Von P. Serafino M. Lanzetta*
Wie kann es geschehen, daß ohne schlechtes Gewissen, ja mit kühnem Jubel der Götzendienst in den Tempel Gottes eindringt? Statuetten, die schließlich offiziell als Pachamama-Götzen identifiziert wurden, standen nicht nur im Mittelpunkt eines lauten Medienrummels, weil sie zu Recht in den Tiber geworfen wurden, sondern weil sie das Symbol und die eigentliche Chiffre der soeben zu Ende gegangenen Amazonassynode waren. Eine Synode, die sich den Götzendienst zu eigen machte. Die Prämissen dazu waren bereits im Instrumentum laboris gelegt worden.
Es war von Anfang an klar, daß die Amazonassynode eine neue Öko-Religion präsentieren würde, die mit der Erde – „Mutter Erde“, Symbol der ausgeprägten Weiblichkeit – verbunden ist, die Quelle der Inspiration und der Prophetie für unsere Zeit ist mit dem Ziel, der Kirche ihr wahres Gesicht zu geben.
Ein Gesicht wurde im geschnitzten Fruchtbarkeits-Fetisch gefunden. Das Hin und Her der vatikanischen und vatikannahen Medien, um die Öffentlichkeit von der Idee abzubringen, daß in Rom die Pachamama-Religion gesponsert wird, konnte den Zorn und die Empörung jener Katholiken nicht auslöschen, die den Mut hatten, ihre Stimme zu erheben. Es waren wie immer nur wenige. Die Tatsache, daß eine liberale, englische Zeitschrift wie The Tablet besorgt war, die götzendienerische Gefahr zu verschleiern, indem sie den Figuren eine christliche Lesart gab, sagt viel aus.
Der Götzendienst dieser Tage ist das Ergebnis eines längeren Prozesses, der unweigerlich dazu führen mußte, Gott durch Dinge aus Menschenhand zu ersetzen. Die Angelegenheit der Pachamama ist ein präzises Spiegelbild der Situation in der Kirche in diesem dramatischen Moment.
Götzendienst geschieht nicht plötzlich wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Ihr geht ein längerer Prozeß voraus, der mit dem Glaubensverlust, mit einem stillen und pragmatischen Atheismus beginnt, der wie eine Larve wächst und die Form eines mehr oder weniger allgemeinen Abfalls annimmt. Man wird zum Atheisten, ohne es zu merken, sondern lebt vielmehr im Glauben, die Interessen des Evangeliums zu vertreten in einer sich ständig verändernden Welt. Indem die Veränderung für einen theologischen Ort der Verkündigung gehalten wird, ersetzt das Werdende, der Prozeß, die Botschaft, die wir vermitteln wollten. Auf diese Weise nimmt der schleichende Atheismus in einer diffusen Apostasie Gestalt an.
Ein Beweis dafür ist die Unfähigkeit, auf das andauernde, gegen Christus und die Kirche gerichtete Hämmern zu reagieren. Diese Unfähigkeit reicht in Wirklichkeit tiefer: Sie erkennt nicht einmal mehr die Schwere der Situation und die Notwendigkeit, einzugreifen. Wie sollte diese weitverbreitete Anomalie bezeichnet werden, wenn nicht als Abfall vom Glauben?
Es handelt sich aber um eine untypische, fluide Apostasie. Es ist nicht nur ein Aufgeben des Glaubens, sondern seine innere Umwandlung in ein anderes Glaubensbekenntnis, in eine andere Religion. Es handelt sich nicht nur um Verrat an den Geboten Gottes – sehr oft genährt durch ein unangemessenes, moralisches Verhalten –, sondern vor allem um eine Instrumentalisierung theologischer Kategorien und christlicher Lehren, um etwas anderes zu tun und zu sagen. Ein nominalistischer Gebrauch des Glaubens hat diesen faktisch abgelehnten Glauben tatsächlich zu einer anderen Sache gemacht: zur Verehrung von Götzen oder zumindest ihrer Rechtfertigung. Wenn Gott nicht da ist, weil wir nicht wissen, ob Er existiert, und weil der Glaube, den Er uns geoffenbart hat, nicht ausreicht, um unseren unerfüllten Durst nach Erkenntnis und Veränderung zu stillen, dann kann ihn alles repräsentieren: Jeder Götze kann dann Ausdruck dessen sein, was für den Menschen wichtig ist.
In der Bibel geschieht der Götzendienst in der Regel als Folge einer Sünde des geistigen Ehebruchs, der Prostitution gegenüber den Götzen der Menschen. Prostitution ist hier gleichbedeutend mit der Verweigerung der ehelichen Treue gegenüber dem einen Gott, mit der Apostasie Israels.
