongelehrten. Marx wird von ihm ebenfalls kritisiert – aber schonender, ja beinahe so wohlwollend verhalten wie wenn man sich selber eine sanfte Selbstkritik für die Jugendsünden in der KPÖ (Kommunistische Partei Österreichs) zumuten will.
Auf Fürsprache seines Landsmannes, Friedrich August von Hayek (1899–1992), wurde Popper Lehrbeauftragter an der London School of Economics (1946–1969), obwohl er zur Ökonomie nichts Spezifisches, es sei denn epistemologische Gemeinplätze wie die „Planung einer Stückwerktechnologie“ beigetragen hat. Während Popper mehr von den linksliberalen Populisten gefeiert wurde, war von Hayek sein Leben lang ein konservativer, rechter Liberaler, ein kompetenter Wissenschaftler und Nobelpreisträger für Ökonomie (1974).
Popper steuerte dagegen eher leichtere „Orchideen-Themen“ zur allgemeinen Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie sowie zu den linksliberalen Sozialwissenschaften bei. Unter dem anspruchsvollen Titel Kritischer Rationalismus – der eine Art Probabilismus und methodische Widerlegung von Hypothesen bedeutet – erlangten diese Beiträge mehr Beachtung als sie eigentlich verdienten. Kurzerhand könnten sie als eine Art „veredelter“ Positivismus charakterisiert werden, die sich in der Tat aus dem vulgären Wiener Positivismus seiner Jugendzeit unter dem Einfluß von Kant verfeinert hatten. Die halbe Welt aus den Humanwissenschaften huldigte ihm. Ausschlaggebend für seine Popularität war, daß sein kühler Rationalismus dem englischen Pragmatismus eines Bertrand Russels (der nebenbei ebenfalls an der London School of Economics seine libertär-unmoralischen Weisheiten ausstreute) und dem Zeitgeist weitgehend imponierte. Königin Elizabeth II. bestens anempfohlen, wurde Popper in den Orden der Companions of Honour (CH) aufgenommen und zum Ritter geschlagen (1965).
Als Kultfigur der deutschen und österreichischen Sozialdemokraten und Sozialwissenschaftler – endlich einen echten Ritter in ihren Reihen zu haben – erlangte die Marke „Sir Karl Popper“ Weltruhm im Trubel der frühen 70er Jahre. Er fand Eingang ins Herz und Hirn der 68er-Generation und der intellektuellen Londoner Salons. Manche Wiener Jungsozialisten sahen in ihm den neuen Vordenker für eine verbürgerlichte Internationale des Neo-Sozialismus der Intellektuellen. Sie wollten das anachronistisch gewordene, alte Auslaufmodell des Klassenkampfes der Proletarier (die es auf der Höhe des allgemeinen Wohlstandes immer weniger bis eigentlich gar nicht mehr gibt…) in einer dialektischen Zwickmühle uminterpretieren, opportunistisch, je nach taktischem Bedarf:
Marx raus – Popper rein!
Popper raus – Marx rein!
Helmut Schmidt (SPD-Altbundeskanzler 1974–1982) war ein persönlicher Freund und Bewunderer Poppers. Sie standen in engem Briefkontakt miteinander. Poppers Büste steht im Arkadenhof der Universität Wien, obwohl er hier nie als Professor tätig war. Er ist Ehrenbürger der roten Gemeinde Wien, obwohl er geistig und leiblich fern von hier in seiner Londoner Wahlheimat lebte, wirkte und verstarb. Sir Karl und Lady Hennie – als linksliberale, englische Hocharistokraten – wurden dann nach ihrem Ableben (1994) doch in Wien, auf dem kleinen Lainzer Friedhof in einem 1936 angelegten, bescheidenen Familiengrab der Frau beigesetzt, die von der Stadtverwaltung als posthume Auszeichnung zum „Ehrengrab auf Friedhofszeit“ erklärt wurde.
