(Rom) Auf dem Rückflug aus Japan bestätigte Papst Franziskus: Hunderte Millionen Dollar aus dem Peterspfennig wurden über zweifelhafte Wege für verlustreiche Immobiliengeschäfte in London eingesetzt. Wieder im Vatikan eingetroffen, ernannte der Papst einen neuen Präsidenten der vatikanischen Finanzaufsichtsbehörde AIF. Ein Ende der Affaire ist damit aber noch nicht absehbar.
Neuer Chef der AIF wird Carmelo Barbagallo, ein hochrangiger Funktionär der italienischen Zentralbank Banca d’Italia. 40 Jahre war Barbagallo bei der Banca d’Italia tätig, zuletzt seit 2014 als Direktor der Abteilung Banken- und Finanzaufsicht.
Wegen jüngst aufgeflogener Ungereimtheiten bei der Abwicklung von Immobilienkäufen im Vatikan war es am 1. Oktober zur Durchsuchung der AIF-Räumlichkeiten durch die vatikanische Gendarmerie gekommen, was wiederum den Ausschluß der AIF aus der Egmont Group, dem europäischen Netzwerk der Finanzaufsichtsbehörden nach sich zog.
Im Raum steht auch der Verdacht von Geldwäsche. Kardinalstaatssekretär Parolin sprach Ende Oktober von „undurchsichtigen“ Geschäften.
Der Abgang des bisherigen AIF-Präsidenten, des Schweizers René Brüelhart, und der Einstieg des Italieners Carmelo Barbagallo gestaltet sich daher ziemlich bewegt. Barbagallo will sich davon nicht beeindrucken lassen, wie er gegenüber VaticanNews betonte.
Unterdessen verdichten sich die Hinweise, daß Kardinal Angelo Becciu eine zentrale Rolle bei den im Zwielicht stehenden Immobilienkäufen in London spielte. Becciu war bis 2018 Substitut des vatikanischen Staatssekretariats, dann kreierte ihn Papst Franziskus zum Kardinal und ernannte ihn zum Präfekten der Heiligsprechungskongregation.
Als die AIF-Räume durchsucht wurden, erfolgte zugleich auch eine Durchsuchung eines Amtes des Staatssekretariats. Damals kamen Gerüchte auf, Kardinal Becciu dürfe den Vatikan nicht mehr verlassen.
Papst Franziskus spielte bei der fliegenden Pressekonferenz die Bedeutung der Egmont Group herunter, indem er sie als „eine nicht offizielle, internationale Sache“ und „eine private Gruppe“ bezeichnete. Er versicherte, daß die vatikanintern angestellten Ermittlungen bestätigt hätten, daß die Finanzreformen des Heiligen Stuhls die gesteckten Ziele erreichen.
Er ließ auch durchklingen, daß Brüelhart und er unterschiedlicher Meinung bezüglich der Bedeutung der Egmont Group waren. Während Brüelhart davor warnte, die Mitgliedschaft durch ungestümes Vorgehen zu gefährden, verteidigte Papst Franziskus die von der vatikanischen Staatsanwaltschaft geleiteten Ermittlungen. Deren Vorgehen habe gezeigt, daß die Justiz im Vatikan funktioniere. Die Durchsuchungen habe er selbst genehmigt.
Die italienische Zentralbank gratulierte Carmelo Barbagallo, der über „große Erfahrung“ verfüge, zu seiner Ernennung und bedankte sich in einer Aussendung für seine langjährige „professionelle Arbeit“ im Rahmen der Bankenaufsicht Italiens.
Barbagallo übernimmt eine ausgedünnte Behörde, deren Direktor im Zuge der Ermittlungen vom Dienst suspendiert wurde, während neben Brüelhart noch zwei weitere Direktionsmitglieder zurückgetreten sind. Einer davon spielte bereits bei dem Millionenerbe des Malteserordens eine Rolle, um das es im Hintergrund offenbar auch bei dem von Papst Franziskus Ende Januar 2017 erzwungenen Rücktritt des früheren Großmeisters Fra Mathew Festing ging.
„Die Affäre ließ Personen die Koffer packen, die bis vor kurzem innerhalb der Heiligen Mauern als unberührbar galten.“
Brüelhart habe, so Franziskus, seiner letzten Vorladung zu einem Gespräch gar nicht mehr Folge geleistet.
Der Kardinalstaatssekretär hatte von einem „undurchsichtigen“ Londoner Geschäft gesprochen. Papst Franziskus sprach nun von einem „Skandal“. Die Achse Papst-Kardinalstaatssekretär steht auch in dieser Sache. Wie es mit Kardinal Becciu weitergehen wird, bleibt vorerst unklar. Der jüngste Finanzskandal ist noch nicht überwunden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: NBQ/VaticanNews (Screenshot)