„Jesus hat dem Petrus nicht aufgetragen, sich um die Wasserqualität des Jordans zu kümmern“

Kritik von Kardinal Gerhard Müller an der Amazonas-Agenda


Amazonassynode, zweiter Tag, dritte Generalkongregation: hinter Glaubenspräfekt Kardinal Luis Ladaria SJ sitzt Bischof Erwin Kräutler (roter Kreis).
Amazonassynode, zweiter Tag, dritte Generalkongregation: gleich hinter Glaubenspräfekt Kardinal Luis Ladaria SJ sitzt Bischof Erwin Kräutler (roter Kreis).

(Rom) Der erste Tag der Ama­zo­nas­syn­ode, gestern, wur­de gleich durch meh­re­re Pau­ken­schlä­ge geprägt. Kar­di­nal Clau­dio Hum­mes, der eng­ste Ver­trau­te von Papst Fran­zis­kus in Sachen Ama­zo­nas-Agen­da, for­der­te – als kön­ne er es nicht erwar­ten – sofort die Abschaf­fung des prie­ster­li­chen Zöli­bats. In der Syn­ode­nau­la mit ihrem hand­ver­le­se­nen Publi­kum ern­te­te er damit Applaus. Gleich­zei­tig stell­te Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler in einem umfang­rei­chen Inter­view mit der ita­lie­ni­schen Intel­lek­tu­el­len­zei­tung Il Foglio eini­ges klar und übte deut­li­che Kri­tik an der Synoden-Agenda.

Anzei­ge

An der Dop­pel­syn­ode über die Fami­lie konn­te Kar­di­nal Mül­ler in sei­ner dama­li­gen Funk­ti­on als Glau­bens­prä­fekt der hei­li­gen Kir­che noch teil­neh­men. Das Risi­ko ging Papst Fran­zis­kus für die Ama­zo­nas­syn­ode mit ihren weit revo­lu­tio­nä­re­ren Ziel­set­zun­gen nicht mehr ein. Die per­so­nel­le Beset­zung wur­de für die Ama­zo­nas­syn­ode „ver­fei­nert“.

Kar­di­nal Mül­ler warn­te daher gestern „von außen“, daß die Syn­ode zwar für ein klar umris­se­nes Gebiet abge­hal­ten, in Wirk­lich­keit aber Rück­wir­kun­gen auf die gesam­te Welt­kir­che haben wer­de. Und er gab zu ver­ste­hen, daß das von den Syn­oden­ma­chern auch so gewollt scheint.

„Den Schrei der Erde hören“

Par­al­le­len und Muster der von Papst Fran­zis­kus in der Kir­che ange­fach­ten „Syn­oda­li­tät“, ein von ihm gepräg­ter Neo­lo­gis­mus, sind unver­kenn­bar – bis hin­ein zur Wort­wahl. Kar­di­nal Hum­mes sag­te als Gene­ral­re­la­tor der Syn­ode, die Kir­che müs­se „den Schrei der Erde hören“. Die­se Wor­te rufen eine ande­re Aus­sa­ge in Erin­ne­rung, die eben­falls am Beginn einer Syn­ode getä­tigt wur­de. 2014 war es Papst Fran­zis­kus, der am Vor­abend zur ersten Fami­li­en­syn­ode erklär­te, die Kir­che müs­se „den Schrei des Vol­kes“ hören. Der Papst sag­te es nicht, gemeint war aber der ver­meint­li­che „Schrei“ der wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen und ande­rer in irre­gu­lä­ren Bezie­hun­gen leben­den Katho­li­ken, die durch eine angeb­lich zu „har­te“, ja „unmensch­li­che“ (Kar­di­nal Bal­dis­se­ri) Sexu­al- und Ehe­mo­ral der Kir­che geschun­den seien.

Der von Fran­zis­kus ein­ge­schla­ge­ne Syn­oden­weg führt vom „Schrei des Vol­kes“ (Fami­li­en­s­y­on­de) zum „Schrei der Erde“ (Ama­zo­nas­syn­ode). Weder der eine noch der ande­re Schrei war bis­her aller­dings von nüch­ter­nen Beob­ach­tern zu ver­neh­men. Mit sol­chen For­mu­lie­run­gen einer gekün­stel­ten Dra­ma­ti­sie­rung wird – und wie es scheint mit Absicht und System – vor­dring­lich dem Zeit­geist sekun­diert, der offen­bar mit den „Zei­chen der Zeit“ ver­wech­selt wird. 

