Tauet ihr Himmel – Der Advent und die Roratemesse

Linzer Tradition im überlieferten Ritus


Roratemesse
Die Roratemesse, auch Engelamt genannt, ist eine alte Tradition im Advent.

Am kom­men­den Sonn­tag beginnt der Advent, und damit auch die Zeit der Rora­te­äm­ter, die ein fester Bestand­teil der Vor­be­rei­tung auf den Adven­tus, die Freu­de über die erste Ankunft des Herrn in der Mensch­wer­dung zu Beth­le­hem und die Sehn­sucht nach sei­ner Wie­der­kehr ist.

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Im über­lie­fer­ten Römi­schen Ritus gilt der Advent als klei­ne Fasten­zeit. In ihm hat sich der rei­che lit­ur­gi­sche Schatz der Kir­che beson­ders stark erhalten.

An jedem Mor­gen ab dem 2. Dezem­ber beginnt der Tag vor dem Son­nen­auf­gang mit der Rora­te­mes­se. Sie wird aus­schließ­lich bei Ker­zen­schein zele­briert. Dar­in kommt zum Aus­druck, daß die Mensch­heit in der Fin­ster­nis auf den Erlö­ser harrt wie die klu­gen Jung­frau­en mit ihren Later­nen. Die Gläu­bi­gen erwar­ten den Auf­gang der Son­ne, Chri­stus, die „Son­ne der Gerechtigkeit“.

Die Ent­ste­hung des Rora­team­tes ver­liert sich in der Kir­chen­ge­schich­te. Sie reicht wei­ter zurück, als oft ange­nom­men oder in der Lite­ra­tur ange­ge­ben. Einen ent­schei­den­den Impuls gab sicher das Mari­en­dog­ma von der Got­tes­ge­bä­re­rin, der Θεοτόκος (Theo­tó­kos) oder Dei Geni­trix, das im Jahr 431 vom Kon­zil von Ephe­sus bestä­tigt wur­de. Die­ser Ehren­ti­tel der erha­ben­sten Got­tes­mut­ter läßt sich bereits für das 3. Jahr­hun­dert im älte­sten Mari­en­ge­bet („Unter dei­nen Schutz und Schirm“) nach­wei­sen. Es zeigt, daß die Mari­en­ver­eh­rung bis in die frü­he­ste Zeit des Chri­sten­tums zurückreicht.

Das kommt in der Rora­te­mes­se zum Aus­druck, die lit­ur­gisch eine Votiv­mes­se zu Ehren der aller­se­lig­sten Jung­frau Maria ist, für die im über­lie­fer­ten Ritus das Meß­for­mu­lar vom Fest Mariä Ver­kün­di­gung (25. März) ver­wen­det wird. Das Evan­ge­li­um berich­tet die Ver­kün­di­gung des Herrn an Maria durch den Erz­engel Gabri­el. Daher lei­tet sich auch die man­cher­orts gebräuch­li­che Bezeich­nung der Rora­te­mes­se als Engel­amt ab.

Verkündigung an Maria durch den Erzengel Gabriel
Ver­kün­di­gung an Maria durch den Erz­engel Gabriel

Zum Ursprung der Rorateämter

In der Lite­ra­tur wird ein­hel­lig der deut­sche Sprach­raum als Ursprungs­ge­biet für die Rora­te­äm­ter genannt und meist das 15. Jahr­hun­dert als Ent­ste­hungs­zeit­punkt und die deut­schen Alpen­län­der als Ent­ste­hungs­ort ange­ge­ben. Das stimmt nur zum Teil.

Rich­tig dar­an ist, daß die Rora­te­äm­ter sich vor allem im baye­risch-öster­rei­chi­schen Raum beson­de­rer Beliebt­heit erfreu­ten und noch immer erfreu­en. Der Wunsch nach Meß­in­ten­tio­nen an die­sen Tagen war beim gläu­bi­gen Volk in den Alpen­diö­ze­sen beson­ders begehrt. Meh­re­re die­ser Bis­tü­mer erhiel­ten die Erlaub­nis, die gesam­te Advents­zeit hin­durch, also auch noch nach dem 16. Dezem­ber, in den Tagen der O‑Antiphonen, ein­schließ­lich dem Mor­gen des 24. Dezem­ber, Rora­te­äm­ter zele­brie­ren zu kön­nen. Ursprüng­lich wur­den sie nur an den Sams­ta­gen gefei­ert, spä­ter dann vom Beginn der Advents­zeit bis zu den O‑Antiphonen.

Nicht zutref­fend ist an der erwähn­ten Dar­stel­lung die Zeit­an­ga­be. Die Tra­di­ti­on der Rora­te­äm­ter reicht viel wei­ter zurück. Auch läßt sich nicht mit Sicher­heit sagen, ob ihr Aus­gangs­punkt tat­säch­lich im Süden, in den Alpen­tä­lern zwi­schen dem Saa­nen­tal im Ber­ner Ober­land und dem Wie­ner­wald, also bei Ale­man­nen oder Bai­ern zu suchen ist. Die älte­ste, sicher nach­weis­ba­re Quel­le legt das zumin­dest nicht unbe­dingt nahe.

Sie stammt aus Hal­ber­stadt in Sach­sen, dem nörd­lich­sten der alten Stam­mes­her­zog­tü­mer (heu­te Sach­sen-Anhalt). Dort hat­te Kai­ser Karl der Gro­ße im Jahr 804 ein Bis­tum errich­tet. Für den Advent 1362 sind im Dom zu Hal­ber­stadt bereits all­mor­gend­li­che Rora­te­äm­ter belegt. Da die täg­li­che Zele­bra­ti­on der Rora­te­mes­se, wie erwähnt, „jün­ge­ren“ Datums ist, und es sich in Hal­ber­stadt damals bereits um eine kon­so­li­dier­te Pra­xis gehan­delt zu haben scheint, läßt sich eine deut­lich älte­re Ent­fal­tung erahnen.

Halberstadt war von 804 bis zur Reformation Bischofsstadt
Hal­ber­stadt war von 804 bis zur Refor­ma­ti­on Bischofsstadt

Zur beson­de­ren Tra­di­ti­on der baye­risch-öster­rei­chi­schen Alpen­ge­gen­den gehör­te es hin­ge­gen, bis zur Lit­ur­gie­re­form, in man­chen Pfar­rei­en das Rora­teamt vor dem aus­ge­setz­ten Aller­hei­lig­sten zu zele­brie­ren. Ent­spre­chen­de Bele­ge las­sen sich bis in die 1960er Jah­re nachweisen.

Durch die Lit­ur­gie­re­form von 1970 wur­de die Rora­te­mes­se zwar nicht abge­schafft, ist aber in man­chen Gegen­den so gut wie ver­schwun­den. Im Wider­spruch zur inne­ren Logik, man den­ke an den Eröff­nungs­vers „Rora­te cae­li“ (Tau­et ihr Him­mel), wird sie in eini­gen Pfar­rei­en auch abends nach Son­nen­un­ter­gang zele­briert. Nicht alles soll­te der mensch­li­chen Bequem­lich­keit geop­fert werden.

Tradition in Linz

Vor­bild­lich ist die Tra­di­ti­on, die an der Mino­ri­ten­kir­che von Linz (Bis­tum Linz) gepflegt wird. Die Kir­che wird von der Prie­ster­bru­der­schaft St. Petrus (FSSP) betreut. An allen Werk­ta­gen wird dort vom 2.–16. Dezem­ber 2019 mor­gens um 6.15 Uhr ein Rora­teamt im über­lie­fer­ten römi­schen Ritus zelebriert. 

Die pracht­vol­le Roko­ko­kir­che, eine Mari­en­kir­che, die treff­li­cher­wei­se als Titu­lus (Patro­zi­ni­um) Mariä Ver­kün­di­gung hat, wird zu die­sem Anlaß von unzäh­li­gen Ker­zen erleuch­tet und vom Klang des Gre­go­ria­ni­schen Cho­rals erfüllt. 

Die frü­he Stun­de mag auf den ersten Blick nur etwas „für Früh­auf­ste­her“ sein, wie es in einer Aus­sendung heißt. Die Lin­zer Tra­di­ti­on ist auch für tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne Meß­or­te eher die Aus­nah­me als die Regel. Wer also die Gele­gen­heit dazu hat, soll­te die geist­li­chen Wohl­ta­ten in Linz (oder anders­wo) nüt­zen. Dazu gehört auch und gera­de, den Adven­tus, das Her­an­na­hen der Ankunft des Hei­lands, durch die frü­he Mor­gen­stun­de und den Ruf Rora­te cae­li bewußt wahr­zu­neh­men.

Das gläu­bi­ge Herz läßt im Advent freu­dig zum Früh­auf­ste­her werden.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Petrus­bru­der­schaft Linz

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