(Rom) In seiner Ansprache an die Teilnehmer des Weltkongresses der Association Internationale de Droit Pénal sagte Papst Franziskus gestern, er habe die Absicht, „die Sünde gegen die Ökologie, die ‚ökologische Sünde‘“ einzuführen. Auch die Staaten sollten eine neue Kategorie von Straftatbeständen einführen.
Vom 13.–16. November tagte in Rom der XX International Congress of Penal Law 2019. Die Strafrechtsexperten wurden am 15. November von Papst Franziskus in Audienz empfangen. Als ersten Punkt in seiner langen Ansprache, kritisierte Franziskus die „Vergötzung des Marktes“. Gleich anschließend sprach er über „den strafrechtlichen Schutz der Umwelt“.
Seinen Ausführungen schickte Franziskus eine Prämisse voraus, die sich wie ein Frontalangriff auf das Strafrecht anhört.
„Es ist richtig, daß die strafrechtliche Reaktion erfolgt, wenn das Verbrechen bereits begangen wurde, daß damit der Schaden nicht behoben oder eine Wiederholung verhindert wird, und daß es selten abschreckende Wirkungen hat. Es ist auch richtig, daß die Sanktionsfunktion aufgrund ihrer strukturellen Selektivität in der Regel die am verwundbarsten Sektoren trifft. Mir ist auch bewußt, daß es eine bestrafende Strömung gibt, die behauptet, die unterschiedlichsten sozialen Probleme durch das Strafsystem zu lösen.“
Die Art der Kritik erinnert, wenn auch in anderer Sprache, verblüffend an jene der radikalen Linken. „Strukturelle Selektivität“ meint, daß die „kleinen Gauner“ ins Gras beißen, während die „großen Gauner“, die Reichen aus den oberen Schichten, straffrei bleiben. In dieselbe „strukturelle“ Kerbe schlägt auch ein im letzten Satz anklingendes, grundsätzliches Mißtrauen gegenüber dem Strafrecht.
Doch soweit nur die Prämisse, denn dann erst folgte, was der Papst wirklich sagen wollte und dabei durchaus eine Gültigkeit des Strafrechts erkennen ließ, wenn auch für einen geänderten Kontext.
„Ein elementarer Gerechtigkeitssinn würde stattdessen bedeuten, daß einige Verhaltensweisen, für die Unternehmen normalerweise verantwortlich sind, nicht ungestraft bleiben. Insbesondere alle, die als ‚Ökozid‘ angesehen werden können: die massive Verschmutzung der Luft, der Boden- und Wasserressourcen, die großflächige Zerstörung von Flora und Fauna sowie alle Maßnahmen, die zu einer ökologischen Katastrophe führen können oder ein Ökosystem zerstören. Wir müssen – wir sind dabei – die Sünde gegen die Ökologie in den Katechismus der Katholischen Kirche einführen, die ‚ökologische Sünde‘ gegen das gemeinsame Haus, weil eine Pflicht auf dem Spiel steht.“
Nach dem Prinzip, sich gegenseitig die Bälle zuzuwerfen, fährt Franziskus fort:
„In diesem Sinn haben kürzlich die Synodenväter für die Amazonasregion vorgeschlagen, ökologische Sünde als eine Handlung oder Unterlassung gegen Gott, gegen andere, die Gemeinschaft und die Umwelt zu definieren. Es ist eine Sünde gegen zukünftige Generationen und manifestiert sich in den Handlungen und Gewohnheiten der Verschmutzung und Zerstörung der Harmonie der Umwelt, in den Übertretungen gegen die Grundsätze der gegenseitigen Abhängigkeit und im Zerbrechen von Netzwerken der Solidarität zwischen Kreaturen.“
Was aber genau meint „Ökozid“?
„Wie im Rahmen Ihrer Tagung aufgezeigt, bedeutet ‚Ökozid‘ den Verlust, die Beschädigung oder die Zerstörung von Ökosystemen eines bestimmten Gebiets, sodaß sein Nutzen für einen Teil der Einwohner stark beeinträchtigt wurde oder werden könnte. Dies ist eine fünfte Kategorie von Verbrechen gegen den Frieden, die von der internationalen Gemeinschaft als solche anerkannt werden sollte.“
Das ist einen Ebenensprung: Zunächst sprach Papst Franziskus von einer Sünde, also einer religiösen Ebene, plötzlich spricht er vom weltlichen Strafrecht und erhebt die Forderung, die internationale Staatengemeinschaft, also die Staaten der Welt, sollten eine neue Kategorie von Straftaten einführen, die in Analogie zu den „Sünden gegen die Ökologie“ wohl als „Verbrechen gegen die Ökologie“ zu bezeichnen sind.
Daher schloß das Kirchenoberhaupt dieses Kapitel mit der Aufforderung:
„Bei dieser Gelegenheit und durch Sie möchte ich alle Führungskräfte in diesem Bereich auffordern, mit ihren Bemühungen zu einem angemessenen rechtlichen Schutz unseres gemeinsamen Hauses beizutragen.“
Franziskus sprach zwar von Unternehmen, dennoch lassen sich seine Ausführung als kirchlichen Segen für das politisch gewollte und in Ansätzen bereits umgesetzte Strafsystem durch die Einführung einer Klima- oder CO2-Steuer lesen. Die strafrechtliche Bedeutung wäre dann auch klar. Durch die Einführung von Strafsteuern, sollen die Bürger nach fiktiven Regeln in einem fiktiven Spiel, aber mit realen Bußzahlungen bestraft werden.
Ist es das, was Papst Franziskus will?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)