Kar­di­nal Hum­mes erklär­te den Syn­oda­len auch, die Ama­zo­nas-Indi­os woll­ten ver­hei­ra­te­te Prie­ster. Tat­säch­lich ist es aber Hum­mes, der bekann­te­ste und einst auch for­mal rang­höch­ste Kir­chen­ver­tre­ter Bra­si­li­ens, der die­se For­de­rung erhebt. Die Stim­me der Indi­os in die­ser Sache war bis­her besten­falls rudi­men­tär zu ver­neh­men. Über­haupt bestehen Zwei­fel, wie fun­diert das Sakra­men­ten­ver­ständ­nis der Urwald-Indi­os ist, deren Zahl nicht nur sehr gering ist (nicht ein­mal 0,1 Pro­zent der Bevöl­ke­run­gen der betrof­fe­nen Staa­ten), son­dern deren Evan­ge­li­sie­rung erst jung ist oder über­haupt noch aus­steht. Das betrifft im Zusam­men­hang mit der Ama­zo­nas­syn­ode in erster Linie das Wei­he­sa­kra­ment, das Altar­sa­kra­ment und das Bußsakrament. 

Auf der Ama­zo­nas­syn­ode lastet der schwe­re Ver­dacht. daß der süd­ame­ri­ka­ni­sche Regen­wald und die dor­ti­gen Indio-Stäm­me von moder­ni­sti­schen Kir­chen­krei­sen der „Alten Welt“ miß­braucht wer­den. Die­ser Vor­wurf trifft vor allem die Kir­chen­mäch­ti­gen im deut­schen Sprachraum.

Der „syn­oda­le Weg“ in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land wur­de bereits abge­steckt und aus­ge­ru­fen. Auf der „deut­schen Syn­ode“ sol­len Lai­en und Kle­ri­ker glei­ches Stimm­recht haben und der poli­ti­sche Par­la­men­ta­ris­mus auf die Kir­che über­tra­gen wer­den. Vor allem sol­len die Syn­od­en­er­geb­nis­se „ver­bind­lich“ sein. Der Sou­ve­rän in der Kir­che wäre nicht mehr Chri­stus, son­dern mehr oder weni­ger zufäl­lig zustan­de­kom­men­de Mehrheiten. 

„Es ist ein Erd­be­ben, das seit sei­ner Ankün­di­gung sogar Papst Fran­zis­kus in Unru­he ver­setzt hat“, so der Vati­ka­nist San­dro Magister.

Wird Franziskus die Geister nicht mehr los, die er rief? 

Es besteht kein Zwei­fel, daß das argen­ti­ni­sche Pon­ti­fi­kat in Wirk­lich­keit ein „deut­sches“ Pon­ti­fi­kat ist. Fran­zis­kus selbst gab das zu ver­ste­hen, als er nur weni­ge Tage nach sei­ner Wahl, beim ersten Ange­lus sei­ner Amts­zeit, tat, was kein Papst vor ihm getan hat­te: Er lob­te einen Kar­di­nal, den Deut­schen Wal­ter Kas­per, und gab damit bekannt, daß hin­ter ihm ein Spi­ri­tus rec­tor steht.

Im ver­gan­ge­nen Juni schrieb Fran­zis­kus den deut­schen Bischö­fen einen offe­nen Brief, um sie zu besänf­ti­gen und auf den Boden der kirch­li­chen Ein­heit zurück­zu­ho­len. Als dies wenig fruch­te­te, ließ er im Sep­tem­ber Kar­di­nal Marc Ouel­let, den Prä­fek­ten der Bischofs­kon­gre­ga­ti­on, mit einem wei­te­ren Brief deut­li­cher for­mu­lie­ren. Ouel­let, ein letz­tes Über­bleib­sel der Ära von Bene­dikt XVI., ermahn­te die deut­schen Bischö­fe, daß die von ihnen ange­kün­dig­te Syn­ode ohne jede Rechts­gül­tig­keit wäre. 

