Die Mission, wo seit 53 Jahren nicht mehr getauft wird

Der Missionsauftrag nach „Pachamama“


Wer ist der Missionar von heute? Die neuheidnische „Mutter Erde“-Göttin wird durch den Petersdom getragen, vorne und seitlich ein Bischof, dahinter ein Kardinal.
Wer ist der Missionar von heute? Die neuheidnische „Mutter Erde“-Göttin wird durch den Petersdom getragen, vorne und seitlich ein Bischof, dahinter ein Kardinal.

Von Cri­sti­na Siccardi*

Anzei­ge

Es wur­de bereits dar­über gespro­chen, daß am Sakra­ment der Tau­fe, dem ersten Schritt der Bekeh­rung zum Chri­sten­tum, bei der Ama­zo­nas­syn­ode kein Inter­es­se bestand. Die­se absur­de Wirk­lich­keit unse­rer Zeit, in der die Tau­fe in der Pra­xis zur blo­ßen Deko­ra­ti­on gewor­den scheint, die je nach Bedarf  ange­wandt oder weg­ge­las­sen wird, bezeugt die Catri­ma­ni-Mis­si­on der Con­so­la­ta-Mis­sio­nen.

Das ruhm­rei­che Insti­tu­tum Mis­si­o­num a Con­so­la­ta (IMC) wur­de vom seli­gen Giu­sep­pe All­ama­no (1851–1926) gegrün­det, des­sen Onkel der hei­li­ge Joseph Cafas­so und des­sen Leh­rer der hei­li­ge Johan­nes Bos­co war. Die Catri­ma­ni-Mis­si­on des IMC befin­det sich in der grenz­na­hen Regi­on im Süden Vene­zue­las und der bra­si­lia­ni­schen Bun­des­staa­ten Ama­zo­nas und Rorai­ma. Die Mis­si­on­s­ta­ti­on, die der­zeit von Pater Cor­ra­do Dal­mo­le­go gelei­tet wird, befin­det sich in der Nähe des gleich­na­mi­gen Flus­ses, in dem die Yan­om­ami leben, ein ani­mi­sti­scher Indio-Stamm. Dal­mo­le­go ist seit elf Jah­ren an die­sem Ort und reprä­sen­tiert wohl am besten die Art von „inte­gra­ler und öko­lo­gi­scher Umkehr“, die Papst Fran­zis­kus bei der Ama­zo­nas­syn­ode for­der­te.

Er betrach­tet die Yan­om­ami als Trä­ger von beson­de­ren Wer­ten, da ihre reli­giö­sen Über­zeu­gun­gen Kul­tur sind, näm­lich „Erfah­rung ihrer eige­nen Reli­gio­si­tät und Spi­ri­tua­li­tät“. Er glaubt, daß sie „der Kir­che hel­fen kön­nen, sich von Mustern und men­ta­len Struk­tu­ren zu rei­ni­gen, die über­holt oder unge­eig­net sind“, und der Kir­che auch dabei hel­fen kön­nen, „die Welt zu ver­tei­di­gen“, um „eine inte­gra­le Öko­lo­gie auf­zu­bau­en“ und „Brücken zu schla­gen zwi­schen dem  tra­di­tio­nel­le und dem moder­nen, öko­lo­gi­schen Bewußt­sein der west­li­chen Gesellschaft“. 