Akkulturation der aussterbenden Christdemokratie auf Magyarisch: Liberal – illiberal… wie ist das zu verstehen?
Angela Merkel hat bei Gelegenheit polemisch gesagt, daß sie Viktor Orbáns Gedanken über die illiberale Demokratie nicht verstehen kann. Eher ist anzunehmen, daß sie sie nicht verstehen will. In der Tat ist aber die Sache für eine links-liberale alte Frau aus der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone doch nicht so einfach zu erklären, die bekanntlich in einer kommunistischen Pastorenfamilie „einkulturiert“ worden war. Um ihr behilflich zu sein, wäre es nötig, erst einmal in einem beliebigen lateinischen Wörterbuch nachzuschlagen:
- Liberalis heißt großzügig, freigebig, generös… und
- illiberalis mit einem privativen Präfix das Gegenteil: knauserig. Daher ist die „Illiberalitas / Knauserei“ von Orbán sicherlich nicht gemeint, was nur ein fatales Eigentor wäre!
Aber… aber… wo liegt der Hund begraben? Der Sache liegt eine weit zurückliegende, schlaue Manipulation aus der Zeit der europäischen Aufklärung zugrunde. Die edlen Begriffe der „Libertas & Liberalitas“ (Freiheit und Großzügigkeit) der alten Griechen und Römer hat man gründlichst in Vergessenheit gedrängt und die Freiheit mit der moralisch negativen „Entfesselung, Enthemmung“, ja mit dem Terror in der Vendée identifiziert. Das Libertäre, das zügellos Freigeistige und Revolutionäre sind dafür im kollektiven Bewußtsein fest verankert worden. Nicht umsonst nennen sich die tiefroten, amerikanischen Sozialisten „Liberal Democrats“.
Die natürlich entgegengesetzte „Christliche Demokratie“ ist nach einer geläufigen Volksetymologie in Ungarn an das „Nicht‑liberale“ (Illiberale) gekoppelt. Bekanntlich wurde der Liberalismus des XIX. Jahrhunderts im Bürgerkrieg Ungarns gegen Österreich und Kroatien (1848/49) von Ludwig Kossuth (einem Hochgrad‑Freimaurer) entfacht, aber vom blutjungen, 18jährigen Kaiser Franz Joseph I. gnadenlos erdrückt. Der Liberalismus hat sich auch im Laufe seiner langen Regierungszeit von nahezu 68 Jahren nicht einbürgern können. Im politischen Klima nach seinem Tode gab es nicht einmal ein Schattendasein für einen etablierten Liberalismus: weder unter dem Reichsverweser Nikolaus Horthy unter deutschen Druck noch unter dem Joch einer über 40 Jahre andauernden kommunistischen Diktatur unter Mátyás Rákosi & János Kádár. So bekam das „Liberale“ in Ungarn eher einen unchristlichen Unterton – ja sagen wir es frei heraus –, unterschwellig ein wenig den Beigeschmack von den „liberalen Juden“, wenn auch nicht direkt antisemitisch verfeindet, aber doch gegen die weit entlegene, englisch‑amerikanische, freimaurerische Welt gerichtet. Im Land des hl. Stephans, des staatsgründenden ersten Königs, erhielt somit das Christliche seinen Anreiz bis heute nicht aus der Ablehnung der Freiheit, aber doch aus dieser historisch „akkulturierten“ Ablehnung des Liberalen, das eine Domäne der politisch und wirtschaftlich tüchtigen Juden geworden ist. Die nicht‑liberale, nicht‑entfesselte, dafür aber authentische, ethisch‑gebundene, konservative Demokratie läßt sich jedoch nicht nur historisch, sondern viel besser noch aus philosophischen Gründen herleiten:
Der konservative Mensch wird immer mit dem Vorwurf konfrontiert, daß er die Vergangenheit zurückbringen möchte. Meiner Meinung nach hängt der konservative Mensch nicht an den Ereignissen und Dingen der Vergangenheit, vielmehr möchte er die Substanz, den ursprünglichen Gehalt der allgemeinen Begriffe und Ideale für das Morgen hinüberretten.