Kar­di­nal Marx, der Vor­sit­zen­de der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz, reagier­te – offen­bar ein deut­sches Grund­übel – im Sti­le Mar­tin Luthers. Man gehe den Weg wei­ter. Anders aus­ge­drückt: Rom hat uns nicht vor­zu­schrei­ben, was wir in Deutsch­land machen. Der Papst ließ Marx nach Rom kom­men. Der Inhalt der Begeg­nung wur­de nicht bekannt. Anschlie­ßend war von einem „kon­struk­ti­ven Gespräch“ die Rede. Was immer das auch hei­ßen mag. 

Marx darf als Pri­vi­le­gier­ter, im Gegen­satz zu den mei­sten Vor­sit­zen­den der rund um den Glo­bus exi­stie­ren­den Bischofs­kon­fe­ren­zen, per­sön­lich an der Ama­zo­nas­syn­ode teil­neh­men. Wer Gewicht hat, hat eben Gewicht. Für Kar­di­nal Rai­ner Maria Woel­ki, dem Erz­bi­schof von Köln, liegt hin­ge­gen der Geruch eines Schis­mas über Deutsch­land. Das gab es schon zwei­mal: mini­mal im 19. Jahr­hun­dert, fatal im 16. Jahrhundert.

Kardinal Ouellets Buch für das zölibatäre Priestertum

Ende Sep­tem­ber wur­de Kar­di­nal Ouel­let jüng­stes Buch „Freun­de des Bräu­ti­gams“ in ita­lie­ni­scher Aus­ga­be ver­öf­fent­licht. Das Buch ist eine Ver­tei­di­gungs­schrift für das zöli­ba­t­ä­re Prie­ster­tum. Der Fran­ko­ka­na­di­er leg­te im Zusam­men­hang mit der Buch­vor­stel­lung nahe, daß nicht nur er gegen den deut­schen Angriff auf den prie­ster­li­chen Zöli­bat sei, son­dern  auch jemand „über mir“, was als Anspie­lung auf Papst Fran­zis­kus gedeu­tet wurde.

Die zölibatären Priester, Freunde des Bräutigams
Freun­de des Bräu­ti­gams – die zöli­ba­t­ä­ren Priester

Kar­di­nal Ouel­let ist als Prä­fekt einer römi­schen Kon­gre­ga­ti­on wie auch Kar­di­nal Robert Sarah von Amts wegen Syn­oda­le der Ama­zo­nas­syn­ode. Ihre Wort­mel­dun­gen wer­den mit Span­nung erwar­tet. Nach dem gest­ri­gen Applaus der Syn­oda­len für Hum­mes Angriff gegen den Zöli­bat, könn­ten sie zu ziem­lich ein­sa­men Rufern in der Wüste werden.

San­dro Magi­ster ver­weist auf einen Bericht im Osser­va­to­re Roma­no vom 26. Sep­tem­ber. Am Tag zuvor hat­te Fran­zis­kus acht jun­ge Kate­che­ten aus Nord­thai­land emp­fan­gen. Die „bis dahin ihre Dör­fer am Rand der Rän­der nie ver­las­sen hat­ten“, so die Zei­tung des Pap­stes. Obwohl nur sel­ten ein Prie­ster ihre Ort­schaf­ten erreicht und die Mes­se zele­briert, war von ihnen kei­ne Bit­te oder gar For­de­rung zu hören, man sol­le ver­hei­ra­te­te Prie­ster wei­hen. „Das Him­mel­reich gehört den Klei­nen“, sag­te ihnen ein „tief­be­weg­ter“ Papst, so der Osser­va­to­re Roma­no.

Was läßt dar­aus auf die Hal­tung von Fran­zis­kus schlie­ßen? Ein­mal mehr nur: Nichts Genau­es weiß man nicht. Ein ziem­lich fata­ler, ja gefähr­li­cher Zustand für die Kir­che Jesu Christi.

„Sie sind überzeugt, daß Christus nichts von ihrer gelehrten Bildung hatte“

Kar­di­nal Mül­ler wirft den von Kar­di­nal Marx ange­führ­ten deut­schen Rebel­len im Bischofs­amt vor, die Kir­che neu grün­den zu wol­len. Nicht ohne Sar­kas­mus sag­te der ehe­ma­li­ge Glau­bens­prä­fekt im Inter­view von Matteo Matzuzzi:

„Sie den­ken, daß Chri­stus nur ein Mensch war, der vor 2000 Jah­ren gelebt hat, sie sind der Mei­nung, daß er kein moder­ner Mensch war, und sie sind über­zeugt, daß er nichts von ihrer gelehr­ten Bil­dung hat­te. Sie den­ken daher, daß es nötig sei, die­se Lücken zu schlie­ßen, und daß die­se Auf­ga­be ihnen zukomme.“ 

Mül­ler zitier­te als Beleg Kar­di­nal Marx, der in einer Pre­digt die rhe­to­ri­sche Fra­ge gestellt hat­te: „Wenn Chri­stus heu­te hier wäre, wür­de er das­sel­be sagen wie vor 2000 Jahren?“

„Die Kirche befreien“ von Irrtümern und Irrwegen, fordert Kardinal Mülller
„Die Kir­che befrei­en“ von Irr­tü­mern und Irr­we­gen, for­dert Kar­di­nal Mülller

Der von Fran­zis­kus ent­las­se­ne, da unbe­quem gewor­de­ne Glau­bens­prä­fekt hält dem ent­ge­gen, daß Chri­stus nicht ein­fach nur eine histo­ri­sche Gestalt „wie Cäsar ist“.

„Jesus Chri­stus ist der Auf­er­stan­de­ne, der durch sei­nen Stell­ver­tre­ter, den geweih­ten Prie­ster, die Mes­se zele­briert. Er ist das Sub­jekt der Kir­che und Sein Wort bleibt und gilt in Ewig­keit. Chri­stus ist die Fül­le der Offen­ba­rung, wes­halb es kei­ne ande­re Offen­ba­rung geben wird. Wir haben sie mehr und bes­ser ken­nen­zu­ler­nen, aber wir kön­nen sie mit Sicher­heit nicht ändern. Chri­stus ist unüber­treff­lich und unver­än­der­lich. Das scheint in gewis­sen Brei­ten heu­te nicht ganz klar zu sein.“

Kar­di­nal Mül­ler ließ im Inter­view kei­nen Zwei­fel, daß sich die­ser Irr­tum auch im Instru­men­tum labo­ris der Ama­zo­nas­syn­ode fin­det, „einem Doku­ment, das nicht von der Offen­ba­rung, vom fleisch­ge­wor­de­nen Wort, von der Erlö­sung, vom Kreuz, von der Auf­er­ste­hung und vom ewi­gen Leben spricht“, son­dern die vor­christ­li­chen Natur­re­li­gio­nen der Indio-Völ­ker zum „Ort“ der Gött­li­chen Offen­ba­rung macht.

Benedikt XVI. warnte vor der Utopie der Indio-Theologie

Die V. Gene­ral­kon­fe­renz des Epi­sko­pats von Latein­ame­ri­ka und der Kari­bik in Apa­re­ci­da im Früh­jahr 2007 gilt als Schlüs­sel­er­eig­nis im Epi­sko­pat von Jor­ge Mario Berg­o­glio, damals Erz­bi­schof von Bue­nos Aires. Er war der ver­ant­wort­li­che Redak­teur des Schluß­do­ku­ments. Papst Bene­dikt XVI. war damals in den bra­si­lia­ni­schen Wall­fahrts­ort gereist, um die latein­ame­ri­ka­ni­schen Bischö­fe zu war­nen. In sei­ner Anspra­che am 13. Mai 2007 sag­te er.

„Die Uto­pie, den prä­ko­lum­bi­schen Reli­gio­nen durch die Tren­nung von Chri­stus und von der Gesamt­kir­che wie­der Leben zu geben, wäre kein Fort­schritt, son­dern ein Rück­schritt. Sie wäre in Wirk­lich­keit eine Rück­ent­wick­lung zu einer in der Ver­gan­gen­heit ver­an­ker­ten geschicht­li­chen Periode.“

Die soge­nann­te Indio-Theo­lo­gie, vor der Bene­dikt XVI. warn­te, sucht mehr als zwölf Jah­re spä­ter mit der Ama­zo­nas­syn­ode die Revan­che – samt einer dro­hen­den Kata­stro­phe für die Kirche.

Bene­dikt XVI. sag­te damals auch:

„Ihre Weis­heit brach­te die Urvöl­ker glück­li­cher­wei­se dazu, eine Syn­the­se zwi­schen ihren Kul­tu­ren und dem christ­li­chen Glau­ben zu bil­den, den ihnen die Mis­sio­na­re anbo­ten. Dar­aus wur­de die rei­che und tie­fe Volks­fröm­mig­keit gebo­ren, in der die See­le der latein­ame­ri­ka­ni­schen Völ­ker zum Vor­schein kommt.“

Dar­aus erklärt sich, wes­halb die Indio-Theo­lo­gie, aber auch die mar­xi­sti­sche Befrei­ungs­theo­lo­gie, die durch ihren Haß auf die ab 1492 erfolg­te Kolo­nia­li­sie­rung durch die euro­päi­schen Chri­sten, so schwer­wie­gen­de Fol­gen für die Kir­che in Latein­ame­ri­ka hat, beson­ders in Bra­si­li­en, aber auch in ande­ren Staa­ten. Weil die bra­si­lia­ni­schen Bischö­fe und Prie­ster in Scha­ren der mar­xi­sti­schen Les­art der Geschich­te folg­ten und die „Syn­the­se“, von der Bene­dikt XVI. spricht, kapp­ten, ist eine der dra­ma­ti­schen Fol­gen einen mil­lio­nen­fa­cher, anhal­ten­der Exodus der „tie­fen Volks­fröm­mig­keit“ von der katho­li­schen Kir­che zu evan­ge­li­ka­len und pfingst­le­ri­schen Freikirchen.

Bene­dikt XVI. wur­de damals, so San­dro Magi­ster, von „den Theo­re­ti­kern eines neu­en Ver­ständ­nis­ses der Offen­ba­rung Got­tes“ mit Kri­tik über­häuft. Die­ses „neue Ver­ständ­nis“ sei in den „indi­ge­nen Völ­kern“ zu suchen und zu fin­den, wes­halb sie gar nicht zu bekeh­ren seien.

„Im Amazonas begegnet man vor allem Deutschen“

Ein bra­si­lia­ni­scher Rechts­phi­lo­soph mein­te am ver­gan­ge­nen Sams­tag am Ran­de einer Tagung in Rom, daß man auf dem Ama­zo­nas-Weg „nicht Indi­os, son­dern stän­dig Deut­schen begegnet“.

Es ver­wun­dert daher nicht, daß einer der ver­bis­sen­sten Ver­fech­ter der Indio-Theo­lo­gie ein deut­scher Theo­lo­ge ist, Pau­lo Suess, der 1938 als Paul Gün­ther Süss in Köln gebo­ren wur­de. Nach­dem er in Brüs­sel, Mün­ster, Löwen und Mün­chen Theo­lo­gie stu­diert hat­te, wur­de er 1964 für das Bis­tum Augs­burg zum Prie­ster geweiht. Im Alter von 28 Jah­ren ging er 1966 nach Bra­si­li­en, von wo er nur kurz­zei­tig von 1974–1976 zurück­kehr­te, um am Inter­na­tio­na­len Pasto­ral­in­sti­tut in Brüs­sel und Löwen sein Stu­di­um fort­zu­set­zen und in Mün­ster bei Johann Bap­tist Metz über den „Volks­ka­tho­li­zis­mus in Bra­si­li­en“ zu pro­mo­vie­ren. Als einer der füh­ren­den Expo­nen­ten der Befrei­ungs­theo­lo­gie wur­de er 1979 Gene­ral­se­kre­tär des Indi­ge­ni­sti­schen Mis­si­ons­ra­tes (CIMI) der Bra­si­lia­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz. Die theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten von zwei deut­schen Uni­ver­si­tä­ten, Bam­berg und Frank­furt am Main, ver­lie­hen ihm die Ehrendoktorwürde.

“Im Amazonas begegnet man ständig Deutschen“: Die Befreiungsthologen Paulo Suess (rechts) und Erwin Kräutler.
„Im Ama­zo­nas begeg­net man stän­dig Deut­schen“: Die Befrei­ungs­theo­lo­gen Paul (Pau­lo) Suess (rechts) und Erwin Kräutler.

Suess übte ent­schei­den­den Ein­fluß auf den öster­rei­chi­schen Mis­si­ons­bi­schof Erwin Kräut­ler aus, der laut­stark die Prie­ster­wei­he für ver­hei­ra­te­te Män­ner und Frau­en ver­ficht. Obwohl sei­ne Posi­tio­nen bekannt waren, über­trug ihm Papst Fran­zis­kus an der Sei­te von Kar­di­nal Hum­mes die Vor­be­rei­tung der Ama­zo­nas­syn­ode. Kräut­ler war es, der im Mai 2014 in einem Zei­tungs­in­ter­view erst­mals zu ver­ste­hen gab, daß Fran­zis­kus grü­nes Licht für „neue Wege“ für das Prie­ster­tum gege­ben hat­te. Mit Bene­dikt XVI. habe man dar­über nicht reden kön­nen, so der Mis­sio­nar vom Kost­ba­ren Blut (CPPS). Bene­dikt XVI. habe ihm 2012 auf sei­ne Kla­ge über einen Prie­ster­man­gel im Ama­zo­nas emp­foh­len, um Prie­ster­be­ru­fun­gen zu beten. „Da mache ich nicht mit“, lau­te­te die bar­sche Absa­ge Kräutlers.

„Jesus ist Mensch geworden und nicht ein Eiskristall“ 

Kar­di­nal Mül­ler wider­sprach im gest­ri­gen Inter­view dem gan­zen Ama­zo­nas-Nar­ra­tiv von einem Sakra­men­ten-Not­stand der Urwald-Indios: 

„Es gibt weder ein Recht auf das Sakra­ment noch kann es ein sol­ches geben. Wir sind Geschöp­fe Got­tes, und ein Geschöpf kann gegen­über sei­nem Schöp­fer kein Recht ein­for­dern. Das Leben und die Gna­de sind ein Geschenk. Ein Mann hat das Recht, zu hei­ra­ten, aber er kann nicht ver­lan­gen, daß ihn eine bestimm­te Frau hei­ra­tet, indem er ein beson­de­res Recht gel­tend macht. Jesus hat frei unter allen sei­nen Jün­gern zwölf aus­ge­wählt und damit Sei­ne Gött­li­che Auto­ri­tät gezeigt. Er hat jene erwählt, die Er woll­te. Es ist Gott, der erwählt. Nie­mand darf das Hei­lig­tum betre­ten, ohne geru­fen zu sein.“

In der Kir­che sei­en der­zeit aber vie­le ande­re Stim­men zu hören:

„Ein­mal mehr über­wiegt die säku­la­ri­sier­te Men­ta­li­tät: Man denkt wie die Men­schen und nicht wie Gott.“

Das zöli­ba­t­ä­re Prie­ster­tum, so Mül­ler, kön­ne man „nur im Kon­text der escha­to­lo­gi­schen Mis­si­on Mesu ver­ste­hen, der einen neu­en Mensch geschaf­fen hat.“ 

„Es war eine neue Schöp­fung. Mit den Kate­go­rien des Säku­la­ris­mus kann man die Unauf­lös­lich­keit der Ehe nicht begrei­fen, eben­so­we­nig den Zöli­bat oder die Keusch­heit in den reli­giö­sen Orden. Mit die­sen Kate­go­rien kann man auch nicht die Pro­ble­me lösen, die ihren Ursprung aus­schließ­lich in der Glau­bens­kri­se haben. Es geht nicht dar­um, mehr Leu­te für die Sakra­men­ten­ver­wal­tung zu rekru­tie­ren. Es ist eine spi­ri­tu­el­le und theo­lo­gi­sche Vor­be­rei­tung not­wen­dig, ein Ein­tre­ten in die Spi­ri­tua­li­tät der Apo­stel, indem den lai­zi­sti­schen Agen­tu­ren kein Gehör geschenkt wird, die zu vie­len Din­gen vie­le Rat­schlä­ge geben aus Grün­den, die in völ­li­gem Wider­spruch mit dem Auf­trag der Kir­che ste­hen. Es braucht Spi­ri­tua­li­tät nicht Verweltlichung.“