Laut die­sem „Mis­sio­nar“ im Gleich­schritt mit den ‚Zei­chen der Zeit‘ wird die Kir­che selbst von den Yan­om­ami durch die „Erfor­schung von Scha­ma­nis­mus, Mytho­lo­gien, unter­schied­li­chen Erkennt­nis­se, Visio­nen der Welt und Visio­nen Got­tes“ berei­chert, denn der inter­re­li­giö­se Dia­log hilft „Mis­sio­na­ren“, die „Essenz unse­res oft von Orna­men­ten und kul­tu­rel­len Tra­di­tio­nen ver­deck­ten Glau­bens zu ent­decken“. Die Indi­os kön­nen, so Dal­mo­le­go, auch den „Gott der Wei­ßen“ anru­fen, indem sie sich etwas ande­res aneig­nen, aber ohne auf ihre Tra­di­tio­nen zu ver­zich­ten. „Das kann einer­seits als Syn­kre­tis­mus oder Rela­ti­vis­mus bezeich­net wer­den“, aber ande­rer­seits, wer könn­te sagen, daß sie falsch­lie­gen? Die Kir­che sei nicht län­ger ein Rich­ter dar­über, was wahr und was falsch ist. Sie hat die Herr­lich­keit Got­tes, die christ­li­che Zivi­li­sa­ti­on und das ewi­ge See­len­heil auf­ge­ge­ben. In der Tat sagt Pater Dal­mo­le­go: „Wir besit­zen nicht die Wahr­heit“,  und wenn die Kir­che nicht mehr die vom mensch­ge­wor­de­nen Sohn Got­tes geof­fen­bar­te Wahr­heit besitzt, ist jede Mei­nung gleich gül­tig, auch die der Amazonas-Indianer. 

Pater Dal­mo­le­go ist dort bei den Yan­om­ami, um Ideen aus­zu­tau­schen, um sich mit ihnen zu soli­da­ri­sie­ren, um ihnen bei ihren Bedürf­nis­sen nach Nah­rung und Gesund­heit zu hel­fen, aber nicht um ihnen die Fro­he Bot­schaft des Erlö­sers zu ver­kün­den. Er ist dort, um – wie er selbst sagt – „eine Mis­si­on der Prä­senz und des Dia­logs“ auf­recht­zu­er­hal­ten, in der seit 53 Jah­ren nie­mand mehr getauft wurde. 

Schmutz, Unord­nung, man­geln­de Hygie­ne, Nackt­heit, Pro­mis­kui­tät sind die Merk­ma­le die­ser Men­schen mit noma­di­schem Geist. Mit dem Ein­tritt in die Puber­tät begin­nen die Män­ner des Stam­mes, meh­re­re Frau­en zu haben, ein­schließ­lich sehr jun­ger. Män­ner inha­lie­ren regel­mä­ßig hal­lu­zi­no­ge­ne Pul­ver pflanz­li­chen Ursprungs (Pipta­de­nia, Viro­la usw.), die sie Epenà nen­nen. Sie tun das, um mit den ewi­gen Gei­stern (Hekurà) von Tie­ren, Pflan­zen und Natur­phä­no­me­nen in Kon­takt zu kom­men. Der Kon­sum von Epenà ist Teil des magi­schen Ritu­als, um die Gei­ster zu rufen und sie in ihren Kör­per ein­drin­gen zu las­sen. Scha­ma­nen ver­wen­den es auch bei Heil­ri­tua­len, um eine Krank­heit durch Kom­mu­ni­ka­ti­on mit Gei­stern zu „dia­gno­sti­zie­ren“.

Kinds­mord ist eine Pra­xis, die bei den Yan­om­ami ver­wur­zelt ist. Die Mut­ter ent­schei­det, ob sie ihr Neu­ge­bo­re­nes annimmt oder das Kind getö­tet wird, indem es leben­dig begra­ben wird. Kinds­mord eli­mi­niert Kin­der, die mit Miß­bil­dun­gen oder dem „fal­schen“ Geschlecht gebo­ren wer­den, da männ­li­che Erst­ge­bo­re­ne bevor­zugt sind. Wenn Zwil­lin­ge gebo­ren wer­den, darf nur ein Geschwi­ster­chen leben. Ein Mäd­chen hat von vor­ne­her­ein ver­lo­ren. Wenn bei­de männ­lich sind, wird der schwä­che­re getö­tet. Der Zwil­lings­mord fin­det statt, um die gleich­zei­ti­ge Betreu­ung von zwei Kin­dern zu vermeiden. 

Ein ande­rer ihrer schreck­li­chen Bräu­che ist der ritu­el­le Kan­ni­ba­lis­mus: Sie ernäh­ren sich von der Asche der Kno­chen eines toten Ver­wand­ten, weil sie glau­ben, daß die Lebens­en­er­gie des Ver­stor­be­nen dar­in wohnt und auf die­se Wei­se wie­der in die Fami­li­en­ge­mein­schaft inte­griert wird. Wenn die krie­ge­ri­schen Yan­om­ami einen Geg­ner auf feind­li­chem Gebiet töten, prak­ti­zie­ren sie die­sel­be Form des Kan­ni­ba­lis­mus mit der Absicht, sich selbst zu reinigen.

Hat nie­mand mehr die Absicht, die­sen Men­schen zu erklä­ren, wer die Hei­li­ge Drei­fal­tig­keit ist und was die christ­li­che Zivi­li­sa­ti­on ist? 

Es gibt eth­ni­sche Grup­pen wie die Yan­om­ami, die hart­näckig an ihrem ani­mi­sti­schen Glau­ben fest­hal­ten. Es ist nicht leicht, sie für die Tau­fe zu gewin­nen. Aber nichts­de­sto­trotz kann nicht auf Chri­stus und Sei­ne Braut, die Kir­che, ver­zich­tet wer­den, um sich statt­des­sen von die­sen Grup­pen beleh­ren zu las­sen. So hält es aber die Kir­che mit dem „viel­ge­stal­ti­gen“ Gesicht, im kon­kre­ten Fall mit einem ama­zo­ni­schen, die Aus­druck der Apo­sto­li­schen Ermah­nung Evan­ge­lii gau­di­um von Papst Fran­zis­kus ist:

„115. Die­ses Volk Got­tes nimmt in den Völ­kern der Erde Gestalt an, und jedes die­ser Völ­ker besitzt sei­ne eige­ne Kul­tur. Der Begriff der Kul­tur ist ein wert­vol­les Instru­ment, um die ver­schie­de­nen Aus­drucks­for­men des christ­li­chen Lebens zu ver­ste­hen, die es im Volk Got­tes gibt. […] Die Gna­de setzt die Kul­tur vor­aus, und die Gabe Got­tes nimmt Gestalt an in der Kul­tur des­sen, der sie emp­fängt. […] In den christ­li­chen Aus­drucks­for­men eines evan­ge­li­sier­ten Vol­kes ver­schö­nert der Hei­li­ge Geist die Kir­che, indem er ihr neue Aspek­te der Offen­ba­rung zeigt und ihr ein neu­es Gesicht schenkt. In der Inkul­tu­ra­ti­on führt die Kir­che »die Völ­ker mit ihren Kul­tu­ren in die Gemein­schaft mit ihr ein«[90], denn »jede Kul­tur bie­tet Wer­te und posi­ti­ve For­men, wel­che die Wei­se, das Evan­ge­li­um zu ver­kün­den, zu ver­ste­hen und zu leben, berei­chern können«[91]. Auf die­se Wei­se wird die Kir­che »zur spon­sa orna­ta moni­li­bus suis, „Braut, die ihr Geschmei­de anlegt“ (vgl. Jes 61,10).“

Des­halb, sagt Papst Fran­zis­kus, „ist es not­wen­dig, daß wir alle von ihnen evan­ge­li­siert wer­den“, in die­sem Fall von den Indi­os des Ama­zo­nas. Das alles soll unter der Schirm­herr­schaft des hei­li­gen Franz von Assi­si und im Namen der Ökoen­zy­kli­ka Lau­da­to si‘ für eine öko­lo­gi­sche Umkehr gesche­hen, die einen neu­en Lebens­stil der glo­ba­len Soli­da­ri­tät und einen neu­en Weg der Frei­heit impli­ziert, indem man sich mit der gan­zen Welt und der gan­zen Schöp­fung verbindet. 

Wer ist also der Mis­sio­nar von heute? 

Er ist ein ideo­lo­gi­scher und sozia­ler Akteur, wie der spa­ni­sche Prie­ster Pater Ramón Láza­ro Esnao­la von den Con­so­la­ta-Mis­sio­nen erklärt. Sei­ne Ant­wor­ten sind eben­so ein­drucks­voll wie abstrakt, nebu­lös und vergänglich: 

„Der Mis­sio­nar von heu­te hat eine star­ke per­sön­li­che Got­tes­er­fah­rung. Er kennt Gott und ist von Ihm gekannt. Er hat eine täg­li­che Bezie­hung zu Ihm je nach Moment, den er erlebt. […] Er liebt das Volk, zu dem er gesandt ist. Er erkun­digt sich, stu­diert die Geschich­te, hört Musik, besucht das Kino. Letzt­end­lich ver­sucht er, die Kul­tur auf­zu­sau­gen, die ihn auf­nimmt. […] Die Lie­be ent­steht aus dem Wis­sen, dem Ver­ste­hen und dem Begrei­fen. Lie­be ist auch kri­tisch und ent­deckt die Brü­che, die das Evan­ge­li­um verursacht.“ 

Und wo sind das Gebet, der Kate­chis­mus, die Sakramente? 

Er erwähnt sie nicht ein­mal, weil der Mis­sio­nar von heute: 

„[…]ein Künst­ler der Brü­der­lich­keit ist. Ein Hand­wer­ker der Gemein­schaft, begei­stert vom Gemein­schafts­le­ben und den zwi­schen­mensch­li­chen Bezie­hun­gen. Die Gemein­schaft ist der Mikro­kos­mos des Rei­ches Got­tes. Eine Uto­pie. Ein befrei­ter Ort, an dem kon­stant Ver­ge­bung, Fest, Freu­de und Unter­schei­dung sind. Wir brau­chen Ansprech­part­ner und eine in der Viel­falt geein­te Gemeinschaft.“ 

Gibt es noch mehr Geschlech­ter, mehr Fami­li­en, mehr Mei­nun­gen, mehr Sün­den, mehr Laster, mehr Feh­ler, mehr Lügen, mehr Reli­gio­nen, mehr Schrecken …? 

War­um soll­te sich der Mis­sio­nar also von bestimm­ten Prak­ti­ken distan­zie­ren und gemäß dem Auf­trag Jesu Chri­sti leh­ren, wie es die Apo­stel und all die außer­ge­wöhn­li­chen Mis­sio­na­re in der Geschich­te der Kir­che getan haben? Es ist nicht mehr die Zeit … 

Die Mau­er des Kom­mu­nis­mus (Befrei­ungs­theo­lo­gie) ist hart­näckig und will nicht ein­stür­zen, eben­so­we­nig die der Frei­mau­rer (Neoh­u­ma­nis­mus und Glo­ba­lis­mus). Der Mis­sio­nar ama­zo­ni­scher Prä­gung muß sich mit der Welt ver­bin­den und von ihr ler­nen, denn er ist zu einem Teil der Welt gewor­den: Er ist in der Ent­wick­lung so fort­ge­schrit­ten, im uranfäng­li­chen Sinn „ursprüng­lich“ zu wer­den – und die Pacha­ma­ma zu verehren.

*Cri­sti­na Sic­car­di, Histo­ri­ke­rin, Mut­ter von zwei Kin­dern, stu­dier­te Ita­lia­ni­stik mit dem Schwer­punkt Lite­ra­tur­ge­schich­te, publi­zier­te u.a. im Osser­va­to­re Roma­no, La Stam­pa und Avve­ni­re, regel­mä­ßi­ge Mit­ar­beit bei Radi­ci Cri­stia­ne, Cor­ri­spon­den­za Roma­na, Radio Roma libe­ra und Radio Buon Con­siglio, Mit­glied meh­re­rer Aka­de­mien, 2007 mit dem Pre­mio Bonifacio VIII aus­ge­zeich­net, zahl­rei­che Buch­ver­öf­fent­li­chun­gen, 2019 die Bio­gra­phie „San Fran­ces­co. Una del­le figu­re più defor­ma­te del­la sto­ria“ (Der hei­li­ge Fran­zis­kus. Eine der meist­ver­zerr­ten Figu­ren der Geschich­te) und eine Neu­auf­la­ge ihres erst­mals 2010 ver­öf­fent­lich­ten Buches „Lo spec­chio del Car­di­na­le New­man. Un San­to con­tro la reli­gio­ne del mon­do“ (Der Spie­gel von Kar­di­nal New­man. Ein Hei­li­ger gegen die Reli­gi­on der Welt).

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana 

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