Die persönliche Geschichte des Propheten Hosea ist emblematisch dafür: Da er sich eine Prostituierte zur Frau nahm, mußte in den Kindern, die aus dieser Verbindung hervorgingen, die Degeneration des Volkes sichtbar werden. Das war heilsam, um das Volk Gottes wieder zu seiner Treue zurückzurufen. Israel kehrte, nachdem es in die Wüste geführt worden war, wie eine treue Braut zur Liebe seines Gottes zurück (vgl. Hos 1–2).
Wieviel Wüste braucht es heute noch, damit der Herr zum Herzen seiner Geliebten spricht?
Wenn der Ehebruch auch noch pragmatisch mit Barmherzigkeit und Unterscheidung gerechtfertigt wird, wie das mit Amoris laetitia der Fall scheint, provoziert das nicht einen noch weit schwerwiegenderen Ehebruch geistiger Natur gegenüber dem Glauben der Kirche? Ist das nicht die Voraussetzung für die Apostasie und daher den Götzendienst?
Die Israeliten, die sehen, wie Moses sich beim Abstieg vom Sinai verspätet, und Aaron bitten, ein goldenes Kalb zu machen, vor dem sie sich niederwerfen und dem sie Opfer bringen, sind ein „störrisches Volk“ (Ex 32,9). Schon viele Male hatten sie gegen den Herrn gemurrt und sogar die Hand von JHWH beim wundersamen Auszug aus Ägypten in Frage gestellt. Es war ein Volk, das bei Unbehagen bereitwillig die alte Sklaverei dem Herumziehen in der Wüste vorgezogen hätte, und gegen garantiertes Essen bereitwillig die Freiheit als Volks Gottes eingetauscht hätte.
Götzendienst ist die Folge der Auflehnung gegen Gott. Er beginnt mit dem Mißtrauen gegen Ihn. Mißtrauen, das dazu führt, sich von Gott zu lösen und nach anderem zu suchen. Götzendienst ist die direkte Folge der Verleugnung des wahren Glaubens.
Warum aber sind Götzen fesselnd? Warum fasziniert, verführt und ersetzt die „Religion“ der Götzen den wahren Glauben? Weil die Götzen Menschenwerk sind. Sie sind das Abbild dessen, was der Mensch sein will, was er wirklich denkt und liebt. Einen Götzen anzubeten heißt, sich selbst anstatt Gott anzubeten. Oder besser: Es bedeutet, den Anti-Gott anzubeten, der verführt und von Gott trennt, den Teufel, wie aus Jesu Worten an den Teufel deutlich wird, der Ihn in der Wüste versuchte (vgl. Mt 4,8–10).
Der Mensch kann nicht anders, als anzubeten, aber er muß sich entscheiden, wen er anbetet. Indem man die Anwesenheit von Götzen – die Pachamamas im heutigen Kontext – neben dem Glauben duldet, sagt man, daß Religion letztendlich das ist, was die Wünsche des Menschen befriedigt.
In den eigenen Überlegungen zu phantasieren, verdunkelt leider den ohnehin schon getrübten Verstand und führt dazu die Vollkommenheit Gottes zu verkennen, um dem bestechlichen Menschen, den Vögeln, Vierbeinern und Reptilien die Ehre zu erweisen (vgl. Röm 1,22–23). Die Götzen sind immer fesselnd, weil man anbetet, was man begehrt, und zwar möglichst ohne zu viele moralische Bedenken. In der Regel handelt es sich um die Sublimierung aller menschlichen Instinkte. Zum wirklichen Problem wird es, wenn die moralische Korruption sich ausbreitet und die Kirche befällt. Gott preiszugeben an die Unreinheit, weil man sich anderen Göttern prostituiert, weil man die Wahrheit Gottes gegen die Lüge eintauscht, indem man die Geschöpfe statt des Schöpfers anbetet und ihnen dient (vgl. Röm 1,24–25)? Es scheint, daß der heilige Paulus zu uns Menschen von heute spricht. Der dogmatische und moralische Zusammenbruch ist die Wurzel dieser traurigen Parabel.
PS: Zum theologisch-moralischen Zusammenbruch als Wurzel der Kirchenkrise erlaube ich mir zur Vertiefung des Themas auf meinen Leitartikel in Fides Catholica (1/2019) zu verweisen.
*P. Serafino M. Lanzetta, promovierter Dogmatiker, gehörte dem Orden der Franziskaner der Immakulata an, heute ist er Pfarrer im englischen Bistum Portsmouth, dort gründete er nach deren Vorbild die altrituelle Ordensgemeinschaft der Familie der Unbefleckten Jungfrau und des heiligen Franziskus, deren Priester in der Seelsorge in der überlieferten und in der ordentlichen Form des Römischen Ritus zelebrieren.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana