Vatikan dementiert Scalfari?

Nicht wahr, aber wahrscheinlich


Scalfari und Franziskus: „Buchstabengetreu“ oder „frei interpretiert“?

Von Giu­sep­pe Nardi

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Die gestern ver­öf­fent­lich­te Kolum­ne von Euge­nio Scal­fa­ri führ­te zu einer knap­pen Reak­ti­on des vati­ka­ni­schen Pres­se­am­tes. Scal­fa­ri ent­hüll­te in der Tages­zei­tung La Repubbli­ca, daß ihm Fran­zis­kus in einem per­sön­li­chen Gespräch anver­traut habe, über­zeugt zu sein, daß Jesus Chri­stus „mit­nich­ten Gott war“. Wie aber reagier­te der Hei­li­ge Stuhl auf die­se Atom­bom­be der Atombomben?

Betont wort­karg. Bis­her reagier­te ledig­lich der neue Vati­kan­spre­cher Matteo Bruni. Er sagte:

„Wie bereits bei ande­ren Gele­gen­hei­ten gesagt wur­de, kön­nen die Wor­te, die Dr. Euge­nio Scal­fa­ri dem Hei­li­gen Vater aus den Gesprä­chen mit ihm in Anfüh­rungs­zei­chen zuschreibt, nicht als getreue Wie­der­ga­be des tat­säch­lich Gesag­ten betrach­tet wer­den, son­dern stel­len vor allem eine per­sön­li­che und freie Inter­pre­ta­ti­on des­sen dar, was er gehört hat, wie es aus dem ganz offen­sicht­lich erscheint, was heu­te bezüg­lich der Gott­heit Jesu Chri­sti geschrie­ben steht.“

Will der Vati­kan­spre­cher damit sagen, Scal­fa­ri sei ein seni­ler Hoch­be­tag­ter oder gar bös­wil­lig? Oder woll­te er nur äußern, daß der Doy­en des ita­lie­ni­schen Links­jour­na­lis­mus nicht mehr gut hört und in gutem Glau­ben sich etwas zusam­men­reimt, was Fran­zis­kus so weder gesagt noch gemeint hat?

Und das war es?

Ver­schie­de­ne Medi­en titeln heu­te, daß „Papst Fran­zis­kus“ oder „der Vati­kan“ Scal­fa­ri demen­tiert hätte. 

War­um redet Fran­zis­kus mit einem Jour­na­li­sten, nicht irgend­ei­nem Jour­na­li­sten, son­dern Euge­nio Scal­fa­ri, von dem er weiß, daß er anschlie­ßend das Gespräch publik macht und auf­grund sei­ner Stel­lung gro­ßes Gehör fin­det? Nicht ein­mal, son­dern wiederholt.

Ange­sichts der lan­gen Liste von skan­da­lö­sen Aus­sa­gen, die Fran­zis­kus seit 2013 von Scal­fa­ri zuge­schrie­ben wur­den, erklärt sich das päpst­li­che Ver­hal­ten nicht mit dem bereits „bei ande­ren Gele­gen­hei­ten“ Gesag­ten. Alle „Rich­tig­stel­lun­gen“ des vati­ka­ni­schen Pres­se­am­tes, die bis­her zu Scal­fa­ri erfolg­ten, waren alles, nur kei­ne wirk­li­chen Demen­ti. Warum?

Wie sich jeder Beob­ach­ter über­zeu­gen kann, weiß das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt sehr genau, eine kla­re Distan­zie­rung zu äußern. Genau die ist gegen­über Scal­fa­ri aber nie erfolgt.

Wie in der Ver­gan­gen­heit bereits sei­ne bei­den Vor­gän­ger Feder­i­co Lom­bar­di SJ und Greg Bur­ke demen­tier­te auch Bruni das Gesag­te nicht. Viel­mehr wird es jeweils mehr oder weni­ger bestä­tigt, so auch gestern. Scal­fa­ri habe die Papst­wor­te ein­fach nur ein biß­chen „frei interpretiert“. 

Wie gewohnt schweigt Franziskus

Papst Fran­zis­kus schweigt. Er schwieg sich noch zu jedem in sei­nem Namen pro­du­zier­ten Scal­fa­ri-Skan­dal aus. Dabei ist Scal­fa­ri mit sei­nen Medi­en und sei­nem inter­na­tio­na­len Renom­mee sehr öffent­lich­keits­wirk­sam. Das weiß Fran­zis­kus auch. Den­noch redet er wie­der mit Scal­fa­ri. War­um? Zumal er ihn, laut Scal­fa­ri-Wie­der­ga­be, ohne­hin „nicht bekeh­ren“ wolle.

Tat­sa­che ist, daß Scal­fa­ri als Spre­cher von Papst Fran­zis­kus die Öffent­lich­keit, vor allem die katho­li­sche, mit ste­ti­ger Stei­ge­rung an das Unfaß­ba­re und Undenk­ba­re gewöhnt. Damit setzt eine Abstump­fung ein, die den Ero­si­ons­pro­zeß in der Kir­che auf unge­ahn­te Wei­se beschleu­ni­gen könn­te. Und alles geschieht wie gewohnt:

Wie gewohnt, publi­ziert Scal­fa­ri „im Namen des Pap­stes“ einen Skandal.

Wie gewohnt, signa­li­siert der Vati­kan, ohne wirk­lich zu demen­tie­ren, daß das nicht so wört­lich zu neh­men sei.

Wie gewohnt setzt Fran­zis­kus den Kon­takt mit Scal­fa­ri fort.

Wie gewohnt, bleibt die „nicht so wört­lich“ zu neh­men­de Papst-Mei­nung im Raum ste­hen und zieht ihre Kreise. 

Wie gewohnt folgt das Scal­fa­ri-Lehr­amt einer prä­zi­sen Welt­sicht, die heu­te jene des Main­stream und schon lan­ge jene der Frei­mau­re­rei ist.

Wie gewohnt, liest man in der heu­ti­gen Aus­ga­be von La Repubbli­ca kein Wort von einem vati­ka­ni­schen Demen­ti. War­um auch!?

Nicht wahr, aber wahrscheinlich

Fest steht nicht nur, daß sich der Papst sei­ne Gesprächs­part­ner bes­ser aus­su­chen soll­te. Die Sache ist viel ernster.

Fest steht, daß die schwa­che Reak­ti­on von Vati­kan­spre­cher Bruni kei­ne aus­rei­chen­de Ant­wort auf den unfaß­ba­ren Skan­dal ist, Papst Fran­zis­kus habe die Gott­heit Jesu Chri­sti geleugnet. 

Immer­hin hat sein Ordens­ge­ne­ral, Arturo Sosa Abas­cal, bereits die Echt­heit des Evan­ge­li­ums und der dar­in über­lie­fer­ten Her­ren­wor­te bezwei­felt, denn schließ­lich gebe es ja kei­ne Ton­band­auf­zeich­nun­gen davon.

„Unglaub­lich, aber wahr“, schrieb damals der Vati­ka­nist San­dro Magister.

Unterm Strich bleibt nicht nur ein wei­te­rer unan­ge­neh­mer Bei­geschmack (wie­viel davon ver­trägt die Kir­che eigent­lich?), son­dern weit mehr und weit beun­ru­hi­gen­der, denn die Aus­sa­ge ist viel­leicht nicht wahr, aber wahrscheinlich.

Bild: MiL

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