Die­se Ver­welt­li­chung in der Kir­che macht Kar­di­nal Mül­ler auch in der Art aus, wie sie sich der Öko-Ideo­lo­gie anbiedert:

„Die Kir­che gehört Jesus Chri­stus und hat das Evan­ge­li­um zu ver­kün­den und Hoff­nung auf das ewi­ge Leben zu schen­ken. Sie kann sich nicht zum Prot­ago­ni­sten irgend­ei­ner Ideo­lo­gie machen, weder der Gen­der-Theo­rie noch des Öko-Neu­hei­den­tums. Es ist gefähr­lich, wenn das geschieht.“

„Jesus hat Sein Leben für das Heil der Menschen gegeben, nicht des Planeten“ 

Der Kar­di­nal kri­ti­sier­te des­halb, daß im Instru­men­tum labo­ris von der „Mut­ter Erde“ die Rede ist. 

„Das ist ein heid­ni­scher Begriff. Die Erde wur­de von Gott geschaf­fen, und unse­re Mut­ter im Glau­ben ist die Kir­che. Wir sind durch den Glau­ben, die Hoff­nung und die Lie­be gerecht­fer­tigt, nicht durch den Umwelt-Akti­vis­mus. Die Bewah­rung der Schöp­fung ist wich­tig, denn wird Leben in einem von Gott gewoll­ten Gar­ten. Das ist aber nicht der ent­schei­den­de Punkt. Für uns ist Gott wich­ti­ger. Jesus hat Sein Leben für das Heil der Men­schen gege­ben, nicht des Planeten.“

In die­sem Sinn kri­ti­sier­te der Kar­di­nal, daß nicht nur die Main­stream-Medi­en, son­dern auch der Osser­va­to­re Roma­no am 25. Juli 2019 die abstru­se „Todes­an­zei­ge“ für den islän­di­schen Glet­scher Okjö­kull ver­öf­fent­lich­te und schrieb, daß für des­sen „Tod“ „wir alle ver­ant­wort­lich sind“. Mül­ler hält dem entgegen: 

„Jesus ist Mensch gewor­den und nicht ein Eiskristall.“

Klima-Hysterie im Osservatore Romano
Kli­ma-Hyste­rie im Osser­va­to­re Romano

„Gewiß, die Kir­che kann ihren Bei­trag lei­sten mit einer guten Ethik, mit der Sozi­al­leh­re und mit dem Lehr­amt, indem sie die anthro­po­lo­gi­schen Prin­zi­pi­en in Erin­ne­rung ruft. Die erste Mis­si­on der Kir­che ist aber Chri­stus, den Sohn Got­tes, zu ver­kün­den. Jesus hat dem Petrus nicht gesagt, sich um die Regie­rung des Römi­schen Rei­ches zu küm­mern oder mit dem Kai­ser in einen Dia­log zu tre­ten. Er blieb zu die­sem viel­mehr auf siche­re Distanz. Petrus war kein Freund des Hero­des oder des Pila­tus, son­dern hat das Mar­ty­ri­um erlit­ten. Die Zusam­men­ar­beit mit einer recht­mä­ßi­gen Regie­rung ist rich­tig, aber ohne zu ver­ges­sen, daß der Auf­trag des Petrus und sei­ner Nach­fol­ger dar­in besteht, alle Gläu­bi­gen im Glau­ben in Chri­stus zu einen, der nicht auf­ge­tra­gen hat, sich um die Was­ser­qua­li­tät des Jor­dans oder die Vege­ta­ti­on in Gali­läa zu kümmern.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: VaticanNews/​Il Foglio/​MiL/​Osservatore Roma­no (Screen­shots)

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