(Veronika Kéri, in: MAGYAR DEMOKRATA, Wochenzeitung, am 7. August 2019, Budapest)
Ohne auf den historischen Universalienstreit im XIV. Jahrhundert hier eingehen zu können: Die Verfasserin verteidigt die Platonische Idee, daß die Universalien (= die allgemeinen Begriffe und Ideale) für einen ungarischen Christdemokraten ebenso real sind wie die einzeln seienden, individuellen (konkreten) Sachen. Zum Beispiel allgemeine Begriffe wie „Menschlichkeit, Gemeinschaft“ (und viele andere mehr) sind nicht nur Namen wie es die Nominalisten und die modernen Positivisten haben wollen. Die Ehre ist für einen Magyaren kein bloßes Zeichen (kein „Flatus vocis“) oder Aushängeschild, sondern ebenso seiend (konkret existent) wie der Einzelne, real seiende, individuelle „Mensch“.
Die ersten Kirchenväter verstanden daher die ewigen Platonischen Ideen als Gottes eigene Gedanken. Im konservativen, keinesfalls „antisemitischen, faschistischen“, aber patriotisch wieder erwachten Mitteleuropa häufen sich in ebensolcher Weise die Anzeichen für das Verständnis, daß auch die „Grenzen“, vor allem die moralischen, für die Erhaltung der Zivilisation unverzichtbar sind.
Zweitens besteht die Verfasserin darauf, daß die Pflege und Anerziehung der allgemeinen Begriffe wichtiger sei als die Politik. Denn diese ist die direkte Folge der ersteren! Wenn wir ordentlicher denken, dann wird auch die reale Welt ordentlicher sein!
Alle deutschen Politiker der Christlich Demokratischen Union und der Christlich Sozialen Union (CDU/CSU), die nur mehr dem Namen nach als solche existieren, müßten ihrer Gründungsdoktrin wieder innewerden. Denn wofür steht ansonsten das hohe „C“ in dem Kürzel von Adenauers und Straußens Partei? Die unangenehme Wahrheit für die westlichen Pan-Eurokraten ist, daß im Osten Deutschlands, in Polen, in Tschechien, in der Slowakei und nicht zuletzt in Ungarn der christlich wohlverstandene Patriotismus: General De Gaulles, Konrad Adenauers, Alcide de Gasperis und Robert Schumans Vision von „Europe des patries et de la liberté“, einem Europa der Vaterländer vom Atlantik bis zum Ural… noch nicht ausgestorben ist.
Der schrankenlose Globalismus der Offenen Gesellschaft, wo die althergebrachten Begriffe der Humanität unter einer Weltregierung der UNO vollends verschwinden, verdankt seine Entstehung nicht der Nächstenliebe. Die Armen – soweit sie nicht Kranke und Krüppel, unmündige Jugendliche oder Alte im wohlverdienten Ausgedinge sind – müssen ihr Brot selbst verdienen. Alles andere führt zu Verrenkungen des öffentlichen Lebens. „Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen“ (2. Thessalonicherbrief 3,10). Das ist durchaus ein christlicher, wenn auch ein harter Grundsatz des hl. Paulus, der für eine zivilisierte Weltordnung immer unentbehrlicher wird. Die hin und wieder erhobenen Forderungen nach einem bedingungslosen Grundeinkommen oder nach einem steuerfreien Mindestlohn sind dagegen die akutesten Bedrohungen der leistungsorientierten Zivilisation.
Offene Gesellschaft – hinter verschlossenen Polstertüren?
Soros, der splendide Mäzen aller Linksliberalen, finanziert zahlreiche Stiftungen und Vereine wie z. B. den Europäischen Rat für auswärtige Beziehungen (ECFR: European Council on Foreign Relations), eine elitäre, pan‑eurokratische Denkfabrik aus Politik, Wirtschaft und Medien, die aus 33 europäischen Ländern an die 350 Mitglieder zählt, wo auch Sebastian Kurz und Wolfgang Schüssel Mitglieder sind.
Der verdutzte Bürger fragt nun erstaunt, was haben unsere Spitzenpolitiker gemeinsam mit George Soros zu tun? Diese brisante Frage wurde von Katholisches.Info bereits 2017 gestellt. Sie wurde von niemandem beantwortet. Und diese Leute reden unverschämterweise von einer Offenen Gesellschaft – hinter verschlossenen Türen?
Die Verse des Dichters Berzsenyi mögen die Quintessenz dieser gewundenen Untersuchung abschließen:
Igy minden ország támasza, talpköv
A tiszta erkölcs, melly ha megvész:
Róma ledűl, s rabigába görbed.
(A magyarokhoz. 1810)
*
Aller Länder Stütze, Grundstein,
Die reine Sitte – wenn sie untergeht:
Rom zerbricht, unter dem Joch der Unfreiheit.
(An die Ungarn. 1810)
Text: Endre A. Bárdossy, zum Autor siehe.
Bild: Wikicommons (Danie van der Merwe)
Und genau hier, bei Soros, liegt das Problem. Soros versteckt sich wie viele andere aus seiner apostatischen Umgebung (Zuckerberg, Bezos) hinter der Maske des genetischen Judentums. Jede Kritik an dieser Umgebung wird sofort als Antisemitismus verurteilt. Diese fehlende Konsistenz im Denken des Linksliberalismus ist eben die Frucht der Frankfurter Schule, deren wesentliche Vertreter eben leider abgefallene Juden waren. Wie so oft in der Geschichte der abendländischen Religionen sind es die Apostaten, die schließlich das bonum commune verachten und es gegen die Partikularinteressen einzelner Gruppen austauschen. So hat eben die Frankfurter Schule das akademische Proletariat favorisiert, die Sozialdemokratie den (Fach-)arbeiter und Öffentlich Angestellten, die Christdemokratie das Berufsbeamtentum und die Akademische Oberschicht. So ist jede Partei an eine oder mehrere sich ausschließende Peer-Groups gebunden und Milieus bestimmen das politische Fortkommen der Gesellschaften und Staaten.
Platon dagegen hat gleich zwei Gesellschatsmodelle, die sich nicht vollkommen decken vorgestellt: „Über den Staat“ und „Die Gesetze“. Platon war sich darüber im klaren, daß das bonum commune (agathon), eine auf transzendentale Weise zu findendes Gut ist und hat daher die Findung desselben an die Philosophie geknüpft. Diese Grundphilosophie, die „Ungeschriebene Lehre“, setzt eines voraus: Es gibt eine Wahrheit die absolut ist, ein Gut, das absolut ist, ein Staat der absolut ist, das Gesetz, das absolut ist, insofern eines gegeben ist: Es kann nicht mehr in ein zweites geteilt werden, die Idee, die Schau des Dings an Sich, muß unteilbar sein und jedem weiteren dialektisch-maieutischen Untersuchen entrückt sein. Platons Welt war daher das Eine und die Unendliche Zweiheit, das Eine, was transzendental ist und die Unendliche Zweiheit die immanent ist. Das Transzendentale kann nur durch vom Guten Willen und Weisheit geleiteten Philosophen entdeckt werden, die zugleich eine umfassende Grundausbildung haben. Und hier ist der Greuel des Sozialismus, ja sogar auch des Humboldtschen Systems verborgen. Es kann eben nur ein Gebildeter und Weiser den Staat regieren und den Inhalt der Gesetze bestimmen, da er den Inhalt, die Sache an Sich erkannt hat. Die Person des Menschen, der Fixpunkt des Liberalismus ist in diesem System irrelevant. Und die mit der Weisheit gepaarte Frömmigkeit ist gewiß jedem Agnostiker, jedem Protestanten und Atheisten ein Dorn im Auge. Was verlangt den Platon in seinen „Gesetzen“? Das Primat hat hier die unbedingte Befolgung der religiösen Gesetze des Staates und die absolute Frömmigkeit gegenüber den Göttern. Die Religion steht an erster Stelle, erst dann kommt die Zivilgesellschaft. Frömmigkeit und Zivilisation ist bei Platons „Gesetzen“ identisch.
Und trotzdem ist Platon ein Aufklärer: Die Vernünftigkeit der Frömmigkeit muß gegeben sein, sie darf nicht logisch inkonsistent sein, etwa in dem Widerspruch Göttlicher Gebote, wie es zum Teil in der griechisch-römischen Götterwelt wie auch im ägyptischen System und den semitischen Polytheismen vorkommen, etwa in bezug auf Mysterienkulte, die zum einen absolute sexuelle Enthalsamkeit auf der einen Seite und sexuelle Enthemmung auf der anderen Seite zum Ziel hatten („Symposion“ und „Phaidros“ sind hier die platonischen Texte, die maßgeblich sind!). Hier hat das (nach-)exilische Judentum die Meßlatte hoch gesetzt, wie die Propheten Jesaia (Deuterojesaia) und Ezechiel zeigen, die damit den logischen Vorrang des Monotheismus in die religiöse Philosophie brachten. Und das Christentum hat das alles vollendet.
Spätestens am Ende des 3. Jahrhunderts war die mediterrane Synthese der Kulturen vollzogen, aber nicht durch den immanenten Druck gesellschaftlicher Probleme, sondern durch das Übernatürliche, die erfolgreiche Mission der Christen. Die christliche Religion war der Anker, wo sich andere festlegen konnten, selbst der Neuplatonismus in dem Versuch die Übernatürliche Offenbarung durch ein absolutes Transzendente zu ersetzen, scheiterte. Athanasius hat diese Gefahr erkannt und die Kappadozier haben Stück für Stück den neuplatonismus entweder durch Chresis als Teil des schon bestehenden Glaubenswissen erkannt oder verwendet, oder es zuückgewiesen und die logische Inkonsistenz nachgewiesen. Augustinus konnte auf dieser Basis „De Civitate Dei“ schreiben, jene „utopie“, von der er selbst wußte, daß sie „Utopie“ sein mußte, den die wahre „Civitas Dei“ blieb das eschatologische Jerusalem (Apc. 24). Jeder Versuch einer Annäherung mußte unerreichbar bleiben. Daher kann auch der von vielen gemachte Vorwurf an Augustinus, ein Begründer von christlich-religiösem Fundamentalismus zu sein, in Bausch und Bogen zurückgewiesen werden. Es ist eben Katholisch, die ganze Wahrheit zu sagen, und nicht auf Partikularinteressen Rücksicht zu nehmen, dazu gehört auch die Wahrheit über Gott. Daß diese, eben die Veritas Catholica die reinste Aufklärung ist, das ist den Liberalen, den Sozialisten, den Nationalisten, den Marxisten etc… ein Dorn im Auge, der durch nichts zu entfernen ist.
Das ist eben die absolute kulturelle Überlegenheit der katholischen Kultur gegenüber allen anderen Kulturen auf der Welt, daß eben „Fides et Ratio“ sich nicht widersprechen, wie in allen anderen Kulturen.
Ich bin sicher, daß die Politik der ungarischen Regierung das Land groß machen kann, wenn die „lieben“ Nachbarn das zulassen. Mir ihrer Familienpolitik legt sie den Grundstein dazu.
Noch immer rätsle ich über das „komische“ Verhalten der ungarischen Kommunisten in der Vorwendezeit.